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Hamlet, Prinz von Dännemark

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Dritter Aufzug

Erste Scene

(Der Pallast.)

(Der König, die Königin, Polonius, Ophelia, Rosenkranz, Güldenstern, und Herren vom Hofe treten auf.)

König. Ihr habt also nicht von ihm herausbringen können, was die Ursache ist, warum er in den schönsten Tagen seines Lebens in diese stürmische und Gefahr-drohende Raserey gefallen?

Rosenkranz.

Er gesteht, daß er sich in einem ausserordentlichen Gemüths Zustande fühle; aber was die Ursache davon sey, darüber will er sich schlechterdings nicht herauslassen.

Zustande fühle; aber was die Ursache davon sey, darüber will er sich schlechterdings nicht herauslassen.

Güldenstern. Auch giebt er nirgends keine Gelegenheit, wo man ihn ausholen könnte, und wenn man würklich ganz nahe dabey zu seyn glaubt, ihn zum Geständniß seines wahren Zustands zu bringen, so hat er, seiner vorgeblichen Tollheit ungeachtet, doch List genug, sich immer wieder aus der Schlinge zu ziehen.

Königin.

Empfieng er euch freundlich?

Rosenkranz.

Mit vieler Höflichkeit.

Güldenstern. Doch so, daß man die Gewalt die er seinem Humor anthun mußte, sehr deutlich merken konnte.

Rosenkranz. Mit Fragen war er sehr frey, aber überaus zurükhaltend, wenn er auf die unsrigen antworten sollte.

Königin.

Schluget ihr ihm keinen Zeitvertreib vor?

Rosenkranz. Gnädigste Frau, es begegnete von ungefehr, daß wir unterwegs auf eine Schauspieler-Gesellschaft stiessen; von dieser sagten wir ihm, und es schien, als ob er eine Art von Freude darüber hätte: Sie befinden sich würklich bey Hofe, und (wie ich glaube,) haben sie bereits Befehl, diese Nacht vor ihm zu spielen.

Polonius. Es ist nichts gewissers, und er ersucht Eure Majestäten, Zuschauer dabey abzugeben.

König. Von Herzen gern, es erfreut mich ungemein, zu hören, daß er so gut disponiert ist. Erhaltet ihn bey dieser Laune, meine guten Freunde, und seyd darauf bedacht, daß er immer mehr Geschmak an dergleichen Zeitvertreib finde.

Rosenkranz.

Wir wollen nichts ermangeln lassen, Gnädigster Herr.

(Sie gehen ab.)

König. Liebste Gertrude, verlaßt ihr uns auch; wir haben heimliche Anstalten gemacht, daß Hamlet hieher komme, damit er Ophelien, als ob es von ungefehr geschähe, hier antreffe. Ihr Vater und ich wollen einen solchen Plaz nehmen, daß wir, ungesehn, Zeugen von allem was zwischen ihnen vorgehen wird, seyn, und also durch uns selbst urtheilen können, ob die Liebe die Ursache seines Trübsinns ist oder nicht.

Königin. Ich gehorche euch; und an meinem Theil, Ophelia, wünsch' ich, daß eure Reizungen die glükliche Ursach von Hamlets Zustande seyn mögen: Denn das würde mir Hoffnung machen, daß eure Tugend ihn, zu euer beyder Ehre, wieder auf den rechten Weg bringen würde.

Ophelia.

Gnädigste Frau, ich wünsch' es so.

(Die Königin geht ab.)

Polonius. Ophelia, geht ihr hier auf und ab – Gnädigster Herr, wenn es beliebig ist, wollen wir uns hier verbergen —

(Zu Ophelia.)

Thut, als ob ihr in diesem Buche leset; damit das Ansehn einer geistlichen Übung eure Einsamkeit beschönige. Es begegnet nur gar zu oft, daß wir mit der andächtigsten Mine und der frömmsten Gebehrde an dem Teufel selbst saugen.

König (vor sich.) Das ist nur gar zu wahr. Was für einen scharfen Geissel-Streich giebt diese Rede meinem Gewissen! Die Wangen einer Hure durch Kunst mit betrügerischen Rosen bemahlt, sind nicht häßlicher unter ihrer Schminke, als meine That unter der schönen Larve meiner Worte – O schwere Bürde!

Polonius.

