Titus Andronicus

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Titus Andronicus
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William Shakespeare

Titus Andronicus

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Titus Andronicus

Erster Aufzug

Zweiter Aufzug

Dritter Aufzug

Vierter Aufzug

Fünfter Aufzug

Impressum neobooks

Titus Andronicus

Erster Aufzug

Erste Szene

Rom. Vor dem Kapitol.

Trompetenstoß. Es erscheinen oben auf der Bühne Senatoren und Tribunen, wie zur Versammlung; dann von der einen Seite Saturninus mit seinem Gefolge, von der andern Bassianus mit dem seinigen. Trommeln und Fahnen.

SATURNINUS.

Edle Patrizier, Schirmer meines Rechts,

Verteidigt meinen Anspruch mit dem Schwert;

Und ihr, Mitbürger, Freunde wert und treu,

Werbt mit den Waffen um mein erblich Recht!

Ich bin des Erstgeborner, den zuletzt

Geschmückt Roms kaiserliches Diadem:

So folge mir des Vaters Würde nach!

Kränkt meinen Vorrang nicht durch diese Schmach!

BASSIANUS.

Römer, Gefährten, Förd'rer meines Rechts!

Wenn je zuvor Bassianus, Cäsars Sohn,

Roms königlichem Auge wohlgefiel,

Besetzt den Zugang hier zum Kapitol,

Und duldet nicht, daß Unwert dürfe nahn

Dem Kaisersitz, der Tugend stets geweiht,

Dem Recht, der Mäßigung, dem Edelmut:

Laßt Stimmenmehrheit das Verdienst erhöhn,

Und, Römer! kämpft für Freiheit eurer Wahl! –

Marcus Andronicus oben auf der Bühne, mit der Krone.

MARCUS.

Ihr Prinzen, die durch Anhang und Partei'n

Ehrgeizig strebt nach Herrschaft und Gewalt:

Es grüßt das röm'sche Volk, für das wir stehn

Mit unsern Freunden, durch einmüt'gen Ruf

Nach seinem Wahlrecht, als des Reiches Fürst

Andronicus, der Fromme zubenamt,

Für sein vielfach und groß Verdienst um Rom. –

Ein beßrer Krieger, ein getreu'rer Mann

Lebt nicht zu dieser Stund' in unsrer Stadt;

Er ist zurückberufen vom Senat

Aus heißem Kampf mit den barbar'schen Goten;

Er mit den Söhnen, unsrer Feinde Schreck,

Bezwang dies starke, kriegsgewohnte Volk.

Zehn Jahre sind es nun, seit er zuerst

Roms Sache führt' und strafte mit dem Schwert

Der Feinde Hochmut; fünfmal kehrt' er heim

Blutig, nach Rom, die tapfern Söhne führend

Auf Bahren aus dem Feld;

Und nun, zuletzt, geschmückt mit Ruhmstrophäen,

Zieht dieser wackre Titus heim gen Rom,

Andronicus, der edle Waffenheld.

Wir bitten euch, bei seines Namens Glanz,

Den ihr für würdig achtet eures Throns,

Und den ihr im Senat und Kapitol

Zu ehren denkt und vor ihm hinzuknien, –

Entfernt euch jetzt, entsagt der Übermacht,

Schickt heim die Freund', und wie's Bewerbern ziemt,

Verfolgt in Fried' und Demut eu'r Gesuch!

SATURNINUS.

Wie schön spricht, mich zu sänft'gen, der Tribun!

BASSIANUS.

Marcus Andronicus, ich trau' so sehr

Auf deinen unbestechbar graden Sinn,

Dich und die Deinen ehr' und lieb' ich so,

Den edlen Bruder Titus, seine Söhne,

Und sie, der unser Sinn in Demut neigt,

Die reizende Lavinia, Zierde Roms, –

Daß ich heim sende meiner Treuen Schar,

Und meinem Glück und unsers Volkes Gunst

Vertraun will zur Entscheidung mein Gesuch.

Die Soldaten des Bassianus gehn ab.

SATURNINUS.

Freunde, die so bereit mein Recht geschirmt,

Ich dank' euch all'n, und all' entlass' ich euch;

Und meines Vaterlandes Lieb' und Gunst

Vertrau' ich hier mich selbst und mein Gesuch. –

Rom, sei gerecht und so gewogen mir,

Als ich mit vollem Zutraun neige dir;

Öffnet das Tor und laßt mich ein!

