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Hamlet, Prinz von Dännemark

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Sechste Scene

(Musik von Hautbois. Die Pantomime tritt auf.)

(Ein Herzog und eine Herzogin mit Cronen auf den Häuptern, treten sehr liebreich mit einander auf; die Herzogin umarmt ihn, und er sie; sie kniet nieder, er hebt sie auf und neigt seinen Kopf auf ihren Hals; er legt sich auf einen Blumenbank hin; sie sieht daß er eingeschlafen ist, und verläßt ihn. Darauf kommt ein Kerl hervor, nimmt seine Crone weg, küßt sie, schüttet dem Herzog Gift ins Ohr, und geht ab. Die Herzogin kommt zurük, und da sie den Herzog todt findet, gebehrdet sie sich gar kläglich. Der Vergifter kommt mit zween oder drey Stummen wieder, und stellt sich, als ob er mit ihr jammere. Der Leichnam wird weggetragen. Der Vergifter buhlt hierauf um die Herzogin, und bietet ihr Geschenke an; sie scheint eine Zeit lang unwillig, und unschlüssig; doch zulezt nimmt sie seine Liebe an.)

(Die Pantomime geht ab.)

Ophelia.

Was soll das bedeuten?

Hamlet.

Poz Stern, Fräulein, es bedeutet Unheil.

Ophelia.

Vermuthlich wird es den Inhalt des Stüks vorstellen sollen? (Der Vorredner tritt auf.)

Hamlet. Das werden wir von diesem Burschen hören: Die Comödianten können nichts Geheimes bey sich behalten; sie werden alles sagen.

Ophelia.

Wird er uns sagen, was das stumme Schauspiel bedeutet?

Hamlet. Ja, oder irgend ein Schauspiel das ihr ihm zu schauen gebt. Schämt euch nicht, es ihn sehen zu lassen, so wird er sich nicht schämen, euch zu sagen was es bedeutet.

Ophelia.

Ihr seyd unartig, sehr unartig; ich will auf die Comödie Acht geben.

Vorredner.

Der Prologus tritt hier hervor Und bittet eure Huld Um ein nicht allzu-critisch Ohr Und ziemlich viel Geduld.

(Sie gehen ab.)

Hamlet.

Ist das ein Prologus, oder Poesie auf einen Ring?

Ophelia.

Es war ziemlich kurz.

Hamlet.

Wie Weiber-Treue.

(Der Herzog und die Herzogin des Schauspiels treten auf.)

Herzog.8

Dreissig male schon hat Phöbus seinen glänzenden Lauf durch den Himmel vollbracht, und zwölfmal dreissigmal der Mond seinen Silber Wagen um den Erdkreis getrieben, seit Amor unsre Herzen und Hymen unsre Hände durch das Band geheiligter Liebe vereinigt hat.

Herzogin. Und eben so viele Reisen möge Sonne und Mond uns noch zählen lassen, eh das unerbittliche Geschik dieses theure Band zertrennen dürfe. Aber ach! weh mir! ihr befindet euch Zeit her so übel, und eure Gesundheit hat einen so starken Abfall erlidten, daß ich nicht anders als zittern kan: Doch lasset euch meine zärtliche Besorgnisse nicht erschreken, liebster Gemahl: Weiber fürchten allezeit wie sie lieben, in beydem mit Übermaaß. Wie weit meine Liebe geht, hat euch die Erfahrung gelehrt; und so wie meine Liebe, ist meine Furcht. Wo die Liebe groß ist, werden die kleinsten Zweifel zu ängstlichen Besorgnissen —

Herzog. Deine Besorgnisse täuschen dich nicht, meine Liebe; ich werde dich verlassen müssen, und das bald: Ich fühle es, daß meine Lebens- Kräfte ihren Verrichtungen nicht mehr gewachsen sind; ich werde dich verlassen, und den Trost haben dich in dieser schönen Welt geehrt und geliebt zurük zu lassen; und vielleicht wirst du bald in den Armen eines eben so zärtlichen Ehegatten —

Herzogin. O haltet ein, liebster Gemahl, vollendet den entsezlichen Gedanken nicht! Diese auf ewig eurer Liebe geheiligte Brust, ist keiner Verrätherey fähig. Der Fluch falle auf den Tag, der mich in die Arme eines andern Mannes legen wird! Nur diejenige heyrathet den zweyten Mann, die den ersten ermordet hat —

Hamlet.