Ich hör' ihn kommen; wir wollen uns entfernen, Gnädigster Herr.

(Alle, bis auf Ophelia gehen ab.)

Zweyte Scene

(Hamlet tritt auf, mit sich selbst redend.)

Hamlet. Seyn oder nicht seyn – Das ist die Frage – Ob es einem edeln Geist anständiger ist, sich den Beleidigungen des Glüks geduldig zu unterwerfen, oder seinen Anfällen entgegen zu stehen, und durch einen herzhaften Streich sie auf einmal zu endigen? Was ist sterben? – Schlafen – das ist alles – und durch einen guten Schlaf sich auf immer vom Kopfweh und allen andern Plagen, wovon unser Fleisch Erbe ist, zu erledigen, ist ja eine Glükseligkeit, die man einem andächtiglich zubeten sollte – Sterben – Schlafen – Doch vielleicht ist es was mehr – wie wenn es träumen wäre? – Da stekt der Haken – Was nach dem irdischen Getümmel in diesem langen Schlaf des Todes für Träume folgen können, das ist es, was uns stuzen machen muß. Wenn das nicht wäre, wer würde die Mißhandlungen und Staupen- Schläge der Zeit, die Gewaltthätigkeiten des Unterdrükers, die verächtlichen Kränkungen des Stolzen, die Quaal verschmähter Liebe, die Schicanen der Justiz, den Übermuth der Grossen, ertragen, oder welcher Mann von Verdienst würde sich von einem Elenden, dessen Geburt oder Glük seinen ganzen Werth ausmacht, mit Füssen stossen lassen, wenn ihm frey stühnde, mit einem armen kleinen Federmesser sich Ruhe zu verschaffen? Welcher Taglöhner würde unter Ächzen und Schwizen ein mühseliges Leben fortschleppen wollen? – Wenn die Furcht vor etwas nach dem Tode – wenn dieses unbekannte Land, aus dem noch kein Reisender zurük gekommen ist, unsern Willen nicht betäubte, und uns riehte, lieber die Übel zu leiden, die wir kennen, als uns freywillig in andre zu stürzen, die uns desto furchtbarer scheinen, weil sie uns unbekannt sind. Und so macht das Gewissen uns alle zu Memmen; so entnervet ein blosser Gedanke die Stärke des natürlichen Abscheues vor Schmerz und Elend, und die grössesten Thaten, die wichtigsten Entwürfe werden durch diese einzige Betrachtung in ihrem Lauf gehemmt, und von der Ausführung zurükgeschrekt – Aber sachte! – wie? Die schöne Ophelia? – Nymphe, erinnre dich aller meiner Sünden in deinem Gebete.

Ophelia. Mein Gnädiger Prinz, wie habt ihr euch diese vielen Tage über befunden?

Hamlet.

Ich danke euch demüthigst; wohl —

Ophelia. Gnädiger Herr, ich habe verschiedne Sachen zum Andenken von euch, die ich euch gerne zurükgegeben hätte; ich bitte euer Gnaden, sie bey dieser Gelegenheit zurük zu nehmen.

Hamlet.

Ich? ich wißte nicht, daß ich euch jemals was gegeben hätte.

Ophelia. Ihr wißt es gar wohl, Gnädiger Herr, und daß ihr eure Geschenke mit Worten, von so süssem Athem zusammengesezt, begleitet habt, daß sie dadurch einen noch grössern Werth erhielten. Da sich dieser Parfüm verlohren hat, so nehmt sie wieder zurük. Geschenke verliehren für ein edles Gemüth ihren Werth, wenn das Herz des Gebers geändert ist.

Hamlet.

Ha, ha! Seyd ihr tugendhaft?

Ophelia.

Gnädiger Herr —

Hamlet.

Seyd ihr schön?

Ophelia.

Was sollen diese Fragen bedeuten?

Hamlet.

Das will ich euch sagen. Wenn ihr tugendhaft und schön seyd, so soll eure Tugend nicht zugeben, daß man eurer Schönheit Schmeicheleyen vorschwaze.

Ophelia. Machen Schönheit und Tugend nicht eine gute Gesellschaft mit einander aus, Gnädiger Herr?

