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Königin Margot

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VII.
Der Brief von Rom

Es waren einige Tage seit den von uns erzählten Ereignissen abgelaufen, als eines Morgens eine von mehreren Edelleuten in den Farben des Herrn von Guise escortirte Sänfte im Louvre erschien und man der Königin von Navarra meldete, die Frau Herzogin von Nevers wünsche die Ehre zu haben, ihr aufzuwarten.

Margarethe empfing so eben den Besuch von Frau von Sauves. Es war das erste Mal, daß die schöne Baronin seit ihrer angeblichen Krankheit das Zimmer verließ. Man hatte ihr mitgetheilt, daß die Königin eine große Unruhe über diese Unpäßlichkeit kundgegeben, welche beinahe eine Woche lang das Gespräch des Hofes bildete, und sie kam, um ihr zu danken.

Margarethe drückte Frau von Sauves ihre Freude über ihre Wiedergenesung aus und beglückwünschte sie besonders, daß es ihr gelungen, dem plötzlichen Anfalle des seltsamen Uebels zu entgehen, dessen ernsten Charakter sie als Tochter von Frankreich genau zu schätzen wüßte.

»Ihr werdet hoffentlich,« fragte Margarethe, »zu der schon einmal verschobenen großen Jagd kommen, welche nun entschieden morgen stattfindet. Das Wetter ist für den Winter mild. Die Sonne hat den Boden erweicht, und unsere Jäger behaupten, der Tag werde äußerst günstig seyn.«

»Madame,« sprach die Baronin, »ich weiß nicht, ob ich hinreichend hergestellt bin.«

»Bah!« versetzte Margarethe, »Ihr strengt Euch ein wenig an; ich habe den König bevollmächtigt, über ein kleines Pferd aus Bearn zu verfügen; ich sollte es reiten, und es wird Euch vortrefflich tragen. Habt Ihr noch nicht davon sprechen hören?«

»Allerdings, aber ich wußte nicht, daß das kleine Thier zu der Ehre bestimmt war, Eurer Majestät angeboten zu werden: sonst hätte ich es nicht angenommen.«

»Aus Stolz, Baronin?«

»Nein, Madame, im Gegentheil, aus Demuth.«

»Ihr kommt also?«

»Euere Majestät überhäuft mich mit Ehre. Ich werde kommen, da sie es so befiehlt.«

In demselben Augenblick meldete man die Frau Herzogin von Nevers. Bei diesem Namen entschlüpfte Margarethe eine Bewegung so großer Freude, daß die Baronin wohl begriff, die zwei Frauen hätten miteinander zu sprechen, und sie stand auf, um sich zu entfernen.

»Morgen also,« sagte Margarethe.

»Morgen, Madame.«

»Doch Ihr wißt,« fuhr Margarethe, sie mit einem Zeichen der Hand entlassend, fort, »Ihr wißt daß ich Euch öffentlich hasse, insofern ich furchtbar eifersüchtig bin.«

»Aber insgeheim?« fragte Frau von Sauves.

»Oh! insgeheim vergebe ich Euch nicht nur, sondern ich danke Euch sogar.«

»Euere Majestät erlaubt mir also…«

Margarethe reichte ihr die Hand. Die Baronin küßte sie ehrfurchtsvoll, machte eine tiefe Verbeugung und ging ab.

Während Frau von Sauves springend wie ein junges Reh, dessen Band man zerrissen hat, die Treppe hinauf lief, wechselte Frau von Nevers mit der Königin einige ceremoniöse Begrüßungen, welche den Edelleuten, die sie bis dahin begleitet hatten, Zeit ließen, sich zurückzuziehen.

»Gillonne!»rief Margarethe, als sich die Thüre hinter dem letzten geschlossen hatte, »Gillonne sorge, daß uns Niemand stört.«

»Ja,« sprach die Herzogin, »denn wir haben über sehr wichtige Angelegenheiten zu sprechen.«

Und sie nahm sich einen Stuhl und setzte sich ohne Umstände, überzeugt, daß Niemand der zwischen ihr und der Königin von Navarra beschlossenen Vertraulichkeit lästig in den Weg treten würde.

