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Das Horoscop

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»Ich Weiß es nicht blos, Herr Admiral, sondern ich habe mich auch bei der Nachricht von dieser Verlobung sterblich in das Fräulein verliebt, so daß ich wohl sagen kann, meine Liebe zum Fräulein von St. André komme hauptsächlich von meinem Haß gegen die Guises her.«

»Es ist aber doch das erste Mal, Prinz, daß ich von dieser Liebe sprechen höre. In der Regel nehmen Eure Liebesgeschichten wie die Lerchen singend ihren Flug. Diese Liebe ist also von so neuem Datum, daß sie noch nicht einmal Lärm gemacht hat.«

»Sie ist nicht so ganz neu, mein lieber Admiral; sie ist im Gegentheil schon sechs Monate alt.«

»Bah! wirklich?« fragte der Admiral mit einem Blick, der sein Erstaunen ausdrückte.

»Sechs Monate, ja, beinahe auf den Tag hin, wahrhaftig. Ihr erinnert Euch doch eines Horoscops das eine alte Hexe bei der Landimesse Herrn von Guise, dem Marschall von St. André und Eurem gehorsamsten Diener gestellt hat? Ich meine Euch wenigstens diese Geschichte erzählt zu haben.«

»Ja, ich erinnere mich vollkommen. Die Sache geschah in einem Wirthshaus auf der Straße von Gonesse nach St. Denis.«

»Ja, so ists, mein lieber Admiral. Nun wohl, von diesem Tag an datirt die Offenbarung meiner Liebe für die reizende Charlotte, und wie wenn der Tod, den man mir geweissagt, mir eine ganz besondere Lust zum Leben eingeflößt hatte, von diesem Tag an habe ich nur noch in der Hoffnung gelebt von der Tochter des Marschalls geliebt zu werden, und habe alle Mittel meines Geistes aufgeboten, um zu diesem Ziel zu gelangen.«

»Und ohne Unbescheidenheit, Prinz,« fragte der Admiral; »ist Eure Liebe erwidert worden?«

»Nein, mein Vetter, nein; deßwegen sehet Ihr mich wie einen Tölpel dastehen.«

»Und als galanter Ritter erwartet ihr daß man Euch eine Blume, einen Handschuh, ein Wort zuwerfe?«

»Wahrhaftig, ich erwarte nicht einmal mehr Das.«

»Nun, auf was wartet Ihr dann noch?«

»Darauf, daß das Licht erlösche und daß die Braut des Herrn Prinzen von Joinville einschlafe, damit ich meinerseits auch mein Licht auslösche und einschlafe, wenn ich kann.«

»Und es ist ohne Zweifel nicht das erste Mal, mein lieber Prinz, daß Ihr auf diese Art dem Schlafengehen des Fräuleins anwohnt?«

»Es ist nicht das erste Mal, mein Vetter, und wird auch nicht das letzte Mal sein. Es sind jetzt bald vier Monate, daß ich mir diese unschuldige Zerstreuung gönne.«

»Ohne Wissen des Fräuleins von St. André,« fragte der Admiral mit zweifelnder Miene.

»Ohne ihr Wissen, ich fange an es zu glauben.«

»Ei, das ist ja mehr als Liebe, mein theurer Prinz: es ist ein wahrer Cultus, es ist eine Anbetung nach Art dessen, was gewisse Seefahrer uns von der Religion der Hindu und ihrer Verehrung gegen ihre unsichtbaren Gottheiten erzählen.«

»Eure Bemerkung trifft vollkommen zu, mein lieber Admiral; es ist ein wahrer Cultus, und ich muß mein ganzes Christenthum zusammennehmen um nicht in diesen Götzendienst zu verfallen.«

»Götzendienst heißt Bilderverehrung, mein lieber Prinz, und Ihr besitzet vielleicht nicht einmal das Bild Eurer Göttin?«

»Ja wahrhaftig, ich besitze nicht einmal ihr Bild,« sagte der Prinz; »aber,« fuhr er mit einem Lächeln fort, indem er die Hand auf seine Brust legte, »ihr Bild ist da und zwar so scharf eingezeichnet, daß ich keines andern Portraits bedarf als desjenigen, das in meinem Gedächtniß lebt.«

»Und welche Gränzen setzet Ihr für diese eintönige Beschäftigung fest?«

»Gut keine. Ich werde so hierher kommen, so lange ich Fräulein von St. André lieben werde. Ich werde sie nach meiner Gewohnheit solange lieben, als sie mir Nichts bewilligt haben wird, und da sie mir aller Wahrscheinlichkeit zufolge nicht so bald Das bewilligen wird, was sie mir bewilligen müßte, damit meine Liebe in ihre Periode der Abnahme treten sollte, so ist es wahrscheinlich, daß ich sie lange lieben werde.«

