Aus dem Leben meines Therapiehundes

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Aus dem Leben meines Therapiehundes
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Aus dem Leben meines Therapiehundes

Carola Käpernick

Impressum

Texte: Carola Käpernick

Umschlaggestaltung: Carola Käpernick

Bildquelle Eigene Bilder

Verlag: Selbstverlag über Epubli


Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Gewidmet meinem Hund Ulla, die eine würdige Nachfolgerin von Kira ist.

Ich fand heraus, dass einem in tiefen Kummer von der stillen, Hingebungsvollen Kameradschaft eines Hundes Kräfte zufließen, die einem keine andere Quelle spendet.

Doris Day

Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein…

Da versteh einer die Menschen. Sie nennen sich tierlieb, halten sich einen Hund, finden die Welpen - also mich - zum Quietschen süüüüüüßßßßß… Und trotzdem bin ich nun hier im Tierheim. Es ist November und arschkalt. Seit gestern sitze ich hier in diesem riesigen Haus mit kaputten Wänden – woher soll ich wissen, dass die Wände Zaun heißen und aus Maschendraht sind? Ich überlege, was ich falsch gemacht habe, warum man mich hierher gebracht hat. Noch mehr quält mich der Gedanke, ob es meinen Geschwistern ebenso ergangen ist wie mir. Nicht, dass es mir wirklich schlecht gegangen ist bisher. Aber meine Mutter und meine sieben Geschwister fehlen mir. Mama war immer so schön warm und ich konnte mich so toll unter ihr verstecken und mich an sie kuscheln. Neben mir sitzt ein anderer Welpe. Der guckt genau so bedröppelt rein wie ich und das obwohl wir nicht mal miteinander verwandt sind.

Weil es so eisig kalt ist, rutschen wir zwei ganz nah zusammen. Die Kappelei ums Futter macht mit meinem Kumpel weniger Spaß, als mit meinen Geschwistern. Aber das Kappeln lenkt vom Kummer ab. Also tollen wir eine Weile rum.

Gerade haben wir uns zum Mittagsschlaf hingelegt. Von ferne höre ich Stimmen. Das Gemurmel erinnert mich an die Zeiten als das Herrchen meiner Mutter uns stolz zeigte und von „fünf Euro Schwanzgeld“ redete. Schlagartig bin ich hellwach und schaue erwartungsvoll zur Tür. Ich weiß, dass es blöd ist, zur Tür zu schauen, wenn die Wand voller Löcher ist. Irgendwie ist es wohl Gewohnheit. Den einen Mann kenne ich, den mit der Glatze nicht. Wahrscheinlich wäre ich rechtzeitig weggelaufen, wenn ich es vor Angst und Staunen nicht vergessen hätte. So aber sehe ich dem Unheil direkt ins Gesicht.

Es beginnt wie immer. Ein Quietschen und der Ausruf: „Sind die süüüüüüüüüüßßßßßßßß!!!“ Komisch das Quietschen klingt gar nicht männlich. Um ehrlich zu sein, Männer quietschen auch nicht. Die finden uns auch nicht so süß. Die schauen uns in alle Körperöffnungen, um festzustellen ob wir gesund sind oder Würmer haben. Mistkerle die. Ok, vielleicht steckt unter der Glatze eine Frau? Wirklich zur Lösung des Problems komme ich aufgrund des Zeitmangels nicht. Ich werde nämlich gepackt und dem glatzköpfigen Gast auf den Arm gesetzt. Boah ist es schön warm hier und ich werde mal so richtig lieb geknuddelt. Aus lauter Dankbarkeit reibe ich meine Nase an ihrem Hals. Ja – es war eine Frau. Das erklärt zwar die Quietscherei, aber nicht die Frisur. Sehr lange währt die Freude und Dankbarkeit nicht. Die Frau kommt, um mich zu entführen. Vielleicht ist das nicht das Schlimmste, aber sie lässt mir vorher noch von dem Mann in alle Körperöffnungen schauen und gibt dem Typen „Schwanzgeld“. Warum nur hab ich mich nie dafür interessiert, was zum Teufel Schwanzgeld ist? Noch während ich darüber nachdenke, setzt mich die Frau in ein „Man-darf-Auto“ und wir fahren davon.

