Der Televisionär

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37 K. Kastan: »Wolfgang Menge im Gespräch«.

38 G. Gaus: »›Hauptsache, ich bin nicht zu Hause‹«, S. 669.

39 W. Menge: Sylt, 21. Juni 1987.

40 Menge, Wolfgang: interviewt von Gundolf S. Freyermuth, Bremen, 25. Juni 1987.

41 Vgl. B. Naumann: »Wolfgang Menge - in seinen Büchern«, S. 230.

42 The House on 92nd Street (USA 1945, R: Henry Hathaway). Der Film arbeitete mit Überwachungsfilmen, die das FBI vor dem Krieg vom Kommen und Gehen vor der Nazi-deutschen Botschaft angefertigt hatte.

43 Boomerang (USA 1947, R: Elia Kazan).

44 The Naked City (USA 1948, R: Jules Dassin).

45 In den USA besaßen 1955 bereits über 60 Prozent aller Haushalte ein TV-Gerät. Vgl. N.N.: »TV Basics Online«, in: Television Bureau of Advertising, Juni 2012, S. 2, http://docplayer.net/3706970-Tv-basics-updated-june-2012.html

46 W. Menge: Sylt, 21. Juni 1987.

47 Ebd. Vgl. auch: Müller-Neuhaus, Jörn: »The Tokyo Connection«, MG Kurier 2007.

48 W. Menge: Sylt, 21. Juni 1987.

49 Schenzinger, Karl Aloys: Der Hitlerjunge Quex, Berlin u.a.: Zeitgeschichte-Verlag 1936.

50 W. Menge: Sylt, 21. Juni 1987.

51 Vgl. Hagen, Wolfgang: »›Rednaxela dnu Nairda‹. Zu Wolfgang Menges Hörfunkanfängen«, in diesem Band S. 243-260.

52 Vgl. dazu Peters, Günter: »Stimmen im Dunkel. Momentaufnahmen zur Geschichte und Theorie des Hörspiels«, in: Kiefer, Bernd (Hg.), Das Gedächtnis der Schrift: Perspektiven der Komparatistik, Wiesbaden: Dt. Univ.-Verl. 2005, S. 183-232, hier S. 187ff.

53 W. Menge: Sylt, 21. Juni 1987. Vgl. auch W. Hagen: »›Rednaxela dnu Nairda‹.«, S. 252. Siehe dort auch das Foto aus der Redaktion S. 253.

54 W. Menge: Sylt, 21. Juni 1987.

55 K. Kastan: »Wolfgang Menge im Gespräch«.

56 N.N.: »Wolfgang Menge«, in: Munzinger Online, abgerufen am 16. Oktober 2006.

57 W. Menge: Sylt, 21. Juni 1987.

58 G. Gaus: »›Hauptsache, ich bin nicht zu Hause‹«, S. 670.

59 S. Hering: »›Nun steigen Sie doch endlich ein!‹«, S. 414.

60 S. Abb. 8, obere Reihe. Das rechte Foto zeigt Menges MG in Tokio.

61 S. Abb. 8, mittlere und untere Reihe v.l.n.r.: von Menge aufgenommene Hongkonger Straßenszene; Menge auf der Terrasse des Foreign Correspondents Club, das Hamburger Abendblatt lesend; Blick aus Menges Hongkonger Büro; Menge beim Schneider.

62 Vgl. Menge, Wolfgang: »Land des müden Lächelns. Ein Reisebericht«, in diesem Band S. 422-461.

63 Menge, Wolfgang: »Das Wiedersehen. Ein Hörspiel«, in diesem Band S.462-469.

64 Ebd., S. 468.

65 K. Kastan: »Wolfgang Menge im Gespräch«.

66 Menge, Marlies: E-Mail an den Vf., 05. August 2015.

67 Ebd.

68 W. Menge: Sylt, 21. Juni 1987.

69 Menge, Wolfgang: interviewt von Gundolf S. Freyermuth, Berlin, 20. Februar 2009.

70 Vgl. Schneidereit, Carmen: »Werkverzeichnis«, in diesem Band S. 688-752.

71 Menge, Wolfgang: »Land des müden Lächelns«, S. 423.

72 Ebd., S. 428.

73 Ebd., S. 434.

74 Ebd, S. 442.

75 W. Menge: Sylt, 21. Juni 1987.

76 M. Menge: 05. August 2015.

77 Hering, Sabine: E-Mail an den Vf., 09. März 2015.

78 M. Menge: 05. August 2015. Vgl. auch Wolfgang Menges Darstellung: »Kurz nachdem ich aus Asien zurückkam, habe ich geheiratet. Meine Frau hat aber Hamburg gehasst, sie stammte auch nicht von dort. Ich hatte soeben bei der Welt gekündigt, weil es dort damals große Umbrüche gegeben hat [...] und war nun quasi freischaffender Künstler. Ich habe für verschiedene Zeitungen gearbeitet und war daher mobil: Es war völlig egal, wo ich arbeitete [...]. Da sagte ich dann eben zu meiner Frau: ›Gut, dann ziehen wir halt meinetwegen nach Berlin.‹ Ich wollte zwar an sich in Hamburg oder zumindest in der Umgebung von Hamburg bleiben, aber sie konnte sich mit dieser Stadt nicht abfinden und mir war es letztlich dann doch egal, wo ich arbeitete.« (K. Kastan: »Wolfgang Menge im Gespräch«.)