BASSIANUS.

Auch mich, Tribunen, mit bescheidnem Flehn!

Alle gehn in das Senatsgebäude.

Zweite Szene

Daselbst.

Ein Hauptmann tritt auf.

HAUPTMANN.

Römer, macht Platz! Andronicus, der Held,

Der Tugend Vorbild, stärkster Kämpfer Roms,

Sieger in allen Schlachten, die er focht,

Ist heimgekehrt, an Glück und Ehre reich,

Von wo er unterwarf mit seinem Schwert

Die Feinde Roms und unters Joch sie führte.

Trommeln und Trompeten. Dann treten auf Mutius und Marcius; nach ihnen zwei Männer, die einen schwarzverhängten Sarg tragen; hierauf Quintus und Lucius. Dann folgt Titus Andronicus; nach ihm Tamora mit Alarbus, Chiron, Demetrius und andern gotischen Gefangnen, Soldaten und Gefolge. Der Sarg wird niedergesetzt, und Titus spricht.

TITUS.

Heil dir, o Rom! Siegprang' im Trauerkleid!

Sieh, wie das Schiff, das ablud seine Fracht,

Mit teurer Ladung heim zum Hafen kehrt,

Wo es zuerst die Anker lichtete, –

So kommt Andronicus, im Lorbeerkranz;

Mit Tränen grüßt er seine Heimat neu,

Mit Tränen wahrer Lust des Wiedersehns. –

Du großer Schirmherr dieses Kapitols,

Sieh gnädig auf des heil'gen Opfers Brauch!

Von fünfundzwanzig tapfern Söhnen, Rom,

Hälfte der Zahl von König Priams Stamm,

Schau hier den armen Rest, lebend und tot! –

Mit Lieb' empfange Rom euch Lebende;

Euch Toten, die zur letzten Ruh'statt gehn,

Schenk' es ein Grab in ihrer Ahnen Gruft;

Hier gönnt der Got' erst Ruhe meinem Schwert.

Titus, unliebend, sorglos für dein Blut,

Was duld'st du, daß noch grablos dein Geschlecht

Umschweben muß des Styx grau'nvollen Strand?

Geh, bette sie bei ihren Brüdern hin! –

Das Grab wird geöffnet.

Dort grüßt euch schweigend, wie's der Toten Brauch;

Schlaft friedlich, die ihr starbt fürs Vaterland! –

O meiner Kinder heiliges Gewölb',

Geliebtes Wohnhaus echten Edelsinns,

Wie manchen Sohn hast du mir schon entrafft,

Und hältst ihn ewig hier in finstrer Haft! –

LUCIUS.

Gib der gefangnen Goten stolzesten,

Daß wir, die Glieder stümmelnd, seinen Leib

Ad manes fratrum opfern in der Glut,

Vor diesem ird'schen Kerker ihres Staubs! –

Auf daß nicht ungesühnt ihr Schatten sei,

Noch uns bedräu' auf Erden ihr Gespenst!

TITUS.

Ich geb' ihn euch, der Feinde trefflichsten:

Den Erstgebornen dieser Königin. –

TAMORA.

Halt, röm'sche Brüder! Gnadenreicher Held,

Siegreicher Titus, sieh die Tränenflut,

Die einer Mutter Gram dem Sohne weint!

Und liebtest du jemals die Söhne dein,

Ach, denk', was muß ein Sohn der Mutter sein! –

Genügt dir's nicht, daß man nach Rom uns führte,

Als deines Einzugs und Triumphes Schmuck,

Gefangne dir und deinem Römerjoch?

Mußt du den Sohn noch schlachten auf dem Markt,

Weil er fürs Vaterland mit Mut gekämpft?

Oh, dünkt der Streit für König und für Volk

Euch fromme Pflicht, so ist er's diesem auch:

Titus, beflecke nicht dein Grab mit Blut;

Und willst du der Natur der Götter nahn,

Nah' ihnen denn, indem du Gnade übst:

Denn gnädig sein gibt echten Adel kund.

O schone, Titus, meinen ältsten Sohn! –

TITUS.