Das mit dem „Man-darf-Auto“ muss ich erklären. Als wir noch alle zusammen bei Mama waren, hat sie uns viele kleine Tricks verraten, die einem Hund das Leben erleichtern und unter Umständen auch verlängern können. Autos sind in zwei Kategorien einzuteilen, sagte Mama immer. Teure neue Autos mit Alufelgen und die „Man-darf-Autos“. Das sind alle anderen. Und „Man Darf“ heißt, da kann ein Hund getrost ran pinkeln. Es wird ihn weder das Leben kosten, noch geht eine Alarmanlage los. Dies gilt natürlich nur für männliche Hunde, für mich also nicht. Trotzdem habe ich mir die „Du-darfst-Theorie“ zu Eigen gemacht. Auch die Menschen scheinen diese Theorie zu kennen. Ich hab da mal was im Fernsehen gesehen. Allerdings verstehe ich bis heute nicht, wieso Menschen auf Margarine pinkeln wollen.

Mein Zeitgefühl ist nicht sehr ausgeprägt, aber es schien mir Ewigkeiten her zu sein, dass wir losfuhren. Nach dem Anhalten … Ich glaub es nicht. Ich glaub es doch. Ich glaube die Frau hat ans Auto gepisst. Ehrlich es hörte sich so an. Weil ich nicht genau wusste, wie ich reagieren soll, habe ich so getan als wenn ich schlafe. Kaum zu sagen, wie verwirrt ich war. Vor allem, als die Frau wieder kam und es im ganzen Auto nach Essen roch. Verdammt. Wenn es nach Essen riecht, kann ich nicht so tun, als würde ich schlafen. Also reckte ich den Hals. Zweimal verdammt. Ich sehe genau das, was ich auch rieche. Sabbernderweise beobachte ich die Frau, das Essen und die Hand, die das Essen hält. Ich vergesse zu atmen. Die Hand mit dem Essen kommt näher und näher und ich esse zum ersten Mal in meinem Leben eine Bockwurst. Sie schmeckt himmlisch, auch wenn die Frau behauptet - typisch Tankstellenbockwurst - viel zu lange im Wasser gelegen. Ich bin eben nicht so verwöhnt, jedenfalls noch nicht. In mir erwacht die Hoffnung, dass sich das ändern kann. Mit glänzenden Augen schaut die Frau mich an und faselt was von einer Aufgabe, die ich übernehmen soll. Und sie gibt mir einen Namen. Besser gesagt, den ersten Namen. Es soll sich rausstellen, dass mein Name häufiger und vor allem situationsbedingt wechselt. Vorerst heiße ich Kira. Das nehme ich nur nebenher zur Kenntnis. Mich beschäftigen die wirklich wichtigen Dinge des Lebens. Wissen die Metzger eigentlich, dass eine Bockwurst viel zu kurz ist? Warum gibt es Menschen die Vegetarier sind, wenn sie auf ganz legalem Weg an Bockwurst kommen könnten? Fragen über Fragen. Es geht weiter.

Der Weg ist das Ziel

Meine Ankunft im neuen Heim - über diesen Moment soll es später immer wieder Streit geben. Meine Entführerin ist der Meinung, dass sie mich mit ins Haus genommen hat, mich auf eine Treppe setzte und dann nach den Kindern rief, die oben waren und voller Freude auf mich zustürmten, als sie mich sahen. Die beiden Kinder sind der Meinung, dass ich in den Kofferraum gesperrt wurde und die Kinder beauftragt wurden, etwas aus dem Auto zu holen und mich dann sahen. Auch hier soll große Freude geherrscht haben. Wenn man mich fragt, so bin ich der Meinung, dass ich vor eine absolut niederträchtige Katze gesetzt wurde und mit der Ankunft in diesem Irrenhaus mein Überlebenskampf begann. Aber von Anfang an…

Ich wohne wieder in einem richtigen Haus. Die Menschen um mich rum sind wirklich nett. Scheinbar wissen sie nicht soviel über die richtige Fütterung von kleinen Hunden, denn ich darf alles Essen was ich will, wenn ich nur laut genug winsele oder sie gar nicht bekommen, dass ich was zu futtern gefunden habe. Es könnte alles perfekt sein, wenn ich das Haus nicht auch noch mit einer Katze teilen müsste.