79 Vgl. z. B. »Dem Zeitmagazin ist sein Rezept der ›Mousse au chocolat‹ zu entnehmen; in Capital begutachtet er die Bonner Gastronomie, und auch für Essen + Trinken macht er bisweilen den Vorkoster.« (Janke, Hans: »Unruhe stiften, aber unterhaltsam. Das Fernsehspiel-Porträt: Wolfgang Menge«, in: Medium 1977, S. 18-21, hier S. 18.)

80 Vgl. B. Naumann: »Wolfgang Menge - in seinen Büchern«, S. 232ff.

81 N. N.: »Kunden mit Rechtsdrall«, in: Der Spiegel, 04. Oktober 1971, S. 212-215, hier S. 212, http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43231001.html

82 Vgl. C. Schneidereit: »Werkverzeichnis«.

83 Wolfgang Menge schrieb den Ausspruch Randolph Churchill zu.

84 Dieser Teil beruht auf Freyermuth, Gundolf S.: »Kinojahre eines Televisio­närs. Wolfgang Menge zum 85. Geburtstag«, in: Film-Dienst, 9. April 2009, S. 12-14.

85 Böll, Heinrich: Billard um Halbzehn: Roman, Köln: Kiepenheuer & Witsch 1959; Grass, Günter: Die Blechtrommel: Roman, Darmstadt u.a.: Luchterhand 1959; Johnson, Uwe: Mutmaßungen über Jacob: Roman, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1959.

86 Vgl. N. N.: »60 Jahre FSK: 1949-2009«, in: Freiwillige Selbstkontrolle 2009, S. 6, https://www.spio-fsk.de/media_content/956.pdf

87 Wir Wunderkinder (D 1959, R: Kurt Hoffmann), Hunde, wollt ihr ewig leben (D 1959, R: Frank Wisbar), Die Brücke (D 1959, R: Bernhard Wicki).

88 W. Menge: Berlin, 20. Februar 2009.

89 Ebd. – Um welchen Film es sich handelte, erinnerte Wolfgang Menge nicht mehr.

90 Konsalik, Heinz Günther: Strafbataillon 999, München: Kindler 1959.

91 W. Menge: Berlin, 20. Februar 2009.

92 Strafbataillon 999 (D 1960, R: Harald Philip).

93 Wallace, Edgar: The Crimson Circle, Garden City, N.Y.,: Doubleday, Doran & Company 1929.

94 W. Menge: Berlin, 20. Februar 2009.

95 Der Frosch mit der Maske (D 1959, R: Harald Reinl), Der Rote Kreis (D 1960, R: Jürgen Roland).

96 Der grüne Bogenschütze (D 1961, R: Jürgen Roland).

97 Ritzer, Ivo: »Modulation und Hybridität: Präfigurationen einer postklassischen Medienkultur in den Edgar Wallace-Filmen von Wolfgang Menge«, in diesem Band S. 261-284, hier S. 264.

 

98 Ebd., S. 277, Anm. 17, und S. 280..

99 Ebd., S. 280.

100 N. N.: »Werkschau Wolfgang Menge«, in: Cologne Conference 2002, S. 52.

101 Mann im Schatten (A 1961, R: Arthur Maria Rabenalt).

102 W. Menge: Berlin, 20. Februar 2009. Vgl. auch: »In Wien bin ich dann durch Qualtinger nirgendwo hingekommen, ich musste immer in die Kneipen gehen nachts. Der fing ja an, Kneipen zu besuchen, wenn die Stühle auf den Tisch gestellt wurden.«

103 Ebd.

104 Achtung! Feind hört mit (D 1940, R: Arthur Maria Rabenalt).

105 Polizeirevier Davidswache (D 1964, R: Jürgen Roland).

106 W. Menge: Berlin, 20. Februar 2009.

107 N. N.: »Neu in Deutschland: Polizeirevier Davidswache«, in: Der Spiegel, 23. September 1964, S. 134, http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46175619.html

108 Vgl. unten S. 110ff.

109 W. Menge: Berlin, 20. Februar 2009.

110 Der Partyphotograph (D 1968, R: Hans-Dieter Bove), Ich bin ein Elefant, Madame (D 1969, R: Peter Zadek), Das Traumhaus (D 1979, R: Ulrich Schamoni).

