Gesammeltes Schweigen

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Gesammeltes Schweigen
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Klaus-Dieter Braun:

GESAMMELTES

SCHWE IGEN

„Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann.“

Bearbeitungsanzeige

12.01.1992 bis 25.04.09, fortgesetzt im März 2011, teilweise unvollendet 2015. Strukturell & grafisch aufgearbeitet durch Tilo Braun-Wangrin im Winter 2018.

Zielstellung

(1) Bekenntnis zum Leben in der DDR - so habe ich gelebt.

(2) Politische Ansichten darstellen.

(3) Nie wieder Krieg, ausgehend von Deutschland.

(4) Alles für den Frieden.

(5) Dienst in den Grenztruppen.

(6) Familie, Kinder, Urlaubsgeschichten.

(7) Ereignisse DDR & BRD, Weltgeschehen - so sah ich die Welt.

(8) Philosophische Erkenntnisse und Lebensregeln.

(9) Fehler und Schwächen, Erfolge und Niederlagen

(10) Leben in der Ausgrenzung nach 1990 - so sehe ich die Welt.

L E B E N

Gliederung nach zeitlichen Abschnitten:

Febr.1947 - Jan.1953 I. Leben

Febr.1953 - Nov.1966

Nov. 1966 - Apr.1966

Apr. 1967 - Aug.1967

Sept.1967 - Aug.1970

Sept.1970 - Okt.1973

Okt. 1973 - Aug. 1974

Sept.1974 - Aug. 1977

Sept.1977 - Jan. 1978

Febr.1978 - Okt. 1980

Okt. 1980 - Jun. 1986

Juli 1986 - Nov. 1987

Dez. 1987 - Dez. 1989 II. Leben

Jan. 1990 - Nov. 2015 III. Leben

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Das Glück zu leben

1.1 Kindheit

1.2 In der Schule

1.3 Leben zwischen den Ideologien

2. Der erste Schritt in die Fremde

2.1 Potsdamer Luft

2.2 Grenzen

2.3 Preußens Glanz ohne Gloria

2.4 Kameraden

2.5 Brücke zur Heimat

3. Leben im Vakuum

3.1 Dienst fürs Vaterland

3.2 Im Grenzabschnitt

4. Hohe Schule

4.1 Bedingungen

4.2 Fluktuationen

4.3 Zusätzliche Motive

4.4 Umgang mit Privilegierten

4.5 Freunde

4.6 Weltrevolution der Jugend

4.7 CSR im Jahr 68

4.8 Kaderreserve – der Weg zum GAR

5. Der erste Tag im Dienst als Offizier

5.1 In Friedenszeiten

5.2 Im Dorf

5.3 Umzug nach Wilhelmshagen

5.4. Das Original: E. P.

5.5 In die Pflicht genommen

5.6 Hilfe, die Ungarn kommen

5.7 Erlebnisse

6. Regimentskommandeur

6.1.1 Schwerer Anfang

6.1.2 Kienhorst im November

6.1.3 Das Gesetz der Serie

6.2 Entscheidungen

6.3 Innerbetriebliche Provokationen

6.4 Der unsichtbare K(r)ampf

6.5 Die Privilegien der anderen

6.6 Stellvertreter

6.7 Die Einheit der Einheiten

6.8 Zusammenwirken aus anderer Sicht

7. Albträume 7.1. Lange Schatten

7.1.1 Scheinkämpfer

7.1.2 Arbeit für den Papierkorb

8. Ein Kleiner unter den Grossen

8.1 Diktator und Radfahrer

9. Volksarmee ohne Volk

9.1 Die Wege trennen sich

10. Ausgegrenzt 10.1. Fortbildung in bekannter Umgebung

10.1.1 Abrechnung

10.1.2 Gedanken zu Recht und Gesetz

10.1.3 Andenken und Ehre

10.2. Geschäfte im Auftrag der Wölfe

11. Im Jahr Neun DANACH

11.1 Krieg vor der Haustür

11.2 Parallelen zur Geschichte

11.3 Analyse zum Waffeneinsatz

11.4 Platz und Rolle der Befreier

12. Eichhörnchens Vorratskammer

12.1 Der erste Abgang

12.2 Der zweite Mann

12.3 Andacht

12.4 Gewitter

12.5 Auftragsschwund

12.6 Abgang mit Ansage

EPILOG: Unter den Überflüssigen

Anhang 1

Anhang 2

Anhang 3

Anhang 4

*Namen und Ortschaften, soweit diese nicht durch andere Veröffentlichungen kenntlich gemacht wurden, sind teilweise erfunden.