»Nun,« sagte Margarethe lächelnd, »unser großer Totschläger, was macht er?«

»Meine liebe Königin,« antwortete die Herzogin, »das ist bei meiner Seele ein fabelhaftes Wesen. Er ist unvergleichlich an Geist und vertrocknet nie. Seinem Munde entströmen Witze, bei denen ein Heiliger in seinem Reliquienkasten ohnmächtig werden müßte. Im Uebrigen ist es der wüthendste Heide, der je in die Haut eines Katholiken genäht wurde. Ich bin ganz vernarrt in ihn. Und Du, was machst Du mit Deinem Apollo?«

»Ach!« sprach Margarethe mit einem Seufzer.

»Oh! oh! wie mich dieses Ach! erschreckt, liebe Königin; ist der edle La Mole etwa zu ehrfurchtsvoll, zu sentimental? Ich muß gestehen, das wäre gerade das Gegentheil von seinem Freunde Coconnas.«

»Nein, er hat seine Augenblicke, und dieses Ach bezieht sich nur auf mich.«

»Was soll es also bedeuten?«

»Es soll bedeuten, theuere Herzogin, daß ich eine, furchtbare Angst habe, ich liebe ihn wirklich.«

»In der That?«

»So wahr ich Margarethe heiße.«

»Oh! desto besser!« rief Henriette. »Es ist so süß, theuere und gelehrte Margaretha, den Geist durch das Herz ausruhen zu lassen, nicht wahr? Ah! Margaretha ich habe eine Ahnung, daß wir das Jahr gut zubringen werden.«

»Glaubst Du?« sagte die Königin, »ich sehe im Gegentheil, ohne daß ich weiß, wie es kommt, die Dinge durch einen Flor. Diese ganze Politik beunruhigt mich ungemein. Doch sage mir, weiß man, ob Dein Annibal meinem Bruder so ergeben ist, als er es zu seyn scheint? Belehre Dich hierüber, es ist von großer Wichtigkeit.«

»Er, irgend Jemand oder irgend Etwas ergeben! Man sieht, daß Du ihn nicht kennst, wie ich. Wenn er jemals irgend einer Sache sich ergibt, so geschieht es einzig und allein aus Ehrgeiz. Ist Dein Bruder der Mann dazu, ihm große Versprechen zu machen? oh! dann gut, er wird Deinem Bruder ergeben seyn; aber Dein Bruder, obgleich ein Sohn von Frankreich, hüte sich wohl, die Versprechungen, die er ihm gemacht, nicht zu halten, oder meiner Treue, er mag sich in Acht nehmen!«

»Wirklich?«

»Wie ich Dir sage. In der That, Margarethe, es gibt Augenblicke, wo dieser Tiger, den ich zahm gemacht habe, mich selbst beängstigt. Eines Tags sagte ich zu ihm: »»Annibal nehmt Euch in Acht, betrügt mich nicht; denn wenn Ihr mich betrügen würdet! …«« Ich sagte ihm dies jedoch mit meinen Smaragd-Augen über deren Blitze Ronsard Verse geschrieben hat…«

»Nun?«

»Nun, ich glaubte er würde mir antworten: »»Ich Euch betrügen! ich, nie u.s.w.«« Weißt Du, was er mir erwiederte?«

»Nein!«

»Du magst diesen Menschen beurtheilen: »»Und Ihr, solltet Ihr mich betrügen, nehmt Euch ebenfalls in Acht, denn, obgleich Prinzessin…«« Und bei diesen Worten drohte er mir nicht nur mit den Augen, sondern auch mit dem Finger, mit seinem spitzigen Finger, der mit einem lanzenförmig zugeschnittenen Nagel bewaffnet ist, den er mir beinahe unter die Nase hielt. In diesem Augenblick, meine arme Königin, ich gestehe es Dir, hatte er ein so wenig beruhigendes Gesicht, daß ich bebte, und Du weißt, daß ich nicht sehr zaghaft bin.«