111 N. N.: »60 Jahre FSK: 1949-2009«.

112 W. Menge: Berlin, 20. Februar 2009.

113 Zitiert nach Prinzler, Hans Helmut: Chronik des deutschen Films: 1895 - 1994, Stuttgart: Metzler 1995, S. 234.

114 Ich bin ein Elefant, Madame (D 1969, R: Peter Zadek).

115 W. Menge: Berlin, 20. Februar 2009.

116 N. N.: »Werkschau Wolfgang Menge«, S. 53.

117 W. Menge: Berlin, 20. Februar 2009. – Mitte der achtziger Jahre schrieb Menge noch das Drehbuch Bananas – Die Flick-Affäre für den Wallace-Winnetou-Produzenten Horst Wendlandt. Die semi-dokumentarische Aufarbeitung des Partei­spenden-Skandals, der die politische Elite der Bundesrepublik Anfang der 1980er Jahre erschütterte, hatte den ermittelnden Steuerfahnder Klaus Förster zum Helden. Aus rechtlichen wie politischen Gründen blieb Bananas jedoch als erstes Drehbuch in Menges Karriere unverfilmt: »Das Buch ist seit Dezember 1986 fertig. Abgenommen und bezahlt. [...] Es hat zufällig ein Redakteur vom WDR gesehen, hat sofort gesagt, er will Ko-Produktion machen. Das war im Januar. [...] Und jetzt liegt es seitdem bei den Juristen.« (W. Menge: Sylt, 21. Juni 1987.)

II Im Fernsehen der 1950er und 1960er Jahre: Verbrechen und Politik

Als Wolfgang Menge Ende der 1950er Jahre vom Print- und Radio-Journalisten zum Drehbuchautor wurde, war der Tonfilm gerade ein Vierteljahrhundert alt und damit so jung wie gegenwärtig das WWW oder hyperrealistisch anmutende digitale Spiele. Das Fernsehen als reguläres Produktions- und Di­stri­bu­tions­system für audiovisuelle Inhalte war jedoch, zumindest in Deutschland, noch jünger – jünger gar als YouTube heute.

1 Zur Geschichte der Television: Anfänge

Die Implementierung des Fernsehens als Massenmedium erstreckte sich über ein gutes halbes Jahrhundert. Experimentelle und semi-reguläre Übertragungen von Bild und Ton begannen in den USA 1928, in Großbritannien 1929 und in Deutschland 1935.1 Während des Zweiten Weltkriegs wurden nahezu alle TV-Experimente zugunsten der Kriegsanstrengungen unterbrochen.2 Ein regulärer Sendebetrieb setzte dann in der Bundesrepublik wie in der DDR Ende 1952 ein. Damit mündete die Television, die bis dahin primär ein technisches Experiment gewesen war, in ein ungemein erfolgreiches soziales Experiment.

Als mediales Dispositiv war analoges Fernsehen technisch um die Kathodenröhre in Kameras und Empfangsgeräten zentriert: In der Regel wurden analoge Röhrenkameras vor realem Geschehen platziert, ob dieses nun wie Fußballspiele oder Parlamentsdebatten ohnehin stattfand oder wie TV-Shows oder Sitcoms eigens für die geplante Übertragung inszeniert wurde. Der Zeitpunkt dieser Versendung mittels modulierter elektromagnetischer Wellen für potentiell massenhaften Empfang (Rundfunk beziehungsweise broadcast) wurde rechtzeitig als Teil des ›Programms‹ annonciert, so dass sich die interessierten Teile des Massenpublikums vor den ebenfalls mit einer Kathodenröhre bestückten Empfangsgeräten einfinden konnten. Die Ankündigung geschah über populäre Printmedien, vor allem in der Tagespresse sowie über spezielle Rundfunk- und Fernsehzeitschriften. Die audiovisuellen Inhalte wurden dann im Augenblick ihres Geschehens beziehungsweise ihrer Aufnahme versendet und waren innerhalb des Sendegebiets – der Reichweite der Rundfunk-Übertragung – frei, d.h. technisch unverschlüsselt zu empfangen. Das Fernsehen der frühen Jahre erlaubte so Individuen, vom eigenen Wohnzimmer aus in Bild und Ton an Ereignissen in Echtzeit zu partizipieren, wie es zuvor nur über eine persönliche Präsenz kollektiv in öffentlichen Räumen wie Theatern, Kinos, Stadien möglich gewesen war. Eine direkte Aufzeichnung des Gesendeten war zunächst weder für Sender noch Empfänger möglich.3 Auch ein Rückkanal existierte nicht.4