»Ihr seid doch ein ganz curioser Heiliger, mein lieber Prinz!«

»Was wollt Ihr? Ich bin nun einmal so; das Ding geht so weit, da?ich mich selbst nicht begreife. So lange eine Frau mir Nichts bewilligt hat, bin ich wie ein Narr in sie verliebt, ich könnte ihren Mann, ihren Liebhaber, ja sie selbst und hintendrein mich selbst umbringen, ich könnte ihretwegen einen Krieg anfangen, wie Pericles für Aspasia, Cäsar für Eunoë, Antonius für Cleopatra; hernach, wenn sie nachgibt. . .«

»Wenn sie nachgibt?«

»Dann, mein lieber Admiral, wehe ihr und mir selbst! Das kalte Tropfbad der Uebersättigung fühlt über meinen Wahnsinn und löscht ihn aus.«

»Aber welch ein närrisches Vergnügen findet Ihr darin im Mondschein zu wachen?«

»Unter den Fenstern eines hübschen Mädchens? Ein ungeheures Vergnügen, mein lieber Vetter. Oh, Ihr begreift das nicht, denn Ihr seid ein ernster und strenger Mann, der sein ganzes Glück in den Gewinn einer Schlacht oder in den Sieg seines Glaubens setzt. Mit mir, Herr Admiral, ist es etwas Anderes: der Krieg ist für mich nur ein Friede zwischen zwei Liebeshändeln, zwischen einer alten und einer neuen Liebe. Ich glaube wahrhaftig, daß Gott mich blos zum Lieben geschaffen hat, und ich zu nichts Anderem tauge. Ueberdieß ist es das Gesetz Gottes. Gott hat uns befohlen unsern Nächsten wie uns selbst zu lieben. Nun wohl, da ich ein vortrefflicher Christ bin, so liebe ich meinen Nächsten mehr als mich selbst. Nur liebe ich ihn in seiner schönsten Hälfte, in seiner angenehmsten Gestalt.«

»Aber wo habt Ihr denn Fräulein von St André seit der Landimesse wieder gesehen?«

»Ach, mein lieber Admiral, das ist eine lange Geschichte, und wenn Ihr nicht entschlossen seid, trotz der Gehaltlosigkeit meiner Erzählung, mir wenigstens eine volle halbe Stunde als guter Verwandter Gesellschaft zu leisten, so rathe ich Euch nicht darauf zu bestehen, sondern mich allein meinen Träumereien und meiner Zwiesprach mit dem Mond und den Sternen zu überlassen, die für mich weniger leuchtend sind als dieses Licht, das Ihr durch die Fenster meiner Gottheit strahlen sehet.«

»Mein lieber Vetter,« sagte der Admiral lachend, »ich habe für die Zukunft Pläne mit Euch, die Ihr nicht einmal ahnet; deshalb liegt es in meinem Interesse, daß ich Euch von allen Euren Seiten studire. Kommt her, öffnet mir alle Thüren Eures Innern. Seht, wenn ich einmal mit dem wahren Condé mit dem großen Feldherrn zu thun haben will, so möchte ich wissen, zu welcher Thüre ich hereinkommen kann, und wenn ich statt des Helden, den ich suche, blos einen zu den Füßen Omphales spinnenden Herkules, blos einen auf dem Schooß Dellilas schlafenden Simson finde, so möchte ich wissen, zu welcher ich hinausgehen muß.«

»Ich werde Euch also die ganze Wahrheit sagen müssen?«

»Allerdings.«

»Wie einem Beichtvater?«

»Noch besser.«

»Ich erkläre Euch zum Voraus, daß dieß eine wahre Ekloge wird.«

»Die schönsten Verse von Virgilius Maro sind nichts Anderes als Eklogen.«

»Ich beginne also.«

»Ich höre Euch zu.«

»Ihr werdet mir ins Wort fallen, wenn Ihr genug habt.«

»Ich verspreche es Euch; aber ich glaube, daß ich Euch nicht ins Wort fallen werde.«

»Ach, welch ein großer und erhobener Politiker Ihr seid!«

»Wißt Ihr, mein lieber Prinz, das Ihr mir aussehet, als ob Ihr spotten wolltet?«

»Ei warum nicht gar! Ihr wißt, daß man mich dazu treiben könnte in einen Abgrund zu springen, wenn man mir von solchen Dingen vorspricht.«

»Nun denn, so beginnt.«

»Es war im September vorigen Jahrs nach der Jagd, welche die Herren von Guise dem ganzen Hof im Walde von Meudon zum Besten gaben.«

