Marie V

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Marie V Einsatz in Berlin

1  Titel Seite

2  Neuauflage März 2020

3  Das Geheimnis der Buchstabenhexe

4  Diebe bei der Zahlenhexe

Titel Seite

Neuauflage März 2020

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2017 Diana Wolfbach

Illustration: Diana Wolfbach

Vorwort

Marie und Diana haben gemeinsam bereits eine Menge Abenteuer erlebt. Sie wurden in der Trilogie ‚Marie‘ und im Band Marie IV – Erpressung in Aschaffenburg - beschrieben.

Diese Erzählung ist in sich abgeschlossen. Einiges wird allerdings klarer, wenn man die ersten vier Bände gelesen hat. Am Ende des Buches können Sie deren ISBN erfahren und eine kurze Inhaltsangabe dieser Bücher lesen.

„Wir fahren nach Berlin, juchhu, wir fahren nach Berlin!“ jubelte Marie.

Diana lächelte. „Ja, morgen geht es los!“

Die beiden Freundinnen sahen sich nach ein paar Wochen der Trennung wieder. Diana hatte Marie am Flughafen abgeholt.

„Viele Grüße von meinem Vater soll ich dir ausrichten,“ sagte Marie. Sie ergriff Dianas Hand. „Das nächste Mal kommst du aber mit, ich habe dich sehr vermisst!“

Die Freundin nickte. „Du hast mir auch gefehlt! Und ich will Chicago endlich wiedersehen!“

„Gut, dann wäre das geklärt!“ stellte Marie fest. „Jetzt kann ich meine Koffer auspacken und gleich wieder einpacken.“

„Wie geht es deinem Vater?“ fragte Diana.

„Soweit ganz gut. Er hat einen prima Job und wohnt südlich von Chicago mit Gretchen zusammen. Die beiden verstehen sich prima.“

„Mein Koffer ist schon fertig,“ sagte Diana. „Wir fahren mit meinem Auto, denke ich.“

„Ich bin in den USA mit dem Auto von Papa gefahren, nach Kankakee, zum State Park, wo wir damals auch waren. Die Erinnerung an das Treffen mit Ramels und Schmidt kam wieder hoch.“

„Das ist vorbei,“ meinte Diana, „und auch der Aschaffenburger Fall ist abgeschlossen. Jetzt erholen wir uns ein paar Tage in Berlin.“

„Wo werden wir schlafen?“ fragte Marie.

„In der Laube der Freundin von Chrissis Tochter,“ teilte Diana ihr mit.

„Da waren wir auch schon,“ bemerkte Marie. „Ich hoffe, diesmal wird es dort ruhiger sein!“

Diana lachte. „Bestimmt! Jetzt sind wir nicht auf der Flucht!“

Der Abend klang mit Gesprächen über gemeinsam Erlebtes aus.

„Morgen ist um acht Uhr wecken,“ sagte Diana vor dem Schlafengehen.

„Für dich mitten in der Nacht!“ flachste Marie.

*

„Hast du alles?“ fragte Diana.

„Ja, Koffer ist schon im Auto. Und du?“ sagte Marie.

„Ja, alles verstaut. Es kann losgehen!“

Diana gab im Navi das Ziel an und startete den DS 5. „Gegen 15 Uhr werden wir da sein!“

„Fahren wir direkt zur Gartenlaube?“ fragte Marie.

Diana nickte. „Chrissi will uns mit einem Barbecue empfangen. Wie es aussieht, spielt das Wetter ja mit.“

„Du warst gestern doch noch länger auf,“ meinte Marie.

„Ja, ich hatte noch was am PC zu erledigen, Flugtickets buchen!“

Marie blickte erstaunt. „Du fliegst weg?“

Diana grinste. „Ja, im Mitte August.“

„Wohin?“ bohrte Marie nach.

„Chicago.“

Marie senkte den Kopf. „Okay.“

„Zwei Tickets, Mietwagen und Motel für die erste Nacht,“ erklärte Diana.

„Zwei?“

„Ja, für mich und eine gewisse Marie Rasch, wenn du die kennst!“

Das Auto kam leicht aus der Spur, als die junge Frau Diana umarmen wollte.

„Langsam, langsam!“ lachte Diana. „Diesmal komme ich mit, haben wir doch ausgemacht!“

„Ja, das haben wir!“ strahlte Marie. „Ich freue mich!“

„Wir kommen ganz schön rum – Aschaffenburg, Berlin, Chicago,“ stellte Marie fest. „A,B,C … was kommt dann? D?“

„Düsseldorf, Dachau, Detroit … zählte Diana auf.

