Person und Religion

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5.3.3.2 Argumente gegen die materialistische Reduzierung des Bewusstseins
zu einem Produkt des Gehirns

Wie gesehen, unterscheidet auch der EpiphänomenalismusEpiphänomenalismus zwischen dem Physischen und dem Mentalen. Doch während er annimmt, dass Veränderungen im Physischen geistige Prozesse verursachen, streitet er strikte ab, dass physische Prozesse durch den GeistGeist verursacht werden. Damit spricht er sich nur für die Beziehung aus, die vom Körper zum Geist verläuft, die entgegengesetzte Beziehung vom Geist zum Körper dagegen verbleibt sozusagen inaktuell, ja muss es bleiben, wenn das naturalistische WeltbildWeltbild berücksichtigt wird, das die Grundlage des epiphänomenalistischen Denkens bildet. Demgegenüber sei aufgezeigt, welche Argumente gegen die TheseThese der evolutionär-emergenten Höherentwicklung allen Seins in dem Sinne sprechen, dass das BewusstseinBewusstsein das Produkt des Gehirns sei. Die Unhaltbarkeit jeder Reduzierung des menschlichen Bewusstseins zu einem EpiphänomenEpiphänomen des Gehirns oder auf Vorgänge im Gehirn selber ist auf vielfache Weise demonstrierbar. Dabei ist es nicht entscheidend, ob Bewusstsein nun im Sinne des „frontalen Bewusstseins von“ oder im Sinne des „lateralen“ VollzugsbewusstseinsVollzugsbewusstsein verstanden wird.1 Alles, was nicht zur eigenen PersonPerson gehört, ist in einem „Bewusstsein vonBewusstsein von“ gegeben, als Objekt, das auf der Objektseite erfasst wird. „Wenn ich mich hingegen freue oder begeistere, wenn ich weine oder trauere, liebe oder hasse, liegt kein ‚Bewusstsein von‘ vor, sondern ein bewusst vollzogenes Sein, das mir nicht frontal gegenübersteht.“2 Auch die Gefühle der FreudeFreude oder der Trauer usw. setzen ein „Bewusstsein von“ dem Objekt voraus, das die Freude oder die Trauer motiviert, doch die AntwortenAntworten der Freude oder der Trauer selbst „sind kein ‚Bewusstsein von‘, sondern bewusst Seiende“3. Ebenso ist auch das Sehen nicht so gegeben wie das Gesehene. Denn während man sich bewusst ist, den Akt des Sehens zu vollziehen, wird das Gesehene in einem frontalen „Bewusstsein von“ erfasst. Desgleichen beim Akt des Erkennens, von dem nur dann gesprochen werden kann, wenn ein „Bewusstsein von“ vorliegt. Hat man etwa erkannt, dass nil volitum nisi cogitatum, dann nur deswegen, weil man ein Bewusstsein hat vom Wollen und vom ErkennenErkennen; erkenntnistheoretisch gesprochen, weil man ihr SoseinSosein erfahren hat.4

Dass es absolut unmöglich ist, das menschliche BewusstseinBewusstsein auf eine Begleiterscheinung (EpiphänomenEpiphänomen) des Gehirns oder auf Vorgänge in ihm zu reduzieren, erweist sich am Vergleich des Bewusstseins mit einer beliebigen materiellen SubstanzSubstanz, und das HirnHirn wird von den Materialisten ja gerade als ein materielles Objekt verstanden. Die materielle Substanz selber muss räumlich ausgedehnt, zusammengesetzt, teilbar usw. sein. Werden damit die wesentlichen Merkmale des geistigen Seins verglichen, so die bewusst von innen her vollzogene IntentionalitätIntentionalität, d.h. die bewusste und sinnvolle SubjektSubjekt-Objekt-Beziehung der meisten Erfahrungen, und die NotwendigkeitNotwendigkeitsubjektive, mit der das bewusste Leben die ExistenzExistenz eines bewussten und unteilbaren Subjekts voraussetzt, dessen bewusstes Leben es ist, dann wird die Unmöglichkeit evident, dass eine materielle Substanz in ihrer EinheitEinheit-in-der-Verschiedenheit und ihrer Zusammensetzung die Substanz sein könnte, die die Voraussetzung der bewussten Akte des Subjekts ist.

