Die Magier von Stonehenge

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Die Magier von Stonehenge
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Impressum:

Druck: epubli ein Service der neopubli GmbH, Berlin 2019

Copyright: Denise Devillard

denise.devillard@web.de

Printed in Germany

ISBN: 978-3-750260-52-8

Die Magier von Stonehenge

von

Denise Devillard

Teil1

Inhaltsverzeichnis:

1.Kapitel - Matthew

2.Kapitel - Das seltsame Buch

3.Kapitel - Der Brief

4.Kapitel - Reise in die Vergangenheit

5.Kapitel - Die Heimreise

6.Kapitel - Die Entscheidung

7.Kapitel - Macht und Geld

8.Kapitel - Die Macht der Magie

9.Kapitel - Die Veränderung

10.Kapitel - Entbranntes Feuer

11.Kapitel - Der Schwur

Diese uralte Geschichte erzählt von den Mysterien der Magie, die seit Tausenden von Jahren den Lauf der Welt bestimmt. Sie berichtet von geheimnisvollen und sagenumwobenen Magiern, die die Macht mit Hilfe der Elemente und verborgener Kreaturen an sich rissen. Dabei stürzten sie die Menschen in ihr unaufhaltsames Unglück. Ihre Gier nach Macht wurde immer größer. Somit bekämpften sie sich auch untereinander, so dass am Ende der Tage nur noch wenige von ihnen übrigblieben. Doch eines Tages begann ihr Schicksal sich zu wenden….

1.Kapitel
Matthew

Die Abendsonne verlieh dem Firmament einen ganz besonderen Glanz und färbte es purpurrot mit einem hellen, goldgelben Schimmer. Matthew fuhr mit seinen kräftigen Fingern durch seine schulterlangen dunklen Haare, um die einzelnen Strähnen, die ihm ins Gesicht gefallen waren, zurückzuschieben. Seine tiefblauen Augen spiegelten das Licht der Abendsonne wider. Sein Blick wanderte nachdenklich in die weite Ferne. Dieses wunderbare, seltene Lichtspiel erfreute sein Gemüt. Er wiegte sich gleichmäßig in seinem alten, hölzernen Schaukelstuhl hin und her. Die Veranda vor seinem in die Jahre gekommenem Haus, bot einen grandiosen Ausblick, der bis an den fernen Horizont reichte. Die Ernte war vorüber. Die abgeernteten Felder gaben nun den Blick frei. Es war Spätsommer geworden und der Herbst war nahe. Allerdings stand das bislang nur im Kalender, denn es war immer noch sehr warm, und die schwüle Luft schien nicht weichen zu wollen. Die Tage waren heiß und drückend. Für die Menschen erschienen sie schier unerträglich und vor allem schweißtreibend. Abends saß Matthew dann stets alleine vor seinem Haus in seinem alten Schaukelstuhl. Er genoss diese gnadenvolle Stille, bevor die Nacht das Land in ihr dunkles Schweigen hüllte.

Er genoss es, sein eigener Herr zu sein. Es gab niemand, der ihm vorschreiben konnte, was er zu tun oder zu lassen hatte. Dieses beruhigende Gefühl der Unabhängigkeit bestätigte ihm immer wieder aufs Neue, dass er das Richtige getan hatte. Er hatte sich vor einem Jahr eine kleine Farm gekauft mit dem Geld, das aus dem Nachlass seiner verstorbenen Mutter stammte. Er baute Weizen an für sein tägliches Brot und hielt sich zwei Kühe, ein paar Hühner und Schweine für seinen Eigenbedarf. Was er nicht selber benötigte, verkaufte er auf dem Markt in der Stadt, damit er etwas Geld hatte für all die weiteren Gebrauchs- und Verbrauchsartikel, die er nicht selber herstellen konnte.