Vorwort

Wenn ich die Ereignisse der heutigen Welt und die Geschichtsverdrehungen dieser Zeit betrachte, wechseln Gefühle wie Staunen, Ohnmacht, Wut, Verzweiflung und auch aufkeimende Aggressivität einander ab und ich komme mir vor, als wäre ich die ersten 43 Jahre meines Lebens blind, taub und vor mich hin dümpelnd durch eine Mini-Welt gezogen.

Solange das Problem unserer Zeit, der Zeit nach der Annexion der DDR, nämlich die Umdeutung der Geschichte des deutschen Volkes und unserer Heimat, nicht gelöst sind, solange die Herrschenden und ihre Vasallen die Geschichtsdaten der DDR dem Erstickungstod überantworten, damit hier Unwissenheit über die guten Taten unserer Mütter und Väter herrschen sollen, werden Erinnerungen von Zeitzeugen nicht überflüssig sein.

 

Ich will kein Heldenepos schreiben, wie es heute oft geschieht (die Gesetzesbrecher innerhalb und außerhalb der DDR sind heute sowieso die Helden), ich will auch keinen meiner Mitmenschen und Soldaten zum Helden machen. Sie alle waren (und sind es immer noch) Menschen, wie du und ich, mit all ihren Stärken und Schwächen, ihren Ängsten, ihren Sorgen und all ihren Fehlern. Ich will hier Situationen schildern, wie ich sie erleben durfte, Menschen darstellen, wie ich sie in all den Jahren kennenlernte, wie sie lebten, handelten und dachten. Die folgenden Seiten sollen ein Dank sein, an die Familie, an die Freunde, Genossen und Kameraden, die mit mir kämpften und die, wie ich darunter zu leiden hatten, dass alles umsonst gewesen sein soll. Die Aufzeichnungen wurden in einer Zeitspanne von über fünfzehn Jahren gemacht und eine noch größere Zeitspanne liegt zwischen Geschehenem und dem Datum des Erinnerns. Viele Eindrücke waren jedoch so nachhaltig, dass sie noch so lebendig in mir sind, als wäre alles erst gestern geschehen.

Für diese Aufzeichnungen gibt es Ursachen und Gründe. Nach dem die DDR von der Weltbühne verschwand, soll nach dem Willen derer, die in unserer Heimat die Macht übernahmen, auch unsere Geschichte verschwinden, aber die DDR-Geschichte ist deutsche Geschichte und als deutsche Geschichte ein Teil der europäischen Geschichte und, ohne Übertreibung, sogar ein Teil der Weltgeschichte. Der Osten Deutschlands büßte lange und schwer für die Kriegsschuld des deutschen Imperialismus, der Himmlers und Goebbels, Krupps und Abts, des Hitler und seiner Generale. Dennoch leistete die DDR viel an echter Versöhnung mit seinen östlichen Nachbarn. Nur die neue, alte deutsche Elite, welche sich die DDR einverleibte, sieht das anders.

Viele der drittklassigen Glücksritter aus Trizonesien, den gebrauchten Bundesländern, die sich anschicken heute Ostelbien - auch NEU-FÜNF-LAND oder neue Bundesländer genannt, zu erobern, kannten dieses Land und seine Menschen nicht. Nicht einmal aus dem Fernsehen. Und so betrachteten sie die Menschen ostwärts von Elbe und Werra, wie von ihren Volksverdummern gewollt, als dämliche, faule, verproletarisierte und stets jammernde Masse, die man mittels Bananen von Pontius nach Pilatus locken kann. Die Funktionäre aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft galten als ungebildete "Russenknechte" oder deren willenlose Werkzeuge. Sie, die nachträglichen Eroberer, wollen glauben machen, hier seien die Uhren 1949 angehalten worden.

Ob in Funk oder Fernsehen, in Zeitungen oder Büchern, in Kindertagesstätten oder in Schulen, erklärt man uns nun, wie wir gelebt haben, seit 1945, wo jeder seine Schuld zu suchen und zu finden hat und wie dankbar man den Eroberern von 1990 zu sein hat.