»Ich erinnere mich davon gehört zu haben, war aber nicht selbst dabei.«

»Dann erinnert Ihr Euch auch, daß nach dieser Jagd Madame Catherine sich mit allen ihren Ehrenfräulein, ihrer sogenannten fliegenden Schwadron, nach dem Schloß des Herrn von Gondy in St. Cloud begab; Ihr erinnert Euch dessen, denn Ihr waret dabei.«

»Allerdings.«

»Nun wohl, wenn Eure Aufmerksamkeit nicht durch ernstere Gegenstände abgelenkt wurde, so erinnert Ihr Euch auch noch, daß dort während des Imbisses ein junges Mädchen durch seine Schönheit die Aufmerksamkeit des Hofes und ganz besonders die meinige fesselte. Es war das Fräulein von St. André – Nach dem Imbiß während der Spazierfahrt auf dem Canal erregte ein junges Mädchen durch seinen Geist die Bewunderung sämmtlicher Gäste und wiederum ganz besonders die meinige. Es war das Fräulein von St. André – Am Abend endlich auf dem Ball richteten sich alle Augen und besonders die meinigen auf eine Tänzerin, deren unvergleichliche Grazie allen Lippen ein Lächeln, allen Stimmen schmeichlerisches Gemurmel, allen Augen Blicke der Bewunderung entlockte. Es war abermals das Fräulein von St. André – Erinnert Ihr Euch dessen?«

»Nein.«

»Um so besser, denn wenn Ihr Euch erinnerte, so wäre es nicht der Mühe werth, daß ichs Euch erzählte. Ihr begreift wohl, daß die im Gasthof zum rothen Roß in meinem Herzen schüchtern entzündete Flamme in St. Cloud zu einem verzehren den Feuer wurde. Die Folge davon war, daß ich nach dem Ball, als ich in das mir angewiesene Zimmer im ersten Stock kam, statt ins Bett zu gehen, die Augen zu schließen und einzuschlafen, mich ans Fenster stellte, und beim Gedanken an sie in holde Träumerei, verfiel. Ich war, Gott weiß wie lange schon, darin versunken, als ich durch den Schleier hindurch, welchen die verliebten Gedanken vor meinen Augen ausbreiteten, ein lebendiges Wesen, beinahe eben so unmateriell wie der Wind, der durch meine Haare fuhr, zu sehen glaubte. Es war etwas Leichtes wie ein verdichteter Dunst; ein weiß und rosarother Schatten, der durch die Alleen des Paris glitt, just unter meinem Fenster stehen blieb und sich auf den Stamm des Baumes stützte, dessen Blätterwerk meinen geschlossenen Fensterladen streifte. Ich erkannte, oder vielmehr ich ahnte, daß die schöne nächtliche Fee Niemand anders war als Fräulein von St. André und ich wäre höchst wahrscheinlich zum Fenster hinausgesprungen, um desto eher bei ihr anzukommen und desto schneller ihr zu Füßen zu fallen, als ein zweiter Schatten, weniger rosig und weniger weiß als der erste, aber beinahe eben so leicht, den Raum durchschritt, welcher eine Seite der Allee von der andern trennte. Dieser Schatten gehörte augenscheinlich dem männlichen Geschlechte an.«

 

»Ah! ah!« murmelte der Admiral.

»Just diesen Ausruf habe ich mir auch erlaubt,« sagte Condé »aber die beleidigenden Zweifel, die in Betreff der Tugend des Fräuleins von St. André in mir erwacht waren, dauerten nicht lange; denn die beiden Schatten begannen zu zwitschern, und da das Getöne der Stimmen durch die Baumzweige und die Spalten der Läden bis zu mir herauf drang, so hätte ich was die handelnden Personen der Scene, die zwanzig Schritte unter mir aufgeführt wurde, sprachen; auch hatte ich bereits alle Beide erkannt.«

»Wer waren sie denn?«

»Fräulein von St. André und der Page ihres Vaters.«

»Und um was handelte es sich?«

»Ganz einfach um eine Fischpartie für den folgenden Tag.«

»Um eine Fischpartie?«

»Ja, mein Vetter; Fräulein von St. André ist eine fanatische Liebhaberin vom Fischen mit der Angelleine.«

»Und um eine Fischpartie zu besprechen, hatten ein junges Mädchen von fünfzehn Jahren und ein junger Page von neunzehn einander auf Nachts zwölf oder ein Uhr in diesen Park beschieden.«