»Dich bedrohen. Dich, Henriette, er hat es gewagt?«

»Ei, Mordi! ich bedrohte ihn auch, und er hatte im Ganzen Recht. Du siehst also, er ist bis auf einen gewissen oder vielmehr bis auf einen sehr ungewissen Grad ergeben.«

»Dann wollen wir überlegen.« versetzte Margarethe träumerisch, »ich werde mit La Mole sprechen. Du hattest mir nichts Anderes zu sagen?«

»Doch wohl: etwas sehr Interessantes, und gerade deßhalb bin ich gekommen. Aber was willst Du, Du sprachst von noch viel interessanteren Gegenständen. Ich habe Nachrichten…«

»Von Rom?

»Ja, ein Courier von meinem Gemahl.«

»Nun, die polnische Angelegenheit?«

»Steht vortrefflich, und Du wirst wahrscheinlich in wenigen Tagen von Deinem Bruder Anjou befreit seyn.«

»Der Papst hat also seine Wahl gebilligt.«

»Ja, meine Liebe.«

»Und Du sagtest mir dieß nicht sogleich?« rief Margarethe. »Geschwinde, die einzelnen Umstände?«

»Oh! meiner Treue, ich weiß nichts Genaueres. Uebrigens, warte, ich will Dir den Brief von Herrn von Nevers geben. Halt, hier ist er. Nein, nein, das sind Verse von Annibal, grausame Verse, er macht keine andere. Hier, diesmal habe ich es. Nein, noch nicht, das ist ein Billet von mir, das ich hierher gebracht habe, daß Du es durch La Mole besorgen läßt. Da ist endlich der fragliche Brief.«

Und hierbei übergab Frau von Nevers der Königin den Brief.

Margarethe öffnete und durchlief ihn rasch; aber er enthielt wirklich nichts Anderes, als was sie bereits aus dem Munde ihrer Freundin erfahren hatte.

»Und wie hast Du diesen Brief erhalten?« fragte die Königin.

»Durch einen Courier meines Gemahls, der Befehl hatte, im Hotel Guise anzuhalten. ehe er sich in den Louvre begeben würde, und diesen Brief vor dem des Königs abzugeben. Ich wußte, welches Gewicht meine Königin auf diese Neuigkeit legt, und hatte Herrn von Nevers geschrieben, er möge so verfahren. Du siehst, er hat gehorcht, er ist nicht, wie das Ungeheuer von einem Coconnas. In diesem Augenblicke giebt es in Paris nur drei Personen, welche diese Neuigkeit wissen, der König, Du und ich, abgesehen von dem Menschen, der dem Courier folgte.«

»Was für ein Mensch?«

»Oh! ein furchtbares Gewerbe! Denke Dir, dieser unglückliche Bote ist müde, gerädert, mit Staub überzogen, angekommen. Er ist sieben Tage, Tag und Nacht, geritten, ohne einen Augenblick anzuhalten.«

»Aber der Mensch, von dem Du so eben sprachst?«

»Warte doch. Beständig gefolgt von einem Manne von wildem Aussehen, der Relais hatte wie er und diese vierhundert Lieues so geschwinde ritt als er, erwartete der arme Courier jeden Augenblick eine Pistolenkugel in den Hüften. Beide gelangten zu derselben Zeit zu der Barriere Saint-Marcel, Beide ritten in scharfem Galopp die Rue Monssetard hinab; Beide durchzogen die Cité, aber, am Ausgang des Pont Notre-Dame schlug unser Courier den Weg rechts ein, während der Andere sich links nach dem Platze des Châtelet wandte und wie ein Pfeil über die Quais an den Seiten des Louvre hinschoß.«

»Ich danke, meine gute Henriette, ich danke,« rief Margarethe. »Du hattest Recht, das sind sehr interessante Nachrichten. Für wen mag der andere Courier bestimmt seyn? ich werde es erfahren. Aber laß mich nun allein. Diesen Abend in der Rue Tizon, nicht wahr? und morgen auf der Jagd. Nimm ein böses Pferd, damit es sich aufbäumen wird und wir allein seyn können. Diesen Abend werde ich Dir sagen, was Du von Deinem Coconnas zu erfahren suchen mußt.«

 

»Du vergißt meinen Brief nicht?« sprach die Herzogin von Nevers lachend.