Die Menschen dieses Landes, die ehrlichen Herzens Verantwortung trugen, fragt niemand nach ihren Lebenserfahrungen, die sich im Bewusstsein eingebrannt haben. Und wenn diese einmal sterben, dann verbrennt eine innere "Bibliothek", eine innere "Festplatte". Dann ist es zu spät, diese Erlebnisse abzurufen und zu verarbeiten. Dabei ist es so einfach, miteinander über diese Zeit zu reden, solange es Zeitzeugen gibt. Zum Zeitzeugen gehört Glaubwürdigkeit, nur welcher Sieger glaubt einem Unterlegenen? Will ihm glauben? Aus diesem Grund werden die Menschen in Täter und Opfer eingeteilt. Wer aber will einem Täter glauben? Täter sind keine Zeitzeugen, sagt man. Zwar ist ein Zeitzeuge gerade durch die Subjektivität seiner Erinnerungen wertvoll, aber nur dann, wenn seine Wahrhaftigkeit der der Sieger entspricht. Er sollte auch eine der Quellen der Geschichtsschreibung sein, aber er muss ein Mindestmaß an Vertrauenswürdigkeit derer besitzen, die uns, ohne es selbst erlebt zu haben, erklären wollen wie wir gelebt haben. Ernannte und gebranntmarkte "Täter", vom "Thron gestoßene DDR-Eliten" und "ehemals autoritäre Gestalten" werden zwar als illustere Exempel der neuen deutschen Geschichte gebraucht, aber als Zeitzeugen nicht benötigt. Weil man dem heutigem "Qualitätsmaßstab" oder Geschichtsschema nicht genügt, reicht die Zeitgenossenschaft (das eigene Erleben und Fühlen) den Siegern nicht aus. Es ist einfacher die STASI-KEULE zu schwingen und dabei den BESSERWISSER zu spielen und alle Fakten aus dem Zusammenhang zu reißen, als zuhören zu können und sich einander zu akzeptieren. Die Meinungsmacher von heute tun so, als habe unser kleines Land auf einer paradiesischen Insel existiert, umgeben von selbstlos helfenden Freunden und Verwandten, und nur durch die “miefigsten und verklemmtesten Parteibonzen aller Zeiten“ und deren Planwirtschaft, seien Reichtum und Überfluss systematisch minimiert und wenn nicht, durch diese verprasst, der Rest für Mauer und Staatssicherheit ausgegeben worden. Weg mit dem Zynismus, zurück zur Realität. Vor Allem sollte man sich vor Augen führen, dass der größte Teil dieser Aufzeichnungen nur im Kontext mit der Geschichte des Kalten Krieges verstanden werden kann. Mit der Geschichtsschreibung der Sieger von 1989 (siehe oben) haben sie wenig gemein. Für diese ist es ja einfacher Akten zu lesen, Fakten zu verbiegen, frühere Entscheidungen heute mediengerecht zu interpretieren, gute Dinge zu verschweigen und Unzulänglichkeiten sowie Einzelschicksale extrem über zu bewerten. Dieses, unser kleines Land war kein reiches Land, doch das Beste, was unsere Eltern mit Wissen und Können, mit eisernen Willen und Schöpferkraft unter den vorhandenen, widrigen Bedingungen schufen. Sie taten das mit ihrer eigenen Hände Arbeit, aus den Trümmern, die der deutsche Faschismus (und seine, später in Westdeutschland lebenden Eliten) hinterließen und gegen den Willen der westlichen Welt. Es sollte der bessere, ausbeutungsfreie und friedliche Teil Deutschland werden.