Wurmsaamen, Wurmsaamen!

Herzogin. Die Betrachtungen, wodurch man sich zur zweyten Ehe bewegen läßt, sind niederträchtiges Interesse, niemals Liebe. Mir würde es seyn, ich stösse allemal den Dolch in meines ersten Mannes Herz, so oft mich der zweyte küßte.

Herzog. Ich zweifle nicht, daß alles was ihr izt sagt, euer wahrer Ernst ist: Aber wie oft brechen wir was wir uns selbst versprochen haben! Unsre Vorsäze sind den zu frühzeitigen Früchten gleich, die zwar eine Zeit lang fest am Baume steken, aber zulezt faulen, und dann ungeschüttelt fallen. Wir vergessen nichts leichter zu bezahlen, als was wir uns selbst schuldig sind; und es ist natürlich, daß Vorsäze, die wir aus Leidenschaft fassen, zugleich mit ihrer Ursache aufhören. Übermaaß in Vergnügen und Schmerz reibt sich allezeit selber auf; und es ist billig, daß in einer Welt, die nicht für immer gemacht ist, Schmerz und Lust ihr Ziel haben. Es ist gar nichts befremdliches darinn, wenn unsre Liebe mit unsern Umständen sich ändert, und es ist noch immer eine unausgemachte Frage, ob die Liebe das Glük, oder das Glük die Liebe leite. Ihr seht, wenn ein Grosser fällt, so fliehen seine Günstlinge, und der Arme, der emporkommt, macht seine Feinde zu Freunden; wie hingegen derjenige, der in der Noth einen hohlen Freund auf die Probe sezen will, sich geradezu einen Feind macht. Um also zum Schluß dessen was ich angefangen habe zu kommen, so däucht mich, unsre Wünsche und unsre Umstände durchkreuzen einander so oft, daß unsre Vorsäze selten in unsrer Gewalt bleiben; unsre Gedanken sind unser, aber nicht ihre Ausführung. Denke also immer, meine Liebe, daß du keinen zweyten Gemahl nehmen wollest, aber laß diese Gedanken sterben, sobald dein erster Mann gestorben ist.

Herzogin. O! dann gebe mir weder die Erde Nahrung, noch der Himmel Licht! Dann komme bey Tag und bey Nacht weder Freude in mein Herz noch Ruhe auf meine Auglieder! Elender sey mein Leben als das Leben des büssenden Einsiedlers, ein fortdaurender Tod; jeder meiner Wünsche begegne dem was ihm am meisten entgegen ist, und ewige Qual verfolge mich hier und dort, wenn ich aus einer Wittwe, jemals wieder eine Vermählte werde.

Hamlet.

Wenn sie diese Schwüre bricht —

Herzog.

Das sind grosse Schwüre! Meine Geliebteste, verlaß mich izt eine Weile; meine Geister werden matt; ich will versuchen, ob ich schlafen kan —

(Er entschläft.)

Herzogin.

Ruhe sanft, und niemals, niemals komme Unglük zwischen uns beyde!

(Sie geht ab.)

Hamlet (zur Königin.)

Gnädige Frau, wie gefällt euch dieses Stük?

Königin.

Mich däucht, die Dame verspricht zu viel.

Hamlet.

O, wir werden sehen, wie sie ihr Wort halten wird.

König.

Kennt ihr den Inhalt des Stüks? Ist nichts anstössiges darinn?

Hamlet.

Nein, gar nichts; es ist alles nur Spaß; sie vergiften nicht im Ernst; auf der Welt nichts anstössiges.

König.

Wie nennt sich das Stük?

Hamlet. Die (Maus-Falle;) – In der That, in einem figürlichen Verstande, vermuthlich – Das Stük ist die Vorstellung eines Mords der in Wien begegnet ist; Gonzago ist des Herzogs Name, seine Gemahlin heißt Baptista; ihr werdet gleich sehen, daß es ein schelmisches Stük Arbeit ist; aber was thut das uns? Eure Majestät und andre, die ein gutes Gewissen haben, geht es nichts an; der mag sich krazen, den es jukt; wir haben eine glatte Haut. (Lucianus tritt auf.)

Das ist einer, Namens Lucianus, ein Neffe des Herzogs.

Ophelia.

Man kan den Chor mit euch ersparen, Gnädiger Herr.