»Ich zweifelte wie Ihr daran, mein lieber Admiral, und ich muß sagen, daß dieser junge Page sehr betroffen schien, als er, nachdem er voll Eifer und ohne Zweifel mit ganz andern Hoffnungen herbeigelaufen war, aus des Fräuleins eigenem Munde erfuhr, sie habe ihn blos deßhalb beschieden, weil sie ihn bitten wolle zwei Angelleinen, eine für sie und die andere für ihn, anzuschaffen und sich damit Morgens fünf Uhr am Ufer des Kanals einzufinden. Dem jungen Pagen entwischten sogar die Worte:

»Aber, mein Fräulein, wenn Ihr mich aus keiner andern Absicht beschieden habt, als weil Ihr eine Angelleine von mir wünschten so war es unnöthig aus einer so einfachen Sache ein so großes Geheimniß zu machen.«

»Dann täuschet Ihr Euch, Jacques,« antwortete das junge Mädchen: »ich werde, seit die Feste begonnen haben, dermaßen umschmeichelt und gefeiert, von so vielen Schönthuern und Anbetern umlagerd, daß ich, wenn ich Euch um eine Angelschnur ersucht hätte und meine Absicht unglücklicher Weise bekannt worden wäre, heute früh um fünf Uhr drei Viertel der Herren des Hofs, mit Inbegriff des Herrn von Condé am Ufer des Kanals vorgefunden haben würde; und Dieß hätte, wie Ihr Euch wohl deuten könnt, die Fische dermaßen erschreckt, daß ich nicht einmal den kleinsten Gründling gefangen hätte. Ich habe nun Das nicht gewollt; ich will vielmehr morgen ohne andere Gesellschaft als die Eure, Ihr undankbarer Mensch einen wundervollen Fischzug thun.«

»Ach ja, mein Fräulein,« sagte der junge Page, »ach ja, ich bin ein Undankbarer!«

»Also es bleibt dabei, Jacques, um fünf Uhr.

»Ich werde mich schon um vier Uhr mit zwei Angelleinen einfinden, mein Fräulein.«

»Aber Ihr dürft nicht vor mir und ohne mich fischen, Jacques.«

»Oh, ich verspreche, daß ich auf Euch warten will.«

»Gut also. Für Eure Mühe habt Ihr hier meine Hand.

»Ach, mein Fräulein!« rief der junge Mann, indem er sich über diese cokette Hand hermachte und sie mit Küssen bedeckte.

»Sachte, sachte!« rief das junge Mädchen, in dem sie die Hand zurückzog, »ich habe Euch erlaubt weine Hand zu küssen, aber nicht sie in Flammen zu setzen. Und jetzt gute Nacht, Jacques! Um fünf Uhr am Ufer des großen Kanals.«

»Ach, kommt wann Ihr wollt, mein Fräulein, ich verspreche Euch, daß ich da sein werde.«

»Geht jetzt, geht!« sagte Fräulein von St. André indem sie ihm mit der Hand winkte.

»Der Page gehorchte augenblicklich und lautlos, wie ein Geist dem Zauberei gehorcht, von dem er abhängt. In weniger als einer Secunde war er verschwunden.

»Fräulein von St. André blieb noch einen Augenblick da; nachdem sie sich sodann versichert hatte, dass Nichts die Stille der Nacht und die Einsamkeit des Gartens störte, verschwand sie ebenfalls mit dem festen Glauben, daß sie weder gesehen noch gehört worden sei.«

»Und Ihr seid gewiß mein lieber Prinz, daß die schlaue Dirne Euch nicht an Eurem Fenster ahnte?«

»Ach, mein lieber Vetter, Ihr raubet mir alle meine Illusionen.«

Dann trat er nach näher zum Admiral und sagte:

»Nun wohl, da Ihr ein so tief blickender Politiker seid, so will ich Euch nur gestehen, »es gibt Augenblicke wo ich nicht darauf schwören möchte.«

»Auf was?«

»Daß sie mich nicht gesehen habe, und daß diese Angelleine, diese Fischpartie, diese Bestellung auf Morgens fünf Uhr nicht eine bloß Comödie gewesen sei?«

»Ei, warum nicht gar?«

»Oh, ich läugne niemals, wenn es sich um eine weibliche Spitzbüberei handelt,« sagte der Prinz, »und je jünger und naiver die Person ist, um so weniger läugne ich. Aber das müßt Ihr gestehen, mein lieber Admiral, daß wenn die Sache sich wirklich so verhält, das Dämchen sehr gewandt ist.«

