Der Steinzeitmensch

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Der Steinzeitmensch
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Der Autor:

Jahrgang 1958, lebt seit Jahren mit seiner Familie in München. In seinem Hauptberuf Elektronik hat er jahrelang Handbücher und detaillierte illustrierte Reparaturanleitungen verfasst. Zuletzt arbeitete er als gefragter Ideengeber für komplizierte elektronische Anlagen und Prozesse. Einige beachtliche Comicbücher und Kurzgeschichten zählen zu seinem Portfolio.

Die rasante technische Entwicklung der Neuzeit faszinierte den Autor seit langem. Die unglaublichen Fähigkeiten der Menschen auf sich und ihrer Umwelt Einfluss zu nehmen gleichermaßen. Die Endlichkeit des menschlichen Lebens, der Seele und unserer Persönlichkeit lässt sich nicht begreifen. Das plötzlich alles zu Ende sein könnte, das lässt einen zweifeln. Vielleicht gibt es eine Reinkarnation oder ein Weiterleben nach dem Tod. Wer weiss das schon oder kann es mit Sicherheit sagen?

Einige Bücher die sich mit diesen Themen beschäftigen, sind bereits von diesem Autor erschienen und als Paperback und Ebook erhältlich.

München, 2011

Der

Steinzeitmensch

von

CHRISTIAN MANHART

Gibt es ein Leben nach dem Tod?

Oder ist alles nur Einbildung?

Impressum:

Der Steinzeitmensch

Christian Manhart

Copyright : © 2011 Christian Manhart

published by epubli GmbH, Berlin,

www.epubli.de

ISBN: 978-3-8442-1965-4

Ekke

Das Internet ist das Tollste was es gibt. Soviel steht fest. Eine Errungenschaft der Menschen die alles andere in den Schatten stellt. Ohne seinen Arsch aus dem Haus zu bewegen kommt man an alle nur denkbare Informationen dieser Welt. Das ist einfach nur Phantastisch.

Ekke sitzt vor seinem Bildschirm und macht sich Notizen. Ein richtig kleines Büchlein hat er schon voll gekritzelt. Trotz dieses Mediums Internet, ohne sich wichtige Dinge auf zu schreiben kommt man auch weiterhin nicht aus.

Er starrt auf den Monitor. Virtuos klappern seine kurzen dicken Finger über die abgegriffene Tastatur. Die Tasten glänzen bereits und bei den am meisten benützten Buchstaben beginnt sich bereits der Aufdruck zu lösen. Ekke bemerkt das gar nicht. Es ist ihm auch egal. Den PC braucht er sowieso bald nicht mehr. Schließlich hat er noch zwei fast neue Laptops herum stehen. Zufrieden grinst er den Bildschirm an und rutscht nach vorne. Er klopft mit der flachen Hand auf den Tisch und murmelt ein ‚So’. Mit einem Ruck steht er auf und trabt gut gelaunt in seine Küche. Die Uhrzeit verlangt jetzt zwingend nach einem Weißbier.

Ah, wie das duftet. Genüsslich zieht er den Duft des frisch eingeschenkten Gebräus ein. Eine wunderbare Sache so ein Hefeweißbier. Er nuschelt seinen Mund in den Schaum und nimmt einen kräftigen Schluck. Danach leckt er sich den Schaum von den Lippen. Mit dem Bier in der Hand nimmt er wieder vor seinem Computer Platz. Mit der freien Hand schiebt er den Berg an Zetteln, der sich bei ihm immer ansammelt beiseite. Alkohol spielt im Leben von Ekkehard Erhard normalerweise eine ziemlich untergeordnete Rolle. Doch so ein oder zwei Weißbier zur rechten Zeit, da kann er einfach nicht Nein sagen. Und so vor dem Abendessen eines von diesen süffigen bayerischen Weißbieren, das ist einfach sehr bekömmlich. Seine Mutter pflegte immer zu sagen: „Eine Suppe bereitet den Magen vor.“ Ekke hat die Suppe kurzerhand durch Weißbier ersetzt. Ekke ist zudem kein ausgewiesener Freund von Suppen.

