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Das Horoscop

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»Dank, Herr Admiral;« sagte der Herzog von Montpensier, indem er für sich und den Prinzen de la Roche-sur-Yon antwortete, denn Colignys Worte hatten hauptsächlich ihm gegolten: »wir würden Eure Gastfreundschaft mit größtem Vergnügen, wenn auch nur für einen Augenblick annehmen; aber es ist weit von hier ins Hotel Condé: man muß über Brücken und durch schlimme Quartiere gehen, und wir wollen den Prinzen um die Gunst ersuchen unsere Begleitung anzunehmen.«

»Gebt, meine Herren, und Gott behüte Euch! Im Uebrigen möchte ich allen Pariser tire-soie und tire-laine nicht rathen, drei Tapfere, wie Ihr seid anzugreifen.«

Diese ganze Besprechung fand auf dem Kampfplatze selbst statt, und die Sieger hielten sie im Blute stehend, ohne daß Einer von ihnen, mit Ausnahme von la Renaudie, der einer andern Zeit anzugehören schien, den fünf Unglücklichen, von denen drei bereits Leichen waren, zwei aber noch röchelten, auch nur einen Blick schenkte.

Der Prinz von Condé, der Prinz de la Roche-sur-Yon und der Herzog von Montpensier verabschiedeten sich von dem Admiral und la Renaudie und gingen nach dem Pont aux Mouline hinauf, da ein Edict den Fährleuten verbot nach neun Abends noch Jemand überzusetzen.

Allein mit Renaudie geblieben, reichte der Admiral ihm die Hand:

»Ihr meiner zu mir, nicht wahr, mein Freund?« sagte er zu ihm.

»Ja, ich komme von Genf und habe Euch die wichtigsten Nachrichten zu bringen.«

»Trete ein! zu jeder Stunde des Tags und der Nacht ist mein Haue das Eurige.«

Und er zeigte ihm die offene Thüre des Hotels, das auf den Gast wartete, der unter dem Schutz des Herrn hereinkommen sollte, da der Herr selbst ihn so wunderbar gerettet hatte.

Während dieser Zeit erzählten die beiden jungen Leute, die, wie man sich wohl denken kann, den Prinzen nicht begleitet hatten um ihm als Escorte zu dienen, sondern um ihm das Abenteuer zwischen dem König und Fräulein von St. André mitzutheilen, auf’s Umständlichste diese ganze Geschichte, welche er selbst mit noch viel genaueren Details so eben dem Admiral hinterbracht hatte.

Die Nachricht war für Herrn von Coligny ganz frisch gewesen. Die Frau Admiralin war nach Hause gekommen und hatte sich in ihr Zimmer verschlossen, ohne nicht blos von diesem Ereigniß das sie nicht vorher sehen konnte, sondern auch von dem Verlust des Billets, der ersten Ursache des ganzen Haders, ein Wörtchen zu sagen, so daß Herr von Condé, so gut er auch über alles Andere unterrichtet war, gleichwohl noch nicht wußte, auf welche Art und auf welche Indizien hin der ganze Hof, mit Herrn von St. André und Herrn von Joinville an der Spitze, im Saal der Verwandlungen eingedrungen war.

Dieß war ein Geheimnis, das die beiden jungen Prinzen ihm erklären konnten.

Sie erzählten ihm also, indem sie wie die Schäfer Virgils abwechselten, wie die Admiralin bis zu Thränen gelacht und dann ihr Schnupftuch aus der Tasche gezogen, um ihre Augen zu wischen; wie sie mit ihrem Schnupftuch zugleich ein Billet herausgezogen habe, das auf die Erde gefallen sei ; wie Herr von Joinvilles dieses Billet aufgehoben und nach dem Weggang der Admiralin der Königin Mutter übergeben; wie die Königin Mutter, in der Meinung, besagtes Billet betreffe ihre gute Freundin die Admiralin persönlich, die Überrumpelung beantragt habe, wie dieselbe in Folge einstimmigen Beschlusses ausgeführt worden, aber zuletzt auf die Häupter der Urheber zurückgefallen sei.

Am Ende der Erzählung war man vor dem Hotel Condé angelangt. Der Prinz machte jetzt seinerseits den beiden jungen Leuten den selben Antrag, welchen der Admiral vorher der ganzen Gesellschaft gemacht hatte, allein sie lehnten ihn ab, gestanden jedoch ihren wahren Grund ein. Sie haben, sagten sie, mit dieser Balgerei des Herrn la Renaudie eine kostbare Zeit verloren, und sie besitzen noch viele Freunde, denen sie dieselbe Geschichte erzählen müssen.