»Ich gebe es gerne zu.«

»Ihr begreift wohl, daß ich mich am folgenden Morgen um fünf Uhr in der Nähe des großen Canals auf die Lauer gestellt habe. Der Page hatte Wort gehalten, Er war schon vor Tagesanbruch da. Die schöne Charlotte ihrerseits war gleich der Mergenröthe einen Augenblick vor der Sonne er schienen und hatte mit ihrem Rosenfinger seine wohlbeköderte Angelleine aus Jacques Händen entgegen genommen. Einen Augenblick fragte ich mich, warum sie beim fischen eines Kameraden bedürfe; aber bald begriff ich, daß so reizende Finger sich nicht der Gefahr aussetzen durften die schrecklichen Thiere zu berühren, welche sie an die Angel heften und sogar diejenigen, welche sie hinwegnehmen mußte, wenn der Page ihr nicht dieses abstoßende Geschäft erspart hätte. Auf solche Art blieb also von dieser Fischpartie, die bis sieben Uhr währte, dem schönen und eleganten jungen Mädchen Nichts als das Vergnügen, und dieses mußte groß sein, denn wahrhaftig die jungen Leutchen bekamen eine ganze Pfanne voll.«

»Und Ihr, was habt Ihr bekommen, mein lieber Prinz?«

»Einen abscheulichen Catarrh, denn ich stand mit den Füßen und einer grimmigen Liebe, deren Folgen Ihr jetzt sehet, im Wasser.«

»Und Ihr glaubet, die kleine Plaudertasche habe von Eurer Anwesenheit Nichte gewußt?«

»Ach mein Gott, lieber Vetter, vielleicht wußte sie mich da; aber wahrlich, wenn sie ihren Fisch an sich zog, rundete sie ihren Arm so graziös über das Ufer hin und hob ihr Röckchen so kokett in die Höhe, daß ich um dieses Armes und dieses Beines willen Alles verzeihen würde, denn wenn sie mich da wußte, so machte sie all diese allerliebsten Artigkeiten mir und nicht dem Pagen zu Liebe, sintemal ich zu ihrer Rechten war und sie ihren rechten Arm rundete, ihr rechtes Bein in die Höhe hob. Kurz und gut, mein lieber Admiral, ich liebe sie, wenn sie naiv ist; aber wenn sie kokett ist, so ist es noch weit schlimmer, dann bete ich sie an! Ihr sehet, daß ich auf die eine oder andere Weise sehr krank bin.«

»Und seit dem?«

»Seit dem, lieber Vetter, habe ich diesen reizenden Arm und dieses Bein wieder gesehen, aber nur von ferne, ohne mich jemals der Besitzerin dieser Zauberschätze nähern zu können, denn sobald sie mich auf einer Seite bemerkt, so entflieht sie, diese Gerechtigkeit muß ich ihr widerfahren lassen, nach der andern.«

»Und wohin soll diese stumme Leidenschaft zuletzt führen?«

»Ach, mein Gott, das müßt Ihr einen gescheidtern Mann fragen, als ich bin, lieber Vetter; denn wenn diese Leidenschaft stumm ist, wie Ihr sagt, so ist sie zu gleicher Zeit auch taub und blind, d. h. sie hört auf keinen Rath und sieht nicht über die gegenwärtige Stunde hinaus, will besonders nicht darüber hinaussehen.«

»Aber, mein lieber Prinz, Ihr müßt doch in irgend einer Zukunft eine Belohnung für diesen musterhaften Sclavendienst hoffen.«

»Natürlich; aber diese liegt in einer so fernen Zukunft, daß ich gar nicht hinzuschauen wage.«

»Nun wohl, laßt Euch rathen, schaut nicht hin.«

»Warum das, Herr Admiral?«

»Weil Ihr Nichts da sehen würdet, und weil Euch das allen Muth rauben könnte.«

»Ich verstehe Euch nicht.«

»Ei, mein Gott, es ist doch sehr leicht zu verstehen, aber zu diesem Ende müßt Ihr mich anhören.«

»Sprecht, »Herr Admiral.«

»Macht Euch auf Etwas gefaßt, mein lieber Prinz.«

»Wenn es sich um Fräulein von St. André handelt, mache ich mich auf Alles gefaßt.«

»Ich will Euch die Wahrheit ohne Umschweif sagen, mein lieber Prinz.«

»Herr Admiral, ich bin Euch seit langer Zeit mit der ehrerbietigen Zärtlichkeit, die man einem ältern Bruder widmet, und mit der zärtlichen Hingebung, die man für einen Freund hat,I zugethan. Ihr seid der einzige Mann in der Welt, dem ich das Recht zuerkenne mir zu rathen. Damit sage ich Euch zugleich, daß ich die Wahrheit aus Eurem Munde nicht nur nicht fürchte, sondern Euch vielmehr gehorsamst darum bitte. Sprecht!«

»Dank, Prinz!« antwortete der Admiral als ein Mann, der die gewaltigen Einflusses begriff, welche die Liebesangelegenheiten aus ein Gemüth wie Herr von Condé hervorbringen konnten, weßhalb er auch Dingen, die er bei einem Andern als dem Bruder des Königs von Navarra kaum beachtet haben wurde, eine bedeutende Wichtigkeit beilegte; »Dank! und da Ihr mir ein so schönes Spiel einräumt, so will ich Euch die ganze nackte Wahrheit sagen: Fräulein von St. André liebt Euch nicht, mein lieber Prinz; Fräulein von St. André wird Euch niemals lieben.«

»Solltet Ihr nicht ein wenig Astrolog sein, Herr Admiral? und solltet Ihr zufällig die Sterne über mich befragt haben, um mir eine so garstige Prophezeiung zu machen?«

»Nein: aber wißt Ihr, warum sie Euch nicht lieben wird?« fügte der Admiral hinzu.

