Der Sturm

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Der Sturm

William Shakespeare

Inhaltsverzeichnis

Der Sturm; oder: Die bezauberte Insel.

Personen.

Erster Aufzug.

Zweiter Aufzug.

Dritter Aufzug.

Vierter Aufzug.

Fünfter Aufzug.

Impressum

Der Sturm; oder: Die bezauberte Insel.

William Shakespeare

Personen.

Alonso, König von Neapel.

Sebastian, dessen Bruder.

Prospero, rechtmässiger Herzog von Meiland.

Antonio, dessen Bruder, und unrechtmässiger Innhaber von Meiland.

Ferdinand, Sohn des Königs von Neapel.

Gonsalo, ein ehrlicher alter Rath des Königs.

Adrian und Francisco, zween Herren vom Adel.

Caliban, ein wilder und mißgeschaffner Sclave.

Trinculo, ein Hofnarr.

Stephano, ein berauschter Kellermeister.

Schiffspatron, Hochbootsmann und Matrosen.

Miranda, Prosperos Tochter.

Ariel, ein Sylphe.

Iris, Ceres, Juno, Nymphen und Schnitter, Geister, die zu einer

allegorischen Vorstellung gebraucht werden.

Erster Aufzug.

Erste Scene.

(In einem Schiff auf dem Meer.)

(Man hört ein Getöse von einem heftigen Sturm, mit Donner und

Blizen.)

(Der Schiffspatron und der Hochbootsmann treten auf.)

Schiffspatron.

Hochbootsmann—

Bootsmann.

Hier, Patron: Wie steht's?

Patron. Gut; redet mit den Matrosen; arbeitet mit den äussersten Kräften, oder wir gehen zu Grunde; greift an, greift an!

(Geht ab.)

(Etliche Matrosen kommen herein.)

Bootsmann. Hey, meine Kinder; munter, meine Kinder! hurtig! hurtig! Zieht das Bramsegel ein! gebt auf des Patrons Pfeifchen acht—Ey so blase, bis du bersten möchtest—

(Alonso, Sebastiano, Antonio, Ferdinand, Gonsalo, und andre zu den

Vorigen.)

Alonso. Guter Hochbootsmann, habt Sorge; wo ist der Schiffspatron? Haltet euch wie Männer!

Bootsmann.

Ich bitte euch, bleibt unten.

Antonio.

Wo ist der Patron, Hochbootsmann?

Bootsmann.

Hört ihr ihn denn nicht—ihr geht uns im Weg um; geht in eure

Cajüte; ihr helft nur dem Sturm.

Gonsalo.

Nun, mein guter Mann, seyd geduldig.

Bootsmann.

Wenn's das Meer ist. Weg—was fragen diese Aufrührer nach dem

Nahmen eines Königs? In die Cajüte—Still! hindert uns nicht!

Gonsalo.

Ehrlicher Mann, besinne dich, wen du am Bord hast—

Bootsmann. Niemand, den ich lieber habe als mich selbst. Ihr seyd ein Rath; wenn ihr diesen Elementen ein Stillschweigen auferlegen oder auf der Stelle den Frieden mit ihnen machen könnt, so wollen wir kein Thau mehr anrühren; braucht eure Autorität. Wenn ihr aber nichts könnt, so dankt dem Himmel, daß ihr so lange gelebt habt, und macht euch in eurer Cajüte auf das Unglük gefaßt, das alle Augenblike begegnen kan—Frisch zu, meine Kinder—fort aus dem Wege, sag ich.

(Er geht ab.)

Gonsalo. Dieser Kerl macht mir Muth; mich däucht, er sieht keinem gleich, der ersauffen wird, er hat eine vollkommne Galgen-Physionomie! halte fest an deiner Absicht, liebes Schiksal; mache den Strang, der ihm bestimmt ist, zu unserm Ankerseil, denn das unsrige hilft uns nicht viel: wenn er nicht zum Galgen gebohren ist, so steht es jämmerlich um uns.

(Sie gehen alle ab.)

(Der Hochbootsmann kommt zurük.)

