Zauberfee Line auf Entdeckungsreise

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Zauberfee Line auf Entdeckungsreise
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Monika Starzengruber

Zauberfee Line

Impressum

Texte: © Copyright by Monika Starzengruber

Umschlag: © Copyright by Monika Starzengruber

Zauberfee Line

auf Entdeckungsreise

Monika Starzengruber

Inhaltsverzeichnis

Das traurige Apfelbäumchen

Die unzufriedene Margerite

Klein Engelchen

Selbstverliebte Ahornblätter

Die Sonne

Waldwichtel Schabernack

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Das traurige Apfelbäumchen

Der Winter hatte seine Kraft verloren und dem Frühling Platz gemacht. Die Sonne schickte ihr wärmendes Strahlen über die ausgekühlte Erde. Das regte alle Pflanzen an in neu erwachter Energie zu sprießen und ihre entstehenden Knospen zu Blüten zu formen. Inmitten dieser erwachenden Natur schöpften die Menschen pure Lebensfreude. Die Tiere bereiteten sich mit Tatendrang auf Nachwuchs vor und bei alledem unterstützten die Vögel sie mit ihrem unermüdlichen Gesang. Pflanzen und Tiere erfüllten sich prachtvoll in harmonischem Einklang. Nur ein junges Apfelbäumchen, das inmitten eines Obstgartens stand, tanzte aus der Reihe und sah all die neu erwachte Schönheit nicht. Leise seufzte es vor sich hin: „Ach, ich unglücklicher, benachteiligter. Warum muss gerade mir das passieren, wie ungerecht das doch ist.“


Zauberfee Line befand sich gerade in der Nähe auf Erkundungsreise und hörte sein Klagen. Sie kam näher und tadelte: „Was sollen derartige Töne an so einem schönen Tag? Dir geht es doch gut. Stehst in der Sonne inmitten deiner Brüder auf nahrhaftem Boden. Dazu unterstützen dich Menschen, damit du gesund gedeihst. Du bist wirklich ein höchst unzufriedener Apfelbaum.“

Drauf seufzte das Bäumchen wieder und meinte: „Ja, siehst du das denn nicht? Alle neben mir sind in einem Meer von Blüten erstrahlt. Nur ich – ich allein stehe noch kahl und nackt da. Nur ein paar winzig grüne Blätter zieren meine dünnen Äste. Kein einziges Insekt interessiert sich für mich.“

Zauberfee Line sah sich um. Was das Bäumchen gesagt hatte, stimmte. Aber das bedeutete noch lange nichts Schlimmes. „Der Frühling ist noch nicht zu Ende, du hast weiterhin Zeit, Blütenknospen anzusetzen.“

„Das glaub ich nicht, wo ich voriges Jahr auch schon umsonst darauf gewartet habe.“

Line war trotzdem guter Dinge. „Wart ab, du wirst sehen, dieses Jahr wirst du nicht umsonst warten müssen.“

„Hoffentlich“, erwiderte das Bäumchen, indessen es sich bemühte, die Blüten der anderen neben sich nicht zu sehr anzustarren, damit es nicht noch trauriger wurde.

Zauberfee Line lächelte dem Bäumchen aufmunternd zu. Dann machte sie sich weiter auf den Weg ihrer Erkundungsreise. Schon ein Stück Weg hinter sich gelassen, drehte sie sich zu dem Bäumchen um und versprach ihm: „Ich sehe nach dir.“

Viele Wochen vergingen. Der Frühling hatte sich ausgetobt, wurde müde und es zeigte sich, dass der Sommer Einkehr halten wollte. Trotzdem stand das kleine Apfelbäumchen noch nackt und kahl inmitten der Obstplantage. Es war ganz verzagt geworden und sehr, sehr lebensüberdrüssig. „Ach käme bloß ein Mensch, der mich umschneidet“, seufzte es, „bestimmt wäre das nicht so schmerzvoll wie dieses zum Außenseiter abgestempelte dahinsiechen.“

Das Bäumchen war so traurig, dass es nicht mehr trauriger werden konnte. Die aufmunternden Zusprüche seiner Baumgenossen auf der Wiese hörte es längst nicht mehr. Zum Schluss hörte es sogar auf zu jammern, und stand nur mehr stumm, wie leblos da.