»Was mich an dem Abenteuer am meisten ergötzt, « sagte der Prinz de la Roche-sur-Yon, indem er Herrn von Condé zum letzten Mal die Hand drückte, »Das ist das Gesicht, das der stille Anbeter des Fräuleins von St André schneiden wird, wenn er die Sache erfährt.«

»Wie! der stille Anbeter?« sagte der Prinz von Condé, indem er die Hand des Herrn de la Roche-sur-Yon festhielt, die er so eben loslassen wollte.

»Ei der Tausend, Ihr wißt das nicht?« fragte der junge Mann.

»Ich weiß gar Nichts meine Herren erwiderte der Prinz lachend. »Sprecht! Sprecht!«

»Ah bravo!« rief der Herzog von Montpensier, »denn das ist noch das Schönste an der Geschichte.«

»Ihr wußtet wirklich nicht, « fragte der Prinz de la Roche-sur-Yon, »daß Fräulein von St. André außer einem Bräutigam und seinem Liebhaber noch einen stillen Anbeter hatte!«

»Und dieser stille Anbeter;« fragte, der Prinz, »wer ist er?«

»Ah, meiner Treu, diesmal fragt Ihr mich zuviel: ich weiß seinen Namen nicht.«

»Ist er jung? ist er alt?« fragte der Prinz.

»Man sieht sein Gesicht nicht.«

»Wirtlich?«

»Nein! er ist immer in einen großen Mantel gehüllt der den ganzen untern Theil seines Gesichtes verdeckt.«

»Es ist irgend ein Spanier vom Hofe König Philipps II., « meinte der Herzog von Montpensier.

»Und wo zeigt er sich, dieser stille Anbeter oder vielmehr dieser Schatten?«

»Wenn Ihr nicht so selten im Louvre wäret mein lieber Prinz so würdet Ihr das nicht fragen, « sagte der Herzog von Montpensier.

»Warum ?«

»Weil es seht bald sechs Monate sind, daß er, sobald die Nacht anbricht, unter den Fenstern seiner Schönen spazieren geht.«

»Bah!«

»Es ist, wie ich Euch sage.«

»Und Ihr wißt den Namen dieses Mannes nicht?«

»Nein.«

»Ihr habt sein Gesicht nicht gesehen?«

»Ihr habt ihn an seiner Haltung nicht erkannt?«

»Er ist immer in einen großen Mantel eingehüllt.«

»Und Ihr könnt Euch nicht denken, wer es ist Prinz?«

»Nein.«

»Nicht den mindesten Verdacht, Herzog?«

»Nicht den mindesten.«

»Man hat doch wohl irgend eine Vermuthung aufgestellt?«

»Eine unter andern, « sagte der Prinz de la Roche-sur-Yon.

»Welche?«

»Man hat gesagte daß Ihr es seit, fuhr der Herzog von Montpensier fort.

»Ich habe so viele Feinde im Louvre.«

»Aber es war Nichts daran, nicht wahr ?«

»Ich bitte um Entschuldigung, meine Herrn, ich war's!«

Damit grüßte der Prinz die beiden jungen Leute obenhin, kehrte in sein Hotel zurück und schloß die Thüre hinter sich zu, während, die Herren von Montpensier und de la Roche-sur-Yon verblüfft auf der Straße stehen blieben.

VIII.
Wie die Mutter, so der Sohn

Die Königin Mutter hatte in der ganzem Nacht kein Auge zugethan.

Bisher hatte ihr Sohn, ein schwaches kränkliches, kaum mannbares, mit einer koketten jungen Frau verheirathete Kind, sich nur mit Liebe Jagd und Poesie beschäftigt, die Führung der Geschäfte aber, das was die Könige die Last des Staates nennen, und dessen Erhaltung gleichwohl ihr einziges Dichten und Trachten ist, vollständig ihr selbst und der Familie Guise überlassen.

Catharina war inmitten der Intriguen der italienischen Politik, einer kleinlichen und stänkerischen Politik, die für ein kleines Herzogthum wie Toskana gut sein mochte, aber eines großen Königreichs wie Frankreich zu werden begann, unwürdig war – aufgewachsen, und für sie war die Macht das Leben.

Was sah sie aber jetzt an dem Horizont hervorschimmern, der dem ihrigen entgegengesetzt war? Eine Nebenbuhlerin nicht um die Liebe ihres Sohnes – über diesen Verlust würde sie sich getröstet haben – wer selbst nicht liebt, kann keine Liebe verlangen, und sie liebte weder Franz II. Noch Carl IX.

Die umsichtige Florentinerin erschrack also, als sie bei ihrem Sohne ein Gefühl gewährte das ihr unbekannt, das ihm nicht von ihr selbst eingegeben worden war, das sich ohne sie entwickelt hatte und nun auf einmal mitten im Hof mit einem Eclat zum Vorschein kam, der sie überraschte und zwar sie selbst nach mehr überraschte als die Andern.