»Nein, nein, sey unbesorgt, er soll ihn zu rechter Zeit haben.«

Frau von Nevers entfernte sich, und sogleich ließ Margarethe Heinrich rufen. Der König von Navarra eilte herbei und sie übergab ihm den Brief des Herzogs von Nevers.

»Oh, oh!« rief er.

Dann erzählte ihm Margarethe die Geschichte von dem doppelten Courier.

»Ich habe ihn wirklich in den Louvre einreiten sehen,« sagte Heinrich.

»Vielleicht war er für die Königin Mutter?«

»Nein, dessen bin ich gewiß, denn ich stellte mich für jeden Fall in den Corridor und sah Niemand vorüberkommen.«

»Dann,« versetzte Margarethe, ihren Gatten anschauend, »dann muß er für…«

»Euern Bruder Alençon seyn, nicht wahr?« sprach Heinrich.

»Aber, wie soll man es erfahren?«

»Könnte man nicht,« fragte Heinrich nachlässig, »einen von jenen zwei Edelleuten kommen lassen und durch ihn erfahren…«

»Ihr habt Recht, Sire,« sprach Margarethe, durch den Vorschlag ihres Gemahls erleichtert, »ich will Herrn de La Mole kommen lassen… Gillonne, Gillonne!«

Das Mädchen erschien.

»Ich muß sogleich Herrn de La Mole sprechen« sagte die Königin, »suche ihn auf und führe ihn hierher.«

Gillonne entfernte sich. Heinrich setzte sich an einen Tisch, auf welchem ein deutsches Buch mit Zeichnungen von Albrecht Dürer lag, in deren Betrachtung er sich so sehr vertiefte, daß er, als La Mole kam, ihn nicht zu hören schien und nicht einmal emporschaute.

Als der junge Mann den König bei Margarethe sah, blieb er stumm vor Erstaunen und erbleichend vor Unruhe auf der Thürschwelle stehen.

Margarethe ging auf ihn zu.

»Herr de La Mole,« fragte sie, »könnt Ihr mir wohl sagen, wer heute den Dienst bei Herrn von Alençon hat?«

»Coconnas,« sprach La Mole.

»Sucht von ihm zu erfahren, ob er bei seinem Herrn einen mit Koth bedeckten Menschen, der einen langen Ritt mit verhängten Zügeln gemacht zu haben schien, eingeführt hat.«

»Ach! Madame, ich fürchte, er wird es mir nicht sagen. Seit einigen Tagen wird er sehr schweigsam.«

»Wirklich? Doch wenn Ihr ihm dieses Billet gebt, ist er Euch, scheint es mir, einen Gegendienst schuldig.«

»Von der Herzogin? Gebt, Madame, gebt,« sagte La Mole ganz zitternd, »mit diesem Billet stehe ich für Alles.«

Und er entfernte sich.

»Wir werden morgen erfahren, ob der Herzog von Alençon von der polnischen Angelegenheit unterrichtet ist,« sagte Margarethe sich gegen ihren Gemahl umwendend.

»Dieser Herr de La Mole ist ein vortrefflicher Diener,« versetzte der Bearner mit dem Lächeln, das nur ihm eigenthümlich war. »Bei der Messe! ich werde sein Glück machen.«

VIII.
Der Aufbruch

Als am andern Morgen eine schöne rothe Sonne, aber ohne Strahlen, wie dies in den bevorzugten Wintertagen gewöhnlich ist, sich hinter den Hügeln erhob, welche Paris umgürten, war in dem Hofe des Louvre bereits seit zwei Stunden Alles in Bewegung.