Hochbootsmann. Herab mit dem Bramsteng; greift an, besser herunter, noch besser!— macht, daß nur das Schönfahrsegel treibt—

(man hört ein heulendes Geschrey hinter der Scene)

daß die schwehre Noth diß verfluchte Geheul— (Antonio, Sebastiano und Gonsalo kommen zurük.)—Sie überschreyen das Wetter und uns—Seyd ihr wieder da? Was thut ihr hier? Sollen wir aufgeben und ersauffen? habt ihr Lust dazu?

Sebastiano. Daß die Pest deine Gurgel—du bellender, lästerlicher unbarmherziger Hund!

Bootsmann.

So helft denn arbeiten.

Antonio. Geh an den Galgen, du Hund, an den Galgen; du Hurensohn von einem unverschämten Polterer; wir fürchten uns weniger vor dem Ertrinken als du.

Gonsalo.

Ich steh ihm fürs Ersauffen, und wenn gleich das Schiff nicht

stärker wäre als eine Nußschaale, und so löchricht als eine—

(Etliche Matrosen von Wasser triefend treten auf.)

Matrosen.

Alles ist verlohren! Betet, betet; alles ist verlohren!

(Sie gehen ab.)

Bootsmann.

Wie, müssen wir uns in Wasser zu tode sauffen?

Gonsalo. Der König und der Prinz beten; wir wollen gehen und ihnen helfen; denn es geht uns wie ihnen.

Sebastian.

Die Geduld ist mir ausgegangen.

Antonio.

Diese Trunkenbolde sind ganz allein Schuld, daß wir umkommen—

Dieser weitgespaltene Schurke—Ich wollt' er läge so tief im Meer,

daß ihn zehn Fluthen nicht heraus spülen könnten.

Gonsalo. Er wird doch noch gehangen werden, und wenn jeder Tropfe Wasser dagegen schwören, und das Maul aufsperren würde, ihn zu verschlingen.

(Man hört ein vermischtes Getös hinter der Scene.)

Wir scheitern, wir scheitern, wir sinken unter! Lebet wohl, mein

Weib und meine Kinder! Wir scheitern! wir scheitern!

Antonio.

Wir wollen alle mit dem König versinken.

(Geht ab.)

Sebastian.

Wir wollen Abschied von ihm nehmen.

(Geht ab.)

Gonsalo. Izt wollt' ich von Herzen gerne tausend Meilen See für eine Jauchart dürren Boden geben, Heidekraut, Genister, was man wollte— der Wille des Himmels geschehe! Doch wollt' ich lieber eines troknen Todes sterben!

(Geht ab.)

Zweyte Scene.

(Verwandelt sich in einen Theil der bezauberten Insel, unweit der

Celle des Prospero.)

(Prospero und Miranda treten auf.)

Miranda. Wenn ihr, mein theurester Vater, diese wilden Wasser durch eure Kunst in einen so entsezlichen Aufruhr gesezt habet, o so leget sie wieder! Der Himmel, so scheint es, würde stinkendes Pech herunterschütten, wenn nicht die See, die bis an seine Wangen steigt, das Feuer wieder löschte. O! wie hab' ich mit diesen Unglüklichen gelidten, die ich leiden sah! Ein schönes Schiff (ohne Zweifel hatte es einige edle Geschöpfe in sich) ganz in Stüke zerschmettert—O das Geschrey schlug recht gegen mein Herz an. Die armen Seelen, sie kamen um! Hätte ich die Macht irgend eines Gottes gehabt, ich wollte eher das Meer in die Erde hineingesenkt haben, eh es dieses gute Schiff so verschlungen haben sollte, und die darauf befindlichen Seelen mit ihm.

Prospero. Fasse dich, meine Tochter; nicht so bestürzt; sage deinem mitleidigen Herzen, es sey kein Schaden geschehen.

Miranda.

O! unglüklicher Tag!

Prospero. Kein Unglük. Was ich gethan habe, hab' ich aus Fürsorge für dich gethan, für dich, meine Theure, meine Tochter, die du nicht weißst, wer du bist, oder von wannen ich hieher kam, noch daß ich etwas bessers bin als Prospero, Herr über eine armselige Celle, und dein nicht grösserer Vater.

Miranda.

Mir fiel niemals ein, mehr wissen zu wollen.

Prospero. Es ist Zeit, daß ich dir mehr entdeke. Lehne mir deine Hand, und ziehe mir dieses magische Gewand ab; so!

