Kapitalmarkt Compliance

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Literaturverzeichnis

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Buck-Heeb Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017

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Erbs/Kohlhaas Strafrechtliche Nebengesetze, Loseblatt

Fischer Strafgesetzbuch: StGB, 65. Aufl. 2018

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Graf/Jäger/Wittig Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2017

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Heidel Aktienrecht und Kapitelmarktrecht, 4. Aufl. 2014

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Hüffer Aktiengesetz, 13. Aufl. 2018

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Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Aufl. 2013 (zitiert KK-StPO)

Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.) Strafgesetzbuch, Band 2, 5. Aufl. 2017 (zitiert NK)

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Kühl AT Strafrecht, Allgemeiner Teil, 8. Aufl. 2017

Kümpel/Wittig (Hrsg.) Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011

Kuthe/Rückert/Sickinger (Hrsg.) Compliance Handbuch Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2008

Leipziger Kommentar Strafgesetzbuch, 12. Aufl. (zitiert LK)

Lenenbach Kapitalmarktrecht und kapitalmarktrelevantes Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2017

Marsch-Barner/Schäfer Handbuch börsennotierte AG, 4. Aufl. 2017

Moosmayer Compliance, Praxisleitfaden für Unternehmen, 3. Aufl. 2015

Müller-Gugenberger (Hrsg.) Wirtschaftsstrafrecht, 6. Aufl. 2015

Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl. (zitiert MK-StGB)

Park Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl. 2017

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Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.) Strafgesetzbuch: StGB, 3. Aufl. 2018 (zitiert: S/S/W/Bearbeiter)

Schäfer/Hamann (Hrsg.) Kapitalmarktgesetze, Loseblatt

Schanz Börseneinführung, 4. Aufl. 2012

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K. Schmidt (Hrsg.) Münchener Kommentar zum HGB, 3. und 4. Aufl. (zitiert MK-HGB)

Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 29. Aufl. 2014

Schwark/Zimmer (Hrsg.) Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010

Schwennicke/Auerbach (Hrsg.) Kreditwesengesetz (KWG) mit Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG), 3. Aufl. 2016

Volk (Hrsg.) Münchener Anwaltshandbuch Verteidigung in Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, 2. Aufl. 2014

Wabnitz/Janovsky (Hrsg.) Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 4. Aufl. 2014

Wolter (Hrsg.) Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, SK-StGB, 9. Aufl. 2017

Zöllner/Noack (Hrsg.) Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl. (zitiert KölnKomm-AktG/Bearbeiter)

1. Teil Einführung

1. Teil Einführung › 1. Kapitel Kapitalmarkt Compliance – Einführung und Übersicht

1. Kapitel Kapitalmarkt Compliance – Einführung und Übersicht

Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung

B. Compliance: Begriff und historische Entwicklung

C. Rechtsquellen

1. Teil Einführung › 1. Kapitel Kapitalmarkt Compliance – Einführung und Übersicht › A. Einleitung

A. Einleitung

1

Das Kapitalmarktrecht wird als Ausgangspunkt der gesamten (rechtlichen) Compliance-Diskussion gesehen.[1] Vor dem Hintergrund der bemerkenswerten – und noch immer zunehmenden – Regelungsdichte im Kapitalmarktrecht bestehen an das kapitalmarktrechtliche Risikomanagement hohe Anforderungen. Pflichten zur Einführung eines rechtlichen Risikomanagements, also zur Einführung einer Compliance-Infrastruktur zum Zwecke der Vermeidung von Verstößen gegen kapitalmarktrechtliche Ge- und Verbote, bestehen insbesondere im Bank-, inzwischen auch im Wertpapieraufsichtsrecht.[2] Das unterscheidet das Kapitalmarktrecht maßgeblich von anderen Rechtsgebieten, in denen unmittelbare gesetzliche Compliance-Anforderungen nur selten zu finden sind. Insbesondere dem Bankaufsichtsrecht wird insoweit eine Schrittmacherrolle zugeschrieben.[3]

