Wie Kinder sprechen lernen

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Wie Kinder sprechen lernen
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Jürgen Butzkamm / Wolfgang Butzkamm

Wie Kinder sprechen lernen

Kindliche Entwicklung und die Sprachlichkeit des Menschen

Narr Francke Attempto Verlag Tübingen


© 2019 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

www.narr.de • info@narr.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

ISBN 978-3-7720-8667-0 (Print)

ISBN 978-3-7720-0094-2 (ePub)

Inhalt

  Vorwort

  Danksagung

  Vorspiel

  Es beginnt im Mutterleib Warum es »Muttersprache« heißt Die Lebenswelt des Säuglings wird erforscht Stimmungen: Das Ungeborene hört mit Ursympathie und die Gunst der Stunde

  Spracherwerb als Gemeinschaftsarbeit

  Du, ich, wir und die anderen Sprache im Gesamt der Entwicklung Ichbewußtsein und Selbstbezeichnungen Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit Verläßlichkeit der Menschen und der Dinge Spiegelbild und Empathie »Erziehung« kommt später Geborgenheit befreit Was Babys uns lehren Trotzen ist natürlich Braucht der Säugling den Vater? Ungleiche Partner und unfreiwilliges Verstummen Ich bin, weil du bist Kommunikative und sprachliche Intelligenz Sicherheit durch personale Bindung Kurze Geschichte eines Wunderknaben

  Die Besonderheit des sprachlichen Hörens Kategoriales Hören Frühe Verluste des Hörens Babys: Geborene Statistiker Die Muttersprache als akustischer Filter Der Vorsprung des Hörens Frühe Zweisprachigkeit: Phase des Zuhörens Was Hänschen nicht lernt…? Verzögerte Sprachentwicklung durch versteckte Hörprobleme Hörverstehen: ein Verlaufsmodell

  Unterwegs zur Sprache: das erste Jahr und darüber hinaus Das Baby entdeckt seine Stimme Vom Gurren und Lallen zum Silbenplappern Routinen: Wiederkehr des Gleichen Die elterliche Suggestionsmethodik Einstimmung, Übereinstimmung und Wechselseitigkeit Ein Startvorteil mit Babyzeichensprache? Als wär’s ein Stück von mir: Zielbezogene Nachahmungskunst Sprachhandeln: Ich will etwas von dir! Du, ich und die Dinge: vom Zeigen zum Zeichen Wer hat die Hauptrolle? Ständiger Wechsel in der Regieführung Ein folgenreicher Befreiungsschritt

  Weltbemächtigung durch Wörter

  Die Welt wird Wort Artikulationsprobleme Die ersten Wörter Die ersten Bedeutungen Einwortsätze Helen Kellers Gedankenblitz: das Erlebnis des Bedeutens Das Wort: Zeichen statt Zugabe Das Als-ob-Spiel Hunger auf Wörter Frühstarter und Spätzünder

  Das »Mutterische« nach Sprechbeginn: eine Art Unterricht? Anpassung ohne grammatische Dosierung Vokabelgleichungen, Trennhilfen und Lehrerfragen Das Prinzip der Mehrdarbietung Das Prinzip des doppelten Verstehens Was Eltern nicht tun Naturtatsache und Kulturleistung Das Prinzip Freude

  Kindliche Denkwelten Arteigene Welten Kulturwelten und Ichwelten Sprachwelten Die »knabenbringende Weihnachtszeit«: auf der Suche nach Sinn Die Denkwelten der anderen Wort- und Weltwissen in Wechselwirkung Die »Tatsachen des Lebens« »Warum ist das Unkraut so un?« Kinder werden sprachklug »Kühne und doch richtige Wortbildungen« Zwischen Tradition und Originalität

  Das Wort als Zeichen: Geniestreich der Evolution Sprache ist Absprache Das Herauskürzen der Bilder und Gesten Der Trick des Abbé Sicard Funktionserweiterung und Selbstverstärkung Das Wort als Erfahrungsintegral Die neue Bildlichkeit der Sprache Erkenntnislust – Lernen, weil man nicht anders kann Namenszauber: Macht und Magie der selbstgeschaffenen Symbole Erfindung der Sachlichkeit: die Welt noch einmal

  Zwischenspiel: Kinder von einem anderen Stern?