Hamlet. Nicht die beste; denn es wird allemal der Schönheit leichter seyn, die Tugend in eine Kupplerin zu verwandeln, als der Tugend, die Schönheit sich ähnlich zu machen. Das war ehmals ein paradoxer Saz, aber in unsern Tagen ist seine Wahrheit unstreitig – Es war eine Zeit, da ich euch liebte.

Ophelia.

In der That; Gnädiger Herr, ihr machtet mich's glauben.

Hamlet.

Ihr hättet mir nicht glauben sollen. Denn Tugend kan sich unserm alten Stamme nie so gut einpfropfen, daß wir nicht noch immer einen Geschmak von ihm behalten sollten. Ich liebte euch nicht.

Ophelia.

Desto schlimmer, daß ich so betrogen wurde.

Hamlet. Geh in ein Nonnenkloster. Warum wolltest du eine Mutter von Sündern werden? Ich bin selbst keiner von den Schlimmsten; und doch könnt' ich mich solcher Dinge anklagen, daß es besser wäre, meine Mutter hätte mich nicht zur Welt gebracht. Ich bin sehr stolz, rachgierig, ehrsüchtig, zu mehr Sünden aufgelegt, als ich Gedanken habe sie zu namsen, Einbildungs-Kraft sie auszubilden, und Zeit sie zu vollbringen. Wozu sollen solche Bursche, wie ich bin, zwischen Himmel und Erde herumkriechen? Wir sind alle ausgemachte Taugenichts; traue keinem von uns – Geh in ein Nonnen-Kloster – Wo ist euer Vater?

Ophelia.

Zu Hause, Gnädiger Herr.

Hamlet. Laß die Thür hinter ihm zuschliessen, damit er den Narren nirgends als in seinem eignen Hause spielen könne – Adieu.

Ophelia.

O hilf ihm, Gütiger Himmel!

Hamlet. Wenn du einen Mann nimmst, so will ich dir diesen Fluch zur Mitgift geben – Sey so keusch wie Eis, so rein wie Schnee, du wirst doch der Verläumdung nicht entgehen – Geh in ein Nonnen-Kloster – Adieu – Oder wenn du es ja nicht vermeiden kanst, so nimm einen Narren; denn gescheidte Leute wissen gar zu wohl, was für Ungeheuer ihr aus ihnen macht. – In ein Nonnen-Kloster, sag ich und das nur bald: Adieu.

Ophelia.

Ihr himmlischen Mächte, stellet ihn wieder her!

Hamlet. Ich habe auch von eurer Mahler-Kunst gehört; eine feine Kunst! Gott hat euch ein Gesicht gegeben, und ihr macht euch ein anders. Ihr verhunzt unserm Herrn Gott sein Geschöpf durch eure tändelhafte Manieren, durch eure Ziererey, euer affektiertes Stottern, euern tanzenden Gang, eure kindische Launen; und seyd unwissend genug euch auf diese Armseligkeiten noch wer weiß wie viel einzubilden. Geh, geh, ich will nichts mehr davon, es hat mich toll gemacht. Ich meyne, keine Heyrathen mehr! Diejenigen die nun einmal verheyrathet sind, alle bis an einen, mögen leben; die übrigen sollen bleiben wie sie sind. In ein Nonnen-Kloster, geh.

(Hamlet geht ab.)

 

Ophelia. O was für ein edles Gemüth ist hier zu Grunde gerichtet! Das Aug eines Hofmanns, die Zunge eines Gelehrten, der Degen eines Helden! Die Erwartung, die blühende Hoffnung des Staats! Der Spiegel, worinn sich jeder besah, der gefallen wollte; das Modell von allem was groß, schön und liebenswürdig ist, gänzlich, gänzlich zernichtet! Ich unglükselige! Die einst den Honig seiner Schmeicheleyen, die Musik seiner Gelübde so begierig in mich sog; und izt sehen muß, wie der schönste Geist, gleich einem verstimmten Glokenspiel, lauter falsche, mißklingende Töne von sich giebt, und diese unvergleichliche Tugend-Blühte in finstrer Schwermuth hinwelkt! O! wehe mir! daß ich leben mußte, um zu sehen, was ich gesehen habe.

Dritte Scene

(Der König und Polonius treten auf.)