Hamlet.9

– Nun, fang einmal an, Mörder. Hör auf, deine verteufelte Gesichter zu schneiden, und fang an. Komm, der krächzende Rabe schreyt um Rache.

Lucianus Schwarze Gedanken; willige Hände; schnellwürkendes Gift, und gelegne Zeit – Alles stimmt zusammen, und kein Mensch ist da, der mich sehen könnte. Ergiesse, du fatale Mixtur, aus mitternächtlichen Kräutern gezogen, und dreyfach mit Hecates Zauber- Fluch geschwängert, ergiesse deine verderbliche Natur und magische Eigenschaft, und mach' einem mir verhaßten Leben ein plözliches Ende!

(Er gießt dem schlaffenden Herzog das Gift in die Ohren.)

Hamlet

(zum Könige.)

Er vergiftet ihn in seinem Garten, um Herr von seinem Vermögen zu werden; sein Nam' ist Gonzago; die Historie davon ist im Druk, sie ist im besten Toscanischen geschrieben. Sogleich werdet ihr sehen, wie der Mörder auch die Liebe von Gonzago's Gemahlin gewinnt —

Ophelia.

Der König steht auf.

Hamlet.

Wie, von einem blinden Lermen erschrekt?

Königin.

Was fehlt meinem Gemahl?

Polonius.

Hört auf zu spielen!

König.

Gebt mir Licht. Weg! weg!

Alle.

Lichter, Lichter, Lichter!

(Sie gehen in Verwirrung ab.)

Siebende Scene

(Hamlet und Horatio bleiben.)

Hamlet.

Laßt weinen den verwundten Hirsch, Der unverlezte scherzt:

Denn billig wacht die Missethat Indem die Unschuld schläft. Würde das, Herr, (wenn alles andre fehlschlüge) und ein Wald von Federn auf dem Hut, und ein paar ungeheure Rosen auf meinen gestreiften Schuhen, mir nicht einen Plaz unter einen Kuppel von Comödianten verschaffen?

 

Horatio.

Ich mache mit, wenn's dazu kommt.

Hamlet.

O mein guter Horatio, ich wollte des Geists Wort für zehntausend Thaler annehmen. Hast du's gesehen?

Horatio.

Nur gar zu wohl, Gnädiger Herr.

Hamlet.

Wie die Rede vom Vergiften war?

Horatio. Ich hab' es sehr wol beobachtet. (Rosenkranz und Güldenstern treten auf.)

Hamlet. He! holla! kommt, spielt uns eins auf. Kommt, wo sind die Flöten? Wenn die Comödie dem König nicht gefällt, nun, so gefällt sie ihm eben nicht, und er muß wissen warum. Kommt, spielt auf, sag ich.

Güldenstern.

Mein Gnädiger Prinz, erlaubet mir ein Wort mit euch zu reden —

Hamlet.

Eine ganze Historie, Herr.

Güldenstern.

Der König, mein Herr —

Hamlet.

So, mein Herr, was giebt's von ihm?

Güldenstern. Hat sich in sein Cabinet verschlossen, und befindet sich ausserordentlich übel —

Hamlet.

Vielleicht von zu vielem Wein?

Güldenstern.

Nein, Gnädiger Herr, von Galle —

Hamlet. Eure gewöhnliche Weisheit hat euch nicht wohl gerathen, mein Herr, da sie euch zu mir gewiesen hat; zum Doctor hättet ihr gehen sollen; ich kan hier nichts; denn wenn ich ihm auch ein Purgier-Mittel eingeben wollte, so möcht' es ihm leicht noch mehr Galle machen.

Güldenstern.

Gnädiger Herr, höret mich an, anstatt durch solche seltsame Absprünge meinem Vortrag auszuweichen.

Hamlet.

Ich will stehen bleiben, Herr – Sprecht!

Güldenstern. Die Königin, eure Frau Mutter, schikt mich in grössester Betrübniß ihres Herzens zu euch.

Hamlet.

Ihr seyd willkommen.

Güldenstern. Nein, Gnädiger Herr, dieses Compliment ist hier ausser seinem Plaz. Wenn es euch beliebig ist, mir eine gesunde Antwort zu geben, so will ich mich des Auftrags entledigen, den mir eure Mutter aufgegeben hat; wo nicht, so werdet ihr mir verzeihen, wenn ich gehe, und mein Geschäft für geendigt halte.

Hamlet.

Herr, das kan ich nicht —

Güldenstern.