Ekke ist sehr überzeugt von sich. Deshalb hat er sich einen, wie er selber meint, raffinierten Plan ausgedacht. Einen so genannten Masterplan. Seit nunmehr gut zwei Jahren bastelt er bereits an seinem Vorhaben. Es ist wichtig für ihn. Sehr wichtig. Dieser Plan ist sein Lebensinhalt geworden. Das Beste daran ist: Er tut es nicht mal freiwillig. Ekke kann nicht anders. Er glaubt, er ist dazu auserwählt. Er tut es nicht für sich sondern für alle Menschen. Ekke ist daher mit Abstand der sozialste Mensch den es gibt. Das glaubt er von sich selber. Denn der völlig unscheinbare, übergewichtige, alles in Allem ein wenig ungepflegt wirkende Ekke, ist ein ganz besonderer Mensch. Der ungepflegte Eindruck entsteht aber nur dadurch, weil seine Kleidung größtenteils uralt ist und aus den Siebziger und Achtziger Jahren stammt. Aber für ihn tut das nichts zur Sache. Er hat genug zu tun. Kleidung kaufen, dafür hat er keine Lust. Er selbst hat lange Zeit darüber gegrübelt, ob es wohl noch andere wie ihn auf dieser Erde gibt. Schon seit Jahren beobachtet er deshalb viele seiner Mitmenschen draußen mit einer gesunden Portion Skepsis. Es könnte ja einer wie er dahinter stecken. Doch umso älter er wird, um so weniger glaubt er daran, noch so Jemanden wie er selbst ist, zu finden. Ekke hält sich selber nicht nur für hochintelligent. Nein, Ekke weiß noch viel mehr. Mehr als tausend Menschen zusammen wissen können. Klar ist, ausgestattet mit dieser Intelligenz, mit diesen Fähigkeiten wie er sie besitzt, geht man nicht hausieren. Da hält man schön brav sein vorlautes Maul. Wenn man nämlich auffällt mit seiner Klugscheißerei, passiert folgendes: Niemand möchte so richtig mehr etwas mit Einem zu tun haben. Die Menschen bekommen Angst vor dir, wenn du zuviel weißt. Sie werden unsicher. Feinde kann er nicht gebrauchen. Deshalb hat Ekke schon sehr früh für sich beschlossen, besser sein Maul zu halten, als sich unnötig unbeliebt zu machen. Das hat schon begonnen als er noch in der Schule war. Einer wie er, hat es von Natur aus nicht leicht von allen akzeptiert zu werden. Hässlich und dick, wie er sich fühlt.

Aber die Geschehnisse auf der Welt haben sich in unglaublicher Geschwindigkeit dramatisiert. Die Zeit ist einfach reif geworden zum handeln. Überreif. Und da muss er seine eigenen Interessen eben zurückstecken. Für das Große Ganze ist man halt gezwungen Opfer zu bringen.

Es ist ihm dann endgültig klar geworden, dass sich auf dieser Welt etwas ändern musste, und zwar jetzt. Er fühlte es und fühlt es immer noch, dass er der Einzige ist, der in der Lage ist, dies zu bewerkstelligen. So setzte er alles daran, einen Plan zu entwickeln, wie er die Welt ändern wollte. Das würde nicht einfach werden. Doch mit seinen Kenntnissen und seinem unerschöpflichen Wissen ist er förmlich dazu auserkoren die Menschheit zu retten. Wer sonst außer ihm?

Ekke hat viel und lange nachgedacht. Gut, es klingt verrückt. Aber wenn man genau hinsieht, womöglich war sogar Jesus so einer wie er. Von Gott höchstpersönlich eingesetzt, die Menschen zu retten. Ihnen Halt und Zukunft zu geben. Eine Richtung aufzeigen. Die richtige Wegweisung. Die, welche die Natur vorgibt. Solche Menschen wie Jesus tauchten in der Geschichte schließlich immer wieder auf. In allen Kulturen. Zugegeben, der Vergleich hinkt nicht nur ein bisschen. Für Jesus, Gottes Sohn, hält sich Ekke bestimmt nicht. Sein Persönlichkeitsprofil würde nicht so in die eines Heilands und Religionsverkünders passen. Sein bisher geführter Lebensstil ebenfalls nicht. Ein Vorbild ist Ekke nicht gerade. Vor allem seine Gedankenwelt taugt nicht als Spende edler Weisheiten. Und doch sieht er genau diese Parallelen zu einem wahren Propheten. Dieser Gott muss sich doch was dabei gedacht haben, ihn, den dicken Ekke mit einem solchen Auftrag zu versehen. Klar ist, auch ein moderner Jesus müsste sich auch den aktuellen gesellschaftlichen Gegebenheiten anpassen, will er denn etwas erreichen. Bei dem Gedanke, er könnte tatsächlich so etwas wie Jesus sein, mit einem ähnlichen Auftrag ausgestattet, da stellen sich bei Ekke regelmäßig die Nackenhaare auf und es läuft ihm kalt den Rücken herunter. Gigantisch. Er denkt lieber nicht an solche Dimensionen. Das wäre dann doch zu eitel und vermessen.

