Das Gute im Menschen

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Das Gute im Menschen

1  Das Gute im Menschen

Das Gute im Menschen

Als Sir Randolph Winning, Lord Roburnes jüngster Sohn, von Oxford zurückkehrte, befremdete er durch ungewöhnliche Sitten. Man sah ihn nie beim Kricketmatch auf dem Kennington-Oval, er begeisterte sich für keinen champion of the world, und der hübschen Mrs. Bixton, die im Verlaufe eines Gespräches über Ruskin eine Flirtation zu beginnen wünschte, zeigte er nur wenig Verständnis. Dagegen verbrachte er den größten Teil seiner Zeit in Whitechapel, wo er für Toynbee Hall, die Hauptniederlassung des University Extension Movement, unter den Elenden des Ostends warb und kämpfte. Er riß die Hoffnungslosen aus den Kneipen heraus; von den Penny gaffs, wo sie die Wachsbüsten berühmter Raubmörder anstaunten, schleppte er vertierte Blumenmädchen und brotlose Dockarbeiter in die Hörsäle. Dort redete er zu ihnen von Dingen, die sie nie hatten erwähnen hören; ja, er wagte vor den Ohren der outcasts den Namen »Kunst« zu nennen.

Fragte man ihn, warum er all diese Tollheiten eigentlich treibe, so bekannte er einfach seinen Glauben an das Gute im Menschen. Er meinte, daß auch in dem Verworfensten, verstand man ihn nur zur rechten Stunde zu verblüffen und zu sich selbst zu bringen, ein tiefes Grauen und etwas wie ein Erstaunen über das eigene Laster erweckt werden könne. Dann würde in das Auge des Ärmsten ein Lilienengel treten und den anblicken, der ihn gerufen habe. Und diesem Engel zuliebe, nach dem er sich in Sehnsucht verzehrte, war Sir Randolph zum Ungeheuerlichsten, Unverständlichsten bereit. Er hätte den letzten der Menschen voll Dankbarkeit in seine Arme und an sein Herz geschlossen. Sir Randolph war schmal und flachbrüstig, er hatte eine hohe blasse Stirn, die aschblonde Locken beschatteten. Mund und Wangen waren eingesunken und unter schmerzlich gebogenen Brauen blickten stahlblaue Augen fragend und träumerisch in die Fremde.

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