Was, Gnädiger Herr?

Hamlet. Euch eine gesunde Antwort geben; mein Wiz ist gar nicht wohl auf Aber, Herr, so gut als ich eine Antwort geben kan, steht sie euch zu Diensten; oder vielmehr wie ihr sagt, meiner Mutter – also nur ohne fernern Umschweif zur Sache! – Meine Mutter, sagt ihr —

Rosenkranz.

Nun dann, das sagt sie; euer Betragen hat sie in das äusserste Befremden und Erstaunen gesezt.

Hamlet.

O erstaunlicher Sohn, der seine Mutter so in Erstaunen sezen kan!

Aber stolpert nicht etwann eine Folge hinter dieser Erstaunung her?

Rosenkranz. Sie wünscht, eh ihr zu Bette geht, in ihrem Cabinet mit euch zu sprechen.

Hamlet. Wir werden gehorchen, und wenn sie zehnmal unsre Mutter wäre. Habt ihr noch weiter was mit uns zu handeln?

Rosenkranz.

Gnädiger Herr, ihr liebtet mich einst —

Hamlet.

Das thu ich noch —

Rosenkranz. Nun, dann, liebster Prinz, um unsrer alten Freundschaft willen, was ist die Ursache dieses euers seltsamen Humor's? Seyd versichert, ihr sezt eure eigne Freyheit in Gefahr, wenn ihr euch länger weigert, eure Beschwerden einem Freunde zu vertrauen.

Hamlet.

Mein Herr, ich möchte gern Befördrung.

Rosenkranz.

Wie kan das seyn, da ihr das Königliche Wort für eure Thronfolge in Dännemark habt?

Hamlet. Schon gut, aber, (weil das Gras wächßt) – Das Sprüchwort ist ein wenig schmuzig. (Einer mit einer Flöte tritt auf.) O, die Flöten; laßt mich eine sehen – Wir gehen mit einander, mein Herr – Wie, warum geht ihr so um mich herum, mir den Wind abzugewinnen, als ob ihr mich in ein Garn treiben wolltet?

Güldenstern. O mein Gnädiger Prinz, wenn mich meine Pflicht zu kühn macht, so zwingt mich meine Liebe so gar unhöflich zu seyn.

Hamlet. Das versteh' ich nicht allzuwol. Wollt ihr auf dieser Flöte spielen?

Güldenstern.

Ich kan nicht, Gnädiger Herr.

Hamlet.

Ich bitte euch.

Güldenstern.

Glaubt mir, auf mein Wort, ich kan nicht.

Hamlet.

Ich bitte recht sehr.

Güldenstern.

Ich kenne keinen Griff, Gnädiger Herr.

Hamlet. Es ist eine so leichte Sache als Lügen; regiert die Windlöcher mit euern Fingern und dem Daumen, blaßt mit euerm Mund darein, und es wird die beredteste Musik von der Welt von sich geben. Seht ihr, hier sind die Griff-Löcher.

Güldenstern. Aber das ist eben der Fehler, daß ich sie nicht zu greiffen weiß, damit eine Harmonie heraus komme; ich verstehe die Kunst nicht.

Hamlet. So? seht ihr nun, was für ein armseliges Ding ihr aus mir machen wollt; ihr möchtet gern auf mir spielen; ihr möchtet dafür angesehen seyn, als ob ihr meine Griffe kennet; ihr möchtet mir gern mein Geheimniß aus dem Herzen herausziehen; ihr wollt daß ich euch von der untersten Note an bis zur höchsten angeben soll; das wollt ihr; und es ist so viel Musik, ein so reizender Gesang in diesem kleinen Stüke Holz, und doch könnt ihr sie nicht herausbringen? Wie, bildet ihr euch ein, daß ich leichter zu spielen bin als eine Pfeiffe? Nennt mich welches Instrument ihr wollt, aber wenn ihr schon auf mir herumpfuschen könnt, so könnt ihr doch nicht auf mir spielen – Grüß euch Gott, mein Herr —

Polonius (zu den Vorigen). Gnädiger Herr, die Königin möchte gern mit euch sprechen, und das sogleich.

Hamlet.

Seht ihr dort jene Wolke, die beynahe wie ein Camel aussieht?

Polonius.

Bey Sct. Veit, in der That, vollkommen wie ein Camel.

Hamlet.

Mich däucht, sie gleicht eher einer Amsel.