  Taub geboren: zum Spracherwerb gehörloser Kinder Emmanuelle Laborit und das Dogma der Lautsprachlichkeit Der Kardinalfehler: üben statt kommunizieren Sprache und Identität: Ich gebärde, also bin ich Aus den Augen, aus dem Sinn »Flüchtiger als Wind und Welle flieht die Zeit« Zeit-Wörter: eine doppelte Erinnerungsspur Zeit-Wörter: sprachlicher Ordnungsdienst Gebärden als Erstsprache: reicher Zufluß der Wörter Sprechen und Hörverstehen: Gebärden und Sehverstehen Die Rückbezüglichkeit der Sprachtätigkeit und das Bewußtsein von uns selbst Die Lautsprache als Zweitsprache Geben Sie Methodenfreiheit! Was soll man Eltern raten?

 

 Spracherwerb trotz SprechlähmungChristopher NolanDer Kraftakt mit dem StirnstabChristie Browns linker Fuß»Ein vulkanischer Drang nach Mitteilung«

 Das Rätsel des AutismusDie vermauerten FensterÜberreizte SinneStolpersteine: Mitmenschen verstehenStolpersteine: Bildliche RedeweisenDie Papageienmethode und andere SprachfallenDas Selbstzeugnis einer erfolgreichen AutistinGeheimnisvolle SprechblockadeDer Kampf um die Wörter: Spracherwerb im ZeitlupentempoDer Wille zur SpracheSchuldzuweisungen unangebracht

  Das Rätsel des Mutismus Sprachverweigerung aus Eigensinn? Verletzte Seelen

  Grammatische Sprache als Ursprung der Freiheit

  Das Zweiwortstadium Drei Aspekte der Sprache Die Grammatikalisierung der Sprache Zweiwortsätze und mehr Von den Rollen im Handeln zu den Rollen im Satz Vom Tuwort zum Verb Pack-Enden für die Grammatik Grammatik und Wortvorrat Prototypen als Ausgangspunkt Der Sprachstand einer Zweijährigen Die Schrecken der deutschen Sprache – Achtung, Satire!

 Das Problem der vielen Formen: der deutsche Plural als ExempelWie man mit wenig viel erreichen kann: ZahlwörterGrammatikalischer EntscheidungszwangAuswendiglernen genügt nichtKönnen statt KennenFruchtbare FehlerErwerb in selbstbestimmten EtappenVorbedingungPhase 1: ÜbernehmenPhase 2: Erkennen, Erproben, übers Ziel HinausschießenPhase 3: Eingrenzen und Einpendeln auf die NormGrammatikspiele»Niederschläge der Analogie«

  Das Jahr der Grammatik Metaphorische Erweiterung als Grundzug der Sprache Systematisches Experimentieren und Probierlust – das Analogiespiel Syntaktische Keimzellen: der fruchtbare Moment Die Produktivkraft der Präzedenzfälle Die doppelte Kombinatorik als Alleinstellungsmerkmal Grammatische Entwicklungsfahrpläne und Zufälle Einmischung verbeten: Korrektur zwecklos Kinder: wahre Esperantisten Ein sinnreicher Trick: grammatische Allzweckformen Grammatische Lücken werden gefüllt Die zweite Lernexplosion: die Grammatik startet durch Sprachliche Fertigteile: blitzschnell verstehen, fließend sprechen

  Freiheit und Phantasie als Errungenschaft grammatischer Sprache Vom Begriff zum Wort Vom Wort zum Begriff Der Moment des Verweilens und die Rückbezüglichkeit des Sprechens Sprache und das Vor-Urteil der Gefühle Begriffspyramiden Warum Kinder mit sich selbst sprechen In Bildern denken Aphasie und Demenz Probehandeln: Operationsfeld Sprache Befreiung des Denkens: der »Neinsagenkönner« Beflügelung der Phantasie Grammatik als stützende Struktur Das Janusgesicht der Sprache Schimpfen statt schlagen Feindesliebe – nur in der Sprache? Ich spreche, also bin ich Mensch: die kognitive Revolution Sprache und Weltbild – eine Anmerkung