„Irgendwann brauchen wir mal wieder einen Fall. Berlin und Chicago ist ja mehr oder weniger Urlaub,“ sagte Marie.

„Mal sehen. Und du musst ja auch wieder mal an die Uni!“

„Jetzt sind Semesterferien, und August geht auch,“ stellte Marie fest.

„Hab‘ ich alles mit eingerechnet.“

Die Fahrt verlief ohne jeden Stau. Nach einer Pause kurz vor Leipzig näherten sie sich ihrem Ziel.

„Wir können bis vor die Laube fahren. Chrissi hat den Schlüssel zum Tor besorgt. Ich rufe an, dass wir gleich da sind!“

Über die Freisprechanlage hatten sie bald Verbindung.

„Alles klar, ich schließe das Tor auf,“ meldete sich Chrissi. „Ihr wisst, wo ihr hinmüsst?“

„Natürlich, wir waren ja schon mal dort,“ erklärte Diana. „Bis gleich!“

Über den schmalen Weg fuhren sie wenig später zum Eingang der Kleingartenkolonie. Wie vereinbart wartete Chrissi am offenen Tor. Sie stieg ein und fuhr mit den beiden bis fast vor die Laube. Sie trugen das Gepäck in das kleine Häuschen.

„Jetzt lasst euch erst mal ordentlich begrüßen!“ strahlte die Krankenschwester.

Herzliche Umarmungen folgten der Ankündigung.

„Ich muss den Wagen aber wieder rausfahren!“ sagte Diana.

Das war bald erledigt, und die drei Frauen saßen gemütlich am Tisch. Der Grill sandte bereits leichte Rauchwölkchen in die Luft.

„Willkommen in Berlin!“ prostete Chrissi den Gästen zu. Sie genehmigten sich einen Schluck kühlen Sekt.

„Meine Tochter und ihre Freundin kommen nachher auch vorbei,“ sagte Chrissi.

Ausgiebig erzählten Diana und Marie von ihren letzten Abenteuern.

„Das war ja wieder sehr aufregend, in Aschaffenburg und drum rum,“ stellte Chrissi fest. „Aber jetzt macht euch ein paar erholsame Tage in Berlin!“

„Das haben wir vor,“ entgegnete Diana. „Kein Auftrag, kein Stress, keine Flucht!“

Der Abend verlief sehr harmonisch. Die fünf Frauen – inzwischen waren auch Sanni, die Tochter von Chrissi und ihre Freundin Dani eingetroffen - genossen das herrliche Wetter und das ausgezeichnete Essen.

„Die Bratwürste, die ihr mitgebracht habt, sind wieder oberlecker!“ stellte Chrissi fest.

Es war schon lange dunkel, als sich die anderen verabschiedeten. „Bis morgen dann! Wir treffen uns um 12 Uhr zum Billard!“

„Ich hab‘ noch nie Billard gespielt!“ jammerte Marie.

„Das macht nichts, ich bin auch kein Profi,“ meinte Diana. „Hauptsache wir haben Spaß!“

Marie ergriff wieder mal Dianas Hand. „Ich freu mich, dass du mit mir nach Amerika fliegst.“

Diana lächelte. „Ich auch. Marie!“

*

„Was ist das für ein Krach?“ rief Marie. Sie war gerade aus der Dusche gekommen und wollte sich zu Diana auf die Schlafcouch legen.

„Keine Ahnung,“ antwortete Diana. „Hört sich so an, als wenn sich jemand fürchterlich streiten würde.“

Beide traten vor die Laube. Es war nicht leicht herauszufinden, woher der Lärm kam. Es war ziemlich dunkel. Nur aus einer Laube schräg gegenüber fiel schwacher Lichtschein durch ein Fenster. Schemenhaft waren zwei Gestalten zu erkennen, offensichtlich ein Mann und eine Frau. Dann erlosch das Licht, und es wurde still.

„Komm, lass uns schlafen gehen!“ sagte Diana. „Die haben sich anscheinend beruhigt.“

„Ja, sieht so aus,“ bemerkte Marie.

Trotz der Störung schliefen beide bald ein.

*

„Hast du die Adresse vom Billardsalon?“ fragte Marie.

„Ja, habe ich,“ antwortete Diana.