2

In Deutschland haben die Gründung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als integrierte Finanzdienstleistungsaufsichtsbehörde im Jahr 2002 sowie die Gesetzgebung im Bereich des Aktien- und Wertpapierrechts seither zu einer insgesamt strengeren Regulierung und einer intensiveren Aufsicht des Kapitalmarkts geführt.[4] Die gesetzlichen Anforderungen an die innere Organisation von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten, Wertpapierdienstleistern und anderen kapitalmarktorientierten Unternehmen sind – maßgeblich auch durch Vorgaben seitens des europäischen Gesetzgebers – erheblich gestiegen.[5] Und auch die Aufsichtsorganisation passt sich den Aufgaben des Gesetzgebers an: Neben der BaFin sind als Aufsichtsbehörden die Bundesbank, die Börsenaufsichten der Länder, die Handelsüberwachungsstellen an den Börsen, die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR)[6] und nicht zuletzt auch die Europäische Börsenaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority – ESMA) sowie die Europäische Zentralbank (ECB) tätig. Die ESMA soll zukünftig immer mehr zur zentralen Aufsichtsbehörde für den Kapitalmarkt in Europa werden und Kompetenzen bündeln. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die nationalen Behörden beschäftigungslos werden: Sie werden durch Aufgabendelegation von der ESMA in deren Aufsichtsstruktur eingesetzt. Zudem beaufsichtigen die nationalen Aufsichtsbehörden die Einhaltung des nicht europaspezifisch nationalen Kapitalmarktrechts selbstständig.

3

Bereits Anfang der neunziger Jahre wurden zur Wahrung der Marktintegrität und Vermeidung von Interessenkonflikten im Wertpapierhandel die ersten Compliance-Infrastrukturen entwickelt.[7] Trotz dieser Bemühungen vermochte erst die intensivere Verfolgung und Ahndung von Compliance-Verstößen durch die Aufsichtsbehörden und insbesondere die europäische Kommission zu Beginn der Jahrtausendwende, ein wirkliches Umdenken in der juristischen Rechtspraxis zu vermitteln. Ausdruck davon war nicht zuletzt die Aufnahme einer ersten Compliance-Verpflichtung in den DCGK[8] im Jahr 2002.[9]

Mit Blick auf die nunmehr existente erhebliche Regelungsdichte insbesondere im Wertpapierhandelsrecht, die unübersichtliche Rechtslage durch eine Vielzahl an verschiedenen Gesetzen deutscher sowie europäischer Natur und die zahlreichen Fallstricke, die nicht nur in aufsichtsrechtlicher Hinsicht, sondern auch unter dem Aspekt persönlicher straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlicher[10] Verfolgung existieren, lässt sich das Erfordernis eines regelhaft arbeitenden Instrumentariums zur Haftungsvermeidung nicht leugnen. Jedem Unternehmensangehörigen im Einzelfall die Alleinverantwortung und die Alleinentscheidungsbefugnis ohne jegliche Anleitung, internes Anweisungswerk und Warnungssystem zu überlassen, würde unter der Ägide insbesondere der Marktmissbrauchsverordnung,[11] des WpHG, aber auch anderer Kapitalmarktgesetze unweigerlich zum Rechtsbruch führen.

 