Dass LeibnizLeibnizGottfried Wilhelm dies deutlich verstanden hat, beweist er mit seiner Vorgabe einer Maschine, „deren Struktur Denken, Empfinden und Perzeptionen haben lässt“, die vergrössert begriffen dergestalt sei, dass man in sie hineintreten könne.5 „Dies gesetzt, würde man beim Besuch im Innern nur einander stossende Teile finden, niemals aber etwas, was eine Perzeption erklärt. So muss man sie in der einfachen SubstanzSubstanz und nicht in dem Zusammengesetzten oder in der Maschine suchen.“6

Die EinfachheitEinfachheit und die unzusammengesetzte IndividualitätIndividualität des Subjekts, das für alle Erfahrungen vorausgesetzt ist, kann nicht eine zusammengesetzte SubstanzSubstanz mit Teilen im Raume sein. Es ist unmittelbar einsichtig, dass materielle, zusammengesetzte Substanzen nie SubjektSubjekt der geistigen Erfahrungen sein können. Wie unbezweifelbar dieses WissenWissen ist, zeigt sich z.B. beim Hören eines musikalischen Werks. Das Hören von Beethovens 9. Symphonie setzt ein unteilbares Subjekt voraus, das in den unzähligen Teilen und zeitlichen Phasen dieser Erfahrung gegenwärtig ist, um überhaupt möglich zu sein. Ein Gehirn mit noch so vielen verschiedenen Teilen und Funktionen könnte nie bewusste Erfahrungen haben. Die 9. Symphonie würde ihr Sein und ihre EinheitEinheit verlieren und total zerstört werden, wenn nicht das eine, identische und unteilbare Selbst das Subjekt wäre, das als das nicht-zusammengesetzte und einfache Ich die erhabenen Klänge dieser Symphonie hören würde. Gleichermassen verhält es sich mit jedem anderen KunstwerkKunstwerk, sei es aus der Architektur, der Skulptur, der Malerei oder der Literatur.7 Mit der Literatur ist auf die Sprache Bezug genommen, für die dasselbe gilt wie für das Hören von Beethovens 9. Symphonie, auch das VerstehenVerstehen einer Sprache setzt ein immaterielles, ein bewusstes Subjekt voraus. Da bewusste menschliche Erfahrungen also eine unteilbare, einfache, nicht-zusammengesetzte Substanz als Subjekt bedingen, keine materielle Substanz aber unteilbar einfach und nicht-zusammengesetzt ist, ist keine materielle Substanz die Substanz, die vorausgesetzt ist als Subjekt für bewusste Erfahrungen des bewussten menschlichen Lebens.

Ein anderes ArgumentArgument für die immaterielle Seinsweise des menschlichen Geistes und den IrrtumIrrtum des EpiphänomenalismusEpiphänomenalismus hebt an bei der FreiheitFreiheit. Ein Versprechen oder jeder andere freie Akt wäre absurdabsurd, wenn solch ein Akt identisch wäre mit oder determiniert durch materielle oder organische Prozesse. Jeder MenschMensch setzt gewisse freie Akte voraus, auch dann, wenn er den MaterialismusMaterialismus untersucht oder verteidigt. In jedem Moment aber, in dem er die Freiheit voraussetzt, widerspricht er – unbewusst – seiner eigenen Theorie. Wenn eine Handlung vollzogen wird, die die freie Initiative bedingt und nicht die WirkungWirkung einer anderen UrsacheUrsache ist, sondern dem eigenen Selbst entstammt, dann würde diese Handlung überhaupt nicht existieren, wenn sie nicht gewollt worden wäre. So beinhaltet eine solche Handlung die Tatsache, dass das Selbst über ihr Sein und Nichtsein entscheidet. Diese Tatsache widerlegt den Materialismus, nach dem freie Akte nicht existieren können. Das Dasein freier Akte und deren SubjektSubjekt sind irreduzibel auf das Gehirn und jedes andere materielle System.

