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Königin Margot

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»Feuer!« sprach Catharina, »gebt Feuer auf ihn.«

Die Wachen schlugen an; aber Heinrich war bereits zu weit entfernt.

»Er flieht!« rief die Königin Mutter, »er ist folglich besiegt!«

»Er flieht!« murmelte der Herzog von Alençon, »ich bin folglich König!«

Aber in demselben Augenblick, und während Franz und seine Mutter noch am Fenster standen, krachte die Zugbrücke unter den Hufen der Pferde. Man vernahm Waffengeklirre und ein gewaltiges Getöse. Ein junger Mann sprengte im Galopp, gefolgt von vier Edelleuten, welche wie er mit Schweiß, Staub und Schaum bedeckt waren, in den Hof und rief: »Frankreich!«

»Mein Sohn!« schrie Catharina, beide Arme aus dem Fenster streckend.

»Meine Mutter!« erwiederte der junge Mann, vom Pferde springend.

»Mein Bruder Anjou!« rief Franz voll Schrecken und warf sich zurück.

»Ist es zu spät?« fragte Heinrich von Anjou seine Mutter.

»Nein, im Gegentheil, es ist gerade die rechte Zeit. Hätte Dich Gott an der Hand geführt, er könnte Dich nicht gelegener hierher gebracht haben. Schau’ und höre.«

Herr von Nancey, der Kapitän der Garden, trat wirklich auf den Balcon des königlichen Gemaches.

Alle Blicke wandten sich nach ihm.

Er brach ein Stäbchen entzwei, streckte, in jeder Hand eines von den zweien Stücken haltend die Arme aus und rief:

»König Karl IX. ist todt! König Karl IX. ist todt! König Karl IX. ist todt!«

Und er ließ die zwei Stücke des Stäbchens fallen.

»Es lebe König Heinrich III.!« rief nun Catharina, sich in frommer Dankbarkeit bekreuzend. »Es lebe König Heinrich III.!«

Alle Stimmen, die des Herzogs Franz ausgenommen, wiederholten diesen Ruf.

»Ah! sie hat mich hintergangen,« sprach Franz, sich die Brust mit den Nägeln zerfleischend.

»Ich siege,« rief Catharina, »und dieser verhaßte Bearner wird nicht regieren!«

XVIII.
Epilog

Ein Jahr war seit dem Tode von König Karl IX. und der Thronbesteigung seines Nachfolgers abgelaufen,

König Heinrich III., glücklicher Fürst des Landes durch die Gnade Gottes und seiner Mutter Catharina, hatte sich zu einer schönen Procession zu Ehren Unserer Lieben Frau von Cléry begeben.

Er war mit der Königin seiner Gemahlin und dem ganzen Hofe zu Fuße abgegangen.

König Heinrich III. konnte sich wohl diesen kleinen Zeitvertreib erlauben: keine ernste Sorge nahm ihn zu dieser Stunde in Anspruch. Der König von Navarra befand sich in Navarra, wo er schon so lange zu seyn gewünscht hatte, und beschäftigte sich viel, wie man sagte, mit einem hübschen Mädchen aus dem Blute der Montmorency, das er die Fosseuse nannte. Margarethe war bei ihm, traurig und düster; sie fand in seinen schönen Gebirgen keine Zerstreuung, aber doch wenigstens eine Erleichterung für die zwei großen Schmerzen ihres Lebens: die Abwesenheit und den Tod.

Paris war sehr ruhig und die Königin Mutter, die man, seit ihr geliebter Sohn Heinrich König war, wirklich als Regentin betrachten konnte, hielt sich daselbst abwechselnd im Louvre und im Hotel de Soissons auf, das auf der Stelle lag, welches gegenwärtig die Fruchthalle bedeckt, und wovon nur noch die zierliche Säule übrig ist, die man vor der Straße sieht.

Sie war eines Abends damit beschäftigt, die Gestirne mit René zu studiren, von dessen kleinen Verräthereien sie nichts wußte, und der bei ihr durch das falsche Zeugniß, das er in der Angelegenheit von Coconnas und La Mole abgelegt hatte, wieder in Gnade gekommen war, als man ihr meldete, ein Mann, der ihr eine Sache von größter Wichtigkeit mittheilen zu müssen behaupte, warte In ihrem Betzimmer.