4

Dass die Einrichtung effektiver Compliance-Systeme auch gerade aus der strafrechtlichen Perspektive beleuchtet werden muss und der Aspekt der kriminalitätsbezogenen Compliance (Criminal Compliance) stark an Bedeutung gewinnt,[12] liegt angesichts der zunehmenden Neigung auch des europäischen Gesetzgebers, Regelverstöße auch straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlich zu sanktionieren, auf der Hand. Nicht nur mit Blick auf die kürzlichen Änderungen durch die strafrechtliche Marktmissbrauchsrichtlinie (MAD)[13], die in Deutschland durch das erste Finanzmarktnovellierungsgesetz (1. FiMaNoG)[14] im WpHG abgebildet werden, besteht eine Fülle an Sanktionsvorschriften. Allein im WpHG sind mehr als hundert Ordnungswidrigkeitentatbestände geregelt.[15] Das hiesig herrschende weite Verständnis vom strafrechtlichen Vorsatz und die Erstreckung der Strafbarkeit auf fahrlässiges Verhalten insbesondere im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts führt besonders im Bereich des Kapitalmarktstrafrechts weg vom ursprünglichen Verständnis von Strafrecht als Instrument zur Sanktionierung allein schwer sozialschädlichen Verhaltens (Strafrecht als „ultima ratio“ staatlichen Eingriffs). Die gesetzlichen Regeln des Kapitalmarkts sind auf die Vermeidung von Missständen und Eingriffen in einem denkbar frühen Stadium eines Verhaltens, das abstrakt zu einem Schaden führen kann, gerichtet – und bereits diese Regeln sind oftmals straf- oder bußgeldbewehrt. Die Schaffung solcher abstrakter Gefährdungsdelikte macht es dem juristischen Laien – und zu diesem gehört der am Kapitalmarkt Tätige oftmals – nicht einfach, die (strafrechtlichen) Grenzen seines Verhaltens zu erkennen. Aus diesem Grunde beinhaltet dieses Buch einen separaten Teil zu den wesentlichen straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Aspekten der Compliance für Kapitalmarktteilnehmer (20. und 30. Kap.).

5

Das ist gerade im Kapitalmarktrecht besonders wichtig. Das Kapitalmarktrecht zeichnet sich durch eine besonders hohe Regulierungsdichte aus, die zudem ständigen Veränderungen unterliegt. Europäische Einflüsse, nationalgesetzgeberische Aktivitäten, aber auch das sich fortbildende Richterrecht lassen das Kapitalmarktrecht als eine unübersichtliche Regelungsflut erscheinen, derer die Kapitalmarktakteure kaum Herr werden.

6

Hintergrund für die erhebliche Ausweitung und Änderung der Compliance-Vorschriften für börsennotierte Gesellschaften und deren Aktionäre ist der Boom an den Kapitalmärkten Mitte bis Ende der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts.[16] Man denke nur an die Emission der als eine Art Wertpapier für Jedermann hochstilisierten Aktie der Deutsche Telekom AG, die – als erstes Finanzinstrument überhaupt – ein breites, (semi-)professionelle Anlegerkreise überschreitendes Interesse geweckt hat. Der stetige Kursverfall des Papiers, der zeitweise geradezu dramatische Züge hatte und den Eindruck einer Überbewertung im Zeitpunkt der Emission manifestierte, sorgte zugleich für eine Sensibilisierung breiter Anlegerkreise für die Anlagerisiken, die selbst im regulierten Markt herrschen. Die (faktische) Öffnung des geregelten Marktes für das große Publikum sorgte auch für Missentwicklungen: Die Zahl der börsennotierten Unternehmen erhöhte sich in den neunziger Jahren stark. Viele Unternehmen waren dabei, die, wie sich nachträglich zeigte, nicht börsenreif waren oder im Zuge der allgemeinen damaligen Entwicklungen sehr, teilweise zu hoch bewertet waren.[17] Kleinere und größere Skandale und Insolvenzen, die Schließung des Neuen Marktes als Marktsegment für kleine und noch entwicklungsbedürftige Unternehmen[18] sowie nicht zuletzt groß angelegte Betrügereien (Comroad) haben zu einem stetigen Anpassungsbedarf des rechtlichen Rahmens geführt. Diese Aktivitäten des europäischen und bundesdeutschen Gesetzgebers sind durch die aktuelle Finanzmarktkrise, die Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute, aber auch Emittenten und andere kapitalmarktorientierte Unternehmen als weitere Vertrauenskrise erleben,[19] erheblich beschleunigt worden.