Schnell nimmt er einen kräftigen Schluck von seinem Weißbier.

Doch das Gefühl etwas tun zu müssen, wurde in den letzten Jahren immer stärker in ihm. Es begann ihn richtiggehend zu beherrschen. Um diesen inneren Antrieb nachzugehen, blieb im nichts anderes übrig und er kündigte seinen Job als Fluglotse. Fortan verbrachte er seine Zeit damit, sich seinem Weltrettungsplan für die Menschheit zu widmen.

Finanziell ist es für ihn kein Problem. Er braucht nicht zu arbeiten. Geldquellen und Erspartes hat er genug. Seine vor wenigen Jahren verstorbenen Eltern haben ihm genügend Geld hinterlassen um eine ganze Weile richtig gut damit leben zu können. Er selber hat in seinem Arbeitsleben auch gut verdient und verhältnismäßig wenig davon ausgegeben. Denn Ekke ist in keinerlei Hinsicht geldgeil.

Nein, ihm genügt es gut und viel zu essen. Für alle anderen materialistischen teuren Hobbys, wie Autos oder teure Markenklamotten hat er nichts übrig.

Als eine lohnende Geldquelle hatte sich auch das Internet erwiesen. So entwickelte Ekke eine lukrative Nebenbeschäftigung: Den regen und schwunghaften Handel mit Antiquitäten aller Art. Ebay hat Anfang des Einundzwanzigsten Jahrhunderts einen richtigen Schub ausgelöst. Alles lässt sich problemlos verticken. Es gibt nahezu nichts, was es nicht zu ersteigern gibt. Und das weltweit und absolut anonym. Über diese Ebay Versteigerungen ist auch ein hübsches Sümmchen zusammengekommen. Steuer- und Abgabenfrei.

Dieses ausgeprägte Interesse für Antiquitäten und ausrangierte Alltagsgegenstände konnte er sich lange nicht erklären. Ekke ist fasziniert von der Patina alter Gebrauchsgegenstände.

Die Vorstellung dass ein Werkzeug oder ein Kleidungsstück jahrzehntelang von der ein und selben Person benutzt wurde, zieht ihn magisch an. Bei einem alten Besteckteil oder einer Taschenuhr sind seine Empfindungen besonders kräftig. Beim Betrachten und Berühren führen ihn seine Gedanken in eine längst vergangene Zeit. In die Zeit des Benutzers und Besitzers.

 

Er kann die Hand sehen und spüren, welche das Besteck geführt hat. Oder liebevoll über das Zifferblatt der Uhr gestrichen und sie aufgezogen hat.

Schon früh, als Kind hatte er sich für die Vergangenheit interessiert. Diese besondere Vorliebe für abgelegte Dinge der Menschen entwickelt. Seine Eltern und Großeltern hat er gerade zu gelöchert mit den absonderlichsten Fragen. Alte Menschen lieben es über ihr Leben zu sprechen. So erfuhr er vieles, das eben nicht in den Geschichtsbüchern steht. Augenzeugenberichte sind viel eindrucksvoller als Bücher oder Filme und Fotos. Aber diese Neigung blieb für ihn immer unerklärliches Phänomen. Ohne es zu wollen, entwickelte sich diese harmlose Spinnerei unaufhaltsam zu einem richtigen Tick.

Mit Entsetzen musste er deshalb als Jugendlicher mit ansehen, wie seine Eltern das Haus von den Spuren seiner Großeltern säuberten. Sie warfen rücksichtslos alles weg. Wenn es nach Ekke gegangen wäre, er hätte die Einliegerwohnung seiner Großeltern versiegelt und alles so gelassen wie es war. Er stellte es sich auch heute noch so vor, ab und zu in dieser Wohnung einen Nachmittag zu verbringen und den Geruch, die Atmosphäre einzuatmen, Dinge zu berühren und die Vergangenheit auf sich wirken zu lassen. Wie es wohl wäre sich in den Sessel seines Großvaters zu setzen und sich vorzustellen mit welchen Augen dieser die Welt gesehen hat. So aber haben seine Eltern alles vernichtet.