Sie ging rasch hinab und fand Herrn von Maurevel.

»Er ist hier!« rief der ehemalige Kapitän der Pedardirer, der gegen die königliche Etiquette Catharina keine Zeit ließ, das Wort an ihn zu richten.

»Wer, er?« sagte Catharina.

»Wer soll es seyn, Madame, wenn nicht der König von Navarra?«

»Hier?« versetzte Catharina, »hier! … er! … Heinrich! … Und was will der Unkluge hier?«

»Wenn man dem Anscheine glauben dürfte, so käme er, um Frau von Sauves zu sehen. Glaubt man der Wahrscheinlichkeit, so kommt er, um gegen den König zu conspiriren.«

»Und woher wißt Ihr, daß er hier ist?«

»Gestern sah ich ihn in ein Haus treten, und einen Augenblick nachher kam Frau von Sauves eben dahin.«

»Wißt Ihr gewiß, daß er es ist?«

»Ich wartete seine Rückkehr ab, das heißt, ich wartete einen Theil der Nacht. Um drei Uhr begaben sich die zwei Liebenden wieder auf den Weg. Der König führte Frau von Sauves bis zu der Pforte des Louvre. Hier trat sie mit Hilfe des Concierge, der ohne Zweifel in ihrem Interesse ist, ohne beunruhigt zu werden ein, und der König kehrte ein Lied trällernd und mit so freiem Schritte zurück, als wäre er mitten in seinem Gebirge.«

»Wohin ist er zurückgekehrt?«

»In die Rue de l’Arbre-Sec, in den Gasthof zum Schönen Gestirn, zu demselben Wirthe, wo die zwei Zauberer wohnten, welche Eure Majestät enthaupten ließ.«

»Warum habt Ihr mir das nicht sogleich gemeldet?«

»Weil ich meiner Sache noch nicht gewiß genug war.«

»Während jetzt? …«

»Jetzt bin ich es.«

»Ihr habt ihn gesehen?«

»Vollkommen. Ich lag bei einem Weinhändler gegenüber im Hinterhalt; ich sah ihn zuerst in dasselbe Haus wie am Abend vorher eintreten; dann, da Frau von Sauves zögerte, hielt er unkluger Weise sein Gesicht an eine Fensterscheibe im ersten Stocke, und diesmal blieb mir kein Zweifel mehr. Ueberdies kam einen Augenblick nachher Frau von Sauves abermals zu ihm.«

»Und Ihr glaubt, sie werden wie in der vergangenen Nacht bis drei Uhr Morgens bleiben?«

»Es ist wahrscheinlich.«

»Wo ist dieses Haus?«

»Bei der Croix-des-Petits-Champs, gegen Saint-Honoré.«

»Gut. Herr von Sauves kennt Eure Handschrift nicht?«

»Nein.«

»Setzt Euch und schreibt.«

Maurevel gehorchte, nahm eine Feder und sprach:

»Madame, ich bin bereit.«

Catharina dictirte:

»Während der Baron von Sauves seinen Dienst im Louvre thut, ist die Baronin mit einem ihr befreundeten Laffen in einem Hause in der Nähe der Croix-des-Petits-Champs, gegen Saint-Honoré; der Baron kann das Haus an einem rothen Kreuze erkennen, das man an die Mauer machen wird.«

»Was soll ich hiermit thun?« fragte Maurevel.

»Macht eine Abschrift von diesem Briefe,« sprach Catharina,

Maurevel gehorchte,

»Nun laßt einen von diesen Briefen durch einen gewandten Menschen dem Baron von Sauves zustellen,« sagte die Königin, »und den andern soll dieser Mensch in den Gängen des Louvre fallen lassen.«

»Ich begreife nicht,« versetzte Maurevel.

Catharina zuckte die Achseln.