Zauberfee Line hatte das Bäumchen nicht vergessen und hielt ihr versprechen. Eines Tages stand sie vor ihm und fragte. „Wie ist es dir ergangen, Bäumchen?“

Das Bäumchen reagierte nicht.

Da meldeten sich die daneben Stehenden und riefen: „Am liebsten wäre es tot. Keine einzige Blüte hat es bekommen.“

Da bekam Line Mitleid mit dem Bäumchen. Sie überlegte, was sie machen könnte, um dem Baum seine Lebensfreude zurückzugeben. Wenn er anders war, als alle anderen, sich absonderte, indem er keine Blüten ansetzte, dann war das wohl sein Schicksal, dachte sie. Und bald wusste sie, wie sie dem Bäumchen helfen konnte, ohne dass sie in sein Schicksal zu sehr einzugreifen brauchte, denn das wollte sie auf keinen Fall. Aber damit musste sie warten, bis es dunkel wurde, da sie die Hilfe von Adminus brauchte. Einem Stern, der nur zu einer bestimmten Stunde in der Nacht seinen Sternenstaub verlor und weit über das Universum ausbreitete. Als die Nacht und die Stunde gekommen war, sah Zauberfee Line zum Himmel hoch, an die Stelle, wo Adminus seinen Lieblingsplatz hatte und bat: „Adminus, kannst du deinen Sternenstaub heute ausnahmsweise in meine Richtung pusten? Ich brauche nämlich ziemlich viel davon, weißt du?“


Und als Adminus gehört hatte, wofür Line seinen Staub benötigte, strengte er sich doppelt an und pustete, was das Zeug hielt. Zauberfee Line hielt ihren Zauberstab in seine Richtung hoch. Der Stab tat, wie von Line befohlen und zog in zauberhafter Weise den glänzend goldenen Sternenstaub magnetisch an. Seine Spitze verwandelte sich im Nu zu einem dicken Goldstaubknäuel. Und als Line fühlte, genug Sternenstaub gesammelt zu haben, schwenkte sie den Zauberstab ein paar Mal in der Luft hin und her, sodass die Sternenstaubschnur abriss und sich der überflüssige Staub wieder zurück in das Universum verflüchtigte.

Den Sternenstaub an ihrem Stab allerdings streute sie über das kleine Apfelbäumchen, sodass seine Krone schillernd golden zu glänzen begann. Line bewunderte ihr Werk ausreichend, war mit sich zufrieden und rief: „Vielen Dank, Adminus. Ohne dich hätte ich das nicht zustande gebracht.“

„Dir immer zu Diensten, kleine Line“, antwortete Adminus bescheiden. „Doch nun muss ich weiter, ich habe in dieser Nacht noch einen weiten Weg vor mir.“

Nächsten Morgen, als die Vögel den Tag einsangen, wehte der Wind das erstaunte Raunen aller Bäume über die Obstplantage, das an Lautstärke zunahm, je länger es andauerte. Es wurde so laut, dass selbst das junge Obstbäumchen es nicht mehr ignorieren konnte, aus seiner Lethargie gerissen wurde und fragend um sich blickte. Und als es schließlich begriff, dass die Aufmerksamkeit aller auf der Wiese ihm galt, sah es an sich herunter und war er erst einmal überrascht.

„Ist mir statt der Blüten nun dieses goldene Kleid gewachsen?“, fragte es verunsichert und gar nicht glücklich.


Zauberfee Line war enttäuscht. „Ich dachte, ich mache dir damit eine Freude“, meinte sie.

„Du bist nett, ich danke dir. Der goldene Staub auf meinen Ästen ist schön. Er sieht aus wie die Strahlen der Sonne. Ich glänze und ...“

„Ja?“, fragte Line nach, weil das Bäumchen verstummt war.

„… und sehe ganz anders aus, als die anderen Apfelbäume.“

Line lachte. „Ist das nicht toll?“

„Anders ausgesehen als die anderen habe ich vorher auch. Was soll daran toll sein?“

„Du gefällst dir nicht?“

„Doch. Ja. Natürlich. Aber noch schöner wäre ich, wenn ich Blüten hätte, wie die Bäume neben mir.“

Line zog wegen der Undankbarkeit des Bäumchens ein wenig verärgert die Nase kraus.