Er hatte damals nachts lange geweint und war sehr traurig über die herzlose Art seiner Eltern. Für ihn ein nicht zu ersetzender Verlust. Den Blick in die Vergangenheit der Familie haben seine Eltern ausgelöscht. Trotzdem machte er ihnen keine Vorwürfe. Sie wussten damals nichts von der Wichtigkeit seiner Passion. Es war auch besser so. Niemand durfte er von diesen ungewöhnlichen Neigungen zu erzählen. Vielleicht hätte seine Mutter noch Verständnis gehabt, aber alles in allem waren seine Eltern eben Pragmatiker.

Später, als er ausgezogen war, hatte er viele solcher abgelegter Sachen aufgespürt und sich in aller Ruhe eingehend damit beschäftigt. Er entwickelte ein richtiges Hobby darin, von Menschen lange Zeit berührte Gegenstände auf sich wirken zu lassen. Wie ein Magier versuchte er sich in die Welt des ehemaligen Besitzers zu versetzen. Doch seine Ergebnisse waren zum größten Teil unbrauchbare momentane Eindrücke. Sie ließen sich nicht wiederholen oder konservieren.

Er begann vor einigen Jahren richtig verbissen zu suchen. Einzig zu diesem Zweck stehen im Keller, der zu seiner Wohnung gehört, zwei der modernsten Metallsuchgeräte die es zu kaufen gibt. Ekke hat sich bestens informiert. Er kennt Plätze und Orte wo es sich lohnt zu suchen. Ekke hat so vieles gefunden. Sogar richtig interessante Fundstücke hat er damit aufgespürt. Professionelle Schatzsuche ist zwar in fast allen Ländern Europas verboten. Für Ekke galt und gilt daher im Zusammenhang mit seinen Suchgeräten das berühmte elfte Gebot: Bloß nicht erwischen lassen!

So vieles das er gefunden hatte, kam ihm unendlich vertraut vor. Als er hätte er mit den Gegenständen ein Leben lang zu tun gehabt. Erst im fortgesetzten Alter hat er die richtigen Schlüsse aus dieser Vertrautheit gezogen. Und vor zwei Jahren hat es dann ‚Klick’ gemacht. Da hat er plötzlich gewusst, wer er in Wirklichkeit ist. Dieses Klick, dieses Wissen hat ihn nachhaltig verändert. Diese ungeheure Klarheit. Als hätte sich ein Vorhang beiseite geschoben und ihm den Blick auf das Ganze, auf das Wesentliche ermöglicht. Danach war alles anders. Er musste unbedingt handeln. Er ist schließlich der Einzige. Der Auserwählte.

Natürlich hatte er gerne als Fluglotse weitergearbeitet. Die Wochenarbeitszeiten sind mit rund 30 Stunden ausgesprochen angenehm. Da blieb ungeheuer viel Zeit für seine anderen Aktivitäten. Der für viele anstrengende Schichtdienst juckte Ekke auch nicht im Geringsten. Schließlich ist er weitgehend ungebunden. Ekke braucht keinen direkten geregelten Tagesablauf. Essen kann er eigentlich immer. Schlafen auch. Es stört ihn nicht im Geringsten lange wach zu bleiben. Wenn er müde ist, legt er sich drei vier Stunden ins Bett und danach ist er wieder topfit. Alles eine Sache der inneren Mentalität.

Geheiratet hat Ekke nie. Wobei nie, nicht ganz der Wahrheit entspricht. Ekke ist schon verheiratet. Aber für Ekke hat diese Ehe nur einen sehr praktischen Zweck. Aus gutem Grund.

Schon immer hatte er ein Faible für besonders junge und besonders zierliche Mädchen und Frauen gehabt.

Er steht noch mal auf und geht zurück in den Gang. Vor dem Spiegel betrachtet er sich ausgiebig. Was er sieht gefällt ihm überhaupt nicht. Er ist viel zu dick und für seine edlen ästhetischen Begriffe und Vorstellungen eines Menschen unsympathisch und hässlich. Er mag diesen fetten Kopf mit dem Doppelkinn und den aufgeblähten schwammigen Körper nicht. Er hat ihn nie gemocht. Ekke ist jetzt 49 Jahre alt. Seine weißliche, blasse Haut ist mit Leberflecken übersät. Große und kleine. Erhabene und flache. Alles dabei. Keines seiner Körperteile ist davon ausgenommen. Und ohne zu übertreiben hat Ekke das Gefühl dass diese Flecken immer mehr werden, je älter er wird. Sein dunkelbraunes, mehr ins kupferfarben gehende Haar ist auch immer weniger geworden. Wenn es so weitergeht ist davon nur noch ein spärlicher Kranz davon übrig. Und das Schlimmste findet Ekke ist die Tatsache, dass auf den freiwerdenden Stellen weitere unzählige Leberflecken zum Vorschein kommen. Aber es ist nicht alles schlecht an diesem Körper. Seine Augen zum Beispiel. Ekke braucht keine Brille. Oder seine, trotz der Leibesfülle Gelenkig- und Fingerfertigkeit. Aber das Beste ist seine Männlichkeit und seine Potenz. Er könnte immer und jederzeit. Das hat auch nicht nachgelassen mit den Jahren.