König. Liebe, sagt ihr? Nein, sein Gemüth ist von ganz andern Dingen eingenommen, und was er sagte, ob es gleich ein wenig seltsam klang, war auch nicht Wahnwiz. Es liegt ihm etwas im Gemüth, worüber seine Melancholie brütend sizt, und ich besorge es möchte gefährlich seyn, es zeitig werden zu lassen. Es ist mir in der Geschwindigkeit ein Mittel beygefallen, wie diesem Übel vorgebogen werden kan. Ich will ihn ohne Aufschub nach England schiken, um den Tribut zu fodern, der uns zurükgehalten wird: Vielleicht, daß die See-Luft, ein anders Land und andre Gegenstände, diese böse Materie zerstreuen mögen, die sich in seinem Herzen gesezt, und sein Gehirn mit schwarzen Vorstellungen angefüllt hat, denen er nachhängt, und darüber in diesen seltsamen Humor verfallen ist. Was denkt ihr davon?

Polonius. Es wird eine gute Wirkung thun. Und doch glaub ich noch immer, daß verachtete Liebe die erste Quelle und Ursach dieser Schwermuth gewesen – Wie steht's, Ophelia? Ihr habt nicht nöthig uns zu erzählen, was Prinz Hamlet sagte; wir haben alles gehört —

(Ophelia geht ab.)

Gnädigster Herr, handelt nach euerm Gefallen; wenn es euch aber nicht entgegen ist, so laßt die Königin seine Frau Mutter nach der Comödie in einer geheimen Unterredung einen Versuch machen, die Ursache seines Grams von ihm zu erfahren; laßt sie mit der Sprache gerad gegen ihn herausgehen; und ich will mich, wenn ihr's für gut anseht, an einen Ort stellen, wo ich alles was sie mit einander reden, hören kan. Will er sich nicht erklären, so schikt ihn nach England, oder verwahrt ihn sonst irgendwo; was eure Klugheit das rathsamste finden wird.

König. Wir wollen es so machen – Wahnwiz ist an den Grossen allemal was verdächtiges das man nicht unbewacht lassen soll.

(Sie gehen ab.)

(Hamlet mit zween oder dreyen Schauspielern tritt auf.)

Hamlet. Sprecht eure Rede, ich bitte euch, so wie ich sie euch vorgesagt habe, mit dem natürlichen Ton und Accent, wie man im gemeinen Leben spricht. Denn wenn ihr das Maul so voll nehmen wolltet, wie manche von unsern Schauspielern zu thun pflegen, so wäre mir eben so lieb, wenn der Ausruffer meine Verse hersagte. Und sägt auch die Luft nicht so mit eurer Hand, sondern macht es manierlich; denn selbst in dem heftigsten Strom, Sturm und Wirbelwind einer Leidenschaft müßt ihr eure Bewegungen so gut in eurer Gewalt haben, daß sie etwas edels und anständiges behalten. O, es ist mir in der Seele zuwider, wenn ich einen breitschultrichten Lümmel in einer grossen Perüke vor mir sehe, der eine Leidenschaft zu Fezen zerreißt, und um pathetisch zu seyn, sich nicht anderst gebehrdet, als wie ein toller Mensch; aber gemeiniglich sind solche Gesellen auch nichts anders fähig als Lerm und seltsame unnatürliche Gesticulationen zu machen. Ich könnte einen solchen Burschen prügeln lassen, wenn er die Rolle eines Helden kriegt, und einen Dragoner in der Schenke daraus macht; Herodes selbst ist nur ein Kind dagegen. Ich bitte euch, nehmt euch davor in Acht.

Schauspieler.

Dafür stehe ich Euer Gnaden.

Hamlet. Indessen müßt ihr auch nicht gar zu zahm seyn; in diesem Stüke muß eure Beurtheilungs-Kraft euer Lehrmeister seyn. Laßt die Action zu den Worten, und die Worte zur Action passen, mit der einzigen Vorsicht, daß ihr nie über die Grenzen des Natürlichen hinausgehst – Denn alles Übertriebne ist gegen den Endzwek der Schauspieler- Kunst, der zu allen Zeiten, von Anfang und izt, nichts anders war und ist, als der Natur gleichsam einen Spiegel vorzuhalten, der Tugend ihre eigne wahre Gestalt und Proportion zu zeigen, und die Sitten der Zeit, bis auf ihre kleinsten Züge und Schattierungen nach dem Leben gemahlt darzustellen. Wird hierinn etwas übertrieben, oder auch zu matt und unter dem wahren Leben gemacht, so kan es zwar die Unverständigen zum Lachen reizen; aber Vernünftigen wird es desto anstössiger seyn; und das Urtheil von diesen soll in euern Augen allemal ein ganzes Theater voll von jenen überwiegen. Ich kenne Schauspieler, und sie wurden von gewissen Leuten gelobt (so sehr man loben kan,) die ihre Rollen so abscheulich heulten, sich so ungebehrdig dazu spreißten, daß ich dachte, irgend einer von der Natur ihren Tagwerks-Jungen habe Menschen machen wollen, und sie seyen ihm nicht gerathen; so abscheulich-grotesk ahmten sie die menschliche Natur nach.