Ganz besonders erschrack sie, als sie den Namen der Dame erfuhr, der ihr Sohn sich zugewendet hatte; denn zwischen den sechzehn Jahren des jungen Mädchens hindurch hatte sie in blitzenden Strahlen den Ehrgeiz des Weibes glänzen gesehen.

Sobald es Tag wurde, ließ sie also ihrem Sohn sagen, sie sei leidend und lasse ihn ersuchen zu ihr zu kommen.

In ihrer eigenen Wohnung konnte Catharina, wie ein gewandter Schauspieler auf seinem Theater, ihren Platz wählen und die Scene beherrschen. Sie stellte sich in den Schatten, wo sie halb unsichtbar blieb ; ihren, Gast stellte sie ins Licht, wo sie Alles sehen konnte.

Deßhalb ging sie nicht selbst zu ihrem Sohn, sondern schützte eine Unpäßlichkeit vor und ließ ihn um seinen Besuch bitten.

Der Bote kam zurück, mit der Nachricht der König schiefe noch.

Catharina wartete ungeduldig noch eine Stunde und schickte von Neuem hin.

Dieselbe Antwort.

Sie wartete mit steigender Ungeduld noch eine weitere Stunde.

Der König schlief fortwährend.

»Oh, oh!« murmelte Catharina, »die französischen Prinzen sind nicht gewöhnt so lange zu schlafen. Dieser Schlaf ist zu hartnäckig um natürlich zu sein.«

Und sie verließ ihr Bett, wo sie, in der Hoffnung die fein ausgedachte Scene halb durch die Vorhänge verborgen spielen zu können, gewartet hatte, und gab Befehl sie anzukleiden.

Das Theater veränderte sich. Alle die Vortheile welche Catharina in ihrer eigener Wohnung für sich gehabt hätte, mangelten ihr in der Wohnung ihres Sohnes. Aber sie hielt sich für eine so gewandte Schauspielerin, daß dieser Scenenwechsel durchaus einen Einfluß auf die Entwicklung haben könnte.

Ihre Toilette ging schnell von Statten und so bald sie vollendet war, begab sich Catharina in aller Eile nach den Gemächern Franz II..

 

Sie trat zu jeder Stunde bei dem König ein, wie eine Mutter bei ihrem Sohn eintritt. Keiner der Bedienten oder Offiziere, die im Vorzimmer standen, hätte sichs einfallen lassen sie anzuhalten.

Sie ging also durch den ersten Saal, der nach der Wohnung des Königs führte, hob den Thürvorhang des Schlafzimmers in die Höhe und er blickte ihn, nicht im Bette liegend und schlafend sondern vor einer Fensteröffnung an einem Tisch sitzend.

Den Ellbogen aus diesen Tisch gestemmt und den Rücken der Thüre zugekehrt, betrachtete er einen Gegenstand mit solcher Aufmerksamkeit, daß er nicht hörte wie der Thürvorhang vor seiner Mutter sich hob und hinter ihr wieder zufiel.

Catharina blieb an der Thüre stehen. Ihr Auge, das Anfangs über das Bett hinweggeschweift war, heftete sich auf Franz II.

Ihr Blick schleuderte einen Blitz, worin wahrlich mehr Haß als, Liebe lag.

Dann schritt sie langsam vor, und ohne mehr Geräusch zu machen als wenn sie ein Schatten gewesen wäre und kein Körper, stützte sie sich auf die Lehne des Fauteuils und schaute ihrem Sohnes über die Schulter.

Der König hatte sie nicht kommen gehört; er betrachtete voll Begeisterung ein Bild des Fräuleins von St. André.

Der Ausdruck in Catharina's Gesicht wurde wieder fester und ging in Folge einer raschen Musekelzusammenziehung in den entschiedensten Haß über.

Dann lieh sie eine mächtige Rückwirkung auf sich selbst eintreten, so daß alle Muskeln ihres Gesichtes sich abspannten und das Lächeln auf ihre Lippen zurückkehrte.

Sie neigte jetzt den Kopf beinahe so tief , daß sie den Kopf des Königs berührte.

Franz fuhr erschrocken zusammen, als er den lauen Hauch eines Athems in seinen Haaren verspürte.

Er drehte sich rasch um und erkannte seine Mutter.

Blitzschnell kehrte er das Portrait um, legte es mit der Seite des Gewölbes auf den Tisch und hielt seine Hand darauf.

Dann aber rollte er, statt wie gewöhnlich aufzustehen und seine Mutter zu küssen den Lehnstuhl von Catharina weg. Hierauf grüßte er sie kalt.