Leider hat Ekke mit den Mädchen und Frauen so seine Probleme gehabt. Immer schon. Wenn die gewusst hätten, was sie verpasst haben. Verstärkt haben sich diese Schwierigkeiten seit der Pubertät. Mädchen die ihm gefallen hätten, haben ihn nicht mal mit dem Arsch angeschaut. Und solche, die von ihm etwas wissen wollten, waren immer genauso hässlich und fett wie er selber. Schließlich war er schon sein ganzes Leben lang fett und hässlich und ja, es stimmt schon: auch noch rothaarig. Schon in der Schule wurde er deswegen gehänselt. Erst später, als er die anderen mit seinen Wissen und Fähigkeiten in die Tasche schob, nahmen die Anfeindungen ab. Doch die Anfeindung wich der Ignoranz. Leider wurden dadurch seine spärlichen Freundschaften auch noch weniger. So richtig wollte niemand etwas mit ihm zu tun haben, geschweige den richtig befreundet sein. Freunde, also richtige Freunde hat Ekke nie besessen. Als Kind und Jugendlicher ging er trotzdem dahin wo alle anderen auch hingingen. Er wollte dazu gehören. Seine Anwesenheit wurde zwar meist akzeptiert. Er war aber immer isoliert. Wie ein Fremdkörper. Er stand oder saß dabei, wie ein uninteressantes Möbelstück.

Wenn er irgendwo uneingeladen auftauchte, denn Ekke wurde explizit nirgendwo bewusst eingeladen, begrüßten sie ihn zwar, aber er spürte es, dass ihn so richtig keiner dabei haben wollte. Ekke war und ist sein Leben lang ein Außenseiter gewesen.

Aber Gott sei Dank bot das moderne Leben in dieser zusammengewachsenen globalen Welt für solche wie ihn, Lösungen an, die früher undenkbar waren.

So eine dieser maßgenauen modernen Lösungen befindet sich momentan in seinem Schlafzimmer und bügelt seine Hemden.

Khem heißt seine persönliche Lösung für gescheiterte weibliche Beziehungen. Sie ist aus Thailand und seit einem halben Jahr bei ihm. Er hatte sie sich aus einem Internetkatalog ausgesucht. Er hat ihr versprochen sie zu heiraten. Um sie nach Deutschland zu bekommen, ist er nach Thailand geflogen und hat sie dort pro forma geehelicht. Für ihn hat diese Ehe natürlich keinerlei Bedeutung. Sobald Khem auch nur einen unrechten Pieps von sich gibt, wird Ekke die Ehe augenblicklich annullieren lassen.

In den vorglobalisierten Zeiten hätte er nie und nimmer so ein hübsches Mädchen heiraten können. Und ins Bett wären sie mit ihm nur gegen Bezahlung gegangen. Vermutlich hätte er sich in irgendeinem Puff dumm und dämlich gezahlt. Oder gewichst bis ihm die Hände abgefallen wären. Aber das braucht er alles nicht zu tun, dank der schönen neuen Welt mit ihren unbegrenzten Möglichkeiten.

Khem ist unwahrscheinlich zierlich, fast wie ein Kind. Genau das, was er so gerne hat. Sie ist, wie Ekke findet, sehr hübsch. Wie alle diese sehr jungen Asiatinnen ist ihr Alter schwer zu schätzen. Je nachdem wie Ekke verlangt, dass sie sich anzieht und sich für ihn herrichtet, sieht sie aus wie 16 oder auch so um die Anfang zwanzig. In Wahrheit steht sie kurz vor ihrem 22. Geburtstag.

Einen kleinen unangenehmen Makel hat Khem trotzdem. Genau weiß es Ekke nicht, aber er kann eins und eins zusammenzählen. Khem wurde wahrscheinlich schon sehr jung in ein Bordell gesteckt. Denn Khem sind keine sexuellen Schweinereien fremd. Sie kennt sich unheimlich gut aus. Reden mag sie nicht darüber. Aber zu allem Unglück hat ihr in Thailand irgendein europäisches oder amerikanisches Arschloch bereits ein Kind angedreht. Sie liegt ihm ständig in den Ohren, den kleinen Balg, der bald drei wird, nach Deutschland zu holen.