Die beiden waren nach dem Frühstück auf dem Weg zum Auto, das vor dem Kleingartengelände parkte. Vor ihnen ging eine Frau, die aus der Laube gekommen war, in der am Abend zuvor der Lärm zu hören war.

„Irgendwas stimmt da nicht!“ murmelte Marie. In der Tat wankte die dunkelhaarige Frau, die ein braunes Kleid trug, hin und her. Schließlich blieb sie stehen und hielt sich an einem Zaun fest.

„Ist wohl nicht ganz nüchtern!“ vermutete Diana. Als sie schon an der Frau vorbeigehen wollten, sackte diese zusammen und fiel auf den Weg.

Diana und Marie wollten ihr helfen und traten zu der Gestürzten. Jetzt bemerkten sie ein geschwollenes Auge. Auf der Vorderseite des Kleides war ein Blutfleck zu sehen.

„Was ist passiert?“ fragte Diana. Die Frau presste die Hände auf ihren Bauch und stammelte in gebrochenem Deutsch: „Alles gut, gefallen!“

„Sie brauchen einen Arzt, sie sind verletzt!“ sprach Marie mit Nachdruck.

„Nein, nix schlimm! Kein Arzt, keine Polizei!“

Verwundert schauten sich Marie und Diana an. Von der Polizei hatten sie nichts erwähnt.

Mühsam rappelte sich die Verletzte auf und machte Anstalten weiter zu laufen.

„Ruf einen Krankenwagen!“ rief Diana. „Und am besten auch die Polizei!“

Die Frau schrie: „Nix Polizei! Alles gut!“

Unschlüssig verharrten die beiden Freundinnen einen Moment. Die Fremde hatte sich inzwischen ein paar Schritte entfernt und fast das eiserne Eingangstor zur Kolonie erreicht.

 

Marie hatte ihr Handy gezückt und wählte die Notrufnummer. Sie erklärte von der Begegnung mit der offensichtlich verletzten Person und gab ihren Standort durch.

Der Frau gelang es nicht, das Tor zu öffnen, sie war augenscheinlich zu schwach dazu. Diana hob den Riegel und schob das schwere Tor auf. Marie versuchte die Verletzte zu stützen, doch diese stieß sie von sich. „Gehen weg!“

Sie ging ein paar Schritte, den Oberkörper weit nach vorne gebeugt. Dann verließen sie die Kräfte und sie taumelte auf ein Rasenstück vor einem Baum zu. Dort sank sie zu Boden. Alle Versuche ihr zu helfen wies sie schreiend zurück.

Notgedrungen hielten Marie und Diana einen Abstand zu der Verletzten ein. Diese versuchte sich wieder zu erheben, doch es gelang ihr nicht.

„Warum lässt die sich nicht helfen?“ rätselte Marie. Diana schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Aber irgendetwas ist hier faul. Lass uns auch die Polizei informieren!“

Marie wählte die Nummer der Polizei und schilderte die eigenartige Lage.

Diana hatte sich zu ihrem Auto, das nur ein paar Meter entfernt stand, begeben und ihre Handtasche auf den Fahrersitz gelegt.

Immer wieder versuchte die Frau aufzustehen. Schließlich gelang es ihr und sie torkelte ein paar Schritte weiter. Diana und Marie überlegten, ob sie eingreifen sollten, doch die Verletzte machte abwehrende Handbewegungen.

Dabei verlor sie das Gleichgewicht und fiel zu Boden.

Endlich ertönte eine Sirene. Ein Krankenwagen fuhr den engen Weg entlang. Zwei Sanitäter richteten die Frau, die sich heftig wehrte, auf und legten sie auf eine Trage.

„Sie hat eine Wunde am Bauch!“ rief Diana.

„Schon gesehen!“ sagte einer der Männer, der eine Jacke mit der Aufschrift ‚Notarzt‘ trug.

Die Trage wurde in den Krankenwagen geschoben und die Türen geschlossen.

Erneutes Sirenengeheul kündigte das Eintreffen eines Polizeiwagens an. Zwei Beamte steigen aus, einer bewegte sich zu dem Ambulanzfahrzeug, einer kam auf Marie und Diana zu.

„Was ist passiert?“ schnauzte der stämmige Polizist die beiden an.