Er hatte schon als kleiner Junge lernen müssen, dass er sich nur auf sich selbst verlassen konnte. Da war niemand, der sich um ihn gekümmert hätte. An seine Mutter konnte er sich kaum erinnern. Er war damals erst fünf Jahre alt gewesen, als sie bei einem tragischen Autounfall verunglückte. Verwandte gab es keine. Keine Menschenseele konnte sich um ihn kümmern, vor allem bei sich aufnehmen. Ein Vater konnte auch nicht gefunden werden. Somit brachte man den kleinen Waisenjungen ins nächstgelegene Kinderheim, wo er verblieb, bis er erwachsen geworden war.

Die einzige Bezugsperson, zu der er eine Art Vertrauensverhältnis aufgebaut hatte im Laufe der Jahre, war Tante Sally. Sie war eine der Betreuerinnen im Kinderheim gewesen. Sally war eine gute Seele. Sie kümmerte sich rührend um ihren Schützling all die Jahre. Sie war sehr darum bemüht gewesen, ihm Geborgenheit zu geben, soweit das in ihrer Macht stand. Mit ihrer liebevollen Art, hatte sie ihn auch oft besänftigt, wenn er sich wieder einmal in sturer Weise den Regeln im Heim widersetzt hatte.

„Oh ja, Tante Sally“, dachte er, indem ein Lächeln über sein Gesicht huschte. Er erinnerte sich mit etwas Wehmut an sie, weil sie die Einzige war, die immer zu ihm hielt in all den Jahren, solange er zurückdenken konnte. Er hatte sonst keine Person des Vertrauens außer ihr. Mit den anderen Kindern konnte er nie viel anfangen. Er saß viel lieber bei den Erwachsenen und hörte ihnen zu, wie sie sich über Dinge des Lebens unterhielten. Manchmal nahm ihn Sally auch mit zu sich nach Hause zu ihrem Mann Tom. Auch mit ihm verstand sich Matthew sehr gut. Dabei genoss er die Zeit immer sehr, die er bei den beiden verbringen durfte. Tom hatte einen kleinen Buchladen gehabt, der mehr schlecht als Recht, florierte. Dennoch war er sehr stolz auf seinen kleinen, gemütlichen Laden, weil er Bücher über alles liebte. Der kleine Laden gab ihm das Gefühl, sein eigener Herr zu sein. Das hatte Matthew wohl auch von ihm so übernommen, dass es besser war, sein eigenes Ding zu machen, um von niemandem abhängig zu sein. Er schmunzelte bei dem Gedanken an dieses alte Raubein. Er wusste schon beim ersten Treffen, dass sein sanfter und gütiger Kern von einer rauen Schale umgeben war. Tom war ihm ein gutes Vorbild gewesen, an dem er sich orientieren konnte. Er war für ihn eine Art Vater gewesen, den er nie gehabt hatte.

Matthew war den beiden sehr dankbar, dass sie ihm so viel Zeit und Liebe gewidmet hatten. Er würde ihnen für immer ein liebevolles Gedächtnis bewahren. Tom war im Alter von 63 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben, und seine Frau Sally folgte ihm Jahre später, knapp vor ihrem 70. Geburtstag im Tode nach. Seit dem Ableben ihres Mannes hatte sie sich zurückgezogen und den Kontakt zu den meisten Leuten vermieden. Sie hatte ihn sehr geliebt, und konnte nie wirklich verwinden, dass er sie alleine zurückgelassen hatte. Deshalb sah sie ihrem Tod sehr froh entgegen, als ihre Zeit des Abschiedes gekommen war. Matthew war sehr traurig gewesen, als sie starb. Er hatte das Gefühl, eine Mutter verloren zu haben. Dieses Gefühl blieb zurück. Er brauchte einige Zeit, um sich mit dem Verlust abzufinden. Zwei Wochen nach Sallys Tod bekam Matthew einen Brief vom Notar. Darin bat er ihn zu sich in seine Kanzlei. Als Matthew zu besagtem Termin erschien, teilte ihm der Notar mit, dass alles, was Sally noch besessen hatte, nun ihm gehörte. Da Sally und Tom keine eigenen Kinder hatten, bedachte sie ihren Schützling in ihrem Testament. Es war nicht mehr viel, was übrig war. Aber es gab noch das alte Auto, ein paar Möbel, einige Bücher, alte Schallplatten und einige persönliche Habseligkeiten, die ihm nun zugesprochen worden waren. Der Notar hatte ihm einen Brief übergeben und zudem eine augenscheinlich sehr alte, silberne Schatulle, die auf ihrem Deckel einen Löwenkopf trug.