»Wie soll ich das wissen, da ich doch Alles auf biete, um mir ihre Liebe zu erwerben.«

»Sie wird Euch nicht lieben, weil sie nie Jemand lieben wird, diesen kleinen Pagen so wenig als Euch; sie ist ein trockenes Herz, eine ehrgeizige Seele. Ich habe sie als kleines Kind gekannt, und ohne die astrologischen Kenntnisse zu besitzen, die Ihr so eben bei mir vermuthet, habe ich im Stillen prophezeit, daß sie eines Tags eine Rolle in diesem großen Haus des Lasters spielen würde, das wir vor Augen haben.

Und mit einer Geberde höchster Verachtung zeigte der Admiral auf den Louvre.

»Ah, ah!« sagte Herr von Condé, »das ist ein anderer Gesichtspunkt, von welchem aus ich sie noch nicht betrachtet habe.«

»Sie war noch nicht acht Jahre alt, als sie die vollendete Buhldirne spielte, à la Agnes Sorel oder Frau von Etampes; ihre jungen Freundinnen setzten ihr ein pappendeckelnes Diadem auf den Kopf und fürten sie um das Hotel herum spazieren mit dem Ruf: Es lebe die kleine Königin! Nun wohl, sie hat die Erinnerung an dieses Kinderkönigthum – fortwährend bewahrt. Sie behauptet, daß sie Herrn von Joinville, ihren Bräutigam, liebe: allein sie lügt. Sie stellt sich zwar so, aber wißt Ihr auch warum? Weil der Vater des Herrn von Joinville, Herr von Guise, mein ehemaliger Freund und jetzt mein erbittertster Gegner, binnen Kurzem König von Frankreich sein wird, wenn man ihm Nichts in den Weg wirft.«

»Ha, zum Teufels ist das Eure Ueberzeugung mein Vetter?«

»Meine aufrichtige Ueberzeugung, lieber Prinz, und ich schließe daraus, daß Eure Liebe zu dem schönen Ehrenfräulein der Königin eine unglückliche Liebe ist, weßhalb ich Euch beschwöre Euch so bald als möglich davon loszusagen.«

»Ist das Euer Rath?«

»Ja, und ich ertheile ihn Euch vom Grund meines Herzens.«

»Und ich, lieber Vetter, will Euch vor allen Dingen sagen, daß ich ihn so annehme wie er gegeben wird.«

»Nur werdet Ihr ihn nicht befolgen?«

»Was wollt Ihr, mein lieber Admiral? man ist nicht Herr über diese Dinge da.«

»Gleichwohl, mein lieber Prinz, müßt Ihr aus der Vergangenheit auf die Zukunft schließen.«

»Nun wohl ja, ich gestehe, daß sie bis jetzt, keine sehr heftige Sympathie für Euren Diener empfindet.«

»Aber Ihr glaubet, Dieß könne nicht von Dauer sein. Ah! ich weiß, daß Ihr eine gute Meinung von Euch selbst habt, mein lieber Prinz.«

»Was wollt Ihr? man würde den Andern eine allzu gute Gelegenheit zur Verachtung geben, wenn man sich selbst verachtete. Aber das ist es nicht. Wenn sie diese Zärtlichkeit nicht für mich hat, so könnt Ihr doch nicht verhindern, daß ich dieselbe unglücklicher Weise für sie habe. Ihr zuckt die Achseln darüber. Was wollt Ihr machen? Steht, es mir frei zu lieben oder nicht zu lieben? Wenn ich zu Euch sagte: Ihr habt die Belagerung von St. Quentin drei Wochen lang mit zweitausend Mann gegen die fünfzig oder sechzigtausend Flamänder und Spanier des Prinzen Emanuel Philibert und des Königs Philipp II. ausgehalten; nun wohl, Ihr müßt jetzt selbst die Stadt belagern; es liegen dreißigtausend Mann drinnen, und Ihr habt blos zehntausend; würdet Ihr Euch weigern St. Quentin zu belagern? Nein, nicht wahr?. . .«