Schauspieler.

Ich hoffe, wir haben diesen Unform so ziemlich bey uns abgeschaft.

Hamlet. O, schaft ihn durchaus ab. Und denen, die eure lustigen Bauren machen sollen, schärfet ein, daß sie nicht mehr sagen sollen, als in ihrer Rolle steht; denn es giebt einige unter ihnen, die sich selbst einen Spaß damit machen wollen, daß sie eine Anzahl alberner Zuschauer zum Lachen bringen können, wenn gleich in dem nemlichen Augenblik die Aufmerksamkeit auf eine wichtige Stelle des Stüks geheftet seyn sollte: Das ist was infames, und zeigt eine erbärmliche Art von Ambition an dem Narren, der es so macht. Geht, macht euch fertig.

(Die Schauspieler gehen ab.)

Vierte Scene

(Polonius, Rosenkranz und Güldenstern treten auf.)

Hamlet.

Wie ists, mein Herr? Will der König dieses Stük hören?

Polonius.

Und die Königin dazu, und das sogleich.

Hamlet.

So seht, daß die Schauspieler hurtig machen.

(Polonius geht ab.)

Wollt ihr beyde nicht auch gehen, und ihnen helfen, daß sie fertig werden?

Beyde.

Wir wollen, Gnädiger Herr.

(Sie gehen ab.)

Hamlet.

He, holla, Horatio – (Horatio zu Hamlet.)

Horatio.

Hier, liebster Prinz, was habt ihr zu befehlen?

Hamlet. Horatio, du bist durchaus so ein ehrlicher Mann, als ich jemals in meinem Leben einen gefunden habe.

Horatio.

O, mein Gnädigster Herr —

Hamlet. Nein, bilde dir nicht ein, ich schmeichle; denn was für Interesse könnt' ich von dir hoffen, dessen ganzer Reichthum darinn besteht, daß du Verstand genug hast, dir Nahrung und Kleider zu verschaffen? Die Zunge der Schmeicheley lekt nur um die Füsse der Grossen, und beugt ihre kupplerische Kniee nur, wo sie Belohnung hofft. Hörst du? Seitdem meine Seele fähig ist zu wählen, und Menschen von Menschen zu unterscheiden, hat sie dich aus allen für sich selbst auserkohren. Denn ich habe dich als einen Mann kennen gelernt, der gutes und böses Glük mit gleicher Mässigung annahm, und wenn alle Widerwärtigkeiten sich gegen ihn vereinigten, so gutes Muthes war, als ob er nichts zu leiden hätte. Und glüklich sind diejenigen, deren Blut und Gemüths-Art so wol gemischt ist, daß sie keine Pfeiffe für Fortunens Finger sind, und tönen müssen, wie sie greift. Zeigt mir den Mann, der kein Sclave der Leidenschaft ist, ich will ihn im Kern meines Herzens tragen; ja, in meines Herzens Herzen, wie ich dich trage – Genug, und ein wenig mehr als genug hievon! – Es soll diese Nacht ein Schauspiel vor dem König aufgeführt werden, worinn eine Scene demjenigen sehr nahe kommt, was ich dir von den besondern Umständen von meines Vaters Tod erzählt habe. Ich bitte dich, wenn diese Scene kommt, so beobachte meinen Oheim mit dem äussersten Grade der Aufmerksamkeit, der deiner Seele möglich ist. Wenn bey einer gewissen Rede seine geheime Schuld sich nicht selbst verräth, so ist der Geist den wir gesehen haben, aus der Hölle, und meine Einbildungen auf des Teufels Ambose geschmiedet. Verwende kein Auge von ihm, ich will es auch so machen, und hernach wollen wir unsre Beobachtungen zusammentragen, und ein Urtheil über sein Bezeugen festsezen.