Nachweis für die Auszeichnung „Aktivist“


Deckblatt für den Nachweis der Auszeichnung “Aktivist


Eintragung über die Verleihung der Auszeichnung in der Innenseite, hier: 1952-54

Der verfluchte faschistische Raubkrieg, an dem viele Deutsche nicht ganz schuldlos waren, zerstörte dem Volk fast alles, aber aus dem Rest, der nach Ableistung der Reparationen für ganz Deutschland verblieb, entstand ein Land, welches mehr als 16 Millionen Menschen eine Heimat bot, welches der westdeutschen Hallstein-Doktrin zum Trotz 134 mal international anerkannt war, welches über 40 Jahre half, Frieden zu erhalten und den Ärmsten dieser Welt solidarische Hilfe zuteil werden ließ. Es bot seinen Menschen einen bescheidenen Wohlstand, soziale Gerechtigkeit und nicht zuletzt Sicherheit. Das war auch Inhalt meiner Sehnsucht und mein Lebensziel und ist auch heute noch meine Position. Deshalb schreibe ich diese Worte und wünsche mir, dass diese jene Menschen verstehen, von denen wir (Renatchen und ich) abstammen und die, die von uns abstammen: Unsere Familie.

Ich war Soldat in der Zeit, in der versucht wurde einen Sozialismus zu errichten und drüber bin ich stolz, auch wenn sich andere dafür heute schämen (oder nach Ansicht der heute Herrschenden schämen sollen).

Eines ist sicher, in der Zeit von 1945 bis 1989 wurden auch Fehler gemacht, wie das so ist, wenn etwas Neues entstehen soll. Es waren aber nicht immer verzeihliche Fehler, denn diese führten schließlich in den Untergang.

„Warum habt ihr als Soldaten stillgehalten, als die DDR zu Grunde ging“, wurde ich oft gefragt. „Ich war in der Nationalen Volksarmee“, antworte ich, und setze fort: „Einer Volksarmee, der das Volk wegläuft hat ihre Legitimation verloren! Sie war ausschließlich dazu bestimmt, das Land vor äußeren Feinden zu schützen, einen Krieg zu verhindern und nicht einen Krieg gegen das eigene Volk zu führen.“

„Wir haben unsere Aufgaben bis zum letzten Tag der DDR, gemäß unserem Fahneneid, erfüllt. Für den Untergang dieses Staates haben sich andere, die sich für klüger, für besser und für unfehlbar hielten, vor dem Volk und vor der Geschichte zu verantworten, nicht aber vor den neuen Machthabern, denen 16 Millionen Menschen mit ihrem Wissen und Können und das gesamte Eigentum der DDR, sowie ein nicht erschlossener Markt in den Schoß fielen.“ In den gebrauchten Bundesländern klagt man über die Milliarden der guten harten DM, die wir ihnen kosteten und weiter kosten werden, dass man es kaum noch anhören kann und sich wirklich schon selbst als Nutznießer sieht.

Über den Gewinn, den sie mit uns und dem, ehemals volkseigenem Gut machen, werden sie schweigen und sich heimlich ins Fäustchen lachen.

Die 100 DM Begrüßungsgeld pro DDR-Nase, als Investition, haben sich für das westdeutsche Kapital, für Abwickler und Treuhänder, sowie sonstige kriminelle Einheitsgewinner millionenfach ausgezahlt.

Das Empfangsdatum für das sogenannte Begrüßungsgeld aber war für die Menschen der DDR das Eintrittsdatum für eine neue, schlimme Zeit gewesen.

Beendet wird die Vereinigung sein, wenn der letzte Ostdeutsche aus einer Führungsfunktion entfernt und der letzte Ostdeutsche aus dem Grundbuch getilgt worden ist (Wendehälse und Verräter ausgenommen). Wer sich dagegen stemmt, wird physisch, psychisch und materiell vernichtet werden. Die Demokratie wird nur für solche demokratisch sein, die es sich materiell leisten können. Recht wird nur der bekommen, der einen guten Anwalt bezahlen kann und einen langen Atem hat, sich durch die Instanzen zu klagen. Recht haben und Recht bekommen sind zwei grundverschieden Seiten einer Medaille in diesem Land.

Jetzt, wo der Kalte Krieg zugunsten des Westens entschieden ist, können die Monopole hemmungslos und ohne Rücksichten ihre Ziele grenzenlos (global) durchsetzen. Rechte und Privilegien, die sich die arbeitenden Menschen der Völker der westlichen Welt in Jahre dauernden Kämpfen erstritten haben, werden in aller Stille begraben werden.