„Wir haben die Verletzte hier entdeckt,“ sagte Diana. „Sie wollte sich nicht helfen lassen.“

Der Ordnungshüter zeigte auf Marie. „Sie haben Blut an den Händen!“

Marie bemerkte es erst jetzt. „Ich habe versucht sie zu stützen, dabei muss ich sie wohl berührt haben.“

Der Polizist hob die Augenbrauen. „Kennen sie die Verletzte? Hatten Sie einen Streit?“

„Nein!“ rief Marie. „Wir haben die Frau nur zufällig gesehen!“

Inzwischen näherte sich der zweite Beamte. „Sie hat eine Stichwunde und mehrere Hämatome am Körper und im Gesicht.“

„Können Sie sich ausweisen?“ fragte der erste der beiden Beamten.

„Diana Wolfbach ist mein Name, und das ist Frau Marie Rasch,“ erklärte Diana.

„Ausweise!“ brummte der unfreundliche Polizist. Diana ging zu ihrem Auto und holte ihre Handtasche. Sie reichte dem Beamten ihren Ausweis und versehentlich ihre Visitenkarte.

„Privatdetektivin!“ zischte der Polizist. „Die hab‘ ich besonders gern!“

Diana sparte sich eine Antwort. Anscheinend hatten sie es wieder mal mit einer besonderen Art von Polizisten zu tun.

„Schau mal nach, ob da was vorliegt!“ forderte der Beamte seinen Kollegen auf. Dieser nickte und ging mit den Ausweisen zum Streifenwagen.

„Woher kennen Sie die Verletzte?“ fragte der Uniformierte.

„Wir kennen sie gar nicht!“ fauchte Marie. „Was sollen diese Fragen?“

„Immer mit der Ruhe, junge Frau!“ schnarrte der Polizist. „Es ist doch Einiges seltsam hier! Das müssen wir klären!“

Der zweite Beamte kehrte zurück und reichte Marie und Diana ihre Ausweise. „Liegt nichts vor!“ brummte er.

„Dann können wir uns wohl verabschieden!“ stellte Diana fest.

„Nicht so eilig, Madam!“ bellte der Polizist. „Sie begleiten uns jetzt zum Revier, wir haben da noch ein paar Frage!“

Diana musste sich sehr beherrschen um ruhig zu bleiben. „Nein, das werden wir nicht! Sie haben kein Recht dazu, uns mitzunehmen. Wir werden gerne unsere Aussagen machen, wenn es nötig ist, auf dem Revier. Aber nicht jetzt! Komm, Marie!“

Der Polizist schien die Fassung zu verlieren, doch sein Kollege hielt ihn am Arm fest. „Hier ist unsere Karte,“ sagte er. „Kommen Sie bitte demnächst vorbei und machen eine Aussage!“

„Auf Wiedersehen!“ winkte Diana und ging mit Marie zu ihrem DS 5. Sie fuhren davon.

Die beiden Polizisten diskutierten noch eine Weile, bevor sie sich ebenfalls entfernten.

*

„Da seid ihr ja!“ begrüßte Chrissi Marie und Diana.

„Sorry wegen der Verspätung, aber wir wurden aufgehalten,“ entschuldigte sich Diana.

In kurzen Worten erzählte sie von den Ereignissen in der Laubenkolonie.

„Das ist ja schlimm,“ meinte Chrissi. „Und ihr müsst nochmal aufs Revier?“

„Ja, wir wurden darum gebeten.“ Antwortete Diana. „Aber jetzt spielen wir erst mal!“

Sanni stellte die Kugeln mit einem dreieckigen Rahmen auf den Tisch.

„Wir sind fünf, also würde ich vorschlagen, dass wir ein Team zu zwei und eins zu drei bilden,“ sagte sie.

„Okay, ich spiele mit Chrissi, und ihr Jungvolk zusammen!“ bestimmte Diana.

Abwechselnd erklärten die anderen Marie die Regeln des Spiels.

Besonders Diana konnte sich nur schlecht konzentrieren, was zu einigen erfolglosen Stößen führte. Marie, die immer als letzte in ihrer Gruppe an der Reihe war, hatte sich schnell an das Spiel gewöhnt und versenkte eine Kugel nach der anderen. Schließlich lagen nur noch die schwarze und die weiße Kugel auf dem Tisch.

Diana verfehlte die schwarze Kugel und schob die weiße in eine Tasche.

Siegessicher platzierte Sanni die Spielkugel vor die schwarze. Doch diese rollte knapp neben ihr Ziel. Auch Dani gelang es nicht, das Spiel zu beenden. Nun war Marie an der Reihe. Sie musste sich jede Mange Ratschläge ihrer Teamkolleginnen anhören.