„Sag, wenn du mir goldenen Staub schenken kannst, kannst du mir dann auch Blüten schenken?“

„Natürlich könnte ich, wenn ich wollte.“

„Willst du?“

Line zögerte. „Ich weiß nicht. Es hat alles seinen Sinn. Wenn du bis jetzt noch keine Blüten angesetzt hast, hat das auch seinen Sinn. Vielleicht ist es nicht gut für dich, so jung Blüten zu bekommen.“

„Warum soll das nicht für mich gut sein? Das ist doch meine Bestimmung.“

Diese Worte überzeugte Line auch nicht. Doch das Apfelbäumchen sah so traurig drein, dass sie ihren Zauberstab ein paar Mal in der Luft kreiste und Sekunden darauf war das Bäumchen in wundersamer Weise voll von weiß-rosa Blüten. Ein erfreuter Aufschrei aller ging über die Obstbaumwiese, als sie dieses Wunder miterlebten. Fassungslos sah das kleine Obstbäumchen an sich herunter. Und als sich Sekunden später die ersten Bienen einstellten, um den köstlichen Nektar seiner Blüten zu trinken, schrie es juchzend: „Danke, danke du gütige, wunderbare Freundin. Du hast mir das Leben gerettet, ich bin ja soooo glücklich, das glücklichste Bäumchen der Welt!“

Zauberfee Line freute sich mit dem kleinen Baum. Aber nur kurz, denn sie wusste, sie musste dem Bäumchen etwas beichten, was ihm nicht gefallen würde. Doch das hatte Zeit. Zumindest bis zum Abend wollte sie dem Bäumchen seine Freude lassen.

 

„Juhuuu“, schrie das Bäumchen, „ich bin ein richtiger Apfelbaum!“

Den restlichen Tag verbrachte das Apfelbäumchen damit, indem es mit hunderten Insekten, die es mit seinem Blütenduft anlockte, Freundschaft schloss. Es nahm teil an den Geschehnissen der anderen Bäume auf der Wiese und freute sich des Lebens. Und als schließlich die Nacht einsetzte, war es zum ersten Mal so richtig müde geworden. Gesund müde.

„Du wirst sehen, liebste Freundin, bald habe ich viele Äpfel an meinen Ästen. Wie ich mich darauf freue“, schwärmte das Bäumchen Line vor.

Die druckste herum, wollte nicht recht herausrücken mit der Sprache. Schließlich gab sie sich einen Ruck und antwortete: „Das wird wahrscheinlich so nicht kommen, Bäumchen.“

„Doch, wird es, du wirst sehen. Die Blüte wächst zur Frucht, das weiß doch jeder Baum.“

„Im Normalfall schon, aber in deinem ...“

Da stutzte das Apfelbäumchen und fragte: „Was soll das heißen?“

„Na ja, wie soll ich es sagen ...“

Nun bekam das Bäumchen Angst. „Was wird mit mir geschehen? Ist es sehr schlimm?“ Würde es gar bestraft werden für seinen Wunsch, früher Blüten ansetzen zu wollen, als die Natur es dafür ausersehen hatte?

Line winkte beruhigend ab. „Nichts wird dir geschehen. Du wirst nur bald wieder aussehen, wie vorher, das ist alles.“

Das Bäumchen verstand das nicht.

„Weißt du, in meinen Zauberkünsten bin ich noch nicht sehr gefestigt. Ich benötige noch viel Übung, bis ich soweit bin, dass meine Zaubereien ewig anhalten. Deine Blüten werden bald verschwunden sein, denke ich.“

Oh je. „Und wie lange werde ich mich an meinen Blüten noch erfreuen können?“

Line überlegte. „Hm. Das kann ich nicht genau sagen. Aber die Sonne werden sie wohl nicht mehr sehen.“ Das wusste sie aus Erfahrung.

Das Bäumchen schwieg betroffen.

„Bist du jetzt sehr traurig?“

„Na ja, freilich, schon.“

Aber vielleicht irrte sich die Fee ja und ihre Zauberei würde gerade bei ihm ewig anhalten, hoffte das Bäumchen.