Auch heiße Kriege werden keine Tabuzone mehr sein, denn die Schwelle der Gewalt wird international stetig sinken, wie es der Nah-Ost-Krieg und die Vernichtung der Kurden durch den Nato-Staat Türkei zeigen und künftige Kriegsschauplätze belegen werden. Die Objektivität und Wahrheit werden die ersten Opfer sein. Die Massen des Westens werden nach dem Prinzipien der psychologischen Kriegsführung - die bisher nach Osten gerichtet waren - beeinflusst und gefügig gemacht werden (gemäß der Handlungsmaxime des kalten Krieges). Der Maximalprofit der nationalen und internationalen Monopole sowie deren Aktionäre, die Privilegien der Politikerkaste und der Söhne und Enkel der alten Eliten werden die alles bestimmenden Handlungsprinzipien sein. Die Werktätigen werden ärmer und die Reichen immer reicher werden. Man kann die Millionäre kaum noch zählen, sondern sich nur der immer größeren Anzahl von Milliardären erinnern.

Wer es heute noch nicht glaubt, wird es schon noch begreifen. Wir werden sehen.

Eingedenk dessen, dass die Momente des Erlebens nie oder selten Momente des Verstehens sind, möchte ich diese Erinnerungen nicht nachträglich ausstatten mit logischen Begründungen, Berechenbarkeiten und der Unausweichlichkeit Fehler zu beschönigen und meine ehemaligen Genossen verdammen, wie es der Zeitgeist der heute Mächtigen verlangt.

Diese, meine Zeilen erheben auch nicht den Anspruch auf die absolute Wahrheit, wie wir sie bisher kannten. Es sind Erinnerungen eines Menschen, einer Familie, teils Legenden, die nicht ein Merk- und Denkzettel für hunderttausende andere Menschen sein können oder sollen.

Frühere Aufzeichnungen sind nicht vorhanden. Militärische Daten durften für private Zwecke nicht aufgezeichnet werden und bei den Wertungen wurden die verwendet, die in der beschriebenen Zeit zu den jeweiligen Entschlüssen und Entscheidungen führten.

1. Das Glück zu leben

Im Osten nichts Neues? Oh doch, es entstand eine andere, eine neue Welt, eine kleine Insel - die Sowjetische Besatzungszone, ab 1949 die Deutsche Demokratische Republik. Es war der Versuch einer Alternative zum kapitalistischen Deutschland, von dem im 20. Jahrhundert zwei furchtbare Kriege ausgingen.

 

Das alte, faschistische Deutsche Reich ist vernichtet. Das neue Deutschland wird entstehen:

14.25 Uhr, am 30. April 1945, hissen zwei Sowjetsoldaten das rote Siegesbanner über den deutschen Reichstag in Berlin. Die 8. Gardearmee des Generalobersten Tschuikow vernichtet die letzten Widerstandsnester der faschistischen Truppen.

8. Mai 1945 unterzeichnet Feldmarschall Keitel mit weiteren Generalen des faschistischen Oberkommandos im Stab der sowjetischen Truppen in Berlin - Karlshorst die bedingungslose Kapitulation Deutschlands gegenüber der Sowjetunion, deren Vertreter u.a. Marschall Schukow war.

Ende Juni beginnt man in den Städten und Dörfern Ostdeutschlands mit der Bildung antifaschistischer Jugendausschüsse, in denen demokratisch denkende junge Menschen aller politischen Richtungen und Weltanschauungen zusammenarbeiten.

Am 14. Juli 1945 schließen sich die vier Parteien Ostdeutschlands (SPD, KPD, CDU, LDPD) zum antifaschistisch - demokratischen Block zusammen.

Am 2. August 1945 unterzeichnen die Regierungschefs der UdSSR, der USA und Englands das Potsdamer Abkommen, welches später nur von der UdSSR eingehalten wird.

Im September des gleichen Jahres beginnt die demokratische Bodenreform. 22 Millionen Hektar Land werden den, großteils an der Machtausübung im faschistischen Deutschland beteiligten, Großgrundbesitzern und Junkern genommen und an arme Landarbeiter, Kleinbauern und vor allem an Umsiedler vergeben.

Der 7. März 1945 wird zum Gründungstag der FDJ, die als einheitliche antifaschistische - demokratische Massenorganisation die Interessen der jungen Generation vertritt.