Selbstbewusst visierte Marie die schwarze Kugel an. Mit einem entschlossenen Stoß über Bande bugsierte sie die weiße Kugel in Richtung auf die schwarze und versenkte sie. Anerkennend klopften die Mitspielerinnen ihr auf die Schultern.

In der zweiten Runde setzte Dani aus. Marie und Diana bildeten ein Team, Chrissi und Sanni das andere.

Lange ging es hin und her, bis Diana den entscheidenden Stoß ausführen musste. Sie versenkte zwar die schwarze Kugel, doch die weiße lief ebenfalls in eine Tasche.

„Gewonnen!“ jubelte Chrissi.

„Ist nicht mein Tag!“ murmelte Diana.

„Ist doch nur ein Spiel!“ tröstete sie Marie.

Die fünf setzten sich noch eine Weile an einen Tisch im Nebenraum.

„Was habt ihr heute noch vor?“ fragte Chrissi.

„Ich denke, wir werden gleich auf das Polizeirevier fahren und unsere Aussage machen,“ erklärte Diana.

„Das lässt dir wieder keine Ruhe, Frau Detektivin,“ frotzelte Chrissi.

Diana nickte nur geistesabwesend.

„Na dann,“ sagte Chrissi. „Wir sehen uns!“

Mit Umarmungen verabschiedeten sich die Frauen.

*

„Willst du da vorher anrufen?“ fragte Marie, als sie mit Diana ins Auto gestiegen war.

„Nein, wir probieren es einfach,“ antworte ihre Freundin. „Hier ist die Visitenkarte des charmanten Polizisten!“

Diana gab die Adresse ins Navi ein und fuhr los. Bald hatten sie ihr Ziel erreicht.

Am Eingang fragte der Pförtner nach ihren Wünschen.

„Wir möchten zu Herrn Krachtovski, eine Aussage machen,“ erklärte Diana.

Der Mann hinter der Scheibe griff zum Telefon und wählte eine Nummer.

„Tut mir leid, der ist nicht da!“ sagte er nach Beendigung des Gespräches.

„Da kann man nichts machen,“ stellte Marie fest.

„Moment, ich versuche mal etwas,“ sagte der Pförtner. Er wählte wieder eine Nummer.

„Sie können doch noch ihre Aussage machen,“ sprach er und legte den Hörer auf.

„Erster Stock, Zimmer 12, gleich hier die Treppe rauf.“

Marie und Diana bedankten sich und begaben sich zu dem angegeben Raum.

‚Inspektorin Ramona Raabe‘ lasen sie auf dem Schild neben der Tür. Ihr Klopfen wurde mit einem kräftigen ‚Herein!‘ beantwortet.

Eine zierliche schlanke Polizistin mit sehr kurzen Haaren reichte ihnen die Hand, als sie eingetreten waren. „Womit kann ich Ihnen helfen?“

Diana erklärte in groben Zügen den Ablauf des fraglichen Geschehens.

„Moment, da gibt es schon eine Akte,“ sagte die Polizistin. „Nehmen Sie doch Platz, ich hole sie sofort.“

Mit schnellen Schritten eilte sie durch eine offene Tür ins Nachbarszimmer. Kurz darauf kam sie mit einer Mappe zurück, die sie auf den runden Tisch legte, an dem Marie und Diana Platz genommen hatten.

Die Uniformierte öffnete die Akte und überflog den Inhalt. Einmal hob sie ihren Blick und schaute abwechselnd Marie und Diana an.

„Hier steht, dass Sie wenig kooperativ waren und in gewisser Weise verdächtig sind.“

Diana lachte. „Ihr lieber Kollege war nicht gerade freundlich zu uns, obwohl wir ja den Fund der verletzten Frau gemeldet hatten.“

Die Polizistin senkte nur kurz den Kopf, ging aber nicht auf diese Bemerkung ein. „Die Verletzte ist immer noch im Krankenhaus, ihr Zustand ist kritisch. Bisher konnte ihre Identität nicht festgestellt werden. Kennen Sie die Frau?“

Marie und Diana schüttelten die Köpfe.

„Nein. Wir haben nur am Abend zuvor einen Streit gehört, den die Verletzte mit einem Mann in einer Laube am Stickkanal hatte,“ erklärte Marie. „Aus dieser kam das Opfer am Morgen heraus, anscheinend schwer verletzt.“

„Davon steht hier nichts in dem Bericht,“ murmelte Frau Raabe.