Auch das ErkennenErkennen widerspricht der TheseThese, ein EpiphänomenEpiphänomen des Gehirns oder dessen Funktionen zu sein. Das zeigt sich an der TranszendenzTranszendenz in der ErkenntnisErkenntnis, in der das Sein oder WesenWesen von etwas sich selbst vor unserem GeistGeist als das enthüllt, was es in sich selbst ist.8 Kognitive Akte nach Art der psycho-physischen IdentitätIdentität zu erklären, wie Evolutionisten und Emergenztheoretiker es versuchen, beinhaltet einen notwendigen WiderspruchWiderspruch zur NaturNatur der kognitiven Akte. Denn aus ihrer Sicht hängt der Inhalt des Wissens nicht ab von der Natur des Objekts, sondern ist verschieden bei verschiedenen Gehirnaktivitäten, ganz unabhängig von der Natur des Objekts.9 WissenWissen könnte also nicht existieren, doch als Wissen, zum Beispiel von dieser Arbeit, existiert es offensichtlich, also muss auch der Geist existieren, denn ohne Geist wäre es unmöglich. Die ExistenzExistenz des Geistes als SubjektSubjekt des Bewusstseins enthält somit eine absolute Zurückweisung eines jeden EvolutionismusEvolutionismus, der behauptet, dass MaterieMaterie das Leben des menschlichen Geistes hervorbringen könne.10 Hierzu gehört auch die philosophische Unmöglichkeit einer werdenden Reflexion. Wie allgemein bekannt, ist Reflexion entweder da, oder sie ist nicht da. Undenkbar ist jedoch ein vormaliges Nicht-Ich, das immer mehr zu einem Ich, sozusagen immer „icher“ wird. „Alle Gedanken, die so etwas für möglich halten, beruhen auf den Zirkelschlüssen des MaterialismusMaterialismus, der sich den Geist als ein Produkt der Materie denkt.“11 Denn um das denken zu können, muss der Geist vorausgesetzt werden, der eigentlich bewiesen werden soll. Kurzum, „das zu Beweisende wird mit Hilfe des zu Beweisenden ‚bewiesen‘“12.

Überzeugend wird die EvolutionstheorieEvolutionstheorie zudem auch durch die oben dargelegte BegründungBegründung des philosophischen, d.h. synthetischsynthetisch-apriorischen Erkennens widerlegt. Denn da die Tatsache absolut gewissen Erkennens einen in sich notwendigen Gegenstand voraussetzt, die Gegenstände dieser Art aber weder der Veränderung noch einem Werden unterliegen, sondern immer mit sich selbst identisch sind, können die in solchen Gegenständen gründenden Sachverhalte auf absolut gewisse und allgemeingültige Weise erkannt werden. Angesichts dessen, dass mit dem BegriffBegriff der ReligionReligion die Aufmerksamkeit auf die Beziehung des Menschen zu GottGott gelenkt wird und diese Beziehung ebenso notwendig ist wie die beiden Glieder des Sachverhalts, die Evolutionstheorie die Religion aber nicht qua In-sich-Notwendiges, sondern qua Kontingentes und Werdendes zum Gegenstand hat, ist es logisch, dass in ihr in punkto Religion Forschungsmethoden zur Anwendung gebracht werden, die dem Gegenstand der Religion sachlich nicht angemessen sind und von da her auch keine WesenserkenntnisseWesenserkenntnisse ermöglichen. Sofern die Evolutionstheoretiker ihre WeltanschauungWeltanschauung absolut setzen, depersonalisieren sie durch ihre reduktionistische Neutralisierung das Leben des Menschen. Und indem sie die metaphysischen und moralischen Wahrheiten ihrer ObjektivitätObjektivität berauben,13 verfehlen sie das wahrhaft Menschliche ebenso wie die szientischen NaturwissenschaftenNaturwissenschaften. Die Folge ist das Nichtwissen um den wahren SinnSinn des Lebens,14 mit all den weiter oben beschriebenen Konsequenzen.