Obwohl das Apfelbäumchen es sehnlichst nicht wünschte, trafen die Voraussagungen von Zauberfee Line ein. Nächsten Morgen stand es unter allen anderen wieder so kahl da, wie vorher. Den Vorschlag der Zauberfee, nochmals durch Zauber Blüten zu erhalten, lehnte das Bäumchen dankend ab. Eine Blüte diente dazu, Frucht hervorzubringen. Wie aber sollte eine Blüte Frucht hervorbringen, wenn sie täglich aufs Neue verschwand?

Den ganzen blühenden Frühling über konnte das Apfelbäumchen sich aus seiner Traurigkeit nicht mehr erholen, nun doch anders zu sein, als alle anderen Bäume.

Erst im Sommer, als die umherstehenden Bäume ihre Blüten verloren hatten, und das kleine Bäumchen sich nicht mehr groß von den anderen unterschied, ging es ihm besser. Schlimmer wurde sein Gemütszustand erst wieder, als es mit ansehen musste, wie sie auf ihren Ästen Früchte ansetzten und einen saftigen Apfel nach dem anderen hervorbrachten. Daneben selbst so gar nichts machend kam sich das kleine Apfelbäumchen nutzlos vor. Nicht nur, dass es keine Insekten mit Blütenstaub ernähren konnte, so war es noch weniger in der Lage Würmer mit seinen Früchten zu sättigen, geschweige den Menschen.

„Warum muss gerade mir das passieren“, jammerte das Bäumchen wieder verzweifelt. Und als der Bauer mit seinem Gehilfen vorbei kam, ihn auf seinen Gesundheitszustand untersuchte, wünschte es, dass er die Säge nähme, um es abzuschneiden.

Zauberfee Line schnürte es ins Herz, den kleinen Baum so leiden zu sehen. Sie machte alles, was in ihrer Macht stand, um ihn zu ermutigen. Noch im Spätherbst, als alle Bäume ihre Blätter verloren hatten, weil der Winter vor der Tür stand, tröstete sie: „Du musst Geduld haben. Nächsten Frühling werden auch dir Blüten wachsen.“

„Es wird sich zeigen“, erwiderte das Bäumchen nur und richtete sich langsam aber allmählich ernsthaft für den langen Winterschlaf ein. Der kam ihm recht. Im Schlaf musste es wenigstens nicht traurig sein.

Zauberfee Line sang den Baum besänftigend und geduldig in seine winterliche Erstarrung. Dann machte sie sich auf nach Hause, in das Reich der Feen, wo ihre Schwestern lebten. Aber nicht ohne den Vorsatz, nächsten Frühling nach dem Bäumchen sehen zu wollen.

Der Winter ließ sich lange nicht vertreiben. Er wütete und tobte sich bitterkalt aus, als wüsste er von den Sorgen des Bäumchens und als würde er gerade deswegen seinen Schlaf verlängern wollen. Durch sein heftiges Toben verlor er immenses Potenzial und er musste, ob er wollte oder nicht, irgendwann seinem Nachfolger, dem Frühling, weichen. Monatelang in Ruhefase gewesen, löste der ihn nur zu gerne ab. Die Sonne trug das ihrige dazu bei, schickte ihr wärmendes Strahlen über die teilweise noch gefrorene Erde. Die Pflanzen unter ihr spürten ihre Wärme, sprossen in neu erwachter Energie und formten ihre Knospen allmählich zu bunten Blüten. Die Tiere schäumten über vor Lebensenergie und bereiteten sich mit Tatendrang auf Nachwuchs vor und bei alledem unterstützten die Vögel sie mit ihrem unermüdlichen Gesang. So emsig und so laut, dass schließlich auch das kleine Apfelbäumchen erwachte. Verschlafen sah es um sich, sah in ein Meer von Blüten seiner Standgenossen auf der Wiese und schon fiel ihm sein Leid des Vorjahres und dem Jahr davor und wieder davor ein. Es war drauf und dran erneut zu verzweifeln, als es eine ihm bekannte Stimme hörte: „Na, was sagst du dazu?“

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