Polonius.

Sie ist schwarz wie eine Amsel.

Hamlet.

Oder einem Wallfisch?

Polonius.

Sie hat viele Ähnlichkeit mit einem Wallfisch, das ist wahr.

Hamlet.

Nun, so will ich gleich zu meiner Mutter kommen —

(vor sich.)

– Die Kerls werden mich noch toll machen – Ich will kommen, augenbliklich.

Polonius.

Ich will es so sagen.

Hamlet.

Augenbliklich ist bald gesagt. Laßt mich allein, gute Freunde.

(Sie gehen ab.)

Es ist nun Mitternacht, die Zeit wo Zauberer und Unholden hinter dem Vorhang der Finsterniß ihre abscheulichen Künste treiben; die Zeit, wo Kirchhöfe ihre Todten auslassen, und die Hölle selbst verpestete Seuchen in die Oberwelt aufdünstet. Nun könnt ich heisses Blut trinken, Dinge thun, von deren Anblik der bessere Tag zurükschauern würde. Stille! Nun zu meiner Mutter – O mein Herz, verliehre deine Natur nicht! Laß nicht, o! nimmermehr! die Seele des Nero in diesen entschlossenen Busen fahren; ich will grausam seyn, nicht unnatürlich; ich will Dolche mit ihr reden, aber keinen gebrauchen. Hierinn sollen meine Zunge und mein Herz nicht zusammen stimmen. So unbarmherzig immer meine Worte mit ihr verfahren werden, so fern sey es doch auf ewig von meiner Seele, sie ins Werk zu sezen.

(Er geht ab.)

Achte Scene

(Der König, Rosenkranz und Güldenstern treten auf.)

König. Er gefällt mir gar nicht, und es würde auch nicht sicher für uns seyn, diese Tollheit so ungebunden fortschwärmen zu lassen. Macht euch also reisefertig; ich will euch unverzüglich eure Instruction aufsezen, und er soll mit euch nach England. Die Umstände gestatten nicht, uns den Gefahren bloß zu stellen, welche stündlich aus seinen Mondsüchtigen Launen entstehen können.

Güldenstern.

Wir wollen uns anschiken; es ist eine höchst gerechte und heilige Furcht, für so vieler tausend Personen Sicherheit besorgt zu seyn, die in Eu. Majestät leben.

Rosenkranz. Es ist die Privat-Pflicht eines jeden Menschen, alle Kräfte seines Verstands dazu anzustrengen, sich selbst vor Schaden zu bewahren: Aber vielmehr ist es eine Pflicht deßjenigen Geists, der die Seele des ganzen Staats-Körpers ist, und von dessen Wohl das Leben so vieler andern abhängt. Der Tod eines Königs ist nicht der Tod eines einzigen, sondern zieht, wie ein Strudel alles was ihm nahe kommt, in sich. Er ist wie ein Rad, das von dem Gipfel des höchsten Bergs herunter gewälzt, unter seinen ungeheuren Speichen tausend kleinere Dinge die daran hangen zertrümmert. Ein König seufzt nie allein; wenn er leidet, leiden alle.

König. Rüstet euch, ich bitte euch, aufs eilfertigste zu dieser Reise; wir müssen dieser Gefahr Fesseln anlegen, die bisher so frey herum gegangen ist.

Beyde.

Wir wollen unser äusserstes thun.

(Sie gehen ab.)

(Polonius tritt auf.)

Polonius. Gnädigster Herr, er ist im Begriff, in seiner Frau Mutter Cabinet zu gehen; ich will mich hinter die Tapeten versteken, um zu hören, wie sie ihm den Text lesen wird. Denn wie Euer Majestät sagte, (und es war weislich gesagt) es ist nicht überflüssig, daß noch jemand andrer als eine Mutter, (die das mütterliche Herz immer partheyisch zu machen pflegt) mit anhöre, was er zu seiner Verantwortung sagen wird. Lebet wohl, mein Gebieter, ich will euch wieder aufwarten, eh ihr zu Bette geht, und euch erzählen, was ich gehört haben werde.

(Er geht ab.)

König.

Ich danke euch, mein ehrlicher Polonius.

(allein.)