»Nun wohl, mein Sohn, fragte die Florentinerin, als ob sie von dem geringen Grad der Zärtlichkeit, der in diesem Gruße lag, keine Notiz nähme, »was geht denn vor?«

»Ihr fragt mich, « was vorgehe ?«

»Ja.«

»Nichts so viel ich weiß, meine Mutter.«

»Ich bitte um Verzeihung, mein Sohn, es muß etwas Außerordentliches vorgehen?«

»Warum denn?«

»Weil es nicht Eure Gewohnheit ist in lange liegen zu bleiben. Es ist wahr, man hat mich vielleicht getäuscht, oder kann auch mein Bote falsch gehört haben.«

Franz gab keine Antwort, sondern betrachtete seine seine Mutter beinahe eben so starr wie sie ihn.

»Ich habe, fuhr Catharina fort, »seit diesem Morgen viermal zu Euch geschickt. Man hat mir geantwortet, Ihr schlafet noch.«

Sie machte eines Pause; aber der König, schwieg beharrlich und schaute sie fortwährend, an, wie wenn er sagen wollte: »Nun weiter?«

»Dieser beharrliche Schlaf ? fuhr Catharina fort, »hat mich beunruhigt und da ich fürchtete, Ihr möchtet krank geworden sein, so hin ich selbst gekommen.«

»Ich danke Euch Madame, « sagte der junge Fürst sich verbeugend.

»Ihr müßt mich nie so beunruhigen, Franz,« bat die Florentinerin. »Ihr wißt, wie sehr ich Euch liebe, wie theuer mir Eure Gesundheit ist. Spielet also nicht mehr mit den Besorgnissen Eurer Mutter. Kümmernisse genug stürmen auf mich ein, ohne daß meine Kinder sie durch ihre Gleichgültigkeit gegen mich noch vermehren.

Der junge« Mann schien einen Entschluß zu fassen. Ein blasses Lächeln irrte über seinen Mund, und indem er seiner Mutter seine Rechte bot, während die Linke fortwährend auf dem Bilde ruhte, sagte er:

»Dank Mutter; es ist an dem was man Euch gesagt hat etwas Wahres neben viel Uebertreibung. Ich bin leidend gewesen, ich habe eine . . . unruhige Nacht gehabt und bin zwei Stunden, später aufgestanden als gewöhnlich.«

»Oh!« machte, Catharina ganz betrübt.

»Aber, « fuhr Franz II. fort, »ich befinde mich jetzt wieder vollkommen wohl und bin bereit mit Euch zu arbeiten ; wenn es Euch beliebt.

»Und warum, mein liebes Kind, sagte Catharina, indem sie in einer ihrer Hände die Hand des Königs zurückhielt und an ihr Herz drückte, mit der andern durch seine Haare strich, »warum habt Ihr eine unruhige Nacht zugebracht? Habe ich mir nicht die Last sämmtlicher Staatsgeschäfte vorbehalten und Euch blos die Freuden des Königthums überlassen? Wies kommt es, daß Jemand es sich erlaubt hat Euch eine Mühe zu bereiten, die nur mich allein angeht? denn ich denke mir, daß die Interessen des Staates es waren die Euch beunruhigt haben.«

»Ja Madame,» antwortete Franz mit solcher Hast, daß Catharina die Lüge errathen haben würde, wenn sie nicht zum Voraus die wahre Ursache der Unruhe dieser in der That sehr aufgeregten Nacht gewußt hätte.

Aber sie hütete sich wohl den mindesten Zweifel zu äußern und stellte sich im Gegentheil, als oh sie den Worten ihres Sohnes vollkommen Glauben schenkte.

»Irgend einen großen Entschluß zu fassen, nicht wahr? Fuhr Catharina fort, die es offenbar darauf abgesehen hatte ihren Sohn tüchtig in die Enge zutreiben; »einen Feind zu bekämpfen, eine Ungerechtigkeit wieder gut zu machen, ei e Steuer zu erleichtern, ein Todesurtheil zu bestätigen?»

Bei diesen Worten dachte Franz II. Wirklich daran, daß man ihn Tags zuvor ersucht hatte die Hinrichtung des Raths Dubourg auf den heutigen Abend festzusetzen.

Er ergriff lebhaft die Antwort, die ihm in den Mund gelegt wurde.