 

6 Zusammenfassung

Nachdem sich in den vergangenen Abschnitten erwiesen hat, dass die Wissensmöglichkeiten des Menschen nicht auf den immanenten Bereich des sinnlich Wahrnehmbaren beschränkt sind, dieser Wirklichkeitsbereich durch die Erlangung metaphysischer Erkenntnisse vielmehr transzendiert werden kann, sind die Grundlagen bereitet, auf denen die Erkennbarkeit Gottes, des schlechthin transzendenten Bezugspunkts der ReligionReligion, untersucht werden kann.

Für von HildebrandHildebrandDietrich von stand das apriorische ErkennenErkennen der ExistenzExistenz Gottes ausser Frage. Schon auf natürlicher Ebene könne sie aufgrund der GottesbeweiseGottesbeweise mit absoluter GewissheitGewissheit erkannt werden. Wobei es sich insofern um einen BeweisBeweis philosophischer Art handelt, als sowohl die Prämissen in ihrer WahrheitWahrheit als auch die Gültigkeit der SchlussformGültigkeit der Schlussform erkannt werden. Und selbst dann, wenn ihm nur wenige zustimmen, selbst dann verliert der Beweis den Charakter objektiver und gewisser ErkenntnisErkenntnis nicht. Denn sobald die SchlussfolgerungSchlussfolgerung einen Bezug zum eigenen Leben hat, was in der ReligionReligion genauso der Fall ist wie in verschiedenen anderen Gegenstandsbereichen auch, die die eigene WeltanschauungWeltanschauung betreffen, setzt die Erlangung der EinsichtEinsicht eine sachlich angemessene Haltung voraus.1 Wie erwähnt, kann auch ein ArgumentArgument ein Beweis sein, es kann aber auch eine BegründungBegründung sein, die nicht auf evidenten Prämissen beruht und die KonklusionKonklusion nicht mit Gewissheit erkennen lässt, sondern nur plausibel macht.2

Was sodann von Hildebrands Beweisgänge für die ExistenzExistenz Gottes betrifft, so konzentrieren sie sich in den kosmologischen Argumenten (auf diesen Seiten v.a. in den bekannten fünf Wegen des Thomas von AquinThomas von Aquin3), welche zwar nicht apriorisch, aber auch nicht empirisch im gewöhnlichen SinnSinn des Wortes sind, denn die ErkenntnisErkenntnis der Existenz Gottes wird nicht auf induktivem Weg erlangt. Empirisch ist nur die RealkonstatierungRealkonstatierung eines kontingenten Seienden. Unter Zugrundelegung der zweiten Prämisse, dass jedes kontingente Seiende einer extramundanen UrsacheUrsache für seine Existenz bedarf, erreicht die Erkenntnis der Existenz des absolut Seienden – in Bezug auf die Gewissheitsstufe – dieselbe Erkenntnisdignität wie die apriorischen Sachverhalte. Diesen Gedankengang entfaltet er in einem Gespräch dahingehend, dass die Ursache der menschlichen PersonPerson ein personaler GeistGeist sein müsse, da etwas ApersonalesApersonales nach allen Regeln der KausalitätKausalität unmöglich Ursache von etwas Höherem sein könne, wie dies von den Vertretern der EvolutionstheorieEvolutionstheorie behauptet wird.4