  Vielfalt des Lebens und der Lebenswelten

  Keins ist wie das andere Vielfalt als Prinzip des Lebens Vielfalt der Sprachen und Sprechstile Vielfalt des Erwerbs: von Mädchen und Jungen Von Geschwisterkindern Spracherwerb im Eilverfahren Verzögerte Sprachentwicklung und ihre Frühdiagnose Die Verschiedenheit der Talente, Temperamente und Toleranzschwellen

  Entwicklung und Erwerb Gibt es eine kritische Zeitspanne für den Grammatikerwerb? Zu spät: das Mädchen »Genie« und die verpasste Grammatik Gute Grammatik trotz geistiger Behinderung Sensible Phasen und Hirnphysiologie Mustererkennung und das arbeitsteilige Gehirn Konvergenz von Innen und Außen Sprache als quasi-rationale Leistung Der Mensch – ein Genie des Lernens Lernlust als natürliche Mitgift Kinder-leichte Muttersprache: Sprach-Gene? Geteilte Umwelt und individueller Erfahrungshintergrund Die Muttersprache als Dechiffrierschlüssel für fremde Sprachen Wider Rassenwahn und Machbarkeitswahn

  Nachspiel: Pädagogik für Eltern und ihre Helfer

  Zeit für Menschen, Zeit für Medien Eine kulturelle Revolution: Bildschirmmedien Attentate auf die Seele des Kindes Vorlesen und das Prinzip des Verweilens Vom Sinn der Märchen Anstiftung zum Selberlesen Entwicklungsschub durch Schriftsprache Lesen – der natürliche Ausweg für hochbegabte Kinder Sich vorlesen lassen Hörbücher Besinnung

  Wie unsere Kinder verständig werden Frühe Weichenstellung: der Matthäuseffekt Zuversicht, Weltvertrauen und elterliche Sprechstile Sich selbst fordern lernen Interessen ausbilden: mit Kindern musizieren Durch nichts zu ersetzen: das Gespräch Strategie und Taktik beim Miteinanderreden und -spielen Höflichkeit trainieren und vorleben Mit Kindern philosophieren Auf das Kind hören

  Epilog

  Literaturverzeichnis

  Abbildungsverzeichnis

 

  Register

  Register

Vorwort

Der Mensch ist nur Mensch durch Sprache.

(Wilhelm von HumboldtHumboldt, Wilhelm von)

So manches er auch schon in seinem Leben gesehen hatte, so schien ihm doch die menschliche Natur erst durch die Beobachtung des Kindes deutlich zu werden.

(Johann Wolfgang GoetheGoethe, Johann Wolfgang von, Wilhelm Meisters Lehrjahre)

Die Sprache ist die bedeutendste Errungenschaft im Leben eines Menschenkindes. Unter seinen großen Gaben ist sie vielleicht diejenige, die am gleichmäßigsten und gerechtesten verteilt ist – etwa im Gegensatz zu Musik und Mathematik. Sie ist unser wichtigstes Organ zur Aneignung der Welt. Mit ihr regeln wir unser Zusammenleben. Eine Rechtsordnung gibt es nur in ihr und durch sie. Denn Recht wird gesprochen. Nur der sprachbegabte Mensch treibt Handel und tauscht Geld, Güter und Informationen mit Fremden. Sprache ist auch die Weise, in der wir uns zu uns selbst verhalten. Denken ist nicht gleich Sprechen, aber immer wieder kommen wir an den Punkt, wo wir uns selbst sagen müssen, wer wir sind, was wir denken und was wir tun sollen. Nicht nur Selbsterlebtes, auch Nieerlebtes ist sagbar. Keinem anderen Wesen ist es wie ihm vergönnt, ein wahrhaft erfülltes Leben zu führen, indem er in Wort und Schrift teilhat am Leben unzähliger anderer Menschen, ihren Erfahrungen, ihren Träumen und Fantasien. Allein der Mensch erzähltErzählen Geschichten, entwickelt Visionen, erfindet Götter und Mythen und fragt nach dem Grund seines Hierseins. Darüber hinaus bezeugen die großen monotheistischen Religionen GottGott, Gottesidee als einen, der spricht, und den gläubigen Menschen als einen, der zu seinem Gott spricht: Gebet als Zwiesprache. In der Sprache entdeckt der Mensch seine Freiheit und wird selbst zum Schöpfer. In ihr drückt sich unser Menschsein am klarsten aus. »Wenn der Homo sapiens die Welt eroberte, dann vor allem dank seiner einmaligen Sprache« (Harari) – mit heute noch unabsehbaren Folgen.