„Dies hier war der ausdrückliche Wunsch und Auftrag von Sally, dass ich ihnen das hier nach ihrem Tod persönlich übergeben sollte“, sagte der Notar. „Ich kenne den Inhalt nicht, ich habe nur den Auftrag, ihnen das zu überreichen und mitzuteilen, dass diese alte Schatulle aus dem Nachlass ihrer Mutter stammt.“ Die Verwunderung stand Matthew ins Gesicht geschrieben. Er konnte nicht fassen, dass Sally ihm all die Jahre etwas verheimlicht hatte. Oft hatte er sie nach seiner Mutter gefragt, aber sie konnte oder wollte seine Fragen nicht beantworten. Und nun saß er da beim Notar und war völlig überrascht, dass es doch noch Hinweise über seine Mutter zu geben schien, von denen er bisher nichts gewusst hatte.

Er hatte keine Ahnung, woher seine Mutter eigentlich gekommen, respektive, wer sein Vater gewesen war. Er wusste so gut wie nichts über seine eigene Familie. Seine Mutter hatte dieses Geheimnis mit in ihr Grab genommen.

Matthew bedankte sich bei dem Notar, nahm den Brief und die Schatulle und fuhr zurück nach Hause in seine kleine Wohnung in der Stadt. Sie war nichts Besonderes, vielmehr schon etwas heruntergekommen, jedoch für seine einfachen Ansprüche war sie ausreichend. Matthew verdiente seinen Lebensunterhalt auf der Farm des alten John, der ihn schon von Kindesbeinen an kannte. Er war ein guter Freund von Tom und Sally gewesen. John war schon in einem stolzen Alter, dessen ungeachtet war er gesund und noch sehr aktiv. Die Arbeit auf der Farm hielt ihn jung. Sein Sohn Buck war in Matthews Alter. Beide waren inzwischen gute Freunde geworden. So gestaltete sich das Verhältnis der drei zueinander eher einer Familie als das eines bloßen Arbeitsverhältnisses. Matthew hatte sich dort sehr wohl gefühlt. Er kannte jeden Stein auf der Farm und lernte im Laufe der Jahre viel über die Bewirtschaftung einer Farm. Eines Tages wollte er selbst eine besitzen. Das hatte er sich schon mit zwölf Jahren geschworen. Da er mit Tom und Sally schon als kleines Kind auf der Farm zu Besuch gewesen war, war ihm eine andere Möglichkeit zu leben nicht bekannt. Er liebte es, über die Felder zu laufen und bei den Tieren zu sein. So konnte er sich dann auch in späteren Jahren nichts Schöneres vorstellen, als selbst eine Farm zu besitzen.

 

Als er dann vom Notar zurück nach Hause fuhr, war er sehr nachdenklich. Er fragte sich, was sie eventuell wohl noch gewusst hatte über seine Herkunft. In seiner kleinen Wohnung angekommen, stellte er die silberne Schatulle auf den Tisch und öffnete den Brief.

Er war von Sally; das sah er sofort an ihrer Handschrift, die er nur zu gut kannte.

„Mein lieber Junge!

Es ist nun an der Zeit für mich zu gehen, und in meinen letzten Tagen, schreibe ich diesen Brief an Dich, der Dir erklären soll, warum es mir nicht möglich war, ihn Dir schon früher zu geben.

Ich habe deine Mutter damals nach dem Unfall noch im Krankenhaus drei Tage vor ihrem Tod besucht, weil ich einige Sachen von dir holen musste und auch deine Papiere benötigte für unser Heim.

Sie war schon sehr schwach gewesen und die Ärzte wussten, dass sie nichts mehr für sie tun konnten, weil ihre inneren Verletzungen einfach zu schwer waren.