Während von HildebrandHildebrandDietrich von beim Dasein Gottes von Beweisen spricht, versteht er die Argumente, die das SoseinSosein Gottes erhellen sollen, als Hinweise.5 Hinweise auf GottGott sind ihm die WerteWerte. Das sind jene Wirklichkeiten, die nicht nur wichtig sind für die eigene PersonPerson, die vielmehr in sich wichtig und bedeutsam sind und infolge ihres metaphysischen Wesens nicht geleugnet werden können, ohne stillschweigend wieder eingeführt zu werden. Hinweise auf Gott, den von HildebrandHildebrandDietrich von als den Inbegriff aller WerteInbegriff aller Werte bezeichnet, sind die Werte auf verschiedene Weise. Grundsätzlich unterscheidet er zwischen den ontischen Werten, die Gott abbilden, und den qualitativen Werten, die eine BotschaftBotschaft enthalten.6 Was in objektiver und intrinsischer Weise bedeutsam ist, das wird auf dem Wege eines intuitiven, eines unmittelbaren Affiziertwerdens erfasst. In seinen späteren Schriften versteht er es als einen radikal anderen Typ von Berührung mit dem Wert als bei der WerterkenntnisWerterkenntnis.7 Das AffiziertwerdenAffiziertwerden von den Werten charakterisiert er als ein WertfühlenWertfühlen. Ein Fühlen, wie es beispielsweise beim Hören einer erhebenden Melodie oder beim Miterleben einer bösen Tat erfahren werden kann. Wird der Wert gefühlt, erlaubt das notwendige Sosein des Wertes ein VerstehenVerstehen von innen her, wie es ohne diese Erfahrung nur sehr beschränkt möglich ist.8

Eine entscheidende Frage war vor dem Hintergrund der ErkenntnistheorieErkenntnistheorie von Hildebrands in Verbindung mit seinem Verständnis Gottes als des Inbegriffs aller WerteWerte, ja als der Personifikation der Werte – GottGott ist die GüteGüte, die LiebeLiebe etc. –, dann vor allem, warum von HildebrandHildebrandDietrich von das ontologische ArgumentArgument als ungültig zurückgewiesen hat.9 Ist es doch gerade dieses Argument, mit dem die ExistenzExistenz Gottes aus seinem SoseinSosein erkannt werden soll. Denn ungültig wäre das Argument ja nur dann, wenn die Bejahung der Prämissen und die Verneinung der KonklusionKonklusion keinen formal- oder materiallogischen WiderspruchWiderspruch zwischen Prämissen und Konklusion ergeben würde.10 Wenn aber der absolute Wert bzw. der Inbegriff aller WerteInbegriff aller Werte nur die vollkommene PersonPerson sein kann und wenn die VollkommenheitVollkommenheit die reale Existenz notwendigerweise bedingt, dann wäre die Folgerung auf die notwendige reale Existenz der vollkommenen Person nur unter der Voraussetzung ungültig, dass die Bejahung der Prämissen, dass der Inbegriff aller Werte nur die vollkommene Person sein kann und ihre Vollkommenheit die reale Existenz notwendigerweise bedingt, bei gleichzeitiger Verneinung der Konklusion der realen Existenz des vollkommenen Wesens keinen Widerspruch zwischen den Prämissen und der Konklusion ergeben würde. Da sich aber ein Widerspruch zwischen der Bejahung der Prämissen und der Verneinung der Konklusion ergibt – dergemäss das vollkommene WesenWesen nicht real existiert –, muss das Argument zumindest aus dieser Perspektive als gültig verstanden werden. Selbstverständlich setzen die volle Gültigkeit und die gewisse ErkenntnisErkenntnis der Konklusion v.a. voraus, dass die WahrheitWahrheit der Prämissen mit unbezweifelbarer EvidenzEvidenz erkannt wird.11