Ein herrlicher Barber, nervig obgleich hoch gewachsen, mit Hirschbeinen, auf denen sich die Adern wie ein Netz kreuzten, mit dem Fuße stampfend, die Ohren spitzend und Feuer durch die Nüstern schnaubend, erwartete Karl IX. in dem Hofe. Aber das Thier war noch minder ungeduldig, als sein Herr, der von Catharina aufgehalten wurde, welche ihn auf dem Wege gestellt hatte, um, wie sie sagte, über eine wichtige Angelegenheit mit ihm zu sprechen.

Beide befanden sich in der Glasgallerie. Catharina kalt, bleich und unempfindlich, wie immer; Karl IX. bebend, an seinen Nägeln kauend und seine Lieblingshunde peitschend, welche mit einer Art von Panzerhemden bekleidet waren, damit die Hauer des Wildschweines sie nicht verletzen könnten und damit sie diesem furchtbaren Thiere ungestraft Trotz zu bieten vermöchten. Ein kleiner Schild mit dem Wappen von Frankreich war auf ihre Brust genäht, ungefähr wie auf die der Pagen, welche mehr als einmal diese glückseligen Günstlinge um ihre Vorrechte beneidet hatten.

»Merkt wohl auf, Karl,« sprach Catharina, »Niemand als Ihr und ich weiß bis jetzt von der nahe bevorstehenden Ankunft der Polen. Der König von Navarra benimmt sich jedoch, Gott soll mir vergeben, als ob er die Sache wüßte. Trotz seines Abschwörens, dem ich immer mißtraut habe, unterhält er ein Einverständniß mit den Hugenotten. Habt Ihr bemerkt, wie oft er seit einigen Tagen ausgeht?

Er hat Geld, er, der nie hatte; er kauft Pferde, Waffen, und an Regentagen übt er sich vom Morgen bis in die Nacht im Fechten.«

»Ei, mein Gott, meine Mutter,« rief Karl ungeduldig, »glaubt Ihr nicht etwa, er beabsichtige mich zu tödten, mich oder meinen Bruder Anjou? In diesem Falle müßte man ihm noch einige Lektionen geben, denn gestern habe ich ihm mit meinem Rappier elf Knopflöcher auf seinem Wammse gezählt, während es doch nur sechs hat. Und was meinen Bruder Anjou betrifft. so wißt Ihr, daß er noch besser zielt als ich, oder eben so gut wenigstens, wie er sagt.«

»Hört doch, Karl,« versetzte Catharina, »und behandelt die Dinge, die Euch Eure Mutter sagt, nicht leichtsinnig. Die Botschafter werden kommen, Ihr werdet sehen, daß Heinrich, sobald sie in Paris sind, Alles anwenden wird, um ihre Aufmerksamkeit zu fesseln. Er ist einschmeichelnd, er ist duckmäuserisch; abgesehen davon, daß seine Frau, die ihn, ich weiß nicht warum, unterstützt, mit ihnen gar freundlich plaudert, Lateinisch, Griechisch, Ungarisch, und was Alles sprechen wird. Oh, ich sage Euch, Karl, und Ihr wißt, daß ich mich nie täusche, ich sage Euch, daß etwas im Werke ist.«

In diesem Augenblicke schlug die Glocke und Karl hörte statt auf seine Mutter, auf die Stunde.

»Tod und Hölle! sieben Uhr!« rief er, »eine Stunde Wegs bis zum Sammelplatz, das macht acht Uhr! Eine Stunde, um den Hirsch auszutreiben, und wir können somit die Jagd nicht vor neun Uhr beginnen. In der That, meine Mutter, Ihr macht, daß ich viel Zeit verliere! Nieder, Risquetout!… Mord und Hölle, nieder, Schurke!«

Ein kräftiger Peitschenschlag auf die Hüften des Hundes entriß dem armen Thiere, das ganz erstaunt war, eine Strafe für eine Liebkosung zu bekommen, einen Schrei lebhaften Schmerzes.