FDJ-Mitgliedskarte aus diesen Tagen

Am 21./22. April 1946 schließen sich 605.000 SPD-Mitglieder und 600.000 Kommunisten zur SED zusammen, die dann später von den Kommunisten dominiert wird. (Westliche "SPD-Genossen", Schumacher-Anhänger, werden sie als Zwangsvereinigung bezeichnen.) Die Spaltung der Arbeiter, eine der Ursachen der faschistischen Machtübernahme von 1933 wurde beseitigt.


Vaters SPD-Ausweis


MANIFEST

Beim Volksentscheid in Sachsen, am 30. Juni 1945 stimmten 77,6 % der Wähler für die entschädigungslose Enteignung der Nazi- und Kriegsverbrecher und der Überführung deren Besitztümer in Volkseigentum.

In Hessen stimmten 71,9 % auch dafür, aber die Besitzverhältnisse wurden nicht angetastet, weil die Besatzungsmacht das deutsche Kapital schützte.

Seit der Angliederung der DDR an die BRD verkleistern uns die bürgerlichen Ideologen mit Begriffen wie Vernichtung und Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten. Sie meinen dabei nicht die Taten der deutschen Kriegsmaschinerie, sondern die Gräueltaten der Sowjetarmee bzw. die Umsetzung der Beschlüsse der Potsdamer Konferenz zu den künftigen Grenzen Deutschlands.

Durch deutsche Soldaten und die folgenden Besatzer wurden in der Sowjetunion cirka 1.700 Städte und 70.000 Ortschaften total zerstört, große Teile der Zivilbevölkerung gemordet und 25 Millionen Obdachlose hinterlassen. Etwa 1.650 Kirchen, 520 Synagogen und 425 Museen wurden zerstört bzw. beschädigt oder geplündert.

In deutscher Hand waren unter Anderem ca. 5 Millionen sowjetische Soldaten als Kriegsgefangene, von denen etwa 3 Millionen, der von den höchsten Kreisen der politischen und militärischen befohlenen Vernichtungspolitik zum Opfer fielen. Beispiel: Am 7. Oktober 1941 kam der erste Güterzug mit sowjetischen Kriegsgefangenen in Auschwitz an. Insgesamt waren es an diesem Ort der Vernichtung 13.775 Mann. Am 7. Januar 1945 beim letzten Appell vor der Befreiung waren es noch 92 Mann.

Nicht nur die SS, sondern auch Polizei, SD und Wehrmacht, deren erstes KZ im September 1941 in Serbien errichtet wurde (25.000 Insassen - siehe Analyse Balkankrieg f.f.), folgten willfährig diese Vernichtungsstrategie.

Unter den Begriffen der "Aussonderung" und "Sonderbehandlung" wurden große Personengruppen, wie z.B. kommunistische Offiziere und jüdische Soldaten an Ort und Stelle erschossen. Verpflegungssätze unterhalb des Existenzminimums für alle Kriegsgefangenen, tödliche Unterkunftsbedingungen (unter freiem Himmel, Erdhöhlen, kalte Baracken), fehlende medizinische Versorgung und unzumutbare hygienische Bedingungen forderten zahllose Opfer. Ab 1942 verfolgten die faschistische Führungskaste und ihre Handlanger die Strategie "der Vernichtung durch Arbeit", um den Profit der deutschen Industrie durch unmenschliche Ausbeutung der Kriegsgefangenen zu steigern.