»Ihr begreift nicht, daß ein Ehemann, der einen solchen Brief erhält, sich ärgert?«

»Wie mir scheint, ärgerte er sich nicht zur Zeit des Königs von Navarra.«

»Einem König gehen Dinge hin, die einem einfachen Liebhaber nicht hingehen. Aergert er sich übrigens nicht, so werdet Ihr Euch für ihn ärgern.«

»Ich?«

»Allerdings.«

»Ihr nehmt einen Mann, sechs Mann, wenn es seyn muß, Ihr vermummt Euch, sprengt die Thüre, als ob Ihr von dem Baron abgeschickt wäret, Ihr überrascht die Liebenden mitten in ihrer geheimen Zusammenkunft, Ihr schlagt im Namen des Gatten, und das Billet, welches in einem Gange des Louvre verloren und von einer guten Seele gefunden worden ist, die es bereits in Umlauf gebracht hat, beweist am andern Tage, daß es eine Rache des Mannes gewesen ist. Nur hat es der Zufall gefügt, daß der Liebhaber der König von Navarra war; aber wer konnte dieß errathen, da Jedermann glaubte, er wäre in Pau.«

Maurevel schaute Catharina voll Bewunderung an, und entfernte sich mit einer tiefen Verbeugung.

Zu gleicher Zeit, da Maurevel das Hotel Soissons verließ, trat Frau von Sauves in das kleine Haus der Croix-des-Petits-Champs.

Heinrich erwartete sie an der halb geöffneten Thüre.

Sobald er sie auf der Treppe erblickte, fragte er:

»Man ist Euch nicht gefolgt?«

»Nein,« erwiederte Charlotte, »wenigstens nicht, daß ich es wüßte.«

»Ich meines Theils glaube, man ist mir nicht nur in der vergangenen Nacht, sondern auch diesen Abend, gefolgt.«

»Ah! mein Gott, Ihr erschreckt mich, Sire; wenn ein gutes Andenken, das Ihr einer alten Freundin gönnt, eine schlimme Folge für Euch hätte, ich wäre untröstlich.«

»Seyd unbesorgt, Geliebte,« sagte der Bearner, »wir haben drei Schwerter, welche im Schatten wachen.«

»Drei, das ist sehr wenig, Sire,«

»Das ist genug, wenn diese Schwerter Mouy, Saucourt und Barthèlemy heißen.«

»Herr von Mouy ist also mit Euch in Paris?«

»Allerdings.«

»Er wagte es, in die Hauptstadt zurückzukehren? Er hat also wie Ihr irgend eine arme Frau, welche in ihn verliebt ist?«

»Nein, aber einen Feind, dessen Tod er geschworen hat. Nur der Haß, meine Theure, läßt den Menschen so viele Thorheiten begehen als die Liebe.«

»Ich danke, Sire.«

»Oh, ich sage das nicht in Beziehung auf die gegenwärtigen Thorheiten, sondern in Beziehung auf die vorhergegangenen und zukünftigen. Aber streiten wir nicht hierüber, wir haben keine Zeit zu verlieren.«

»Ihr habt also immer noch im Sinne, abzureisen?«

»Diese Nacht.«

»Die Angelegenheiten, deren wegen Ihr nach Paris gekommen seyd, sind beendigt?«

»Ich bin Euretwegen gekommen.«

»Gascogner!«

»Ventre-saint-gris! mein Liebchen, ich spreche die Wahrheit; aber fort mit diesen Erinnerungen, ich habe noch zwei oder drei Stunden, um glücklich zu seyn, und dann eine Trennung auf ewig.«

»Ah! Sire,« sprach Frau von Sauves, »es gibt nichts Ewiges, als meine Liebe,.«

Heinrich sagte kurz zuvor, er hätte keine Zeit zum Streiten; er stritt also nicht, er glaubte, oder der Skeptiker gab sich wenigstens den Anschein, als ob er glaubte.

 

Herr von Mouy und seine Gefährten waren, wie dies der König von Navarra erwähnt, mittlerweile in der Umgegend des Hauses verborgen. Der Verabredung gemäß sollte Heinrich das kleine Haus um Mitternacht statt um drei Uhr verlassen; man würde sodann Frau von Sauves in den Louvre zurückbegleiten und von da sich nach der Rue de la Cerisaie begeben, wo Maurevel wohnte.