Doch Ekke hat überhaupt kein Interesse an einer solchen Familienzusammenführung. Das Kind von einem frustrierten abgefuckten Perversling wird er sicher nicht mit aufziehen. Ehe ihm die Sache zu blöd wird, und Khem mit ihrem Bastard zu nerven beginnt, kauft er ihr ein Oneway-Ticket nach Hause. Es gibt schließlich unzählige wie Khem. Die Kataloge und einschlägigen Börsen sind voll von ihnen. Ein paar Tausender und schon ist sie ausgewechselt. So einfach ist das.

Khem lebt bei ihm wie eine moderne Sklavin. Sie ist vollständig von ihm abhängig. Aber Ekke hat nicht den Eindruck dass sie irgendetwas nicht gerne tun würde. Sie hat sich jedenfalls noch nicht bei ihm beklagt. Sie kann hervorragend kochen, findet Ekke. Er mag das asiatische Essen. Es schmeckt ihm einfach. Vor allem wenn es mit einer gewissen Schärfe gewürzt ist. Warum er bei diesem schmackhaften und gesunden Essen immer noch so dick ist? Vielleicht liegt es an seiner Sucht ständig irgendetwas futtern zu müssen. Bei seiner Arbeit am Computer, fünf Marsriegel hintereinander und zwei Tüten scharfe Chips hineinzuschlingen, das ist normal bei ihm. Früher hat Ekke dazu noch Unmengen an Cola getrunken. Doch Cola schmeckt ihm nicht mehr. Ekke ist überzeugt davon, dass Coca Cola die Rezeptur geändert hat. Ekke trinkt jetzt neben Weißbier mit Vorliebe Multivitaminsäfte. Literweise. Wenn Khem mit der Zubereitung des Abendessens fertig ist, hat er seinen Magen gerade richtig vorbereitet für ihre thailändischen Gerichte. Khem ist nicht nur in dieser Beziehung ein Ass, das muss man ihr lassen.

Trotzdem ist ihm der Mensch in diesem zierlichen Mädchenkörper scheißegal. Mit Khem als Person will er gar nichts zu tun haben. Ob sie traurig ist, oder für was sie sich interessiert will Ekke im Grunde gar nicht wissen. Sie richtig zu benutzen ist der wahre Sinn und ganze Spaß an dieser Beziehung. Aber nicht das Ekke ein gefühlskalter Mensch wäre. Nein, nur Ekke lebt in seiner eigenen Welt. Ohne es selbst zu merken oder sich dessen bewusst zu sein, hat er sich in den Jahren eine persönlich für ihn passende Welt geschaffen.

Khem mangelt es nicht nur an Intelligenz und Bildung um sich dieser Welt zu nähern. Nein, dieses Niveau seiner geistigen und kulturellen Ebene wird sie niemals erreichen können. Ekke möchte auch nicht, dass jemand sich seiner annähert. Eine thailändische Kindfrau schon gar nicht. Khem ist für Ekkes Verhältnisse sehr einfach gestrickt. Ekke liebt sie nicht, wie man sich das womöglich bei klassischen Liebesbeziehungen vorstellen kann. Dazu sind sie nicht nur körperlich zu verschieden. Aber Ekke braucht wie jeder Mann sexuelle Befriedigungen und eine gewisse weibliche häusliche Betreuung. Außerdem spielt eine willfährige Frau die keine blöden Fragen stellt, in seinem Masterplan eine wichtige Rolle. Deshalb ist er auf die Idee mit dieser Katalogfrau aus Asien gekommen. Kindlich und gut aussehend. Gefügig und brav. Keine Fragen oder Streitgespräche. Keine Widerrede. Kein Nein.

Und damit der wichtige sexuelle Spaß nicht zu kurz kommt, lässt sich Ekke schon was einfallen. Je nach seiner jeweiligen Laune verlangt er von Khem, dass sie für ihn in spezielle Verkleidungen zu schlüpfen hat. Das macht ihn unwahrscheinlich an. Die Kombination dieser Kostüme mit ihrem kindlich wirkenden Körper ist für ihn wie eine Art Superviagra. Echt geil eben.