Sie gab mir ihren Schlüssel und beauftragte mich, aus ihrer Wohnung das Nötige zu holen. Hierzu gehörte diese silberne Schatulle, die du nun in deinen Händen hältst. Es war ihr sehr wichtig, dass du sie eines Tages, wenn du in einem reifen Alter bist, bekommst. Ich kann dir nicht sagen, was ihr Inhalt ist, da ich ihn nicht kenne. Ich habe nie hineingesehen, sondern die Schatulle nur in ihrem Auftrag für dich so lange aufbewahrt, bis du über 30 Jahre alt warst, so wie deine Mutter es gewollt hatte. Ich durfte sie dir nicht früher aushändigen, aus welchem Grund auch immer. Ich weiß, dass du gerne mehr erfahren hättest über sie und deinem Vater. Aber diese Fragen hatte sie mir nicht beantwortet. Mir schien, sie hatte wohl auch einen guten Grund, dies zu verschweigen. Ich weiß nur, dass sie mit Mary Smith bezeichnet wurde, was meiner Meinung nach wohl auch nicht ihr richtiger Name war. Vielleicht hatte sie ihn auch nur aus irgendeinem uns verborgenen Grund angenommen. Ich kann dir nur meine Eindrücke von diesem Besuch damals schildern, soweit ich mich noch daran erinnere. Deine Mutter war eine wunderschöne Frau mit blauen Augen und langem dunklen Haar. Sie war eine sehr zarte Person, sie drückte sich auch sehr gewählt aus, sodass ich annahm, dass sie aus sehr gutem Hause stammen musste. Aber sie hat mir nichts weiter- erzählt, was ich Dir hätte mitteilen können. Sie war aber auch schon viel zu schwach. Das Reden strengte sie sehr an. Worauf ich mir keinen Reim machen konnte, war ihre Aussage: „Die Macht ist mit ihm bei den Steinen.“ Sie hatte nichts weiter dazu gesagt. Ich habe nicht verstanden, was sie damit gemeint hat. Vielleicht hat sie auch nur im Delirium gesprochen, hervorgerufen durch die Medikamente. Ich kann es Dir nicht sagen. Sie war danach auch nicht mehr ansprechbar. Damit war dieser Satz das Letzte, was sie zu mir sagte. Ich vermute, dass Du vielleicht in der Schatulle weitere Hinweise finden wirst, die Dir etwas über deine Herkunft verraten könnten.

Alle meine Sachen, die ich noch besaß, vermache ich Dir, und ich hoffe, dass Du sie als Erinnerung an Tom und mich aufbewahrst. Habe viel Freude daran!

Mein lieber Matthew, Du warst immer wie ein eigener Sohn für mich, und ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass Du glücklich wirst. Vielleicht findest Du ja auch irgendwann die richtige Frau, die an Deiner Seite mit Dir glücklich sein kann. Das hoffe ich sehr.

Welchen Weg Du auch immer gehen wirst, gib immer gut auf Dich acht und bleib so, wie Du bist.

In Liebe deine

Sally“

Matthew legte den Brief auf den Tisch, wobei er tief durchatmete. Er war enttäuscht, dass er nun wieder nicht viel mehr wusste als zuvor. Er war innerlich sehr aufgewühlt. Gefühle von Trauer, Frust und auch ein wenig Angst durchfluteten ihn. Was würde er nun gleich finden?

Mit zittrigen Händen versuchte er, das Behältnis zu öffnen. Die Schatulle hatte einen sehr seltsamen Verschluss, den er nie zuvor gesehen hatte. Am Deckel war eine Art Ring, den man anheben und drehen musste, damit jener aufging. Der Löwe, der den Ring in seinem Maul hielt, hatte zwei blaue glänzende Steine als Augen. Matthew betrachtete das Tier und sah, dass seine Pranken an den Seiten die Schatulle festhielten, so als ob das Tier den Inhalt schützen wollte. Die Augen waren kraftvoll und warnend zugleich. Nie zuvor hatte er etwas Vergleichbares gesehen. Das warf bei ihm noch mehr Fragen auf, denn das hier war keine übliche Schmuckschatulle, die man überall kaufen konnte. Es war eindeutig zu erkennen, dass sie sehr alt und von findiger Hand hergestellt worden war. Was ihn wiederum auf die Frage zurückkommen ließ, wer seine Mutter gewesen und woher sie gekommen war. Er hatte keine Verwandten, die er hätte fragen können. Auch seine Geburtsurkunde gab keinerlei Aufschlüsse darüber. Vater unbekannt, stand auf der Urkunde zu lesen.