Erst im Verlaufe des Tages hatte Herr von Mouy endlich sichere Nachricht von dem Hause bekommen, das sein Feind bewohnte.

Sie waren ungefähr seit einer Stunde an ihrem Posten, als sie einen Menschen, auf einige Schritte von fünf andern gefolgt, erblickten, der sich der Thüre, des kleinen Hauses näherte und nach einander verschiedene Schlüssel versuchte.

Bei diesem Anblick machte Herr von Mouy, der in der Vertiefung einer benachbarten Thüre verborgen war, nur einen Sprung von seinem Verstecke bis zu diesem Menschen und faßte ihn beim Arme.

»Wartet einen Augenblick,« sagte er, »man geht nicht da hinein.«

Der Mensch machte einen Satz zurück, und hierbei fiel ihm sein Hut vom Kopfe.

»Mouy von Saint-Phale!« rief er.

»Maurevel!« brüllte der Hugenott, sein Schwert erhebend, »Ich suche Dich, Du kommst mir entgegen, ich danke!«

Aber der Grimm ließ ihn Heinrich nicht vergessen, und sich gegen das Fenster umwendend pfiff er auf die Weise, der Bearner Hirten.

»Das wird genügen,« sagte er zu Saucourt. »Nun herbei, Mörder, herbei!«

Und er stürzte auf Maurevel zu.

Dieser hatte Zeit gehabt, eine Pistole aus seinem Gürtel zu ziehen.

»Ah! diesmal,« sprach der Todtschläger des Königs, auf den jungen Mann zielend, »diesmal glaube ich, daß Du todt bist.«

Und er drückte los. Aber Herr von Mouy warf sich auf die rechte Seite, und die Kugel zischte vorüber, ohne ihn zu treffen.

»Nun ist die Reihe an mir,« rief der junge Mann. Und er brachte Maurevel einen so furchtbaren Schwertstreich bei, daß die scharfe Spitze, obgleich der Streich den ledernen Gürtel traf, das Hinderniß durchdrang und tief in das Fleisch ging.

Der Mörder stieß einen wilden Schrei aus, der einen so tiefen Schmerz kundgab, daß die Sbirren, welche ihn begleiteten, glaubten, er wäre auf den Tod verwundet, und erschrocken in der Richtung der Rue Saint-Honoré entflohen.

Maurevel war nicht tapfer. Als er sah, daß er von seinen Leuten verlassen war, und da er einen Gegner, wie Mouy, vor sich hatte, suchte er ebenfalls die Flucht zu ergreifen und eilte, um Hilfe schreiend, auf demselben Wege fort, den die Sbirren genommen hatten.

Herr von Mouy, Saucourt und Barthèlemy verfolgten dieselben von ihrem Eifer fortgerissen.

Als sie in die Rue de Grenelle gelangten, in die sie gelaufen waren, um ihnen den Weg abzuschneiden, öffnete sich ein Fenster, und ein Mann sprang aus dem ersten Stocke auf die vom Regen frisch benetzte Erde.

Es war Heinrich.

Das Pfeifen von Herrn von Mouy hatte ihn auf irgend eine Gefahr aufmerksam gemacht, der Pistolenschuß zeigte ihm an, daß die Gefahr groß war, und bewog ihn, seinen Freunden zu Hilfe zu eilen.

Feurig, kräftig, stürzte er ihnen mit dem Schwerte in der Hand nach.

Ein Schrei leitete ihn: er kam von der Barrière des Sergents. Es war Maurevel, der, sich von Mouy bedrängt fühlend, zum zweiten Male seine vom Schrecken fortgerissenen Leute zu Hilfe rief.

Er mußte sich umdrehen oder von hinten erdolcht werden, Maurevel wandte sich um, begegnete dem Eisen seines Feindes und führte beinahe in demselben Augenblick einen so geschickten Stoß gegen ihn, daß seine Schärpe durchbohrt wurde. Aber Herr von Mouy stieß sogleich nach, das Schwert drang abermals in das Fleisch, und ein doppelter Blutstrahl sprang aus einer doppelten Wunde hervor.