1. Teil Einführung › 1. Kapitel Kapitalmarkt Compliance – Einführung und Übersicht › B. Compliance: Begriff und historische Entwicklung

B. Compliance: Begriff und historische Entwicklung

7

Der Begriff Compliance ist grundsätzlich nicht ausschließlich auf eine juristische Dimension beschränkt. Vielmehr stammt der Fachbegriff ursprünglich aus der Medizin und beschreibt das therapiegerechte Verhalten von Patienten. Analog wird der Begriff in der Pharmakologie verwendet, wo Compliance die Befolgung von Einnahme- und Dosierungsempfehlungen bedeutet.[20]

8

Auch für den Rechtsbereich hat der Begriff der Compliance seinen Eingang in die deutsche Rechtssprache ohne Übersetzung gefunden.[21] Er ist im hergebrachten Sinne mit der Einhaltung von Regeln im weitesten Sinne zu übersetzen.[22] In der Wirtschaft herrscht hingegen eine systematisch geprägte Begriffsdefinition: Danach ist Compliance als Infrastruktur zur Vermeidung von Regelverstößen und Sicherstellung rechts- und regelkonformen Verhaltens in einem Wirtschaftsunternehmen zu verstehen. Hierzu gehören nicht nur die entsprechende organisatorisch eingerichtete Abteilung im Unternehmen[23] und deren Maßnahmen, sondern auch das Regelwerk und die Instrumente zur Umsetzung des Ziels der Haftungsvermeidung. Ob der Bezugspunkt von Compliance „nur“ gesetzliche Bestimmungen und unternehmensinterne Richtlinien sind[24] oder auch vertragliche Verpflichtungen,[25] steht im Einzelfall zur Disposition des jeweiligen Unternehmens.

I. Vereinigte Staaten

9

Die Anfänge des juristisch geprägten Begriffes Compliance sind umstritten. Teilweise wird vertreten, dass der Begriff in den USA zu Zeiten des kalten Krieges entstanden sei. Hier habe die US-Industrie Compliance-Programme entwickelt, die es der Industrie ermöglichen sollten, mit der US-Exportkontrollgesetzgebung und den damals herrschenden Lieferbeschränkungen in die „Ostblockstaaten“ Schritt zu halten.[26] Große Teile der Literatur sehen den Ursprung jedoch in der anglo-amerikanischen Banken- und Finanzwelt Ende der 1980er Jahre. Hier soll der Begriff als Konzept zur Sicherstellung eines regelkonformen Verhaltens in den klassischen Risikobereichen der Banken verwendet worden sein.[27]

10

Dementsprechend entwickelte sich bei den amerikanischen Behörden und Gerichten eine lange und geübte Praxis, Compliance-Programme bei der Strafverfolgung und Sanktionierung von Unternehmen zu berücksichtigen:[28]

11

Im Jahre 1991 sind erstmalig die Organizational Sentencing Guidelines der United States Sentencing Commission in Kraft getreten. Hiernach können Unternehmen strafrechtlich verurteilt werden, sofern ein Mitarbeiter mit Handlungsvollmacht im Rahmen seines Dienstverhältnisses eine Straftat mit der Absicht begeht, das Unternehmen zu begünstigen. Die Höhe der Sanktionen gegen Unternehmen hängt hierbei entscheidend davon ab, ob das Unternehmen mit einem effektiven Compliance-Programm ausgestattet ist.[29] Die Organizational Sentencing Guidelines wurden 1991 als erste Vorgaben zur Schaffung einer funktionierenden Unternehmenspolitik geschaffen. Als Antwort auf zahlreiche spektakuläre Skandale in der Wirtschaft der USA wurden die „Guidelines“ im Jahre 2004 wesentlich verschärft und ergänzt. In der aktuellen Fassung beschreiben die Guidelines unter anderem die wesentlichen Elemente eines wirkungsvollen Compliance-Programms und bieten Unternehmen damit eine Anleitung zur Schaffung effektiver Compliance-Programme.[30] Zu beachten ist, dass die USA die Jurisdiktion in Strafsachen auch über nicht in den USA niedergelassene oder börsennotierte Unternehmen für sich beanspruchen, wenn eine Tathandlung auf dem Territorium der USA erfolgt ist.