Ergib dich, Fürstin, fass' dich in Geduld! –

Hier stehn die Brüder derer, die dein Volk

Lebend und tot sah; den Erschlagnen heischt

Ein Totenopfer frommes Pflichtgefühl;

Dem ist dein Sohn bestimmt; sein Tod versöhnt

Der heimgegangnen Schatten Klageruf.

LUCIUS.

Hinweg mit ihm! Ein Feuer zündet schnell;

Auf einem Holzstoß laßt uns mit dem Schwert

Die Glieder ihm zerhaun, bis sie verbrannt!

Mutius, Marcius, Quintus und Lucius gehn mit Alarbus ab.

TAMORA.

O grauser, gottverhaßter Totenbrauch! –

CHIRON.

War Scythien halb so blutig je gesinnt?

DEMETRIUS.

Vergleiche Scythien nicht dem stolzen Rom!

 

Alarbus geht zur Ruh', wir leben noch,

Und zittern vor des Titus zorn'gem Blick.

So faßt Euch, Mutter, aber hofft zugleich,

Derselbe Gott, der Trojas Königin

Gelegenheit zu bittrer Rache gab

An Thraziens Wüt'rich in dem eignen Zelt, –

Gönnt Tamora, der Gotenkönigin

(Wenn Goten Goten, Ihr die Königin! –),

Daß sie die Blutschuld tilgt an ihrem Feind.

Lucius, Quintus, Marcius und Mutius kommen zurück.

LUCIUS.

Seht, Herr und Vater, treu befolgten wir

Den röm'schen Brauch: Alarbus ward zerstückt,

Sein Eingeweide nährt die Opferglut,

Daß Dampf, dem Weihrauch gleich, die Luft durchwürzt.

Nun fehlt nur noch, die Brüder zu bestatten,

Und hier in Rom der laute Freundesgruß.

TITUS.

Also gescheh' es, und Andronicus

Sagt ihrem Geist sein letztes Lebewohl.

Trompetenstoß, die Särge werden in die Gruft gestellt.

Schlaft, meine Söhne, hier in Fried' und Ruhm!

Roms mutigste Verteid'ger, ruht allhier,

Geschirmt vor Leid und Wechsel dieser Welt!

Hier lauert kein Verrat, hier schwillt kein Neid,

Wächst kein verhaßter Zwist, kein Sturm für euch,

Kein Lärm: nur Schweigen und ein ew'ger Schlaf;

In Fried und Ruhm liegt, meine Söhne, hier! –

Lavinia tritt auf.

LAVINIA.

In Fried' und Ruhm, Held Titus, lebt noch lang'! –

Mein teurer Vater, für die Ehre lebt!

An diesem Grab bring' ich der Tränen Zoll

Den Brüdern dar, als letzte Huldigung:

Und weine knieend dir zu Füßen auch

Der Freude Tränen, weil du heimgekehrt.

O segne mich mit deiner Siegerhand,

Die Besten Roms erfreun sich ihrer Tat.

TITUS.

O güt'ges Rom, das liebreich aufbewahrt

Die Stärkung meines Alters, mir zum Trost!

Lavinia, überleb' als Preis der Tugend

Den Vater in des Nachruhms ew'ger Jugend!

MARCUS.

Lang' lebe Titus, mein geliebter Bruder!

Als hohen Triumphator grüßt ihn Rom.

TITUS.

Dank, mein Tribun, mein edler Bruder Marcus!

MARCUS.

Willkommen, Neffen, aus glorreicher Schlacht,

Ihr, die noch lebt, und ihr, die schlaft in Ruhm!

Ihr Tapfern, die für eures Landes Wohl

Das Schwert gezückt, – eu'r Los ist völlig gleich!

Doch sichrern Glanz beut dieser Leichenpomp,

Der das erreicht, was Solon Glück genannt,

Und das Geschick im Bett des Ruhms besiegt. –

Titus Andronicus, das röm'sche Volk

(Des Freund du warst von je nach strengem Recht)

Schickt dir durch mich, als Anwalt und Tribun,

Dies weiße Kleid von unbeflecktem Glanz,

Und nennt für dieses Reiches Kaiserwahl

Dich nebst den Söhnen unsres letzten Herrn.