»Karl,« versetzte Catharina. »hört mich doch im Namen Gottes! und überlaßt nicht so dem Zufall Euer Glück und das von Frankreich! Die Jagd, die Jagd, die Jagd! sagt Ihr. Ah! Ihr habt alle Zeit zum Jagen, wenn Euer Geschäft als König abgemacht ist.«

»Vorwärts, meine Mutter!« sprach Karl, bleich vor Ungeduld, »erklären wir uns rasch, denn Ihr macht mein Blut kochen. In der That, es gibt Tage, wo ich Euch nicht begreife.«

Er hielt inne und schlug mit dem Griffe seiner Peitsche an seine Stiefeln.

Catharina dachte, es wäre der günstige Augenblick gekommen, den man nicht vorübergehen lassen dürfte, und sprach:

»Mein Sohn, wir haben Beweise, daß Herr von Mouy nach Paris zurückgekehrt ist. Herr von Maurevel, den Ihr wohl kennt, hat ihn gesehen. Das geschieht nur für den König von Navarra, und es genügt, hoffentlich, daß dieser uns mehr als je verdächtig ist.«

»Ah, Ihr seyd abermals an meinem armen Henriot: ich soll ihn tödten lassen, nicht wahr?«

»Oh nein!«

»Verbannen? Aber begreift Ihr nicht, daß er verbannt furchtbarer wird, als er es je hier unter unsern Augen im Louvre seyn kann, wo er nichts zu thun vermag, was wir nicht sogleich erfahren.«

»Ich will auch nicht, daß man ihn verbanne.«

»Aber was wollt Ihr denn? sprecht geschwinde!«

»Ich will, daß man ihn, während die Polen hier sind, in sicherem Gewahrsam halte, in der Bastille zum Beispiel.«

»Ah, meiner Treue, nein!« rief Karl IX. »Wir jagen diesen Morgen den Eber, Heinrich ist einer der Besten meines Gefolges. Ohne ihn wird die Jagd verfehlt. Bei Gott, meine Mutter, Ihr denkt wahrlich an gar nichts, als mir in die Quere zu kommen.«

»Ei, mein lieber Sohn, ich sage nicht jetzt sogleich. Die Gesandten kommen erst morgen oder übermorgen. Verhaften wir ihn nach der Jagd, diesen Abend, diese Nacht.«

»Das ist etwas Anderes. Nun wohl, wir werden wieder davon sprechen; wir werden nach der Jagd sehen; ich sage nicht nein. Gott befohlen! Vorwärts, Risquetout willst du nicht ebenfalls zanken?«

»Karl,« sagte Catharina, ihn auf die Gefahr eines Ausbruchs, der auf diese neue Zögerung erfolgen konnte, am Arme zurückhaltend. »ich glaube, das Beste wäre, wenn Ihr den Verhaftsbefehl, den man erst diesen Abend oder diese Nacht vollstrecken ließe, sogleich unterzeichnen würdet.«

»Unterzeichnen? einen Befehl schreiben? siegeln? Pergament holen lassen, wenn man mich zur Jagd erwartet, mich, der ich nie auf mich warten lasse? Zum Teufel!«

»Nein, ich liebe Euch zu sehr, um Euch aufzuhalten; ich habe Alles vorhergesehen; tretet bei mir ein.«

Und behende, als wäre sie erst zwanzig Jahre alt, stieß Catharina eine Thüre auf, welche mit ihrem Cabinet in Verbindung stand, zeigte dem König ein Tintenfaß, eine Feder, Pergament, das Siegel und eine angezündete Kerze.

Der König nahm das Pergament und durchlief es rasch:

»Befehl u.s.w., u.s.w., unsern Bruder Heinrich von Navarra verhaften zu lassen und nach der Bastille, zu führen.«

»Gut, es ist abgemacht,« sagte er und unterzeichnete mit einem Zuge.