»Frisch auf! Mouy,« rief Heinrich, welcher eben ankam, »frisch auf!«

Herr von Mouy bedurfte keiner Ermuthigung. Er griff Maurevel auf’s Neue an, aber dieser erwartete ihn nicht. Seine linke Hand an seine Wunde haltend, nahm er einen verzweiflungsvollen Lauf.

»Schlag’ ihn rasch todt,« rief der König, »Seine Soldaten halten an, und die Verzweiflung der Feigen taugt nichts für die Braven.«

Maurevel, dessen Lungen beinahe zersprangen, dessen Athem pfiff, dem ein blutiger Schweiß aus dem Leibe stand, fiel plötzlich vor Erschöpfung nieder, aber rasch erhob er sich wieder, und sich aus einem Knie umdrehend, bot er Mouy die Spitze seines Schwertes.

»Freunde, Freunde!« rief Maurevel, »sie sind nur zu Zwei! Feuer! schießt auf sie!«

Saucourt und Barthèlemy hatten sich wirklich bei der Verfolgung von zwei Sbirren, welche durch die Rue des Poulies fortgelaufen waren, verirrt, und der König und Herr von Mouy befanden sich allein den vier Menschen gegenüber.

»Feuer!« brüllte Maurevel fortwährend, indeß einer von seinen Soldaten wirklich mit seiner Büchse anschlug.

»Ja, aber zuvor stirb, Verräther, stirb, Elender, stirb verdammt wie ein Mörder!« rief Herr von Mouy.

Und er ergriff mit der einen Hand das schneidende Schwert von Maurevel und tauchte mit der andern das seinige von oben nach unten seinem Feinde in die Brust, und zwar mit solcher Kraft, daß er ihn an die Erde spießte.

»Hab’ Acht! hab? Acht!« rief Heinrich.

Mouy ließ seinen Degen in dem Körper von Maurevel und machte einen Sprung rückwärts, denn ein Soldat hatte auf ihn angeschlagen und war im Begriff, ihn niederzuschießen.

In demselben Augenblicke durchbohrte Heinrich den Soldaten mit seinem Degen, und dieser fiel, einen Schrei ausstoßend, neben Maurevel nieder.

Die zwei anderen Soldaten ergriffen die Flucht.

»Komm’! Mouy, komm’!« rief Heinrich. »Verlieren wir keinen Augenblick; würden wir erkannt, so wäre es um uns geschehen.«

»Wartet, Sire, mein Schwert,« sprach Mouy. »Glaubt Ihr, ich werde es in dem Leibe des Elenden lassen?«

Und er näherte sich Maurevel, welcher scheinbar bewegungslos auf der Erde lag; aber in dem Augenblick, wo Mouy mit der Hand den Griff seines Degens faßte, welcher wirklich in dem Leibe von Maurevel stecken geblieben war, erhob sich dieser bewaffnet mit der Büchse, die der Soldat hatte fallen lassen, und schoß die Kugel Herrn von Mouy mitten in die Brust.

Der junge Mann stürzte nieder, ohne einen Schrei auszustoßen.

Heinrich warf sich auf Maurevel, aber dieser war ebenfalls zusammengebrochen, und sein Degen durchdrang nur eine Leiche.

Der König mußte fliehen; das Geräusch hatte viele Personen herbeigezogen, die Nachtwache konnte kommen. Heinrich suchte unter den Neugierigen ein bekanntes Gesicht und stieß plötzlich einen Freudenschrei aus.

Er hatte Meister La Hurière erkannt.

Da die Scene am Fuße der Croix du Trahoir, das heißt vor der Rue de l’Arbre-Sec vorfiel, so hatte unser alter Bekannter, dessen von Natur trübe Laune seit dem Tode von La Mole und Coconnas, seinen zwei geliebten Gästen, noch trauriger geworden war, seine Oefen und Casserole verlassen, wo er eben das Abendbrod für den König von Navarra bereitete, und war herbeigelaufen.