Horatio. Gut, Gnädiger Herr. Wenn er was stiehlt, während daß die Comödie gespielt wird, und der Entdekung entgeht, will ich den Diebstahl bezahlen.

Fünfte Scene

(Der König, die Königin, Polonius, Ophelia, Rosenkranz, Güldenstern, und andere Herren von Hofe, mit Bedienten, welche Fakeln vortragen. Ein dänischer Marsch, mit Trompeten.)

Hamlet.

Da kommen sie zur Comödie – ich muß hier den Geken machen —

(zu Horatio.)

Sieh dich um einen Plaz um.

König.

Wie steht's um unsern Neffen Hamlet?

Hamlet. Unvergleichlich, in der That, nach Cameleons Art; ich esse Luft, mit Versprechungen gefüllt; eure Capunen werden nicht fett dabey werden.

König.

Ich weiß nichts mit dieser Antwort zu machen, Hamlet —

Hamlet.

Ich auch nicht —

(Zu Polonius.)

Nun, mein Herr; ihr spieltet ja ehmals auch Comödien auf der Universität, sagtet ihr?

Polonius.

Das that ich, Gnädiger Herr, und man hielt mich für einen guten Schauspieler.

Hamlet.

Und was machtet ihr für Rollen?

Polonius.

Ich machte den Julius Cäsar, ich wurde im Capitol umgebracht;

Brutus brachte mich um.

Hamlet. Das war brutal von ihm gehandelt, ein solches Capital-Kalb da umzubringen – Sind die Comödianten fertig?

Rosenkranz.

Ja, Gnädiger Herr, sie warten auf euern Befehl.

Königin.

Komm hieher, mein liebster Hamlet; seze dich zu mir.

Hamlet.

Um Vergebung, Frau Mutter, hier ist ein Magnet der stärker zieht.

Polonius (zur Königin.)

O, ho, habt ihr das bemerkt?

Hamlet.

Fräulein, wollt ihr mich in euerm Schooß ligen lassen?

(Er sezt sich zu ihren Füssen auf den Boden hin.)

Ophelia.

Nein, Gnädiger Herr.

Hamlet.

Ich meyne, meinen Kopf auf euerm Schooß?

Ophelia.

Ja, Gnädiger Herr.

Hamlet.

Denkt ihr, ich habe was anders gemeynt?

Ophelia.

Ich denke nichts, Gnädiger Herr.

Hamlet (etwas leise.) Das ist ein hübscher Gedanke, zwischen eines Mädchens Beinen zu ligen —

Ophelia.

Was ist's, Gnädiger Herr?

Hamlet.

Nichts.

Ophelia.

Ihr seyd aufgeräumt, Gnädiger Herr?

Hamlet.

Wer, ich?

Ophelia.

Ja.

Hamlet.

O Gott! ein Spaßmacher, wie ihr keinen mehr sehen werdet. Was sollte einer thun, als aufgeräumt seyn? Denn, seht ihr, was meine Mutter für ein vergnügtes Gesicht macht, und es ist doch kaum zwo Stunden, daß mein Vater todt ist.

Ophelia.

Um Vergebung, es sind zweymal zween Monate, Gnädiger Herr.

Hamlet. Schon so lange? O, wenn das ist, so mag der Teufel schwarz gehen, ich will meinen Hermelin-Pelz wieder umwerfen. O Himmel! schon zween Monat todt, und noch nicht vergessen! So kan man doch hoffen, daß eines grossen Mannes Andenken sein Leben ein halbes Jahr überleben werde: Aber, bey unsrer Frauen! in diesem Fall muß einer wenigstens eine Kirche gebaut haben; sonst mag er leiden, daß man nicht mehr an ihn denkt, wie das Steken-Pferd; dessen Grabschrift ist:

Au weh! das ist beklagens werth, Man denkt nicht mehr ans Steken-Pferd.7

7Ein satyrischer Stich auf die damaligen Puritaner, welche man in den Gassen-Liedern, die über sie gemacht und gesungen wurden, ihren bekannten scheinheiligen Eifer gegen alle Spiele bis gegen das Steken-Pferd treiben ließ, auf welchem doch sie, und ihres gleichen, bis auf den heutigen Tag, so weydlich herumtraben.