In sowjetischer Hand befanden sich annähernd 3,5 Millionen deutscher Kriegsgefangene in rund 2.000 Lagern. Deren hohe Sterberate beruhte weder auf eine Vernichtungsstrategie, noch auf eine gezielte rücksichtslose Ausbeutung der Arbeitskraft. Sie war Folge einerseits der Kriegsschäden, die durch die deutsche Wehrmacht selbst verursacht und anderseits zweier Missernten (1946 und 1947). Insgesamt starben in sowjetischen Kriegsgefangenlagern etwa 357.000 Mann. Im Lager Beketowka, wo die Überlebenden der 6. Armee, die bei Stalingrad vernichtet wurde, zusammengeführt wurden, verstarben 42.000 von 52.000 Mann. Also doch Vernichtung? Nein! Der Grund dafür war, dass aufgrund Befehle deutscher Vorgesetzter bereits eine Woche vor der Kapitulation an Verwundete keine Verpflegung mehr ausgegeben wurde und kampffähigen Soldaten nur noch 75 Gramm Brot, 12 Gramm Fett und 200 Gramm Fleisch ausgegeben wurde. Im Gegensatz dazu erlebten deutsche Kriegsgefangene, dass sie von der sowjetischen Bevölkerung um ein Stück Brot gebeten wurden, weil die Zuteilung für Kriegsgefangene besser war, als die von Teilen der Zivilbevölkerung!!! Wie auch Frankreich und Belgien vertrat die sowjetische Seite die Ansicht, deutsche Kriegsgefangene für Wiederaufbauarbeiten einzusetzen. Aus diesem Grund befanden sich die Lager vor allem in den Ballungsgebieten der Industrie Russlands, der Ukraine, Belorusslands und des Baltikums. Die bis heute gehegte und gepflegte Mär von den "Schweigelagern" im fernen Sibirien stimmt also nicht, wenn es auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass einzelne Gefangene in Sibirien Wiedergutmachung leisten mussten. Individuell motivierte Übergriffe forderten ebenfalls Opfer unter den Kriegsgefangenen, was hier nicht verschwiegen werden soll. Wiederholt hörte ich in meiner Kindheit und Jugendzeit von Männern die an der Ostfront eingesetzt und in sowjetischer Kriegsgefangenschaft waren: „Wenn der Russe Gleiches mit Gleichem vergolten hätte, niemand hätte uns beigestanden.“ Kriegsbilder, Filme und einschlägige Literatur sowie oben genannter Ausspruch, lassen mir die damals sicher vorhandenen Rachegefühle von Angehörigen der siegreichen Roten Armee durchaus verständlich erscheinen. Mir wird speiübel, wenn mir heute noch in den Medien, und das immer wieder, der grinsende smarte GI und das hassverzerrte Gesicht eines rachedurstigen Russen als Sieger des II. Weltkrieges vorgeführt werden. Dem gebetsmühlenartigen Erinnern an die Gräueltaten sowjetischer Soldaten und das Verschweigen der Untaten der westlichen Alliierten ist doch Methode der Geschichtsaufarbeitung dieses Landes. In welchem Film sieht man heute die Leiden deutscher Kriegsgefangener in den Lagern der Westalliierten, unter freiem Himmel ohne ausreichende Verpflegung bei miserablen hygienischen Bedingungen z.B. in den Rheinwiesen, wie sie mein Onkel H. erlebt hatte. Dafür wird mir ständig in die Ohren geblasen: „Die Russen mordeten, plünderten, vergewaltigten… .“ Als ich begann mein Umfeld zu verstehen, erzählte mir mein Großvater: Es war fast zwei Jahre nach dem furchtbarsten Gemetzel in der Geschichte der Menschheit, in einem der kältesten Winter dieses Jahrhunderts, als ich, als sein erster und einzigster Enkel, im Anhaltinischen der Sowjetischen Besatzungszone das Licht dieser Welt erblickte. Den ersten Kontakt mit Fremden hatte ich bereits nach wenigen Stunden meines Erdendaseins, denn ich musste, wegen Platzmangels, mein Bett mit einem russischen Mädchen teilen, welches unmittelbar nach mir auf diese Welt kam. Vielleicht ist das der Grund meiner Einstellung, dass das Blut aller Menschen rot ist und nicht die Rasse oder Hautfarbe über gut oder böse, wertvoll oder minderwertig entscheidet. Einzig und allein sollte jeder Mensch nach seinem Verhalten zu seinen Mitmenschen, zur Natur und zu sich selbst bewertet werden.

Die sterblichen Reste von Vaters Onkel liegen in russischer Erde

Wie aber sah diese Welt aus, in der ich da hinein geboren worden war? Zwei Jahre zuvor hatte der Krieg auch meine Heimat erreicht. Nicht nur die Traueranzeigen für die “Helden“, die ihr Leben für fremde Gelüste gaben zeugten vom Niedergang des Faschismus.

Der Krieg kam in Form von Spreng- und Phosphorbomben, Luftminen und anderen Spezialitäten englischer und amerikanischer Luftwaffen dahin zurück, von wo er ausgegangen war. Meine Heimatstadt, die Stadt, die einstmals Haupt- und Residenzstadt war, wo der Erfinder und Ingenieur Hugo Junkers unter anderem auch berühmte Flugzeuge entwickelte und in Serie bauen ließ, war zu 85% in Schutt und Asche gelegt - von Menschen in Flugzeugen mit englischen oder US-amerikanischen Hoheitszeichen.