Dieses Buch ist der Versuch, das Wunder der Sprache zu verstehen und die Sonderstellung des MenschenSonderstellung des Menschen unter den Geschöpfen dieser Erde herauszuarbeiten. Einblicke in das Werden der Sprache beim Kind bilden den faszinierendsten und schönsten Zugang zum Wesen der Sprache – und des mit der Sprache begabten Menschen. Sprache wird hier nicht (wovor schon Wilhelm von HumboldtHumboldt, Wilhelm von warnte) »wie eine abgestorbene Pflanze«, sondern in ihrer lebendigen Aneignung dargestellt. Mit dieser Aneignungsarbeit allein betreibt das Menschenkind einen Lernaufwand, der ohne Parallele im Tierreich ist.

Sprache ist auch der wichtigste Maßstab für die seelisch-geistige Entwicklung des Kindes. Diesen Zusammenhang haben wir hier versucht nachzuzeichnen.

Räumen wir gleich mit dem Vorurteil auf, daß Sprache allein Lautsprache sei. Gewiß: für sie ist der Mensch besonders begabt. Aber die Sprachlichkeit des Menschen ist nicht an den artikulierten Laut gebunden. Sie ist das Vermögen zur grammatischen Zeichenverwendung. Auch taube Kinder, taubblinde und Kinder mit angeborener Sprechlähmung können zur Sprache kommen.

Indem wir zeigen, wie Kinder in die Sprache hineinwachsen, geben wir Eltern, Großeltern und anderen Betreuern die Möglichkeit, die sprachlich-soziale und seelisch-geistige Entwicklung ihrer Kinder bewußter mitzuerleben. Was machen wir denn da, wenn wir mit unseren Kindern sprechen? Die meisten Mütter wissen intuitiv, wie sie ihr Baby ansprechen sollen. Haben wir nicht alle einst sprechen gelernt, ohne daß unsere Eltern gelehrte Bücher darüber gelesen hätten? Die Natur hat in diesem Punkt wenig den Zufällen von Geburtszeit und -ort, von elterlichem Rang und Stand sowie elterlicher Schulbildung überlassen. Beide, Eltern und Kind, sind auf den Spracherwerb instinktmäßig vorbereitet, auf je eigene Weise. So ist Sprache genetisch doppelt abgesichertSpracheGenetische Doppelsicherung. Welche Verhaltensbereitschaften hier spontan vorhanden sind, das versucht die Wissenschaft der Natur erst mühsam nachzubuchstabieren. Da wäre es töricht, so zu tun, als ob wir unbedingt wissenschaftlichen Rat bräuchten, um unsere Sprache erfolgreich an unsere Kinder weiterzugeben. Viele Mütter und Väter sind, wenn sie sich nur Kraft und Zeit für ihr Baby lassen, die geborenen Sprachlehrer – Sprachlehrer aus Intuition und keineswegs als studierte Fachleute.

Noch mehr aber sind unsere Kinder geborene Sprachlerner. Wenn wir ihnen das Sprechen systematisch beibringen müßten, wie man das etwa beim Violinspielen muß, würden sie es nie lernen – es jedenfalls nicht zu der mühelosen Selbstverständlichkeit bringen, mit der wir gemeinhin unsere Muttersprache benutzen.

Trotzdem erlauben wir uns, hin und wieder einen Ratschlag zu geben, zumal das Halbwissen besorgter Eltern zu einem wahren Frühförderwahn geführt hat. Den wichtigsten Rat geben wir gleich vorweg: Zuallererst müssen wir auf die Kinder hören. Das bedeutet vertiefte Hinwendung zum Kind. Wir lernen dabei nicht nur unsere Kinder besser kennen und verstehen, wir entdecken uns auch selbst als Eltern und finden heraus, wie wir von unserem Unbewußten geleitet werden, um dem Kind den Weg in die Sprache und in die Menschenwelt zu bahnen. Für niemanden sind wir als Mitmenschen so wichtig wie für unsere Kinder. Fundiertes Wissen erzeugt Verstehen. Verstehen erzeugt Liebe. Liebe aber erzeugt ihrerseits Liebe. Das gilt nicht nur für unsere Kinder. Die Beschäftigung mit der Kindersprache hat uns Autoren auch unsere Eltern wieder nahe gebracht, obwohl sie schon längst ins Grab gesunken sind. Denn unsere Sprache gehört uns nie allein, war sie doch zunächst die unserer Eltern. So kann das bessere Wissen um den Erwerb der Sprache ein Quell der Dankbarkeit und Freude sein und zum Gelingen des Lebens beitragen.