Schon sein ganzes Leben lang fragte sich Matthew, wer er eigentlich war. Aber niemand konnte diese zutiefst in ihm brennenden Fragen beantworten. Als er nun den Ring drehte, war ein mechanisches Geräusch zu hören, und zwar so, als ob sich im Inneren Teile verschieben und der obere Part der Schatulle dadurch freigegeben würde. Matthew atmete tief durch. Seine Anspannung war fast greifbar. Nervös hob er den Deckel an und klappte ihn zurück. Das Innere der Schatulle war ebenfalls aus altem Silber, und mit blauem Samt ausgeschlagen.

Sein erster Blick fiel auf einen Briefumschlag, der prall gefüllt war, und seinen Namen trug. Er nahm ihn vorsichtig heraus und öffnete ihn.

Er staunte nicht schlecht, als dann vor ihm tausende von Dollar lagen. Sein Herz pochte wie wild, als er das Geld zählte. Es waren genau 79.800.- Dollar. Er freute sich wie verrückt, denn nun konnte er sich endlich seinen Traum von einer eigenen Farm erfüllen. Gleichzeitig warf das für ihn noch mehr Fragen auf, was seine Mutter betraf. Wer war sie, dass sie so viel Geld besessen hatte? Woher hatte sie es, wenn sie doch laut anderen Leuten nur als Näherin gearbeitet hatte, wenn sie gar nicht viel verdient hatte? Fragen über Fragen schwirrten in Matthews Kopf umher. Er hätte nur zu gerne gewusst, wer sie wirklich gewesen war, damit seine ewigen Fragen ein Ende hätten finden können. Nichts bewegte ihn schon so lange und intensiv wie seine ihm völlig verborgene Herkunft. Doch da war niemand, der all das beantworten hätte können. Seine Mutter hatte mit keinem je darüber gesprochen. Und so gab es keinerlei Aufschlüsse darüber, wer er wirklich war.

Er betrachtete das Geld und beschloss, am nächsten Tag zu Farmer Gregory Mac Allys zu fahren, der seine Farm schon einige Zeit zum Verkauf anbot. Ein sehr schönes kleines Stück Land mit einem kleinen Häuschen, das von einer großen Veranda umrahmt war. Ein kleiner Wald samt großem Teich gehörte auch zu dem Besitz Er schien ihm nicht zu groß und nicht zu klein, sodass man alles hatte, was man brauchte, um alleine und unabhängig leben zu können. Es war perfekt für ihn.