„Wir sind nicht dazu gekommen, das dem charmanten Kollegen Engelbert Krachtovski zu erzählen,“ berichtete Diana.

„Ist jetzt auch egal. Wir werden diese Laube mal überprüfen,“ sagte die Polizistin. „Geben Sie mir bitte den genauen Standort an!“

Diana gab Frau Raabe die gewünschten Informationen. Diese erhob sich. „Ich werde das gleich selbst übernehmen und dorthin fahren. Vielen Dank, meine Damen!“

Sie war schon fast im Nebenzimmer verschwunden, als sie sich umdrehte. „Geben Sie mir bitte auch Ihren Aufenthaltsort. Sie wohnen ja zurzeit in dieser Kolonie.“

Sie gaben die gewünschte Auskunft und verabschiedeten sich.

„Immer wieder erstaunlich wie unterschiedlich Polizisten sind!“ stellte Marie auf dem Weg zum Auto fest.

*

„Die Polizei ist schon wieder da!“ rief Marie, als sie mit Diana den Parkplatz der Kolonie am Stichkanal erreicht hatte.

„Hoffentlich nicht dieser Engelbert Krachtovski!“ brummte Diana.

Sie machten sich auf den Weg zu der Laube, in der sie zurzeit wohnten.

„Da steht ein Leichenwagen!“ schrie Marie.

Aus der Laube, in der der Streit stattgefunden hatte und aus der die verletzte Frau gekommen war, trugen zwei Männer eine Trage mit einem dunklen sackähnlichen Gebilde.

„Guten Tag die Damen!“ begrüßte sie die freundliche Stimme von Frau Raabe.

Ohne Umschweife begann sie über die neueste Entwicklung zu reden.

„Wir haben die Leiche eines Mannes gefunden. Wer der Tote ist, wissen wir noch nicht. Augenscheinlich wurde er erstochen. Ein Messer haben wir sichergestellt.“ Sie seufzte. „Die Verletzte, die Sie gefunden haben, wies ja auch eine Stichverletzung auf. Vielleicht besteht da ein Zusammenhang. Wir lassen auf jeden Fall die Waffe untersuchen.“

„Können wir Ihnen etwas anbieten?“ fragte Diana. „Wir wohnen ja gleich dort drüben!“

Die Polizistin zögerte. „Ich bin im Dienst! Aber ich habe noch ein paar Fragen, die kann ich Ihnen auch in Ihrer Laube stellen!“

Die drei saßen bald an einem kleinen Tisch vor dem Kleingartenhäuschen und genossen einen Kaffee.

„Haben Sie was von dem Streit mitbekommen, zwischen der Verletzten und dem jetzt Toten?“ fragte die Polizistin.

„Es war auf jeden Fall sehr laut, aber Worte konnten wir nicht verstehen,“ erklärte Diana.

„Ich bin nicht sicher, aber es klang nicht nach Deutsch, eher wie eine slawische Sprache, Polnisch, Russisch, Tschechisch vielleicht,“ sagte Marie.

Die Polizistin notierte etwas auf ihrem Notizblock. „Wir haben auch herausgefunden, wem die Laube gehört, in dem es zu der Auseinandersetzung gekommen ist. Aber der Besitzer hat wohl nichts damit zu tun, denn in die Laube wurde offensichtlich eingebrochen.“

 

Diana und Marie waren verwundert, dass die Polizistin Ihnen diese Details erzählte. Als wenn Frau Raabe ihre Gedanken erraten hätte, fügte sie hinzu: „Als Privatdetektive sind Sie ja fast sowas wie Kollegen, deshalb teile ich Ihnen das alles mit.“

„Vielen Dank, Frau Raabe,“ sagte Diana. „Nicht alle Ordnungshüter sehen das so!“

Dir Polizistin lachte. „Ich weiß, wen Sie meinen! Aber ich kann Sie beruhigen, der Fall hier wurde mir übertragen, obwohl ab nächster Woche meine Dienststelle in Spandau sein wird. Dann bin ich näher bei meiner Tochter Jacqueline!“

Nach einer weiteren Tasse Kaffee verabschiedete sich die Polizistin. „Hier ist meine Karte. Wenn Ihnen noch was ein- oder auffällt, rufen Sie mich bitte an. Vielleicht sieht man sich ja mal wieder!“

„Das ist alles schon sehr mysteriös!“ erklärte Marie, als sie wieder alleine waren.