(er legt seinen Mantel hin)

lige hier, meine Kunst—Wische du deine Augen, beruhige dich. Dieses fürchterliche Schauspiel des Schiffbruchs, welches ein so zärtliches Mitleiden in deinem Herzen erregt hat, hab ich durch die Mittel, die meine Kunst mir an die Hand giebt, so sicher angeordnet, daß keine Seele zu Grunde gegangen ist, nein, nicht ein Haar von irgend einem dieser Geschöpfe, deren Geschrey du hörtest, die du sinken sahst: Seze dich nieder, denn du must nun noch mehr wissen.

Miranda. Ihr habt oft angefangen mir sagen zu wollen, was ich sey, aber wieder inngehalten, und mich einem eiteln Nachsinnen überlassen, indem ihr allemal damit schlosset, halt! noch nicht—

Prospero. Die Stund' ist nun gekommen, und es ist keine Minute mehr zu verliehren. Höre dann und sey aufmerksam. Erinnerst du dich einer Zeit, eh wir in diese Celle kamen? Ich denke nicht, daß du es kanst; denn du warst damals noch nicht volle drey Jahre alt.

Miranda.

Ja, mein Herr, ich kan.

Prospero. Wobey dann? Bey irgend einem Haus oder einer Person? Sage mir, was es auch seyn mag, dessen Bild in deinem Gedächtniß geblieben ist.

Miranda.

Es ist in einer tiefen Entfernung, und eher einem Traum als einer

Gewißheit gleich, was mir die Erinnerung vorstellt. Hatte ich

nicht einst vier oder fünf Weiber, die mir aufwarteten?

Prospero. Du hattest, und mehr, Miranda. Aber wie kommt es, daß diß noch in deinem Gemüthe lebt? Was siehst du noch mehr in dem tiefen Abgrund der verflossenen Zeit? Wenn du dich noch an etwas erinnerst, eh du hieher kamst, so wirst du dich auch erinnern, wie du hieher kamst.

 

Miranda.

Nein, das thue ich nicht.

Prospero.

Es sind nun zwölf Jahre seit dieses geschah, Miranda; zwölf Jahre,

seit der Zeit, da dein Vater Herzog von Meiland und ein mächtiger

Fürst war.

Miranda.

Mein Herr, seyd ihr dann nicht mein Vater?

Prospero. Deine Mutter war ein Muster der Tugend, und sie sagte, du seyest meine Tochter; und dein Vater war Herzog von Meiland, und du seine einzige Erbin.

Miranda.

O Himmel! Was für ein schlimmer Streich trieb uns von dannen?

Oder war es unser Glük, daß es geschah?

Prospero. Beydes, beydes, mein Mädchen! Durch einen schlimmen Streich, wie du sagst, wurden wir von dort vertrieben, und glüklicher Weise hieher gerettet.

Miranda. O! mein Herz blutet, wenn ich an die Sorgen denke, die ich euch in einer Zeit gemacht haben werde, an die ich mich nicht mehr besinnen kan. Ich bitte euch, fahret fort.

Prospero. Mein Bruder, und dein Oheim, Antonio genannt, (ich bitte dich, merke auf)—daß ein Bruder fähig seyn konnte, so treulos zu seyn!— Er, den ich, nächst dir selbst, über alle Welt liebte, und dem ich die Verwaltung meines Staats anvertraute, der damals unter allen in Italien der erste, so wie es Prospero an Ansehen war, und an Ruhm in den Wissenschaften, die meine einzige Beschäftigung waren. Ich überließ also die Staatsverwaltung meinem Bruder, und wurd' ein Fremdling in meinem eignen Lande, so sehr riß mich die Liebe und der Reiz geheimnißreicher Studien dahin. Dein treuloser Oheim— Aber du giebst nicht Acht!

Miranda.

Höchst aufmerksam, mein Herr.