Gesellschaftlich eingebunden war das Fernsehen von Anfang an in juristische und ökonomische Strukturen, die wesentlich auf denen basierten, die sich im Kontext des älteren Rundfunk-Mediums Radio entwickelt hatten. Dementsprechend differierte die gesellschaftliche Organisation und kulturelle Orientierung sehr stark zwischen den Nationen und politischen Systemen. Zu unterscheiden sind in den ersten Jahrzehnten der Television vor allem drei grundsätzliche Strukturierungen:

 die Nutzung unter direkter staatlicher Kontrolle und Finanzierung primär zu Propaganda- und Unterhaltungszwecken in nicht-demokratisch verfassten Gesellschaften; insbesondere in den Ländern des kommunistischen Ostblocks;

 die kommerzielle, gewinnorientierte Nutzung primär zu Unterhaltungszwecken innerhalb demokratisch legitimierter technischer wie kultureller Regulierung, finanziert über Werbung; insbesondere in den USA;

 die öffentlich-rechtliche Nutzung (public service) primär zu Zwecken politisch und wirtschaftlich möglichst unabhängiger Information und Unterhaltung innerhalb demokratisch legitimierter technischer wie kultureller Regulierung, finanziert über Rundfunkgebühren; insbesondere in Großbritannien.

Als in der jungen, im Mai 1949 gegründeten Bundesrepublik Deutschland die Organisation des neuen Mediums Fernsehen in Angriff genommen wurde, geschah das mit einer gewissen Zwangsläufigkeit innerhalb des öffentlich-rechtlichen Systems, wie es die westlichen Besatzungsmächte bereits für das Radio etabliert hatten, und im Rahmen der föderalen Strukturen, die 1950 mit der Gründung der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (ARD) entstanden waren. Nachdem am ersten Weihnachtstag 1952 der reguläre Sendebetrieb eingesetzt hatte – mit nur zwei Stunden Programm täglich zwischen 20 und 22 Uhr –, verlief der Aufstieg des Fernsehens schneller als der jedes anderen Mediums zuvor: Obwohl ein Fernsehgerät mit rund 1000 D-Mark zwei bis drei durchschnittliche Monatsgehälter verschlang, sollten bis zum Ende des Jahrzehnts 3,4 Millionen der grauen, zunächst nur 22 mal 22 Zentimeter großen Bildschirme zum Empfang angemeldet sein.5 Zuschauer jedoch gab es um ein Vielfaches mehr. Denn nicht nur schaute meist die ganze Familie, ein nicht geringer Teil dieser ersten Fernseher lief auch in Lokalen und anderen halb-öffentlichen Räumen.


Im Alltag des Wiederaufbaus wirkte der Fernsehschirm wie ein technisch eröffnetes zusätzliches Fenster auf neue Realitäten. Vorrangiges Ziel des öffentlich-rechtlichen Fernsehens war es, sowohl demokratische Werte als auch westeuropäische Positionen im Kalten Krieg zu vermitteln. Zweifelsfrei stiftete die Television bald mehr als jedes andere Medium bundesdeutsche Identität. Inhaltlich setzte sich das Fernsehprogramm – wie in den meisten Ländern – zu einem hohen Teil aus Darbietungen zusammen, die anderen Medien entstammten. Zum Ersten waren Live-Übertragungen von Theater- und Opernaufführungen, von Ballett- oder Kabarettabenden, von sportlichen oder politischen Ereignissen an der Tagesordnung.6 Zum Zweiten strahlten die Sender eine Vielzahl älterer Spielfilme aus. In den 1950er Jahren avancierte das Fernsehen weltweit so zum ersten Kinomuseum: Es ermöglichte ein Wiedersehen mit Tausenden filmischer Werke, die bis dahin in den Archiven der Studios unzugänglich lagerten. Zum Dritten wurde eine Reihe informativer und unterhaltender Radiosendungen – etwa Werner Höfers legendärer Internationaler Frühschoppen – relativ unverändert ins Fernsehen übernommen.


Fernsehspezifische Formen wie Krimi- und Familienserien, Fernsehspiele und Talkshows bildeten sich erst allmählich aus. Mit über 100 Drehbüchern für TV-Serien und Fernsehspiele wie auch als erratischer Talkshow-Moderator leistete Wolfgang Menge dafür Bahnbrechendes.