Der Krieg hatte aber schon gezeigt, dass es auch mit höchst massierten Bombardement und Feuer nicht gelingt tausende Menschen sofort zu vernichten. Die Wucht des Feuers ist vor allem gegen die Seele, gegen den Willen der Menschen ausgerichtet. Sie trennt Nervenknoten durch, wie es der beste Chirurg nicht besser kann und dringt in den Menschen ein, erschüttert Schädel und Gehirn. Wer es bis dahin nicht wusste, spürt nun, dass der menschliche Körper etwas ungemein Zerbrechliches ist, was augenblicklich ausgelöscht sein kann. So versuchten die westlichen Alliierten Kriegsverbrechen der deutschen Seite mit gleicher Münze heimzuzahlen.

Die Jahre des Faschismus, der Kriegsvorbereitung und der Krieg hatten, mit fortschreitender Dauer und Grausamkeit die Sitten verdorben, die Kulturen zerstört, die Gefühle verroht und viele gesellschaftliche Normen des Zusammenlebens der Menschen außer Kraft gesetzt.

Lebensgemeinschaften waren durch den Tod des Mannes zerstört. In einigen Jahrgängen wuchs die Hälfte aller Kinder ohne Vater auf. In den Wirren des Krieges und der Zeit danach wurde aber auch eine Menge Kinder, gewollt oder ungewollt, gezeugt und geboren, deren Väter unbekannt blieben.

Manche Familien hörten auf zu existieren, wurden ausgelöscht. Der Mann fiel an der Front, Frau und Kinder wurden im Hinterland Opfer anglo - amerikanischer Bomben oder starben auf der Flucht.

Kriegswitwen und Frauen, die den Rest ihrer Tage auf den vermissten Sohn oder Ehemann warteten, waren nicht selten.

Noch waren die Massen abgestumpft, gierig und hungrig. Der Krieg hatte sie verdorben, die Hemmschwelle Gewalt anzuwenden, war sehr niedrig. Wem es gegeben war, Schuld zu erkennen, der schämte sich in aller Stille, wie es bei den meisten Menschen üblich ist, die im Bewusstsein Gutes zu tun, grobe Fehler machten.

Ein geringerer Teil der ehemaligen Faschisten, die sich an Leib und Leben Unschuldiger vergangen hatten, waren bzw. wurden isoliert. Sie saßen teilweise am gleichen Ort, hinter dem gleichen Stacheldraht, wo sie vor mehr als zwei Jahren selbst die Herren über Leben und Tot Anderer waren. Sie flohen dorthin, wo man sie ungeschoren ließ, zum Beispiel nach Südamerika oder sie holten sich in den westlichen Besatzungszonen für 50 Mark den Persilschein, der ihre Entnazifizierung bestätigte.

Die Mehrheit der Menschen, die im Osten Deutschlands ihre Heimat hatten oder als Flüchtlinge fanden, plagten andere Sorgen. Aus totaler Lethargie, Stillstand und dem Zwang, überleben zu müssen, war ein wenig Zukunft,

Traum und Aktivität geworden. Es war eine harte Zeit, denn der Kampf ums Überleben wurde erbarmungslos geführt. Ein großer Teil unsere Familie hatte Glück - Haus und Hof blieben fast unversehrt.



Bild 1: Unser Haus in Dessau, Eduardstraße 36 blieb erhalten (Vorkriegsfoto)

Bild 2: Blick auf den Hof mit Taubenschlag

Die Wohnung blieb erhalten und für meinen Lieblingsopa und seiner todkranken Frau war auch noch Platz. Sein bescheidenes Häuschen hatte eine "verirrte" Bombe getroffen und total dem Erdboden gleich gemacht. Sicher sollte der Pilot Teile der Junkers-Werke vernichten, aber der Gedanke an eine geringere Kriegsbeute oder die Angst vor Strafe, seine Mittel nicht effektiv eingesetzt zu haben, ließ ihn seine Bombenlast auf das kleine unscheinbare Häuschen nahe des Junkers-Werkzaunes werfen. Er hatte gut gezielt und nichts blieb übrig, außer Schutt und Asche.