„Ja, das ist es,“ bestätigte Diana ihre Meinung. „Aber es ist nicht unser Fall!“

*

„Guten Morgen, Langschläferin!“ neckte Marie Diana am nächsten Morgen. „Raus aus den Federn, es ist herrliches Wetter!“

Müde räkelte sich die Freundin und wälzte sich endlich aus dem Bett. „Du hast schon Frühstück gemacht, danke dir!“

Bald saßen sie beiden am Tisch vor der Laube. Ein paar Vögel zwitscherten lustig.

„Was machen wir heute?“ fragte Diana. „Chrissi hat Dienst.“

„Wir könnten nach Potsdam fahren, Schloss Sanssouci anschauen,“ schlug Marie vor.

„Können wir machen, da war ich schon lange nicht mehr,“ stimmte Diana zu.

Sie räumten das Geschirr in die kleine Küche und machten sich fertig zum Aufbruch.

Vor dem Kleingartenhäuschen blieben sie auf dem Weg zum Auto stehen. Die Tür war versiegelt, das konnten sie vom Weg aus sehen.

„Warum sind die hier eingebrochen?“ rätselte Marie. „Waren wohl auf der Flucht, denn sie haben ja hier übernachtet.“

„Keine Ahnung,“ antwortete Diana. Lachend fügte sie hinzu: „Ist anscheinend eine beliebte Gegend für Leute auf der Flucht!“

„Wir waren aber keine Verbrecher!“ stellte Marie fest.

„Da hast du recht. Hier geht es jetzt zumindest um Einbruch, Körperverletzung, vielleicht Mord …“

„Oder Notwehr,“ warf Marie ein.

„Vielleicht erfahren wir es noch. Aber das ist nicht unser Fall, wie ich schon sagte.“

Am Parkplatz angekommen stutzte Diana. Ihre Angewohnheit, immer alle Autoschilder anzuschauen, war daran schuld.

„Hier stehen eigentlich immer nur PKW mit Berliner Kennzeichen. Aber schau mal den Wagen dort hinten!“

„Hm, BY steht dort auf dem Schild,“ bemerkte Marie. „Wo kommt das her?“

„Bayern!“ lachte Diana.

„Du bist albern!“ rief Marie. „Ich google mal auf dem Handy!“

„Mach das!“ sagte Diana. Sie stiegen ins Auto und fuhren los.

„Ich hab‘s – Weißrussland – Belarus!“ frohlockte Marie.

„Seltsam,“ murmelte Diana. „Wie kommt das Auto hierher? Und du sagtest doch, die Streitenden hätten eine slawische Sprache gesprochen.“

Marie zuckte mit den Schultern. „Ich bin mir da nicht sicher. Aber wir sollten Frau Raabe über das Auto informieren. Vielleicht hat es ja doch was mit dem Vorfall zu tun.“

„Daran habe ich auch schon gedacht,“ sagte Diana. Sie hielt am Straßenrand und gab Marie die Visitenkarte der Polizistin. „Rufe gleich an,“ sprach sie.

Frau Raabe meldete sich sofort. Marie teilte ihr die Entdeckung des Autos aus Weißrussland mit.

„Sie lässt das überprüfen,“ sagte Marie nach Beendigung des Gespräches, „und bedankt sich für den Hinweis. Der Tote aus der Laube stammt aus Weißrussland, sagte Frau Raabe.“

„Eine Spur!“ rief Diana.

Marie lachte. „Ja, Frau Detektivin! Aber um deine Worte zu gebrauchen – das ist nicht unser Fall!“

*

„Deine Gedanken sind ganz woanders,“ stellte Marie fest. Sie spazierten durch den Schlossgarten von Sanssouci.

„Ja, du hast ja Recht!“ murmelte Diana. „Mir geht die ganze Sache nicht aus dem Kopf!“

Marie hakte sich unter. „Vergiss es, wir sind im Urlaub!“

Diana lachte. „Ich versuche es!“

Auf dem Rückweg zum Auto kamen sie an einem Zeitungstand vorbei.

„Da, siehst du das?“ Diana deutete auf eine Titelseite.

Sie lasen die Überschrift: ‚Botschaftsangehöriger unter mysteriösen Umständen ermordet‘.

Diana erwarb ein Exemplar der Zeitung. „Anscheinend wissen die Reporter mehr als die Polizei!“

Aus dem Artikel ging hervor, dass ein Botschaftsangehöriger der Republik Weißrussland tot in einer Gartenlaube aufgefunden worden war.