12

Am 30.7.2002 trat der Sarbanes-Oxley Act in Kraft. Hierbei handelt es sich um ein Bundesgesetz, welches als Reaktion auf Bilanzskandale entwickelt wurde um die Verlässlichkeit der Berichterstattung von Unternehmen des Kapitalmarktes in den USA zu verbessern. Das Gesetz gilt für alle Unternehmen, sowohl US-amerikanische als auch ausländische Unternehmen, die an der New Yorker Börse gehandelt werden.

II. Großbritannien

13

Zum 1.7.2011 trat in Großbritannien der UK Bribery Act in Kraft, der sich zwar nicht mit kapitalmarktrechtlicher Compliance, sondern allein mit Korruptionsbekämpfung befasst. Erwähnung soll er hier gleichwohl finden, weil das Gesetz die Einhaltung bestimmter Compliance-Standards mit erheblichen Strafmilderungen für Unternehmen belohnt („Compliance defense“). Allerdings ist laut UK Bribery Act die Einhaltung eines funktionierenden Compliance-Programms auch gerade die einzige Möglichkeit, eine Haftungsreduzierung bzw. -begrenzung zu erreichen. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund für deutsche Unternehmen relevant, indem der Bribery Act laut Gesetzeswortlaut nicht nur für Unternehmen mit Sitz in Großbritannien gilt, sondern für alle natürlichen und juristischen Personen, die geschäftlich in Großbritannien tätig sind, wodurch auch reine Exportgeschäfte deutscher Unternehmen ausreichend wären.[31] Insoweit ähnelt der UK Bribery Act hinsichtlich des Geltungsbereiches den Guidelines der USA.[32]

III. Europa

14

Die heutzutage maßgeblichen Vorgaben für den Bereich Compliance im Kapitalmarkt- und Bankrecht im europäischen Raum sind weitgehend auf den europäischen Gesetzgeber selbst zurückzuführen. Ende der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurden die europäischen kapitalmarktaufsichtsrechtlichen Vorschriften erheblich ausgeweitet und geändert. Grund dafür war die starke Erhöhung der Anzahl der börsennotierten Unternehmen und damit einhergehender Unternehmensskandale. Dem Boom an den Kapitalmärkten Mitte bis Ende der 1990er Jahre folgten Misserfolge und Schieflagen sowie die Zunahme von Betrügereien, durch die das Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt als Ganzes empfindlich beeinträchtigt wurde. Der europäische Gesetzgeber reagierte mit der Einführung verschiedener Schutz- und Transparenzvorschriften.[33]

15

Im Einzelnen wurden folgende Vorhaben umgesetzt.

1. Marktmissbrauchsverordnung

16

Im Zentrum der aktuellen Entwicklung der Kapitalmarkt-Compliance steht der Kampf des Europäischen Gesetzgebers gegen den Marktmissbrauch. Die „neue“ Marktmissbrauchsverordnung[34] und die damit einhergehende Überarbeitung der Marktmissbrauchsrichtlinie[35] wurde am 16.4.2014 beschlossen und ist seit dem 3.7.2016 in Kraft. Die MAR löst die Richtlinie ab, da die Bestimmungen veraltet und nicht mehr effektiv und ausreichend waren, um die Bedürfnisse eines funktionierenden und sicheren Marktes heutzutage zu gewährleisten.[36]

17

Bereits am 23.1.2003 hatte der Europäische Gesetzgeber die Marktmissbrauchsrichtlinie verabschiedet. Ziel dieser Richtlinie war es, einheitliche Regelungen in Bezug auf Insiderhandel und Marktmanipulation im europäischen Rechtsraum zu schaffen.[37]