2 Spiel mit seriellem Verbrechen: Von Stahlnetz zu Tatort

Zum Fernsehen gelangte Wolfgang Menge, nachdem er 1957 aus Asien zurückgekehrt war, auf zwei voneinander recht unabhängigen Wegen, wie er im Rückblick selbst analysierte: einmal vom Journalismus und einmal von der Literatur herkommend.7 Der erste Einstieg begann im Funkhaus an der Hamburger Rothenbaumchaussee. In der Kantine traf er einen alten Bekannten, Jürgen Roland, ein Jahr jünger als Menge. Nach einer Schulung beim BBC arbeitete Roland seit 1950 als Radioreporter. Seit 1953 betreute er zusätzlich die journalistische Fernsehsendung Der Polizeibericht meldet ...8 Die Reihe lief jedoch nicht sonderlich gut. Roland bat Menge um Hilfe:

»Der sagte: Hör mal zu, du hast doch früher immer solche Tatsachenberichte geschrieben, über Morde und so. Ich habe hier eine Sendung, die wollen die mir abwürgen [...] Kannst du mir da nicht irgendwas [schreiben]?«9 – »Da hab ich gesagt ... weil ich schon als Reporter gelernt hatte ... mit Dialogen in Reportagen zu arbeiten [...]: Du musst nicht einfach so trocken erzählen, du musst das mit Dialogen machen, mit Schauspielern. Und dann haben wir das gemacht, das war, glaube ich, sieben oder acht Minuten lang, [...] um ihm zu zeigen, was ich meine.«10

Das Prinzip – die Ersetzung loser Folgen von Einzelmeldungen durch längere Tatsachenberichte mit eingefügten Spielszenen – hatte Erfolg. Die Sendung erhielt mehr Zeit und auch einen neuen Namen: Stahlnetz.11 Der Weg aus dem Journalismus in fiktionale bzw. faktionale Spielformen, der Wolfgang Menges gesamte Karriere in den audiovisuellen Medien prägen sollte, war zum ersten Mal vollzogen. Ein Jahrzehnt lang sollte er nun als alleiniger Autor die erste deutsche Fernsehkrimi-Serie schreiben: Die Auftakt-Folge wurde im März 1958 ausgestrahlt, die letzte im März 1968.12 »Und irgendwann habe ich mir auch einen Fernsehapparat gekauft und diese Dinge angesehen.«13


Neben Jürgen Rolands Hintergrund journalistischer Fernsehreportagen und Wolfgang Menges Erfahrungen mit angelsächsischen Print-Reportagen hatte Stahlnetz freilich noch eine dritte Quelle: die populäre amerikanische Kriminalserie Dragnet, die von 1949-1957 für das Radio und von 1951-1959 für das Fernsehen produziert wurde14 und von der Menge vermutlich einige Folgen in Hongkong gehört und gesehen hatte. Von Dragnet übernahmen er und Roland nicht nur den eingedeutschten Namen und die prägnante Titelmelodie, sondern auch das zentrale Stilmittel der Voice-Over-Erzählung, dessen Ursprung im Radio wie im Film Noir lag, sowie die ausdrückliche Betonung des Authentischen im Vorspann. Die Sätze »Ladies and gentlemen: the story you are about to see is true. Only the names have been changed to protect the innocent« des amerikanischen Originals verwandelten sich in der deutschen Version zur Schrifttafel: »Dieser Fall ist wahr. Er hat sich so zugetragen[,] wie wir es zeigen.« [Abb. 2]

 

Darüber hinaus hatte Stahlnetz mit Dragnet allerdings wenig gemeinsam. Die deutsche Serie zeigte die Verbrechensermittlung, nicht zuletzt ihrem dokumentarischen Ansatz folgend, als eine eher gemächliche und weitgehend unspektakuläre Tätigkeit ganz normaler Beamter. Dass die ermittelnden Kommissare in der Regel auch die Erzähler aus dem OFF waren, verstärkte die staatstragende Perspektive. Christiane Hartmann spricht gar von einer »erzieherische[n] Absicht der Reihe: Es galt, das während der noch nicht lange zurückliegenden NS-Zeit erschütterte Vertrauen in die Ordnungsmacht Polizei wieder herzustellen.«15 Indirekt bestätigte Wolfgang Menge diese Sicht, indem er kurz nach Ende der Serie einräumte, dass er die vermeintlich berichteten Tatsachen den erzählerischen Anforderungen einer Kriminalhandlung durchaus angepasst hatte:


»[ ... ] dokumentarisch war es dennoch nicht ganz, weil ich oft was verändern mußte. Schon weil die Polizei unvermeidlich oft und das weiß sie hinterher dann auch besser, Fehler macht. Und wenn ich die komplett zeigen würde, würden sich die Leute totlachen. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden, aber es hätte dem Sinn der Sendung nicht unbedingt entsprochen.«16