»Ganz richtig! das ist’s, meine Mutter,» sagte er. »Es handelt sich um ein Todesurtheil, das ein Mensch, wenn dieser Mensch auch König ist, an einem andern Menschen vollstrecken lassen soll. Ein Todesurtheil ist immer eine so ernste Sache, daß Ihr hierin den wahren Grund der Unruhe sehen könnt, worin ich mich seit gestern befinde.«

»Ihr fürchtet Euch den Tod eines Unschuldigen zu unterzeichnen, nicht wahr?«

»Des Herrn Dubourg, ja, meine Mutter.«

»Das zeugt von einem guten französischen Herzen, und Ihr seid der würdige Sohn Eurer Mutter. Aber in dieser Beziehung ist glücklicher Weise kein Irrthum möglich. Der Rath Dubourg ist von drei verschiedenen Gerichtsbarkeiten der Ketzerei schuldig erkannt, und die Unterschrift, die man von Euch verlangt, damit die Hinrichtung heute Abend statt finden kann, ist eine einfache Formalität.«

»Gerade das ist das Furchtbare, meine Mutter, « sagte Franz, »daß eine einfache Formalität genügt, « einem Menschen das Leben zu nehmen.«

»Euer Herz ist gediegen Gold, mein Sohn,« sagte Catharina, »und oh wie stolz hin ich auf Euch! Gleichwohl müßt Ihr Euch beruhigen. Das Staatswohl geht dem Leben eines Menschen vor, und im gegebenen Fall braucht Euch der Tod des Rathes um so weniger Bedenken zu erregen als dieser Todt erstens gerecht und zweitens nothwendig ist.«

»Es ist Euch nicht unbekannt meine Mutter,« sagte der junge Mann erblassend und nach einem augenblicklichen Zögern daß ich zwei Drohbriefe empfangen habe.«

»Lügnerische Memme!« murmelte Catharina zwischen ihren Zähnen.

Dann antwortete sie mit einem Lächeln:

»Mein Sohn, just weil Ihr diese zwei Drohbriefe in Betreff des Herrn Dubourg empfangen habt, müßt Ihr ihn verurtheilen; sonst würde man glaube, Ihr habet Drohungen nachgegeben und Eure Nachsicht sei Angst.«

«Ah, « sagte Franz, »und Ihr glaubet Das?«

»Ja, ich glaube es, mein Sohn,« antwortete Catharina, »während im Gegentheil, wenn Ihr bei Trompetenschall zuerst die zwei Drohbriefe und gleich darauf das Urtheil öffentlich verlesen lasset, große Ehre auf Euch und große Schande auf Herrn Dubourg fallen wird. Alle diejenigen die im Augenblick weder für noch gegen ihn sind, werden gegen ihn sein.«

Franz schien zu überlegen.

»Nach der Art dieser beiden Briefe, « fuhr Catharina fort, »sollte es mich gar nicht wundern, wenn ein Freund sie geschrieben hätte und nicht ein Feind.«

»Ein Freund,, Madame?«

»Ja, « versicherte Catharina, »ein Freund, dem das Glück des Königs und der Ruhm des Reiches gleich sehr am Herzen liegt.«

Der junge Mann senkte sein trübes Auge unter dem scharfen Blick seiner Mutter.

Dann richtete er nach kurzem Schweigen sein Haupt wieder empor und fragte:

»Ihr selbst habt wir diese zwei Briefe schreiben lassen, nicht wahr, Madame ?«

»Oh,« sagte Catharina in einem Ton, der ihre Worte Lügen Strafte, »ich sage Das nicht, mein Sohn.«

Catharina hatte einen doppelten Grund ihren Sohn glauben zu lassen, daß die beiden Briefe von ihr kommen. Erstens beschämte sie ihn wegen seiner Feigheit, und dann benahm sie ihm die Furcht, welche die besagten Briefe ihm einjagen konnten.

Der junge Mann, den diese Briefe wirklich in höchsten Grad beunruhigt hatten, und der noch immer einen Zweifel behielt, warf seiner Mutter einen raschen Blick voll Zorn und Haß zu.

Catharina lächelte.

»Wenn er mich erwürgen könnte, « sagte sie bei sich selbst, »so würde er es gewiß in diesem Augenblick thun. Aber glücklicher Weise kann er es nicht.«

Also hatten weder die erheuchelte Mutterzärtlichkeit, noch die Ergebenheitsversicherungen, noch die katzenartigen Schmeicheleien und Liebkosungen Catharina's auf Franz einzuwirken vermocht. Die Königin Mutter sah auch, daß ihre Befürchtungen in Erfüllung gehen würden, und daß sie im Begriff stand ihre Herrschaft über ihn zu verlieren, wenn sie nicht so schnell als möglich diesem Unglück vorzukehren wußte.

Sie veränderte ihren Angriffsplan«, vollständig und augenblicklich.

Sie stieß einen Seufzer aus, schüttelte den Kopf und gab ihrem Gesicht den Ausdruck der tiefsten Niedergeschlagenheit.

»Ach, mein Sohn, « rief sie; »ich muß mich also wirklich von Etwas überzeugen was ich nicht glauben wollte, woran ich aber jetzt nicht mehr zweifeln darf.«

»Von was, Madame?« fragte Franz.