O! Mein Verbrechen ist stinkend; es riecht zum Himmel hinauf; es ist mit dem ältesten Fluche beladen; ein Bruder-Mord – Beten kan ich nicht – wie könnt' ich, da ich, in innerlichem Streit zwischen meiner Neigung und meinem Vorsaz demjenigen gleich bin, der zwey Geschäfte vor sich liegen hat, und unterm Zweifel, welches er zuerst thun soll, beyde versäumt. – Wie, wenn diese verbrecherische Hand diker als sie ist, mit Bruder-Blut überzogen wäre? Hat der allgütige Himmel nicht Regen genug, sie schneeweiß zu waschen? Wozu dient Barmherzigkeit, als dem Verschuldeten Gnade zu erweisen? Hat nicht das Gebet diese doppelte Kraft, uns Unterstüzung zu verschaffen, eh wir fallen, oder Vergebung, wenn wir gefallen sind? So will ich dann aufschauen – Mein Verbrechen ist hinweg. Aber, o! was für eine Formul von Gebet kan ich gebrauchen? – "Vergieb mir meinen schändlichen Mord!" – Das kan nicht seyn, da ich noch immer im Besiz der Vortheile bin, um derentwillen ich diesen Mord begieng – meiner Krone, und meiner Königin? Wie kan ein Verbrecher Vergebung hoffen, so lang er sich den Gewinn seiner Übelthat vorbehält? Ja, nach dem verkehrten Lauf dieser Welt kan es seyn, kan des Verbrechens übergüldete Hand das Auge der Gerechtigkeit zuschliessen; hier, wo oft der Lohn der Ungerechtigkeit selbst das Gesez auskauft; aber so ist es nicht dort oben: Dort gelten keine Ausflüchte; dort liegt die That in ihrer natürlichen Blösse da, und wir sind gezwungen, ihr Zeugniß wieder uns, im Angesicht unsrer Sünden, zu bekräftigen. Wie dann? Was bleibt übrig? – Versuchen, was Reue vermag: Was vermag sie nicht? – Aber was vermag blosse unfruchtbare Reue? – O unseliger Zustand! O, im Schlamme versunkene Seele! die du desto tiefer versinkst, je mehr du dich losarbeiten willst. Helft mir, ihr Engel! helfet! Zur Erde, ihr ungeschmeidigen Kniee! Und du, Herz mit Fibern von Stahl, enthärte dich, und werde so weich wie die Sehnen eines neugebohrnen Kinds! – Es kan noch alles gut werden.

(Er begiebt sich in den hintersten Theil der Scene und kniet nieder.)

Neunte Scene

(Hamlet tritt auf.)

Hamlet. Izt könnt' ich's am füglichsten thun, izt da er betet, und izt will ich's thun – so fährt er doch gen Himmel – Und das sollte meine Rache seyn? Das würde fein lauten! – Ein Bösewicht ermordet meinen Vater, und davor schik ich sein einziger Sohn, diesen nemlichen Bösewicht gen Himmel – O, das wäre Belohnung nicht Rache! Er überfiel meinen Vater unversehens, bey vollem Magen, mit allen seinen in voller Blüthe stehenden Sünden – und wie es nun um ihn steht, weiß allein der Himmel – Unsern Begriffen nach übel genug. Wär ich also gerochen, wenn ich ihm in dem Augenblik wegnähme, da sich seine Seele ihrer Schulden entladen hat, da sie zu diesem Übergang geschikt ist? – Hinein, mein Schwerdt; du bist zu einem schreklichern Dienst bestimmt! Wenn er betrunken ist und schläft, oder im Ausbruch des Zorns, oder mitten in den blutschänderischen Freuden seines Bettes, wenn er spielt, flucht, oder sonst etwas thut, das keine Hoffnung der Seligkeit übrig läßt, dann gieb ihm einen Stoß, daß er seine Beine gen Himmel streke, indem seine schwarze Seele zur Hölle fährt – Meine Mutter wartet auf mich – eine Arzney, die zu nichts dient, als eine unheilbare Krankheit zu verlängern.

 

(Er geht ab.)

(Der König steht auf, und tritt vorwärts.)

König. Meine Worte fliegen auf, meine Gedanken bleiben zurük; und Worte ohne Gedanken langen nie im Himmel an.

(Er geht ab.)

8Dieses ganze kleine Schauspiel ist im Original in Reimen von unübersezlicher Schlechtigkeit abgefaßt.
9Hier hat man zwey Scherz-Reden Hamlets weglassen müssen, wovon die erste dem Übersezer unverständlich, und die andre eine zweydeutige Zote ist.