Im Vergleich mit durchschnittlichen Kinofilmen, wie sie dem TV-Publikum vertraut waren, fielen die billigen NDR-Fernsehproduktionen zwar ästhetisch eher bescheiden aus; zumal in den ersten Jahren. Um aber die behauptete faktische Authentizität auch als ästhetische Anmutung herzustellen, experimentierten Menge und Roland mit zwei sehr unterschiedlichen und in der Kombination ungewöhnlichen Stilmitteln: einerseits mit einer Verwendung dokumentarischer Aufnahmen inmitten inszenierten Materials, andererseits mit einer an die Kriminalwelten des Film Noir gemahnenden Mise en Scène.17 [Abb. 3] Die Spielszenen prägte Menges spezifische Lakonik. Sein Stahlnetz-Stil, schrieb ein Kritiker 1962, zeichnete

»sich durch dokumentarische Nüchternheit, durch genau nuancierte Alltäglichkeit, durch einen trockenen Realismus aus, der seine Wirkung tat dank weitgehendem Verzicht auf Pathos. Menge rekonstruierte Fälle aus der Arbeit der Kriminalpolizei für den Bildschirm, ohne je sich der Gefahr auszusetzen, ein Kriminalstück zu schreiben; seine Menschen waren beiläufig, aber treffend charakterisiert, was sie sagten, war ein sehr umsichtiger Wortwechsel mit der Wirklichkeit.«18


Gerade in der Rohheit und Aggressivität seiner Stilmischung wirkte Stahlnetz im Fernsehen der frühen Jahre spektakulär.19 Bei nicht wenigen Folgen waren denn auch um die 90 Prozent aller bundesdeutschen TV-Apparate angeschaltet.20 Dennoch kam die ebenso fruchtbare wie erfolgreiche Kollaboration von Wolfgang Menge und Jürgen Roland, die neben den Stahlnetz-Folgen ja auch mehrere Spielfilme produziert hatte, in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre zu ihrem Ende.21

Als Nachfolgeprojekt entwickelte und schrieb Menge zwischen 1969 und 1972 für den WDR – parallel zu mehreren, heute klassischen Fernsehspielen22 – eine neue Krimireihe. Ihr Held sollte ein Zollfahnder namens Kressin werden. Gleichzeitig schlug – als Reaktion auf die vom ZDF erfolgreich etablierte Krimiserie Der Kommissar (1968-1975) – der WDR-Redakteur Gunther Witte der ARD vor, eine föderal strukturierte Krimi-Reihe zu entwickeln. In dieses neue Tatort-Format wurde Menges Zollfahnder dann integriert. Der erste Fall Kressin und der tote Mann im Fleet23 lief im Januar 1971 als zweite Tatort-Folge.24 Zu diesem Zeitpunkt stand jedoch bereits fest, dass Menge die Kressin-Reihe auf Grund eines Konflikts um den Hauptdarsteller nicht fortführen würde:

»Wir fragten uns, wer ihn spielen könnte. Wir einigten uns dann beim WDR auf Heinz Bennent: Für mich war das so eine Art deutscher Steve McQueen-Typ. Ich habe daraufhin vier Bücher geschrieben, für die vier Regisseure ausgesucht worden sind. Das waren Peter Beauvais, Tom Toelle usw. Das waren alles Leute, mit denen ich gerne gearbeitet habe. Einer von den vieren hat aber gesagt: ›Nein, mit Bennent auf keinen Fall!‹ Da ging dann die Suche los. Man einigte sich dann aber auf einen Schauspieler, der für mich wirklich das Gegenteil von Heinz Bennent war. Da habe ich dann gesagt: ›Ne, dafür mag ich nicht arbeiten.‹ Ich weiß, dass ich noch ein fünftes Drehbuch geschrieben habe, aber dann war Schluss, weil ich zu dieser Figur einfach nichts mehr schreiben wollte: Das ging nicht.«25

In der Folge verfasste Menge noch zwei weitere Tatort-Drehbücher für den SDR und um dessen Kriminalhauptkommissar Eugen Lutz.26 Gefährliche Wanzen, ein Fall von Wirtschaftskriminalität, ausgestrahlt im September 1974, sollte dann die letzte Folge eines TV-Krimis werden, die nach einem Drehbuch von Wolfgang Menge entstand. [Abb. 4] Nach anderthalb Jahrzehnten hatte der Autor das Interesse an dem Thema und der Form verloren, die ihn einst zu Fernsehen wie Film gebracht hatten.