 

Warum? Weil Ihr vermöge Eures bewährten kriegerischen Genies die Gewißheit habt, daß für tapfere Männer kein Platz uneinnehmbar ist. Nun wohl, ich, mein lieber Vetter, rühme mich vielleicht, aber ich glaube eine bewährte Wissenschaft der Liebe zu besitzen, wie Ihr Euer bewährtes Genie für den Krieg, und ich sage Euch: Kein Platz ist uneinnehmbar; Ihr habt mir das Beispiel im Krieg gegeben, mein lieber Admiral, erlaubt mir, daß ich Euch das Beispiel in der Liebe gebe.«

»Ach, Prinz! Prinz!« sagte der Admiral schwer müthig, »was für ein großer Feldherr würdet Ihr geworden sein, wenn statt der fleischlichen Gelüste, welche Euch die Liebe ins Herz legen, hohe Leidenschaften Euch den Degen in die Hand gelegt hätten.«

»Ach! Ihr wollt von der Religion sprechen«

»Ja, Prinz, und wollte Gott, daß Ihr einer von den Unsern und folglich einer von den Seinen würdet!«

»Mein lieber Vetter,« sagte Condé mit seiner gewöhnlichen Heiterkeit, unter welcher er jedoch die Willenskraft eines Mannes hervorschimmern ließ, der ohne daß man es ihm ansieht, oft über diesen Gegenstand nachgedacht hat, »Ihr werdet es vielleicht nicht glauben, aber ich habe über die Religion zum Mindesten eben so bestimmte Ideen wie über die Liebe»

»Was wollt Ihr damit sagen?« fragte der Admiral erstaunt.«

Das Lächeln verschwand von den Lippen des Prinzen und er fuhr ernsthaft fort:

»Damit will ich sagen, Herr Admiral, daß ich meine eigene Religion, meinen eigenen Glauben, meine eigene christliche Liebe habe; daß ich, um Gott zu ehren, keiner fremden Vermittlung bedarf, und so lang Ihr mir nicht beweisen könnt, mein lieber Vetter, daß Eure neue Lehre der alten vorzuziehen ist, so erlaubt, daß ich die Religion meiner Väter beibehalte, es müßte mich denn die Laune ankommen sie zu ändern, um Herrn von Guise einen Streich zu spielen.«

»Oh, Prinz! Prinz!« murmelte der Admiral, »werdet Ihr auf solche Art diese Schätze von Kraft, Jugend und Intelligenz vergeuden, die der Ewige Euch geschenkt hat, und werdet Ihr sie nicht zum Vortheil irgend einer großen Sache anzuwenden wissen? Ist Euer instinctmäßiger Haß gegen die Herren von Guise nicht eine providentielle Mahnung? Erhebet Euch, Prinz, und wenn Ihr die Feinde Eures Gottes nicht bekämpfet, so bekämpfet wenigstens die Feinde Eures Königs.«

»Ei,« sagte Condé, »Ihr bergreift jetzt, Vetter, daß ich meinen eigenen König habe, wie meinen eigenen Gott: allerdings ist mein König eben so klein»als mein Gott groß ist. Mein König, lieber Admiral, ist der König Von Navarra, mein Bruder. Das ist mein wahrer König. Der König von Frankreich kann für mich blos ein angenommener König, ein Oberlehensherr sein.«

»Ihr wollt die Frage umgehen, Prinz; Ihr habt Euch doch für diesen König geschlagen?«

»Nun ja, weil ich mich je nach meiner Laune für alle Könige schlage, gerade wie ich nach meiner Phantasie alle Frauen liebe.«

»Es ist also unmöglich, mein lieber Prinz, über einen dieser Gegenstände ernsthaft mit Euch zu sprechen?« fragte der Admiral.

»Nicht doch,« antwortete der Prinz mit einem gewissen Ernst, »wir werden zu einer andern Zeit darüber sprechen, mein Vetter, und ich werde Euch über diese Sache Rede stehen. Glaubet mir, ich würde mich für einen sehr erbärmlichen Menschen und einen sehr schofeln Bürger halten, wenn ich mein ganzes Leben einzig und allein dem Dienst der Damen widmete. Ich weiß daß ich Pflichten zu erfüllen habe, Herr Admiral, und daß die Intelligenz, der Muth und die Gewandtheit, kostbare Gaben, die ich vom Herrn empfangen, mir nicht blos verliehen worden sind, um Serenaden unter den Balconen darzubringen. Aber habt Geduld, mein lieber Vetter und trefflicher Freund. Laß diese ersten Flammen der Jugend verdunsten; bedenket daß ich noch nicht dreißig Jahre alt bin, zum Teufel, Herr Admiral, und daß ich in Ermangelung eines Kriegs die Thatkraft die ich in mir spüre, doch zu irgend Etwas verwenden muß. Verzeiht mir also noch dieses Abenteuer, und da ich den Rath, den Ihr mir gabet nicht angenommen habe, so gebet mir denjenigen, um den ich Euch bitte«