Was immer aber der nähere Grund seiner Zurückweisung auch gewesen sein mag, eine sachliche Analyse kommt jedenfalls unweigerlich zum Ergebnis, dass von HildebrandHildebrandDietrich von das ArgumentArgument implizit bejaht hat und es auch explizit hätte anerkennen müssen, hätte er um die Theorie der reinen Vollkommenheitenreine Vollkommenheiten und die mit ihr gegebene angemessene BegründungBegründung des ontologischen Arguments gewusst. Implizit hat er es aufgrund dessen bejaht, dass er die sittlichen WerteWerte als die höchsten, die wichtigsten und die zentralsten bezeichnete, die sittlichen Werte aber gerade diejenigen sind, bei denen es sich in vielen Fällen um reine Vollkommenheiten handelt, z.B. bei der GüteGüte, der WahrhaftigkeitWahrhaftigkeit, der GerechtigkeitGerechtigkeit oder der LiebeLiebe, die von HildebrandHildebrandDietrich von selbst GottGott zugeschrieben hat.12 Wie erwähnt, gibt es nebstdem gewisse sittliche Wertesittliche Werte, wie beispielsweise die BescheidenheitBescheidenheit oder die DemutDemut, die die kreatürliche BegrenztheitBegrenztheit und Geschaffenheit des Subjekts voraussetzen, und da sie keine UnendlichkeitUnendlichkeit zulassen, den gemischten Vollkommenheiten zuzurechnen sind.13

Wenngleich der BegriffBegriff des Wertes auch weiter ist und neben den sittlichen noch andere WerteWerte umfasst, so weisen bestimmte sittliche Wertesittliche Werte dennoch die formalen Merkmale göttlicher Eigenschaften auf: Sie sind absolut besser zu sein als nicht zu sein, sie lassen UnendlichkeitUnendlichkeit in einer Weise zu, dass sie nur in der unendlichen FormForm wahrhaft sie selber sind, sie sind gegenseitig verträglich, ja können in einem solchen Sinne alle gleichzeitig besessen werden, dass keine wahrhaft sie selber ist ohne all die anderen und schliesslich können auch die Werte weder von etwas anderem deduziert noch auf anderes reduziert werden. Diese nicht-anthropomorphen Merkmale der reinen Vollkommenheitenreine Vollkommenheiten in Verbindung mit dem kosmologischen ArgumentArgument und dem zureichenden Grundzureichender Grund der menschlichen PersonPerson geben GottGott als absolute und vollkommene Person zu erkennen.14 Auch konnte die kritische Anfrage, ob die Werte überhaupt einen SeinsgrundSeinsgrund ausserhalb ihrer selbst benötigen, auf der Basis der intelligiblen Struktur der WirklichkeitWirklichkeit mit verschiedenen Argumenten zurückgewiesen werden, welche letztlich alle darauf hinausliefen, dass die Werte in Gott notwendigerweise ihr letztes Fundament und ihre letzte Wurzel haben.15

Die auf dieser Grundlage erörterten religionskritischen Thesen von FeuerbachFeuerbachLudwig, WittgensteinWittgensteinLudwig und DawkinsDawkinsRichard zeigten ihre Unvernünftigkeit in vielerlei Hinsicht. Während Feuerbach insbesondere an der vermeintlichen Steigerbarkeit der menschlichen Eigenschaften zu unendlicher Perfektion scheiterte,16 litt Wittgensteins gegen die ReligionReligion erhobener Unsinnigkeitsvorwurf allzu stark an der Wende zur Sprache und im Verbund mit einem empiristischen Erfahrungsverständnis mangelte es ihm an einem angemessenen Erkenntniskorrelat, was eine vertiefte Beschäftigung mit den in sprachlichen Sätzen ausformulierten und behaupteten Sachverhalten unterband bzw. von vornherein verunmöglichte.17 Die von DawkinsDawkinsRichard vertretene EvolutionstheorieEvolutionstheorie schliesslich, nach der die Religion wie die menschliche PersonPerson und das gegenwärtig Seiende insgesamt einen bestimmten Stand der additiven Einbahnstrasse evolutiver Höherentwicklung darstelle, konnte als falsch ausgewiesen werden. Und zwar durch das Aufzeigen der Unmöglichkeit, dass das BewusstseinBewusstsein eine Begleiterscheinung des (materiellen) Gehirns ist. Was in erster Linie durch den Aufweis der unzusammengesetzten IndividualitätIndividualität als Bedingung der bewussten geistigen Erfahrungen gelang und in den Wesensanalysen der FreiheitFreiheit ebenso wie des Erkennens seine Bestätigung fand.18