Im Rückblick lässt sich deutlich erkennen, wie um 1965 – nach Menges Kinospielfilm Polizeirevier Davidswache und im Kontext der Politisierung des bundesdeutschen Diskurses, von der Studentenrevolte über die große Koalition bis zur ersten bundesdeutschen SPD-Regierung und ihrer neuen Ostpolitik – (unpolitische) Verbrechen und ihre Aufklärung ihm als Gegenstand seiner Drehbucharbeiten immer weniger genügten. Zudem äußerte sich in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre ein immer deutlicherer Wille zur auch formalen Innovation. Menge selbst erklärte ihn einmal mit Langeweile. Auf die Frage, was ihn gereizt habe, unentwegt neue Erzählformen und auch TV-Formate auszuprobieren, antwortete er:

»Ich glaube nicht, dass das die richtige Frage ist. Ich glaube eher, dass es umgekehrt ist: Warum machen Sie die alten Sachen nicht mehr? Also, wenn man irgend etwas gemacht hat, das langt einem dann bald. Die Variationsmöglichkeiten sind gering. Andererseits möchte ich im Fernsehen ungern etwas machen, was ich mir nicht selbst ansehen würde, wenn es ein anderer gemacht hätte.«27

Als Menge 1973/74 seinen letzten Tatort schrieb, war er denn auch bereits mit anderen Themen und Formen zu nationaler Berühmtheit gelangt: zum Ersten als Autor preisgekrönter politischer Szenarios,28 zum Zweiten als Autor einer ungemein erfolgreichen Polit-Sitcom,29 zum dritten als Talkshow-Moderator.30

Einmal jedoch sollte er noch einen Kriminalstoff bearbeiten, allerdings nicht innerhalb der Kriminalserien-Form, sondern als Fernsehkomödie mit deutlichen politischen Implikationen. Vier gegen die Bank,31 eine Adaptation von Ralph Maloneys Roman The Nixon Recession Caper,32 erzählte – als »punktgenaue Satire auf Wohlstand und Übersättigung der 70er Jahre«33 – die Geschichte vier einst erfolgreicher Männer aus der München-Starnbergschen High Society. [Abb. 5] Von der wirtschaftlichen Rezession der frühen siebziger Jahre hart getroffen, können sie den Lebensstandard ihrer Familien nur aufrechterhalten, indem sie eine Bank überfallen. Diese von Wolfgang Petersen mit hervorragenden Schauspielern glänzend inszenierte Kriminalkomödie, in der die Täter selbstredend ungeschoren davonkommen, hatte jedoch bereits mehr als mit den an Verbrechen und ihrer Aufklärung interessierten Stahlnetz- oder Tatort-Folgen mit den Sitcoms und Kabarett-Texten zu tun, die ihr Autor zur gleichen Zeit verfasste.


3 Spiel mit verbrecherischer Politik:

Von Begründung eines Urteils zu Fragestunde

Ein zweiter und gänzlich anderer Einstieg ins Fernsehen ergab sich für Wolfgang Menge wenige Jahre nach Beginn der Stahlnetz-Reihe über den Umweg des Theaters (und bei einem anderen Sender). Menge war mit Klaus Kammer befreundet: »Das war wahrscheinlich der begnadetste Schauspieler nach dem Kriege.«34 [Abb. 6] Als Menge 1954 von Berlin aus nach Ost-Asien ging, erhielt Kammer gerade ein Engagement von Boleslaw Barlog, dem Generalintendanten der Staatlichen Schauspielbühnen Berlins, und war froh, Menges Wohnung übernehmen zu können. Ende der fünfziger Jahre sah Kammer dann im Fernsehen die ersten Stahlnetz-Folgen:

»Der Klaus sagte, ›Du musst ein Theaterstück schreiben für mich‹, und hat solange auf mich eingeredet, bis ich es wirklich gemacht habe.«35 – »Er kam auch jeden Tag zu mir rausgefahren und las mir vor, was ich geschrieben hatte – und da habe ich gemerkt, dass man immer viel zu viel schreibt. Also manchmal ist von einer Seite ein Satz übriggeblieben, weil ich merkte, das können die so. Ein Schauspieler – da muss man nicht alles aufschreiben.«36

Anfang November 1962 wurde Menges Stück, der an Arthur Schnitzlers Frühwerk gemahnende Zweiakter Zeitvertreib, an der Berliner Tribüne uraufgeführt [Abb. 7]. Die Hauptrollen spielten Brigitte Grothum und Michael Degen.37 Menge schrieb damals: »Das allein Ungewöhnliche an meinem Stück scheint mir die Gewöhnlichkeit des Themas zu sein. In diesem Sinne ist es exzentrisch.«38 Die Handlung skizzierte er später so:

»Das war für damalige Verhältnisse ein ungewöhnlich unmoralisches Stück, eine Liebesgeschichte, wenn man so will. [...] Ein Junggeselle kommt nach Haus, ruft ein paar Freunde an, macht sich ein paar Stullen. Es klingelt an der Tür, ist ein Mädchen da und fragt nach seinem Nachbarn auf der Etage, ein schicker Herr. Er sagt, kommen Sie doch einen Moment rein. Sie kommt rein, und in der [Theater-] Pause [zwischen den beiden Akten] bumst er die, und dann geht nachher das Gespräch ein bisschen weiter und dann kommt der andere und holt sie ab. Das war’s. Das Ding hieß Zeitvertreib und war für damalige Verhältnisse ein Schocker.«39