Sei Candidatus dann, und leg' es an,

Und hilf zum Haupte dem hauptlosen Rom!

TITUS.

Ein beßres Haupt gebührt so edlem Leib

Als meins, das längst von Schwäch' und Alter wankt.

Wie trüg' ich dies Gewand euch zur Beschwer?

Ihr wähltet heut mit lautem Beifall mich,

Und morgen gäb' ich Kron' und Leben auf

Und schafft' euch allen neue Sorg' und Not!

Ich war dein Krieger, Rom, an vierzig Jahr,

Und führte meines Volkes Macht mit Glück,

Legt' einundzwanzig tapfre Söhn' ins Grab;

Im Kampf erhöht zu Rittern, fielen sie

In tapfrer Feldschlacht für des Landes Wohl. –

Gebt einen Ehrenstab mir altem Mann,

Kein Szepter reicht mir, das der Welt gebeut;

Eu'r letzter Kaiser führt' es grad' und fest.

MARCUS.

Titus, das Reich erhalt' und fordre du! –

SATURNINUS.

Stolzer Tribun, Ehrsücht'ger, sagst du das?

TITUS.

Geduld, Prinz Saturnin!

SATURNINUS.

Rom, schaff' mir Recht! –

Patrizier, zieht eu'r Schwert und steckt's nicht ein,

Bis Saturninus Kaiser ward in Rom!

Andronicus, zur Hölle fahre hin,

Eh' du des Volkes Herzen mir entziehst! –

LUCIUS.

Du stolzer Saturnin! du störst das Wohl,

Das Titus hochgesinnt dir zugedacht.

TITUS.

Sei ruhig, Prinz, dir lenk' ich wieder zu

Des Volkes Gunst, daß sie den Willen wandeln.

BASSIANUS.

Andronicus, nicht schmeichl' ich jemals dir,

Doch ehr' ich dich, und will es bis zum Tod.

Stärkst du mit deinen Freunden meine Macht,

Werd' ich höchst dankbar sein, und Dank erscheint

Dem edlen Mann als ehrenwerter Lohn.

TITUS.

Ihr, Römer, und ihr Volkstribunen hier,

Ich bitt' um eure Stimm' und gült'ge Wahl:

Schenkt ihr sie freundlich dem Andronicus?

MARCUS.

Dank weihend unserm trefflichen Andronicus,

Und feiernd seine Heimkehr hier in Rom,

Wird den das Volk annehmen, den er nennt.

TITUS.

Habt Dank, Tribunen! So ersuch' ich euch,

Daß ihr erwählt des Kaisers ältsten Sohn,

Prinz Saturnin; des Tugend, hoff ich, Rom

Bestrahlen wird, wie Titans Licht die Welt,

Und Recht und Sitte reifen hier im Staat.

Drum, wenn ihr wählen wollt nach meinem Rat,

Krönt ihn und ruft: »Lang' lebe Saturnin!« –

MARCUS.

Mit Ruf und Beifallszeichen aller Art,

Patrizier und Plebejer, grüßen wir

Prinz Saturnin als Roms erhabnen Herrn,

Und jubeln: »Heil dem Kaiser Saturnin!« –

Ein langer Trompetenstoß, während die oben Versammelten herabsteigen.

SATURNINUS.

Titus Andronicus, für diese Gunst,

Betreffend unsre Wahl am heut'gen Tag,

Erteil' ich dir den Dank, den du verdienst,

Und will durch Taten lohnen deine Huld.

Und jetzt zum Anfang, Titus, zu erhöhn

Dein ehrenwert Geschlecht und eignen Ruhm:

Nenn' ich Lavinia meine Kaiserin,

Roms edle Herrin, Herrin meiner Brust,

Mir anvermählt im heil'gen Pantheon.

Nun, Titus, sag: gefällt dir dieses Wort?

TITUS.

Es freut mich, würd'ger Fürst, und im Gemahl

Bin ich durch Eure Gnade hoch geehrt.

Und hier, im Auge Roms, dem Saturnin,

Dem König und Gebieter unsers Staats,

Der weiten Welt Regenten, weih' ich nun

Schwert, Siegeswagen und Gefangene,

Wohl würd'ge Gaben, Roms erhabnem Herrn.

So nimm sie denn als schuldigen Tribut,

Die Ruhmstrophä'n, zu Füßen dir gelegt!