»Mein lieber La Hurière,« sagte Heinrich, »ich empfehle Euch Herrn von Mouy, obgleich ich sehr befürchte, daß nichts mehr für ihn zu thun ist. Schafft ihn in Euer Haus, und wenn er noch lebt, spart nichts; hier ist meine Börse; was den Andern betrifft, so laßt ihn in der Gosse liegen, wo er wie ein Hund verfaulen mag.«

»Aber Ihr?« fragte La Hurière.

»Ich habe ein Lebewohl zu sagen. Ich laufe und in zehn Minuten bin ich bei Euch; haltet meine Pferde bereit.«

Heinrich fing wirklich an in der Richtung des kleinen Hauses der Croix-des-Petits-Champs fortzulaufen; als er aber aus der Rue de Grenélle hervorkam, blieb er vom Schrecken gefesselt stehen.

Eine zahlreiche Gruppe war vor der Thüre versammelt.

»Was gibt es denn in diesem Hause?« fragte Heinrich, »was ist geschehen?«

»Oh! ein großes Unglück, Herr,« antwortete derjenige, an welchen er sich wandte. »Eine schöne junge Dame ist von ihrem Manne erdolcht worden, dem man ein Billet zugestellt hatte, um ihn zu benachrichtigen, seine Frau wäre mit einem Liebhaber zusammen.«

»Und der Mann?« rief Heinrich,

»Er ist gerettet.«

»Die Frau?«

»Sie ist dort.«

»Todt?«

»Noch nicht, aber Gott sey Dank, nicht viel besser.«

»Oh!« rief Heinrich, »ich bin also verflucht!«

Und er stürzte in das Haus.

Das Zimmer war voll von Menschen; alle diese Menschen umgaben ein Bett, aus welchem die arme Charlotte, von zwei Dolchstichen durchbohrt, ausgestreckt lag.

Ihr Gatte, der zwei Jahre lang seine Eifersucht gegen Heinrich zu verbergen wußte, hatte diese Gelegenheit ergriffen, um sich an ihr zu rächen.

»Charlotte! Charlotte!« rief Heinrich, die Menge theilend und vor dem Bette auf die Kniee stürzend.

Charlotte öffnete ihre schönen, bereits vom Tode verschleierten Augen, stieß einen Schrei aus, der das Blut aus ihren zwei Wunden springen machte, strengte sich an, um sich zu erheben, und sprach:

»Oh! ich wußte wohl, daß ich nicht sterben konnte, ohne ihn noch einmal zu sehen.«

Und als hätte sie nur diesen Augenblick abgewartet, um Heinrich die Seele zurückzugeben, die ihn so heiß geliebt, drückte sie nun ihre Lippen auf die Stirne des Königs von Navarra, flüsterte ein letztes Mal:«Ich liebe Dich,« und fiel todt zurück.

Heinrich konnte nicht länger weilen, ohne sich in das Verderben zu stürzen. Er zog seinen Dolch, schnitt eine Locke von diesen schönen blonden Haaren, die er so oft gelöst hatte, um ihre Länge zu bewundern, und entfernte sich schluchzend, mitten unter dem Schluchzen der Anwesenden, welche keine Ahnung hatten, daß er über so erhabenes Unglück weinte.

»Freund, Liebe,« rief er ganz außer sich vor Schmerz und Schrecken, »Alles verläßt mich, Alles entgeht mir zu gleicher Zeit.«

»Ja, Sire,« sagte ganz leise ein Mensch zu ihm, welcher sich von der Gruppe der vor dem Hause zusammengeschaarten Neugierigen getrennt hatte und ihm gefolgt war, »aber Ihr habt immer noch den Thron.«

»René!« rief Heinrich.

»Ja, Sire, René, der über Euch wacht; dieser Elende hat Euch verscheidend genannt: man weiß, daß Ihr in Paris seyd, die Bogenschützen suchen Euch, flieht, flieht!«

»Und Du sagst, ich werde König seyn, René, … ich, ein Flüchtling?«

»Schaut, Sire,« sprach der Florentiner, auf einen Stern deutend, der glänzend hinter einer schwarzen Wolke hervortrat, »nicht ich sage es, dieser prophezeit es Euch.«

Heinrich stieß einen Seufzer aus und verschwand in der Dunkelheit.

E n d e