»Mein Sohns mein Sohn, « sagte Catharina indem sie eine Thräne zu Hilfe zu rufen versuchte, »Ihr habt kein Vertrauen mehr zu Eurer Mutter.«

»Was wollt Ihr damit sagen?i« antwortete der junge Mann im Tone düsterer Ungeduld.

»Ich will damit sagen, Franz, daß Ihr auf einmal fünfzehn Jahre tödtlicher Unruhe, fünfzehn Jahre beständigen Wachens an Eurem Kissen vergesset; ich will damit sagen, daß Ihr die Beängstigungen vergesset, in welche Eure kränkliche Kindheit mich versetzt, die beständigen Sorgen, womit meine Mutterliebe Euch von der Wiege an umgeben hat.«

»Ich begreife immer noch nicht, Madame; aber ich bin an Geduld gewöhnt worden: ich warte und höre.«

Und die geballte Faust des jungen Mannes verrieth ganz und gar Nichts von der Sanftmuth, deren er sich rühmte, denn er drückte mit beinahe krampfhafter Bewegung auf das Porträt des Fräuleins von St André.

»Nun wohl, « versetzte Catharina, »Ihr werdet mich sogleich begreifen. Ich sage, dass in Folge der Sorgen, die ich um Euch gehabt habe, Franz, Euch ebenso gut kenne, als Ihr Euch selbst kennt. Nun ist diese Nacht sehr unruhevoll für Euch gewesen, das weiß ich, aber nicht weil Ihr an das Staatswohl gedacht, weil Ihr zwischen Strenge und Nachsicht geschwankt habt, sondern weil das Geheimniß Eurer Liebeshändel mit Fräulein von St. André ans Licht gekommen ist.«

»Mutter rief der junge Mann, dem alt die Schmach und Wuth, die er in der letzten Nacht hatte verschlucken müssen, zu Kopfe stieg.

Franz, der gewöhnlich eine matte und ungesunde Blässe hatte, wurde roth, wie wenn eine Buntwolke über sein Gesicht hinzöge.

Er erhob sich, hielt aber mit der Hand seine Stuhllehne krampfhaft fest.

»Ah, Ihr wißt das, Mutter?'«

»Wie kindisch ihr seid, Franz!« sagte Catharina mit der Gutmüthigkeit, welche sie so geschickt zu erheucheln mußte; »als ob die Mütter nicht Alles wüßten!«

Franz stand stumm mit übereinander gebissenen Zähnen, mit bebenden Lippen da.

Catharina fuhr mit ihrer sanftesten Stimme fort:

»Sehet, mein Sohn, warum habt Ihr mir denn diese Leidenschaft nicht anvertraut? Ich würde Euch allerdings einige Vorwürfe gemacht, ich würde Euch allerdings an Eure Gattenpflichten erinnert, ich würde Euch allerdings die Anmuth, Schönheit, den Geist der jungen Königin vor Augen zu führen versucht haben. . .«

Franz schüttelte mit düsteren Lächeln den Kopf.

»Das würde Nichts gefruchtet haben?« fuhr Catharina fort. »Nun wohl, wenn ich gesehen hätte daß das Uebel unheilbar war, so würde ich es nicht mehr zu heilen versucht, sondern Euch meinen Rath erteilt haben. Ist eine Mutter nicht die sichtbare Vorsehung Ihres Kindes? und wenn ich Euch so entzückt von Fräulein St. André gesehen hätte – denn Ihr liebet sie sehr, wie es scheint . . . «

»Ja, Madame, sehr.«

»Nun wohl, dann hätte ich meine Augen verschlossen. Ich hätte dieß als Mutter leichter thun können, als ich es in meiner Eigenschaft als Gattin konnte. Mußte ich es nicht fünfzehn Jahre lang mit ansehen, daß Frau von Valentinois das Herz Euren Vaters mit mir theilte, ja sogar, daß sie es manchmal gänzlich mir entriß? Glaubt Ihr nun, daß eine Mutter nicht für ihren Sohn thun könne, was eine Frau für ihren Gatten gethan hat? Seid Ihr nicht mein Stolz, meine Freude, mein Glück? Woher kommt es also, daß Ihr heimlich geliebt habt, ohne es mir zu sagen?«

 

»Mutter,« antwortete Franz II. mit, einer Kaltblütigkeit, die einer Verstellungskraft sogar in Catharina's eigenen Augen Ehre gemach haben würde, wenn sie hätte ahnen könne, was folgen sollte, »Mutter,Ihr seid in Wahrheit so gütig gegen mich, daß mich schämen würde Euch länger zu täuschen. Nun denn, ja ich gestehe es, ich liebe das Fräulein von St. André.«

»Ah!« sagte Catharina, »Ihr sehet wohl . . . .«

»Bemerkt, Mutter,« fuhr der junge Mann fort, daß Ihr heute zum ersten Mal von dieser Liebe mit mir sprechet, und daß ich, wenn Ihr früher davon gesprochen hättet, da ich keinen Grund habe sie vor Euch zu verbergen, indem diese Liebe nicht blos in, meinem Herzen, sondern auch in mein Willen liegt, sie Euch schon früher gestanden; haben würde.«

»In Eurem Willen, Franz ?« fragte Catharina erstaunt.