Er sah in das Innere der Schatulle, ob da vielleicht noch etwas war, was ihm mehr Aufschluss hätte geben können. Sein Blick fiel auf einen kleinen Beutel aus rotem Samt, der mit Bändern verschnürt war. Das war das Einzige, was noch darin lag. Er nahm ihn heraus und zog an den Bändern. Vorsichtig nahm er eine Kette heraus, an der ein sehr auffälliger, großer Anhänger baumelte. Der schimmernde große, blaue Stein in der Mitte des Anhängers war kunstvoll mit geschwungenem Silber umrahmt worden. Matthew wusste sofort, dass dies kein neuer Schmuck war, sondern ein sehr alter, aus längst vergangenen Tagen. Er betrachtete ihn lange und dachte daran, dass dies wohl ein Lieblingsstück seiner Mutter gewesen sein musste. Sonst hätte sie ihn wohl kaum so sorgsam aufbewahrt wie einen wertvollen Schatz. Er betrachtete ihn lange und strich mit dem Zeigefinger vorsichtig über den glänzenden Stein, der sein ganz eigenes Leuchten zu haben schien. Matthew hatte ein ganz seltsames Gefühl, als er den Stein berührte. Es war ihm, als ob der Stein ein Geheimnis in sich trug. Irgendwie schien ihm diese Kette vertraut und doch fremd zugleich. Heutzutage trug man keinen solchen Schmuck mehr. Er fragte sich, woher er wohl stammen mochte und wie alt er wohl war. Letztendlich hatte er auch darauf keine Antworten. Schnell schob er ihn zurück in den Samtbeutel, verschnürte ihn, legte ihn vorsichtig zurück in die Schatulle und verschloss wieder sorgsam den Deckel. Er stellte die Schatulle in seinen alten Schrank und schloss ihn ab. Er hatte das Gefühl, dass sie etwas ganz Besonderes war. Und so gab er von diesem Tag an gut auf sie acht. Alleine die Erinnerung an seine Mutter und ihr Geheimnis, das sie zu umgeben schien, war genug Anlass für ihn, die silberne Schatulle ebenso wie einen kostbaren Schatz zu verwahren.

Am nächsten Morgen stand er ganz früh auf, kochte sich Kaffee, und machte sich dann auf den Weg zu Mac Allys Farm.

„Guten Morgen Matthew!“, begrüßte ihn Mac Allys überrascht. „Was treibt dich denn so früh zu mir heraus? Willst du dir wieder mal mein schönes Stück Land ansehen?“, lachte er. Sein betagtes Gesicht war von einem breiten Grinsen durchzogen. Er wusste ja, dass Matthew schon lange sparte, um das Geld für seine langersehnte Farm zusammen zu bekommen. „Kaffee?“, sagte er zu Matthew. „Ja gerne“, antwortete Matthew. „Ich habe gute Neuigkeiten für dich Gregory. Ich habe etwas Geld geerbt, und kann mir somit nun endlich deine Farm kaufen!“ Beseelt von seinem Glück, setzte sich Matthew an Gregorys Tisch und nahm den dampfenden schwarzen Kaffee entgegen, den ihm Gregory in einem alten, blauen Keramikbecher hinstellte. „Na, das freut mich für dich, Junge, und auch für mich natürlich, dann kann ich endlich zu meinen Kindern in die Stadt ziehen auf meine alten Tage, um mich nur noch von meiner Tochter umsorgen zu lassen“, lachte er erfreut. Gregory war bereits in einem hohen Alter von 81 Jahren, deshalb wollte er nicht seine restlichen Tage alleine auf der Farm verbringen. Auch die Arbeit war ihm zu viel und zu schwer geworden, um sie alleine bewältigen zu können.

Matthew genoss den Kaffee. Ein Gefühl kam in ihm auf, als ob er endlich am Ziel angekommen wäre. Mit seinen bereits einunddreißig Jahren war es Zeit für ihn, etwas zu haben, das nur ihm allein gehörte. So war er nun sehr stolz, dass er diese Farm nun endlich kaufen konnte. „Ich wünsche dir sehr, dass du hier genauso glücklich wirst, wie ich es hier war, mein Junge“, sagte Gregory, während er ihm väterlich auf die Schulter klopfte. „Du weißt, dass mein ganzes Herz an der Farm hängt. Nun bin ich froh, dass du sie bekommst. Denn ich weiß, dass du sie genauso weiterführen wirst, wie ich es getan habe viel Jahre lang. Respekt haben vor der Natur und der behutsame Umgang mit ihr, ist eines der wichtigsten Dinge, die man lernen muss im Leben. Das beachten leider nicht mehr viele Menschen heutzutage. Deshalb ist es beruhigend für mich zu wissen, dass sie nun in deinen Händen gut aufgehoben ist. Meine Kinder haben leider auch kein Interesse, auf dem Land zu leben. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als sie zu verkaufen. Natürlich hätte ich es mir anders gewünscht. Aber jetzt bin ich jetzt froh, dass du sie bekommst.“ Er lächelte Matthew zu und streckte ihm seine Hand entgegen. So besiegelten sie ihren Vertrag per Handschlag. Damit war Matthew fortan stolzer Eigentümer einer wunderschönen Farm. So war er zu diesem Stück Land gekommen, dessen Ruhe und Friedlichkeit er nun jeden Abend auf seiner Veranda genießen konnte.