„Das erklärt auch das Auto auf dem Parkplatz!“ stellte Marie fest.

„Ob Frau Raabe davon weiß?“ wunderte sich Diana. „Ob ich sie anrufen soll?“

„Ich weiß nicht,“ sagte Marie. „Wir haben doch mit dem Fall nichts zu tun!“

Nachdenklich fuhren sie zurück zur Kolonie am Stichkanal. Das Auto aus Weißrussland war verschwunden.

„Was ich nicht verstehe,“ begann Marie, „wenn es sich um einen Botschaftsangehörigen handelt, dann hat sein Auto ein Diplomatenkennzeichen!“

Diana schaute ihre Freundin erstaunt an. „Stimmt! Alles sehr merkwürdig!“

Als sie fast die Laube erreicht hatten, fiel ihnen ein junger Mann auf, der vor einem Zaun auf und ab lief. Er machte von Zeit zu Zeit Fotos von dem Kleingartenhäuschen, in dem der geheimnisvolle Mann zu Tode gekommen war.

„Guten Tag die Damen,“ rief er, als sich Diana und Marie näherten. „Röckert mein Name, vom BB!“

„BB?“ fragte Diana.

„Berliner Blitz, die schnellste Zeitung der Stadt!“ erklärte der Reporter.

„Ah ja, wir haben den Artikel gelesen, von …

“Deshalb bin ich hier!“ unterbrach der schlaksige Mann Diana. „Hier wurde doch der Wolkow ermordet, von der Botschaft Weißrusslands!“

„Sie kennen seinen Namen?“ wunderte sich Marie.

Herr Röckert lachte. „Wir haben unserer Verbindungen!“

Er räusperte sich, bevor er fortfuhr. „Sie wohnen anscheinend hier, oder haben eine Laube in der Gegend. Können Sie mir was über den Mord sagen? Haben Sie den Wolkow mal gesehen?!

„Nein, wir haben von all dem nichts mitbekommen,“ sagte Diana.

„Schade,“ seufzte der Reporter. „Aber wenn Ihnen noch was einfällt – hier ist meine Karte, rufen Sie mich einfach an!“

Ohne weitere Worte zu verlieren entfernte er sich.

„Ob das die Polizei schon weiß?“ fragte Diana eher rhetorisch.

„Dann ruf doch die Raabe an, dann erfährst du es!“ meinte Marie.

Diana versuchte vergeblich die Polizistin zu erreichen.

*

„Du gibst wohl nie auf!“ feixte Marie.

Seit über 30 Minuten versuchte Diana den Fernseher in der Laube zum Laufen zu bringen.

„Wenn ich mir mal was in den Kopf gesetzt habe, dann …“

Diana unterbrach ihre Rede, denn der Bildschirm flimmerte. Schließlich hatte sich ein Bild aufgebaut.

„Sag ich doch…“ frohlockte Diana.

„Willst du jetzt fernsehen?“ fragte Marie.

Es liefen gerade Nachrichten. Die Worte des Sprechers ließen die beiden Frauen verstummen.

‚… dementierte die weißrussische Botschaft Berichte der Tageszeitung Berliner Blitz, dass es sich um den Toten vom Stichkanal um einen Angehörigen der Botschaft handele. Die Polizei wollte dazu keine Stellung nehmen, die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen. Die Redaktion des Berliner Blitz blieb aber bei ihrer Darstellung. …‘

Diana und Marie schauten sich an. „Wem soll man jetzt glauben?“ meinte Marie.

Diana zuckte mit den Schultern, „Alles sehr seltsam! Aber aus Weißrussland stammte ja wohl das Opfer, wir haben ja das Auto gesehen.“

„Wenn es diesem Wolkow gehörte hat, wie ist es dann vom Parkplatz verschwunden? Wolkow ist ja tot, er kann es nicht weggefahren haben,“ kombinierte Diana.

*

„Das ist eine komische Nachricht!“ stellte Diana beim Blick auf ihr Handy fest. „Eine SMS von einem Josip Rossolev. Lies mal selbst!“ Sie reichte Marie das Handy.

‚Guten Tag, Frau Wolfbach und Frau Rasch. Ich würde Sie gerne treffen, ich habe einen Auftrag für sie. Bitte melden Sie sich. Danke.‘

„Das ist wirklich seltsam,“ stellte Marie fest. „Und der Name – Rossolev – klingt irgendwie …“

„Russisch, Polnisch,“ vermutete Diana. „Sollen wir darauf überhaupt antworten?“

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