18

Schon die Marktmissbrauchsrichtlinie als Vorgänger der nun geltenden Verordnung galt als wesentlichster Baustein auf EU-Ebene für die Emittenten-Compliance. Sie umfasste u.a. Regelungen bzgl. der Ad-hoc-Publizität, des Verbots von Marktmanipulation und Insidergeschäften und der Offenlegung von Directors' Dealings.[38] Die vormals bestehenden Insider-[39] und Börsenzulassungsrichtlinien[40] (bzgl. der Ad-hoc-Publizität) wurden damit ersetzt, und andere Verhaltens- und Publizitätspflichten, wie etwa die Directors' Dealings, wurden erstmals geregelt. Ziel war es, durch die Schaffung eines einheitlichen europäischen Regimes, in diesen Bereichen das Vertrauen in die Kapitalmärkte wieder zu stärken. Neben der Richtlinie selbst, hatte die EU-Kommission, auf der Grundlage von Empfehlungen des Ausschusses der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden – ehemalig CESR,[41] heute ESMA – verschiedene Durchführungsrichtlinien erlassen sowie die Verordnung zu Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen,[42] welche unmittelbar in Deutschland galten.

 

19

Die Marktmissbrauchsrichtlinie sowie die deutschen Gesetze zur Umsetzung sollten jedoch ersetzt werden, um das Ziel einer funktionierenden „Kapitalmarktunion“ in der Europäischen Union mit einem sicheren und funktionierenden Markt zu erreichen.[43] Am 20.10.2011 legte die EU-Kommission nach einer Konsultationsphase einen ersten Entwurf einer Marktmissbrauchsverordnung vor, welche in den Mitgliedstaaten unmittelbare Anwendung findet. Ziel der neuen Regelung ist die Stärkung der Aufsicht und Regulierung und die maximale Harmonisierung der Vorschriften zum Markmissbrauch. Investoren sollen besser geschützt werden, unter anderem durch die Ausweitung von Insider- und Marktmanipulationsregeln, strengere Regelungen im Bereich der Publizitätspflichten zu Ad-hoc-Mitteilungen und Eigengeschäften von Führungspersonen sowie der Erweiterung des Insiderinformationsbegriffs. Im Zuge des Bekanntwerdens der LIBOR-Manipulationen wurde zudem vorgesehen, Referenzwertmanipulationen zu untersagen. Außerdem wurde die Erweiterung des Geltungsbereichs der Regelungen auf OTC-Geschäfte vorgesehen. Nach verschiedenen Änderungen und Anpassungen wurde am 10.9.2013 veröffentlicht, dass das Parlament sich mit einem Entwurf der neuen Verordnung einverstanden erklärt hatte.

20

Die Marktmissbrauchsrichtlinie wurde mit Wirkung zum 3.7.2016 aufgehoben.[44] Die seit dem geltende MAR verfolgt neben einer Steigerung der Marktintegrität insbesondere eine Harmonisierung des Kapitalmarktes, um Handelshemmnisse abzubauen.[45] Neben einem erweitertem Anwendungsbereich auch für Freiverkehrsemittenten sieht die MAR u.a. eine Verschärfung der Verwaltungsstrafen vor: So sind Strafen für Unternehmen in Höhe von bis zu 15 % des Konzernumsatzes bei Verstößen gegen das Verbot von Insidergeschäften oder der Marktmanipulation[46] und daneben die Abschöpfung bis zum dreifachen der durch den Verstoß erlangten Gewinne eingeführt worden. Zudem werden Verstöße und Sanktionengrundsätzlich auf der Internetseite der nationalen Aufsichtsbehörde öffentlich bekannt gemacht („naming and shaming“). Dies kann neben den hohen Bußgeldern einen Reputationsschaden der Gesellschaft zur Folge haben. Die Umsetzung dieser unternehmensbezogenen Vorgaben in Deutschland erfolgt im Bußgeldrecht, da das deutsche Recht „Strafen“ gegen Unternehmen (bislang) nicht vorsieht.

21

Aber auch den handelnden Führungskräften im Unternehmen selbst drohen seit Inkrafttreten der Verordnung deutlich schärfere Sanktionen.