Er sah zum Himmel auf, dessen Röte sich langsam in der hereinbrechenden Dunkelheit der Nacht verlor. Ja, er war glücklich geworden hier, so wie Sally es sich gewünscht hatte. Besser hätte er es sich nicht vorstellen können.

Er lebte alleine auf der Farm. Ab und zu kam Buck vorbei und besuchte ihn oder half ihm bei der Arbeit. Er kam immer, wenn Not am Mann war wie bei der Ernte. Buck war sein bester Freund. Er war immer zur Stelle, wenn er ihn brauchte. Die übrige Arbeit schulterte er im Alleingang. Und darauf war er sehr stolz. Er konnte sich selbst sehr gut versorgen, war mittlerweile auch perfekt im Brot backen und kochen geworden. Vieles hatte ihm auch Sally vor Jahren schon beigebracht. Nach ihrem Tod hatte er ihr altes Auto, und die paar Möbel und persönlichen Habseligkeiten abgeholt, die von ihr geblieben waren. So wurde er täglich an sie erinnert, wenn er in ihrem alten, samtbezogenen Ohrensessel saß, der nun bei ihm im Wohnzimmer seinen Platz gefunden hatte. Er bekam dann immer ein wenig das Gefühl, dass sie noch hier war. Die Bücher von Tom hatte er in eine alte Glasvitrine gestellt, wo sie vor Staub gut geschützt waren. Es waren hauptsächlich Bücher über Geschichte und Literaturklassiker. Gelesen hatte er sie noch nicht, denn dafür hatte er noch keine Zeit gefunden. Er hörte sich auch viel lieber die alten Platten von Tom an, als dass er ein Buch las. Damit konnte er schon wesentlich mehr anfangen. Er kannte die Musik ja auch schon von früher, da er ja als Kind oft bei ihnen gewesen war. Deshalb legte er des Öfteren abends Toms Platten auf und schwelgte dann in Erinnerungen. Die Sammlung reichte von Bing Crosby und Sammy Davis Jr., bis Janis Joplin. Er mochte diese Musik, und überdies waren einige Platten dabei, die heute nur noch schwer zu bekommen waren. Für Matthew war diese wertvolle Sammlung auch eine Art Schatz. Trotzdem würde ihm nie in den Sinn kommen, sie eines Tages zu verkaufen. Für ihn hatten all diese Gebrauchsartikel einen ganz speziellen Wert.

 

Das alte Auto, ein Ford F 100 Pickup, mit dem Tom vor Jahren das letzte Mal gefahren war, musste Matthew erst wieder fahrtüchtig machen. Er stand schon viel zu lange im Schuppen. Aber es war ein sehr robuster PKW, der auch einen grobschlächtigen Fahrer ertrug! Deshalb behielt ihn Matthew auch so lange man noch Ersatzteile beschaffen und ihn immer wieder reparieren konnte. Der Geruch der alten Ledersitze hatte es ihm sehr angetan. Er genoss ihn, wenn er mit dem Auto unterwegs war. Das ererbte Auto vermittelte ihm ein echtes Fahrgefühl. Kurzum, er liebte dieses Auto.

Es war spät geworden. Matthew löschte das Licht im Haus und ging zu Bett. Da fiel ihm der Satz aus dem Brief wieder ein: „Die Macht ist mit ihm bei den Steinen.“ „Seltsam“, dachte er, was wollte seine Mutter wohl damit sagen? Und welche Steine hatte sie damit gemeint? Oder hatte sie wirklich nur im Delirium gesprochen? Das wäre dann trotzdem eine sehr merkwürdige Aussage gewesen. Da er aber nichts damit anfangen konnte, schob er den Gedanken beiseite und schlief ein.