 

Zum Beispiel, als er die Idee mit diesem Kommunionskleidchen hatte. Das hatte er in der Stadt beim Einkaufen gesehen. Da war die Erinnerung an seine eigene Kommunion und seine damalige Schwärmerei für die Mitschülerin Andrea plötzlich so lebendig. Andrea war ein für seine kindlichen Begriffe traumhaft schönes Mädchen. Damals hatte er sie angehimmelt. Heimlich natürlich. Eine richtige kleine Jungenschwärmerei war das halt. Aber Andrea hatte ganze Menge an Freundinnen. Sie spielte viel lieber mit ihren Freundinnen als mit ihm.

Damals wäre es sowieso noch nichts Sexuelles gewesen. Das mit dem Sex konnte man sich als Kind ja gar nicht vorstellen. Heute kann Ekke mit Kindern absolut nichts anfangen. Er mag keine Kinder. Und er hasst seine eigene Kindheit. Er hat kaum nennenswerte positive Erinnerungen an seine Kindheit. Bildet er sich zumindest ein.

Gäbe es einen, vielleicht mit dem sinnvollen Namen genannten ‚Herodes Kinderhasserclub’, er wäre bestimmt eines der ersten Mitglieder.

Die Sache mit dem Kommunionskleid hat für ihn deshalb keinerlei pädophile Bedeutung. Sie dient genau wie die anderen Kleidchen lediglich dazu, seine Phantasie anzuregen.

Das thailändische Mädchen Khem, seine Ehefrau, verkleidet sich für ihn als Krankenschwester, Dienerin, Zimmermädchen, oder Nonne. Lauter solche Sachen eben. Da kann er sich richtig reinsteigern. Eine kleine Krankenschwester zu vögeln. Oder eben Kommunionsfreundin Andrea. So ist das bei ihm.

Genau das hat er sich in dem Geschäft vorgestellt.

Wenn Khem so ein Kommunionskleid für ihn tragen könnte. Na ja, da hat er gleich eines gekauft. Die Verkäuferin hatte allen Ernstes geglaubt, es wäre für seine Tochter. Weit gefehlt. Wenn die gewusst hätte. Zuhause war die Enttäuschung groß. Mussten sie doch bei der Anprobe leider feststellen, dass er sich ganz schön verschätzt hatte.

Kommunionskleider sind für richtige Kinder genäht, nicht für Kindfrauen. Aber Khem kann mit Nadel und Faden umgehen. Zwei Tage später passte sie so leidlich hinein. Sie hatte es gern ihm eine Freude zu machen.

An dem Abend hat er sie dann ordentlich ran genommen. Ob sie dabei Lust oder eher Schmerz empfand, Ekke hat dabei keinen Gedanken verschwendet, als er in ihr herumfuhrwerkte wie ein Berserker. Sie hatte sich danach nicht beschwert. Wie sollte sie auch. Das wäre ja noch schöner. Sie hat bei ihm doch alles was sie braucht. Genug zu Essen, eine schöne Wohnung, Kleidung und Fernsehen. Und durchgefickt wird sie auch alle paar Tage.

Ab und an darf sie ihn sogar zu ein paar von seinen speziellen Reisen begleiten. Ekke ist nämlich auch und vor allem gebürtiger Schweizer. Und als solcher besitzt er neben dem Deutschen auch einen Reisepass der Eidgenossen. Zwar lebt er schon seit seinem Schulabschluss in Deutschland. Ursprünglich sollte er bloß zum studieren nach Deutschland gehen. Doch nach seinem hervorragenden schweizerischen Matura, wusste er nicht so recht was er für Fächer belegen sollte. Ekkehard interessierte sich für so vieles. Er war hin und her gerissen. So versuchte er sich zwei Jahre lang in den verschiedensten Studiengängen. Es war eine Zeit, in der er förmlich in der Luft hing. Seine Eltern übten sanften Druck auf ihn aus, er solle doch etwas aus sich machen. Mit seinen Noten! Denn Ekkehard war und ist gut. Wenn er damals gewollt hätte, problemlos wäre es gewesen ein Spitzenzeugnis zu erhalten. Aber er hatte keine Lust mehr, immer den Streber darzustellen. Aber alles in allem war sein Matura gut genug um in jedem Studienfach einen Platz zu bekommen. Mehr musste seiner Ansicht nach nicht sein.

Eines Tages kam er ins Gespräch mit einem Kommilitonen, dessen Vater bei der Flugsicherung arbeitete. Dieser setzte ihm schließlich den Floh ins Ohr. Er bewarb sich ins Blaue hinein. Eignungstest hatte er mit Bravour bestanden. Prompt wurde er genommen und absolvierte die Ausbildung zum Fluglotsen. Ein faszinierender Beruf wie Ekke immer noch findet. Was Besseres hätte er nicht machen können.