»Ja, nicht wahr, das wundert Euch, daß ich einen Willen habe? Aber ich muß mich über Etwas wundern fuhr der junge Mann fort, indem er sie fest anschaute, »nämlich, daß Ihr so eben diese Comödie von Mutterzärtlichkeit bei mir aufführet, während Ihr doch selbst heute Nacht mein Geheimniß dem Spotte des Hofes preisgabet, während Ihr die einzige Ursache dessen seid, was vorgefallen ist.«

»Franz!« rief die Königin Mutter immer erstaunter.

»Nein« fuhr der junge Mann fort, »nein Madame ich schlief heute früh nicht, als nach mir schicktet. Ich sammelte alle Notizen über die erste Ursache dieses Aergernisses, und aus Allem was ich erfahren konnte, ist für mich die Gewißheit hervorgegangen, daß Ihr mir die Schlinge gelegt habt, in die ich gefallen bin.«

»Mein Sohn! mein Sohn! Bedenket wohl was Ihr saget!« antwortete Catharina mit übereinander gebissenen Zähnen, indem sie ihrem Sohn einen Blick, funkelnd und spitzig wie eine Dolchklinge, zuwarf.

»Für's Erste Madame, laßt uns über Eines klar werden, nämlich über das, daß zwischen uns von Sohn und Mutter keine Rede mehr sein kann.«

Catharina machte eine Bewegung, die zwischen Drohung und Furcht die Mitte hielt.

»Es ist ein König da, der, Gott sei Dank majorenn geworden ist; es ist eine Königin Regentin da, die, sobald der König es will, Nichts mehr mit den Staatsangelegenheiten zu schaffen hat. Man regiert in Frankreich mit vierzehn Jahren, Madame, und ich habe sechzehn. Ich bin dieser Kinderrolle müde, die Ihr mich noch immer spielen last, während sie sich für mein Alter nicht mehr schickt. Ich bin es müde ein Gängelband um meinen Leib zu verspüren, als ob ich noch ein Wickelkind wäre. Kurz und gut, Madame, und um Alles zu sagen, von heute an wird, wenn es Euch beliebt, Jedes von uns seinen wahren Platz einnehmen. Ich bin Euer König, Madame, und Ihr seid blos meine Unterthanin.«

Hätte der Blitz in das Zimmer geschlagen, er hätte keine furchtbarere Wirkung hervorbringen können als diese zermalmende Erklärung, die mitten in Catharina's Pläne hineinplatzte. Es war also wahr, was sie blos in ihrem heuchlerischen Spott zu sagen geglaubt hatte. Sie hatte sechzehn Jahre lang dieses mit der englischen Krankheit behaftete Kind erzogen, gepflegt, geleitet, unterwiesen; sie hatte gleich den Thierbändigern unserer Tage diesen jungen Löwen geschwächt, erschöpft, entnervt, und siehe da, auf einmal erwachte der junge Löwe und zeigte knurrend seine Tatzen, schoß glühende Blicke auf sie, fuhr in der ganzen Länge seiner Kette gegen sie los. Wer konnte dafür haften, daß er sie nicht verschlingen würde, wenn er diese Kette zerriß?

Sie wich voll Entsetzen zurück.

Für eine Frau wie Catharina von Medici lag in dem was sie gesehen und gehört hatte wirklich Grund genug um zu zittern.

Und was sie vielleicht am meisten erschreckte, das war nicht der Ausbruch am Ende, sondern die Verstellung am Anfang.

Verstellungskunst war für sie Alles ; die Kraft dieser verschmitzten Politik, welche sie aus Florenz mitgebracht hatte; war die Verstellung.

Und eine Frau, ein junges Mädchen, beinahe noch ein Kind hatte diese Veränderung hervorgebracht, hatte dieses krankhafte Geschöpf regenerirt, diesem schwächlichen Wesen die Kühnheit gegeben die seltsamen Worte zu sprechen: »Von heute an bin ich Euer König, und Ihr seid blos meine Unterthanin.«

»Mit dem Weib, dass diese merkwürdige Umwandlung bewerkstelligt hat,« dachte Catharina, »mit dem Weib, das dieses Kind zum Manne, diesen Sclaven zum König, diesen Zwerg zum Riesen gemacht hat, mit diesem Weibe kann ich den Kampf wohl wagen.«

Dann murmelte sie, gleich als wolle sie sich wieder Kräfte geben:

»Beim wahrhaftigen Gott, ich war es müde blos mit einem Phantom zu thun zu habend.«

»Also, « sagte sie hierauf, vollkommen bereit diesen Kampf, so unerwartet er auch kam aufzunehmen, »also mich beschuldigt Ihr den Scandal der heutigen Nacht veranlaßt zu haben ?«

»Ja,« antwortete der König trocken.