SATURNINUS.

Dank, edler Titus, Vater meines Glücks! –

Wie stolz ich sei auf dich und dein Geschenk,

Erfahre Rom; und wenn ich je vergaß

So unbegrenzter Dienste kleinsten Teil,

Dann, Rom, vergiß die Treue gegen mich!

TITUS zu Tamora.

Dem Kaiser, Fürstin, seid Ihr jetzt Gefangne,

Der, Eures Rangs und Standes eingedenk,

Euch und den Dienern mild begegnen wird.

SATURNINUS.

Welch reizend Weib! Ihr kann der Preis nicht fehlen:

Hätt' ich zu wählen noch, sie würd' ich wählen. –

Verscheucht der Stirne Wolken, schöne Frau:

Warf Kriegesglück auch Euer Glück herab,

Doch kommt Ihr nicht nach Rom zu Spott und Schmach;

Und königlich sollt Ihr gehalten sein.

Traut meinem Wort, laßt nicht Melancholie

Den Mut Euch dämpfen; der Euch tröstet, hebt

Wohl höher Euch als auf den Gotenthron. –

Lavinia, Euch mißfällt nicht, was ich sprach?

LAVINIA.

O nein, mein Fürst; dein adliges Gemüte

Bürgt mir für deines Herzens wahre Güte.

SATURNINUS.

Dank, Jungfrau! Römer, laßt uns also gehn;

Frei ohne Lösung geb' ich die Gefangnen. –

Trompet' und Trommeln künden meine Wahl! –

BASSIANUS Lavinien fassend.

Titus, vergönnt, die Jungfrau nenn' ich mein!

TITUS.

Wie, Prinz? Sprecht Ihr im Ernste dieses Wort?

BASSIANUS.

Ja, edler Titus, und bin fest gewillt,

Auf meinem Recht und Anspruch zu bestehn.

Man sieht den Kaiser in stummem Spiel freundlich mit Tamora tun.

MARCUS.

Suum cuique, spricht des Römers Recht:

Nach Recht verlangt der Prinz, was ihm gebührt.

LUCIUS.

Er wird's und soll's, solange Lucius lebt!

TITUS.

Verräter, fort! Wo ist des Kaisers Wacht?

Verrat, mein Fürst! Lavinia wird entführt!

SATURNINUS.

Entführt? Wer wagt es?

BASSIANUS.

Der, nach Recht und Fug

Die Braut verteid'gend, sie von hinnen trug.

Bassianus mit Lavinien ab.

LUCIUS.

Helft ihm, ihr Brüder, ungekränkt entfliehn!

Mit meinem Schwert beschütz' ich dieses Tor.

TITUS.

Folgt nur, mein Fürst, ich führ' sie bald zurück.

MUTIUS.

Halt' ein, o Vater!

TITUS.

Frecher Knabe, fort!

Sperrst mir in Rom den Weg?

MUTIUS.

Hilf, Lucius, hilf! –

Titus ersticht den Mutius.

LUCIUS.

Ihr tut nicht recht, mein Vater; schlimmer noch,

Ihr schlugt den Sohn im ungerechten Streit! –

TITUS.

Nein, weder du noch er sind Söhne mir;

Kein Sohn von mir entehrte mich so sehr! –

Verräter, schaff' Lavinia deinem Kaiser!

LUCIUS.

Tot, wenn Ihr wollt, doch nimmer als sein Weib,

Die eines andern längst verlobte Braut! –

SATURNINUS.

Nein, Titus, nein! Der Kaiser braucht sie nicht;

Nicht sie, noch dich, noch einen Eures Stamms. –

Dem könnt' ich traun, der einmal mich verhöhnt;

Dir nicht, noch deinen falschen, stolzen Söhnen;

Ihr alle seid im Bunde mir zur Schmach.

War keiner sonst in Rom zum Ziel des Spotts

Als Saturnin? Recht wohl, Andronicus,

Stimmt dieses Tun zu deinem Prahlerwort,

Daß ich von deiner Hand das Reich erfleht! –

TITUS.

Entsetzlich! Solchen Vorwurf sprichst du aus?

SATURNINUS.