Und er stürzte aus dem Cabinet, gefolgt von seinen Hunden und ganz froh, sich so leicht von Catharina befreit zu haben.

Karl IX. wurde ungeduldig erwartet, und da man seine Pünktlichkeit bei der Jagd kannte, so wunderte sich Jedermann über diese Zögerung. Als er erschien. begrüßten ihn auch die Jäger mit ihrem Vivat, die Piqueurs mit ihren Fanfaren, die Hunde mit ihrem Geschrei. All’ dieses Getöse machte die Röthe in seine bleichen Wangen steigen, sein Herz schwoll auf, und Karl war eine Sekunde lang jung und glücklich.

Der König nahm sich kaum die Zeit, die in dem Hofe versammelte glänzende Gesellschaft zu begrüßen. Er machte dem Herzog von Alençon ein Zeichen mit dem Kopfe. Margarethe ein Zeichen mit der Hand, ging vor Heinrich vorüber, ohne daß er that, als ob er ihn bemerkte, und schwang sich auf das Barberroß, das ungeduldig unter ihm aufsprang. Aber nach drei oder vier Courbetten begriff es, mit welchem Reiter es zu thun hatte, und beruhigte sich.

Sogleich ertönten die Fanfaren abermals, und der König verließ den Louvre, gefolgt von dem Herzog von Alençon, dem König von Navarra, von Margarethe, Frau von Nevers, Frau von Sauves, von Tavannes und den vornehmsten Herren des Hofes.

Es versteht sich von selbst, daß La Mole und Coconnas bei der Partie waren.

Was den Herzog von Anjou betrifft, so befand sich dieser seit drei Monaten bei der Belagerung von La Rochelle.

Während man auf den König wartete, begrüßte Heinrich seine Gemahlin, die, sein Compliment erwiedernd, ihm zuflüsterte:

»Der von Rom angekommene Courier ist von Herrn von Coconnas selbst bei dem Herzog von Alençon eingeführt worden, eine Viertelstunde, ehe der Gesandte des Herzogs von Nevers bei dem König eingeführt wurde.«

»Er weiß also Alles?« sprach Heinrich. »Er muß Alles wissen,« erwiederte Margarethe. »Uebrigens schaut ihn nur an und seht, wie trotz seiner gewöhnlichen Verstellung sein Auge strahlt.«

»Ventre-saint-gris!« murmelte der Bearner, »ich glaube es wohl, er jagt heute auf dreifache Beute: auf Frankreich, Polen und Navarra, ohne den Eber zu rechnen.«

Er begrüßte seine Gemahlin, kehrte in seine Reihe zurück, rief einen von seinen Leuten, einen Bearner seinem Ursprunge nach, dessen Voreltern Diener der seinigen seit mehr als einem Jahrhunderte waren, und den er als gewöhnlichen Boten bei seinen Angelegenheiten benützte, und sagte zu ihm:

»Orthon, nimm diesen Schlüssel und trage ihn zu dem Vetter von Frau von Sauves, der, wie Du weißt, bei seiner Geliebten an der Ecke der Rue des Quatre-Fils wohnt. Sage ihm, seine Cousine wünsche ihn diesen Abend zu sprechen, er möge in mein Zimmer eintreten und, wenn ich nicht dort bin, auf mich warten. Bleibe ich lange aus, so mag er sich einstweilen auf mein Bett werfen.«

»Es bedarf keiner Antwort, Sire?«

»Nein, Du sagst mir nur, ob Du ihn getroffen hast. Der Schlüssel ist für Dich allein, verstehst Du?«

»Ja, Sire.«

»Warte doch, verlasse mich nicht hier, Teufel! Ehe wir aus Paris reiten, rufe ich Dich, als solltest Du den Gurt meines Pferdes wieder zuschnallen. Du bleibst zurück, vollziehst Deinen Auftrag auf eine ganz natürliche Weise und holst uns in Bondy wieder ein.«

Der Diener machte ein Zeichen des Gehorsams und entfernte sich.