Menschen haben seltsame Angewohnheiten. So nennen sie Tiere manchmal nach ihrem Essen. Die Katze hieß Mausi und mich nannten sie zwischendrin schon mal Schwein. Dabei war ich erst wenige Stunden im Haus. Aber zurück zur Katze. Eine Bestie ist nix dagegen. Es ist wirklich ein Jammer, dass kleine Hunde so wenig Autorität haben. Ich bellte die Katze an. Sie guckte ziemlich dämlich und putzte sich ihr seidiges Fell. Die grünen Augen spießten mich regelrecht auf, so spitze Blicke warf sie mir zu. Und die Menschen haben nichts Besseres zu tun, als auf mich einzureden. „Lass ja die Katze in Ruhe!“ Verdammt noch mal. Ich will ihr doch gar nichts tun. Ich will sie verjagen, weil ich schreckliche Angst vor ihr hab. Vor Schreck und Furcht pisele ich mal wieder in die Küche. Das hat mir gerade noch gefehlt. Schnell verkrümel ich mich in die gute Stube. Puh - das hat keiner mitgekriegt. Erstmal. Katzen sind unangenehme Zeitgenossen und sie neigen zum petzen. Kaum habe ich mich glanzvoll aus der Affäre gezogen, da stolziert die Katze laut miauend durch die Küche immer schön im Kreis und um meine Hinterlassenschaft herum. Von dem Geschrei der Katze angelockt kommt Marie in die Küche, sieht das Malheur und sagt zur Katze: „Du sollst doch nicht immer in die Wohnung strullen!“ Ich lache mir eins ins Pfötchen. Das war der Beginn einer wunderbaren Feindschaft.

Herby lebt auch noch in diesem verrücktem Haus. Und ich muss schon sagen - er passt hierhin. Hat man je von einem Zwergkaninchen gehört, dass ein Katzenklo benutzt? Herby hat schneeweißes Fell und riecht schrecklich appetitlich. Wenn ich schlafe, träume ich davon, wie ich Herby jage und ihn zur Strecke bringe. Das weiße Fell fliegt in Flocken auf und nieder und ich höre das Knirschen der Knochen zwischen meinen Zähnen… Huch - ich muss eingenickt sein.

Die vielen Eindrücke bei meiner Ankunft verwirren mich total. Hier leben Mensch und Tier unter einem Dach. Natürliche Feinde sollen Freunde werden. Wie denken sich meine neuen Versorger das eigentlich? Auch wenn man es mir nicht ansieht, einer meiner Vorfahren war ein Jagdhund. Ich fürchte, dass ich hier ziemlich schnell faul werde, weil ich keinen Mitbewohnern nachjagen darf.

Das Haus in dem ich nun wohnen soll ist riesig. Ach was sage ich - gigantisch. Könnte ich zählen, so wüsste ich, dass es neun Zimmer, zwei Flure und drei Bäder hätte. Aber meine Orientierung ist noch nicht so gut ausgeprägt und es ist einfach viel zu verwirrend hier. Manchmal werde ich hier eine Treppe hinauf getragen, manchmal da. Es kommt sogar vor dass eines der Kinder mir mit einem Fahrzeug mitten in der Küche begegnet. Marie rollert oft von einer Haustür zur anderen, weil ihr die Wege zu lang sind.

 

Grundsätzlich kann ich feststellen, dass ich es gut erwischt habe, auch wenn ich mit einer Katze zusammen wohnen muss. Im Fernsehen habe ich mal einen Film gesehen, wo ein Kater einem Hund das Leben rettet. Man weiß also nie, wozu es gut ist, mit der Katze zumindest einen Waffenstillstand zu vereinbaren. Mich stört eigentlich nur, dass ich keine Katzenscheiße aus dem Katzenklo fressen darf und so oft raus in die Kälte muss. Ich komme mir vor wie eine angepiekste Wasserbombe. Jedes Mal wenn ich auf den kalten Boden gesetzt werde muss ich pinkeln. Der Spaßfaktor für die Menschen muss ebenso groß sein, wie der einer Wasserbombe. Denn meine Versorger egal ob groß oder klein, tanzen wahre Freudentänze um mich herum und reden von guten Geschäften die ich gemacht habe. Als wenn ich geschäftstüchtig wäre.

Nachdem meine Unsicherheit sich ein wenig gelegt hat, nehme ich auch das Umfeld draußen wahr. Wir wohnen an einem langen Feldweg. Weit und breit kein anderes Haus zu sehen. Nur Felder, Wiesen und Wälder. Mir fällt ein Spruch ein, den ich mal im Radio gehört habe. „Der Weg ist das Ziel.“ Dann bin ich nun wohl angekommen.

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