Die zeitgenössische Kritik war teils empört, teils hingerissen. Walther Karsch klagte im Tagesspiegel: »Ein unerquickliches Stück; doch leider ein Stück unserer Wirklichkeit.«40 Entsetzt reagierte auch Eva Stolz in der BZ: »Wolfgang Menge hat die Liebe beschrieben – so, wie sie heute in jeder Großstadt, in hunderten von kleinen, öden Junggesellenwohnungen Abend für Abend hundertfach betrieben wird: Stumm, lieblos, unmenschlich – ein grausiger Zeitvertreib.«41 Die FAZ verriss die Inszenierung bei gleichzeitigem Halblob für das Stück:

»Zeitvertreib ist eine Paraphrase über das Thema Langeweile, über das Thema Beziehungslosigkeit unter den Menschen, über das Thema der lustlosen Lust, nicht ›Liebe samt ihrer Langeweile‹, wie Marguerite Duras es einmal formuliert hat, wird vorgeführt, sondern Langeweile samt ihrer Liebe.”42

Friedrich Luft aber, Berlins bedeutendster Theaterkritiker, lobte im RIAS das »realistische Stück« uneingeschränkt:

»Ein Dialog zwischen zwei jungen Menschen, der immer aneinander vorbeigeht. [...] Dieser Autor hat den jungen Leuten von heute aufs Maul gesehen. Er kennt ihre Sprache. Und er kann sie so wiedergeben, ohne sie falsch zu steigern oder zu verzerren, daß man wirklich aufhorcht. Hier ist einer, der realistische Dialoge bezeichnend machen kann und das Geschwafel der Hilfslosigkeit stilbildend. Ich sage nicht, daß damit uns ein Genie geboren wäre. Aber ich finde, man soll anerkennen, daß hier jemand ohne Überheblichkeit und stilistische Tolldreistigkeiten einen Zustand, eine Redeweise, eine Verhaltensweise seiner Generation genau und zielsicher trifft. Wann hatten wir das zuletzt?”43


Der Berliner Uraufführung folgten weitere Inszenierungen, unter anderem in Hamburg und Nürnberg. Vor allem aber verschickte der Theaterverlag Felix Bloch Erben das Stück an mehrere Fernsehredaktionen. Die Reaktionen fielen aus, wie Menge sie erwartet hatte:

»Es wurde natürlich überall abgelehnt, auch im SDR. Aber der Leiter der Fernsehspielabteilung nahm sich zwei Bücher von den abgelehnten mit nach Hause und fand das fabelhaft. Und das wurde dann mein erstes Fernsehspiel. Das war der Müller-Freienfels.«44 [Abb. 8.]

In einer leicht entschärften Fassung wurde Zeitvertreib 1964 vom Süddeutschen Rundfunk produziert und in der ARD gesendet.45 Die Kombination der populären Stahlnetz-Erfolge mit seinem Debüt als Fernsehspielautor führte schließlich zu dem Anruf, der über Wolfgang Menges Karriere für die nächsten Jahrzehnte entscheiden sollte: Günter Rohrbach, gerade zum Fernsehspielchef des WDR ernannt, bat Wolfgang Menge zum Besuch nach Köln.

»Wir hatten damals noch gar keine richtigen Büros. Der WDR hatte alles schnell angemietet, das waren eigentlich Wohnungen, absolut spießige Wohnungen, schrecklich, abscheulich. Da stand also ein Sofa. Wolfgang Menge saß in der Mitte, ich ihm gegenüber. Auch Gunther Witte saß dabei. Und da gewann ich diesen Eindruck: Dieser Mensch, der da in unsere Kölner Provinz hinein kam, besaß eine Ausstrahlung!«46 – »Er sah, wie ich fand, verdammt gut aus und verströmte eine weltmännische, mein Vorurteil über den Habitus von Drehbuchautoren lebhaft dementierende Lässigkeit. [...] Er imponierte mir gewaltig. Das hatte zunächst weniger mit seinen schriftstellerischen Fähigkeiten zu tun, die ich ohnehin kaum kannte, sondern mit der Art, wie er sich bewegte, wie er sprach, wie er blitzschnell reagierte mit jenem angelsächsischen Witz, den er sich auf weiten Reise antrainiert hatte. Da saß er in unserem spießigen Anstaltsbüro, in dieser rheinischen Provinz, der Mann von Welt, das Hemd aus New York, der Pullover aus Schottland, die Pfeife aus London, ein bisschen Hamburg, ein bisschen Berlin und ganz viel Übersee.«47