Wie einst der große dänische Sprachforscher Otto JespersenJespersen, Otto setzen wir uns eine biologisch-biographische Sprachwissenschaft zum Ziel. Der Spracherwerb sich normal entwickelnder Kinder wird durch die authentischen, von der Norm abweichenden Geschichten behinderter wie auch hochbegabter Kinder ergänzt und verdeutlicht. Hier werden Zusammenhänge freigelegt, die unserer Selbsterfahrung gewöhnlich verborgen bleiben – ähnlich wie Freud sich aus dem Studium Kranker »wertvollste Winke zum Verständnis des Normalen« versprach. Mit diesem biographisch-vergleichenden, erzählenden und gemeinverständlichen Ansatz, der auch Selbsterlebtes einschließt, haben wir uns gleichwohl bemüht, Forschungsergebnisse unterschiedlichster Fachrichtungen einzuarbeiten, so auch die moderne Hirnforschung. So stehen wir bei vielen Wissenschaftlern in Schuld. Denn ein Buch dieses Titels ist entweder wissenschaftlich und schöpft aus vielen Quellen oder lächerlich.

»Das Geheimnis der Menschwerdung und Sprachwerdung sind eins« (Martin BuberBuber, Martin). Neue Erkenntnisse haben den Menschen immer näher an seine Mitgeschöpfe herangerückt. Sie haben uns Bescheidenheit und Demut gelehrt. Ohne seine Tiernatur zu verleugnen, hebt dieses Buch die Geistnatur des Menschen hervor, gegründet in den unvergleichlichen Möglichkeiten seiner Sprache. Erst grammatische Sprache, der Inbegriff der Flexibilität – dies ist eine zentrale These des Buches – ermöglicht die Freiheit des DenkensDenkenFreiheit des Denkens (durch Sprache) und Fabulierens, wie sie uns schon in der Kindersprache begegnet. Der kindliche Spracherwerb ist uns somit ein Schlüssel zum Verständnis des Menschen überhaupt und dies Buch nicht zuletzt eine kleine philosophische Besinnung über den Menschen, der das »Sprachmonopol« (PlessnerPlessner, Helmuth) hat.

Danksagung

Unser Dank gilt zuerst den Kindern, den eigenen wie allen, die hier das Sprachmaterial lieferten, das die Grundlage dieses Buches ist – den normalbegabten, den hochbegabten, den behinderten Kindern und ihren Eltern. Taube, taubblinde, gelähmte und autistische Kinder konnten ihre Behinderung so weit überwinden, daß sie sich mitteilen konnten. Sie haben uns über den Spracherwerb aufgeklärt, eben weil ihnen Sprache nicht in den Schoß fiel. Ihre bewegenden Zeugnisse haben uns zudem gelehrt, wie man das Leben trotz widriger Umstände meistern kann. Kinder und Kindeskinder haben uns mit ihrem Lächeln beschenkt und Zärtlichkeit gelehrt.

Wir hoffen, daß sie über ihre Eltern, die ihre Worte aufschrieben, so denken wie Günther SternStern, Clara und William (der später als Günther Anders ein bedeutsames philosophisches Werk schuf): »Zwar führten meine Eltern ihre psychologische Arbeit an den eigenen Kindern durch; aber niemals sahen sie in uns einfach das Material oder die Gelegenheit möglicher Forschung … niemals war die Beobachtung etwas anderes als ein Teil der ›Achtung‹, die die Eltern uns entgegenbrachten … und wurden Experimente durchgeführt, so ahnten ›wir Kinder‹, meine zwei Geschwister und ich, nichts davon, und jeder Versuch war ein neues, von den Eltern erfundenes Spiel.«

Nachzutragen ist unser Dank an unseren gemeinsamen Bochumer Lehrer Hans HörmannHörmann, Hans, der allzu früh verstarb.

Vorspiel