Man setzte sich durch die Rue Saint-Honoré in Marsch. Man erreichte die Rue Saint-Denis, dann den Faubourg. Als man in der Rue Saint-Laurent angelangt war, löste sich der Gurt an dem Pferde des Königs von Navarra. Orthon eilte herbei, und Alles ging vor sich, wie es zwischen ihm und seinem Herrn abgemacht war, der mit dem königlichen Zuge der Rue des Recollets folgte, während sein treuer Diener nach der Rue du Temple ritt.

 

Als Heinrich den König wieder einholte, war Karl in ein so interessantes Gespräch über das Wetter, über das Alter des gestellten Ebers und über den Ort, wo er sein Lager genommen hatte, vertieft, daß er nicht wahrnahm, oder sich wenigstens stellte, als hätte er nicht wahrgenommen, daß Heinrich zurückgeblieben war.

Während dieser Zeit beobachtete Margarethe von ferne die Haltung jedes Einzelnen und glaubte in den Augen ihres Bruders eine gewisse Verlegenheit zu erkennen, so oft dieselben auf Heinrich ruhten.

Frau von Nevers überließ sich einer tollen Heiterkeit, denn Coconnas machte, an diesem Tage außerordentlich lustig, hunderterlei Lazzi, um die Damen zum Lachen zu bringen.

La Mole hatte bereits zweimal Gelegenheit gefunden, die mit goldenen Fransen besetzte weiße Schärpe von Margarethe zu küssen, ohne daß diese Handlung, mit der gewöhnlichen Vorsicht vollbracht, die man bei solchen Intriguen anwendet, von mehr als drei oder vier Personen gesehen worden war.

Man langte gegen ein Viertel auf neun Uhr in Bondy an.

Die erste Sorge von Karl IX. war, sich zu erkundigen, ob der Eber gehalten hätte. Der Eber war in seinem Lager und der Jäger, der ihn bestätigt hatte, machte sich für ihn verantwortlich.

Ein Frühstück war bereit. Der König trank ein Glas Ungarwein. Karl IX. lud die Damen ein, sich zur Tafel zu setzen, und besuchte in seiner Ungeduld, um seine Zeit auszufüllen, die Hundeställe und ähnliche Anstalten, wobei er Befehl gab, sein Pferd nicht abzusatteln, denn er sagte, er hätte nie ein besseres, ein kräftigeres Thier geritten.

Während der König seine Runde machte, langte der Herzog von Guise an. Er war mehr für den Krieg als für die Jagd gerüstet, und zwanzig bis dreißig Edelleute begleiteten ihn, equipirt wie er. Sogleich erkundigte er sich nach dem Orte, wo sich der König befand, begab sich dahin, und kehrte mit ihm plaudernd zurück.

Auf den Schlag neun Uhr gab der König selbst, zumLanciren blasend, das Signal. Jeder stieg zu Pferde und ritt nach dem Sammelplatz.

Auf dem Wege fand Heinrich Gelegenheit, sich abermals seiner Gemahlin zu nähern.

»Nun?« fragte er sie, »wißt Ihr etwas Neues?«

»Nein,« antwortete Margarethe, »wenn nicht, daß mein Bruder Karl Euch auf eine seltsame Weise anschaut.«

»Es ist mir nicht entgangen,« versetzte Heinrich.

»Habt Ihr Eure Vorsichtsmaßregeln getroffen?«

»Ich habe auf der Brust ein Panzerhemd und an meiner Seite ein vortreffliches spanisches Jagdmesser, scharf wie zum Rasieren, spitzig wie eine Nadel, womit ich Dublonen durchbohre.«

»Dann beschütze Euch Gott,« sagte Margarethe.

Der Piqueur, welcher den Zug führte, machte ein Zeichen. Man war bei dem Lager angekommen.