Nur zu! Laß dies leichtfert'ge Weib nur ziehn

Mit jenem, der sein Schwert für sie geschwenkt!

Ein tapfrer Eidam wird dir so zu teil,

Mit deiner Söhne zügellosem Troß

Unfug zu treiben im Gebiet von Rom! –

TITUS.

Wie Stacheln trifft dies Wort mein wundes Herz!

SATURNINUS.

Drum, holde Tamora, der Goten Fürstin,

Die gleich der stolzen Phöbe unter Nymphen

Weit überstrahlt die schönsten Römerfrau'n: –

Wenn dich so schnell getroffne Wahl vergnügt,

Wähl' ich dich, Tamora, als meine Braut,

Und grüße dich als Kaiserin von Rom.

Sprich, Gotenfürstin, lobst du meine Wahl?

Dann schwör' ich dir, bei allen Göttern Roms,

Weil Priester und geweihtes Wasser nah,

Die Fackel flammt, und jeder heil'ge Brauch

Für Hymenäus' Feier steht bereit:

Ich will nicht wiedersehn die Straßen Roms,

Noch des Palastes Schwelle, führ' ich nicht

Als anverlobte Braut dich heim von hier.

TAMORA.

Und vor des Himmels Antlitz schwör' ich Rom,

Wenn Saturnin die Gotenfürstin krönt,

Dann wird sie seiner Wünsche Sklavin sein

Und seiner Jugend Pflegerin und Mutter.

SATURNINUS.

Hinauf zum Pantheon, schönes Weib! Ihr Herrn,

Folgt euerm Kaiser und der holden Braut,

Die mir der Himmel selber zugesandt,

Des Ratschluß ihr ein beßres Glück verhängt:

 

Alldort vollziehn wir der Vermählung Brauch.

Alle gehn ab, außer Titus.

TITUS allein.

Mich rief er nicht, zu folgen dieser Braut!

Titus, wann wandeltest du einsam je,

Also entehrt und überhäuft von Schmach?

Marcus Andronicus, Lucius, Quintus und Marcius treten auf.

MARCUS.

O Titus, sieh, o sieh den bösen Lohn! –

Um schnöden Zwist schlugst du den edeln Sohn! –

TITUS.

Nein, törichter Tribun, nicht war's mein Sohn,

Noch du, noch diese Stifter jener Tat,

Die unserm ganzen Stamm zur Schmach gereicht! –

Unwürd'ger Bruder! Und unwürd'ge Söhne! –

LUCIUS.

Doch woll'n wir ihn bestatten, wie sich's ziemt;

Laßt Mutius ruhn in seiner Brüder Grab! –

TITUS.

Verräter, nein! Nicht hier in diesem Grab!

Fünfhundert Jahre stand dies Monument,

Das ich mit reichem Schmuck mir neu erbaut;

Hier ruhn in Ehren tapfre Krieger nur

Und Diener Roms, kein schnöd' im Zank Erschlagner. –

Begrabt ihn, wo ihr wollt, hier weigr' ich's euch.

MARCUS.

Mein Bruder, dies ist gottvergeßner Sinn:

Für meinen Neffen Mutius spricht sein Tun,

Er ruh' im Grab mit seinen Brüdern.

DIE SÖHNE DES TITUS.

Das soll er, oder alle folgen ihm!

TITUS.

Er soll? Wer war der Schurke, der so sprach?

QUINTUS.

Der's allenthalb behauptet, außer hier.

TITUS.

Was? willst du ihn bestatten, mir zum Trotz?

MARCUS.

Nein, edler Titus, doch von dir erflehn

Verzeihung deinem Mutius und ein Grab! –

TITUS.

Marcus, feindselig trafst auch du mein Haupt,

Kränkst meine Ehre gleich den Knaben hier.

Ihr alle habt als Feinde mich verletzt;

Stört mich hinfort nicht mehr, entfernt euch jetzt!

LUCIUS.

Er ist nicht bei sich selbst: so laßt uns gehn!

QUINTUS.

Nicht ich, bis Mutius hier bestattet ruht.

Der Bruder und die Söhne knieen.

MARCUS.

Bruder! denn mit dem Namen fleht Natur!

QUINTUS.

Vater! auch in dem Namen ruft Natur! –

TITUS.

Schweig', wenn ich auf die andern hören soll!

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