Die ersten zehn Jahre arbeitete er in Frankfurt. Aber als München seinen neuen Airport eröffnete, wechselte er zum ‚Luftdrehkreuz des Südens’. Die Stadt und der moderne Flughafen gefielen ihm. Ekke liebt es unauffällig zu leben. Es dauerte eine Weile bis er die für ihn passende Wohnung gefunden hatte. Das war ungeheuer schwer gewesen. München und das Umland ist nicht nur ein teures Pflaster. Die Vermieter sind hier auch besonders gierig, und unverschämt. Klar, die können sich ihre Opfer buchstäblich aus Tausenden aussuchen. Natürlich hätte er sich auch ein Haus oder eine Wohnung kaufen können. Bei seinem Einkommen durchaus finanzierbar. Aber Ekke wollte sich nicht ewig binden. Deshalb wechselte er anfangs seine Wohnungen wie die Hemden. So richtig gefallen hat es ihm nirgends. Ob zu laut, die neugierigen Nachbarn, oder unpraktisch, Ekke fand nach einiger Zeit immer irgendetwas, das ihm nicht so recht passte.

Nach dem Tod seiner Eltern fasste er den Entschluss aus dem Stadtzentrum weg zu ziehen. Zuerst wohnte er in Unterschleißheim. So ein Vorort im Norden Münchens. Doch seine Zukunftspläne und die Aufgabe seines Jobs machten es notwendig wieder umzuziehen.

Ich Kirchheim, einem Vorort östlich von München fand er eine geeignete Wohnung. Das Haus gehörte zu einem ehemaligen Bauernhof. Absolut nichts Besonderes. Aber er konnte einen geräumigen Lagerraum und einen großen Keller mitbenutzen. Die Besitzer hatten von ihrem umfangreichen bäuerlichen Grundbesitz profitiert und fast alles verkauft und verpachtet. Mit dem Geld lebten sie auf der Ferieninsel Mallorca. Sie ließen sich so gut wie nie blicken. Sie interessierten sich auch nicht für seine persönlichen Daten. Er erzählte ihnen, dass er viel auf Reisen sei. Sie waren sehr zufrieden mit der Tatsache, dass Ekke die Miete anstatt einer Kaution, gleich für ein Jahr im Voraus zahlen wollte.

Das Gebäude stammt aus den frühen 50iger oder 60iger Jahren. Damals wurde es gebaut, weil man noch auf eine Renaissance der Landwirtschaft hoffte und neben den Familienangehörigen auch zahlreich Personal unterbringen wollte. Die Landwirtschaft ist schon lange aufgegeben. In dem Gebäude wohnen schon lange keine Landarbeiter und keine Deutschen mehr, außer ihm. Beim letzten Besuch der Eigentümer kamen Gerüchte um einen kompletten Abriss des gesamten Areals auf. Eine neue Siedlung mit Einfamilienhäusern soll gebaut werden. Sollten seine Zukunftspläne Wirklichkeit werden, würde er dieses Domizil sowieso aufgeben. Insofern sind ihm die Gerüchte egal.

Seine Verbindung zu seiner Heimat Schweiz und seinem Elternhaus sind niemals ganz abgerissen. Sie wurde sogar stärker, seit seine Eltern verstorben sind. Das ist mittlerweile bereits über sechs Jahre her. Seine Eltern bedeuteten ihm trotz seiner ständigen Abwesenheit sehr viel. Als sie nicht mehr waren, fühlte Ekke sich sehr einsam und alleingelassen. Nach rückwärts fehlte ihm etwas. Um seinen Vater zu ehren, nahm er dessen Vornamen Arthur an. Das mit der Ehre hat er natürlich dazu geschwindelt. In Wirklichkeit ging es ihm um einen anderen Vornamen, weil ihm Ekkehard überhaupt nicht gefiel.

Als er so auf dem Einwohneramt saß und mit den Formalitäten beschäftigt war, kam ihm die Idee mit dem Namenswechsel. Sein Großvater stammte aus dem Tessin, seine Eltern hingegen eher aus dem deutschsprachigen Teil der Schweiz. Es ist alles ziemlich kompliziert mit den Rechten und Eigentümlichkeiten der verschiedenen Kantone. In jedem Fall konnte er ohne große Nachfragen nicht nur den Vornamen seines Vaters annehmen, sondern dazu auch noch den Nachnamen seiner Mutter. Das die Eltern verschieden Nachnamen tragen liegt an dem im Kanton Tessin geltenden italienischen Regel, dass die Ehepartner ihre Namen beibehalten.