»Ihr beschuldigt Eure Mutter, ohne ihrer Schuld gewiß zu sein. Das zeugt von einem guten Sohn.«

»Werdet Ihr sagen, Madame, daß der Schlag nicht von Euch ausgegangen sei?«

»Ja, das kann ich sagen.«

»Aber wer hat denn das Geheimniß meines Rendezvous mit Fräulein von St. André verrathen ?«

»Ein Billet.«

»Ein Billet?«

»Ein Billet, das aus der Tasche der Frau Admiralin gefallen ist.«

»Wie unzeitiger Scherz!«

»Gott bewahre mich davor, daß ich mit Etwas scherzen sollte, was Euch ein Schmerz ist, mein Sohn!s

»Aber von wem war dieses Billet unterzeichnet ?«

»Es trug keine Unterschrift.«

»Von wem war es geschrieben?«

»Die Handschrift war mir unbekannt.«

»Nun, was ist denn aus dem Billet geworden?«

»Hier ist es,« sagte dies Königin Mutter, die es behalten hatte.

Und sie überreichte es dem König.

»Die Handschrift von Lanoue!« rief der König.

Nach einer Secunde sagte er sodann mit steigender Verwunderung::

»Es ist mein Billet.«

»Ja, aber gesteht; daß nur Ihr allein es erkennen konntet.«

»Und Ihr sagt, dieses Billet sei aus der Tasche der Frau Admiralin gefallen ?«

»So gewiß, daß Jedermann glaubte, es handle sich um sie, und daß man sie überrumpeln wollte; sonst,« fügte Catharina mit Achselzucken und verächtlichem Lächeln hinzu, »wie könnt Ihr sonst glauben, daß die zwei Personen, die Ihr beim Aufschlagen der Augen bemerkt, der Marschall von St. André und Herr von Joinville gewesen wären?«

»Und das Geheimniß dieser ganzen Intrigue, die gegen mich und eine von mir geliebte Person gerichtet ist?«

»Die Frau Admiralin allein kann es Euch sagen.«

Franz führte ein goldenes Pfeifchen an seine Lippen und that einen gelten Pfiff.

Ein Offizier hob den Thürvorhang.

»Man gehe schnell ins Hotel des Admirals Rue de Bethisy und sage der Frau Admiralin, daß der König sie augenblicklich sprechen wolle.«

Als Franz sich umdrehte, begegnete er dem festen und düstern Blick, den seine Mutter auf ihn heftete. Er fühlte, daß er roth wurde.

»Ich bitte kam Verzeihung, Mutter, sagte er beschämt, daß seine Anklage falsch gewesen, »ich bitte Euch um Verzeihung, daß ich Verdacht auf Euch geworfen habe.«

»Ihr habt mehr als Verdacht auf mich geworfen, Franz, Ihr habt mich schwer und hart angeschuldigt. Aber ich bin nicht; umsonst Eure Mutter, und ich bin geneigt auch noch andere Anklage zu ertragen.«

»Mutter!«

»Laßt mich fortfahren, « sagte Catharina, ihre Brauen runzelnd; denn da sie fühlte, daß ihr Gegner sich bog, so begriff sie auch, daß dieß der Augenblick war auf ihn zu drücken.

»Ich höre Euch an, Mutter,« sagte Franz.

»Ihr habt Euch also zuerst darin getäuscht, und zweitens habt Ihr Euch noch weit schwerer darin getäuscht, daß Ihr mich Eure Unterthanin nanntet. Ich bin eben so wenig Eure Unterthanin, versteht Ihr mich, als Ihr mein König seid und je sein werdet. Ich wiederhole Euch, daß Ihr mein Sohn seid, Nichts mehr und Nichts weniger.«

Der junge Mann knirschte mit den Zähnen und wurde todtenblaß.

»Ihr selbst, meine Mutter sagte er mit einer Energie, welche Catharina nicht bei ihm vermuthet hatte, »Ihr selbst befindet Euch in einem seltsamen Irrthum; ich bin Euer Sohn, das ist wahr abgesehen weil ich Euer ältester Sohn bin, bin ich zu gleicher Zeit der König, und ich werde es Euch beweisen, meine Mutter.«