»Sprecht, Tollkopf!« sagte der Admiral väterlich, »und Gott gebe, da?der Rath, den ich Euch ertheilen werde, Euch irgendwie nützen möge.«

»Herr Admiral,« sagte der Herr Prinz von Condé indem er den Arm seines Vetters ergriff, »Ihr seid ein großer General, ein großer Stratege, unbestritten der größte Kriegsmann unserer Zeit: sagt mir: wie würdet Ihr's an meiner Stelle zum Beispiel angreifen, um zu dieser Stunde, d. h. gegen, Mitternacht bei Fräulein von St. André einzudringen und ihr zu sagen, daß Ihr sie liebet.«

»Ich sehe wohl, mein lieber Prinz, sagte der Admiral, »das Ihr nicht wahrhaft geheilt werdet, wenn Ihr diese Person nicht genau kennen lernt. Ich leiste Euch also einen Dienst, wenn ich Euch in Eurer Thorheit unterstütze, bis diese Thorheit sich in Vernunft umwandelt. Nun wohl, an Eurer Stelle. . .«

»Still!« sagte Condé in den Schatten zurücktretend.«

»Und warum?«

»Weil es mir scheint, als ob Etwas wie ein zweiter Verliebter sich dem Fenster näherte.«

»Ja wahrhaftig,« sagte der Admiral.

Und nach dem Beispiel des Prinzen verlor er sich im dunkeln Schatten des Thurms.

Unbeweglich und mit zurückgehaltenem Athem sahen sie jetzt Robert Stuart herannahen; sie sahen ihn den Stein aufheben, ein Billet umbinden, und Stein und Billet durch das beleuchtete Fenster schleudern.

Dann hörten sie das Geklirr der zertrümmerten Scheiben.

Hierauf sahen sie den Unbekannten, den sie für einen Verliebten gehalten halten, obschon er, man muß ihm diese Gerechtigkeit widerfahren lassen, nichts weniger als Das war, entfliehen und verschwinden, als er die Gewißheit hatte, daß sein Wurfgeschoß am Ort seiner Bestimmung angelangt war.

»Ah! so wahr ich lebe,« sagte Condé, »ohne Euch Eures Rathes für ein andermal zu entbinden, mein lieber Vetter, so danke ich Euch doch für heute dafür.«

»Warum?«

»Weil ich mein Mittel gefunden habe.«

»Welches?«

»Nun bei Gott, Dieß ist sehr einfach; dieses zerbrochene Fenster gehört dem Marschall von St. André, und es ist sicherlich in keiner guten Absicht zertrümmert worden.«

»Nun?«

»Nun, ich kam aus dem Louvre; ich hörte das Geklirr der Fensterscheibe, ich fürchtete, es müßte irgend ein Complott gegen den Marschall dahinter stecken, und wahrlich, trotz der späten Nacht, konnte ich nicht widerstehen, sondern bin aus eitel Theilnahme für ihn heraufgestiegen, um zu fragen, ob ihm kein Unglück widerfahren sei.«

»Narr! Narr! dreifacher Narr!« sagte der Admiral.«

»Ich bat Euch um einen Rath mein Freund; würdet? Ihr mir einen bessern ertheilt haben?«

»Ja.«

»Welchen?«

»Nicht hinzugehen.«

»Ei, Ihr wißt ja, Dieß war der erste, und ich habe Euch bereits gesagt, daß ich ihn nicht befolgen wolle.«

»Nun denn, es sei! Gehen wir zu dem Marschall von St. André.«

»Ihr kommt also mit mir?«

»Mein lieber Prinz»wenn man einen Narren nicht hindern kann seine Narrheiten auszuführen, und wenn man diesen Narren so liebt, wie ich Euch liebe, so muß man sich bei dieser Narrheit betheiligen und dafür sorgen, dass er so viel als möglich Nutzen daraus zieht. Gehen wir zu dem Marschall.«

»Mein lieber Admiral, Ihr werdet mir sagen, welche Bresche ich ersteigen, durch welche Salve ich passiren muß um Euch zu folgen, und bei der nächsten Gelegenheit werde ich Euch nicht folgen, sondern voranschreiten.«

»Gehen wir zu dem Marschall.«

Und sie begaben sich Beide nach dem Haupteingang des Louvre, wo der Admiral, nachdem er die Parole abgegeben hatte, eintrat und hinter ihm der Prinz von Condé.