Prospero. Dein Oheim, sag ich, der in der Kunst ausgelernt war, wie er ein Gesuch bewilligen oder wie er es abschlagen, wen er befördern oder wen er wegen eines allzuüppigen Wuchses abschneiden sollte; schuf alle diejenigen um, die meine Creaturen waren; ich sage, er versezte sie entweder, oder er gab ihnen sonst eine andre Form; und da er den Schlüssel zu dem Amt und zu dem Beamteten hatte, stimmte er alle Herzen in dem Staat, nach dem Ton, der seinem Ohr der angenehmste war. Solchergestalt war er nun der Epheu, der meinen fürstlichen Stamm umwand, und sein Mark an sich sog—du giebst nicht Acht.

Miranda.

Ich thu es, mein werther Herr.

Prospero. Ich bitte dich, merke wohl auf. Da ich nun alle weltlichen Dinge so bey Seite sezte, und mich ganz der Einsamkeit und der Verbesserung meines Gemüths widmete, die in meinen Augen alles überwog was der grosse Hauffe hochschäzt, so erwachte meines Bruders schlimme Gemüthsart, und mein Zutrauen brütete eine Untreue in ihm aus, die so groß war als mein Zutrauen, welches in der That keine Grenzen hatte. Da er sich in dem Besiz meiner Einkünfte und meiner Gewalt sah, so machte ers wie einer, der durch häufiges Erzählen der nemlichen Unwahrheit einen solchen Sünder aus seinem Gedächtniß macht, daß er selbst nicht mehr weiß, daß es eine Unwahrheit ist; er hatte so lange die Rolle des Herzogs mit allen ihren Vorrechten gespielt, daß er sich zulezt einbildete, er sey der Herzog selbst—Hörst du mir zu?

Miranda.

Eure Erzählung, mein Herr, könnte die Taubheit heilen.

Prospero. Damit nun aller Unterschied zwischen der Person die er spielte, und demjenigen, für welchen er sie spielte, aufhören möchte, wollte er schlechterdings selbst Herzog in Meiland seyn. Mir, armen Manne, dachte er, wäre mein Büchersaal Herzogthums genug; zu allen Geschäften eines Fürsten hielt er mich für ganz untüchtig. Er machte also ein Bündniß mit dem König von Neapolis, und verstuhnd sich, (so sehr dürstete ihn nach der Herrschaft), ihm einen jährlichen Tribut zu bezahlen, und ihn als seinen Lehnsherrn zu erkennen, seinen Fürstenhut der Crone dieses Königs zu unterwerffen, und das bisher unabhängige Herzogthum (armes Meiland!) unter ein schimpfliches Joch zu beugen.

Miranda.

O Himmel!

Prospero. Höre nun die Bedingung die er ihm dagegen machte, und den Ausgang; dann sage mir, ob das ein Bruder war?

Miranda.

Es wäre Sünde, von meiner Großmutter etwas unedels zu denken; gute

Eltern können schlimme Kinder haben.

Prospero. Nun die Bedingung: Dieser König von Neapel, der mein alter Feind war, willigte mit Freuden in meines Bruders Begehren, welches dahin gieng, daß er, gegen die ihm zugestandne Abhänglichkeit, und ich weiß nicht wie viel jährlichen Tribut, ungesäumt mich und die meinigen aus dem Herzogthum vertreiben, und das schöne Meiland mit allen seinen Regalien meinem Bruder zu Lehen geben sollte. Nachdem sie nun zu Ausführung dieses Vorhabens eine verrätherische Kriegsschaar zusammen gebracht, öffnete Antonio in einer fatalen Mitternacht die Thore von Meiland, und in der Todesstille der Finsterniß schleppten die Diener seiner bösen That mich und dein schreyendes Selbst hinweg.

Miranda.

O weh! Ich will izt über diese Gewaltthat schreyen, da ich mich

nicht mehr erinnere, wie ich damals geschrien habe; eine geheime

Nachempfindung preßt diese Thränen aus meinen Augen.

Prospero.

Hör' ein wenig weiter, und dann will ich dich zu der gegenwärtigen

Angelegenheit bringen, die wir vor uns haben, und ohne welche diese

Erzählung sehr unbesonnen wäre.

Miranda.

Warum nahmen sie uns denn das Leben nicht?

Prospero. Die Frage ist vernünftig, Mädchen; meine Erzählung veranlaset sie. Sie durften es nicht wagen, meine Theureste, so groß war die Liebe die das Volk für mich hatte, sie durften es nicht wagen, ihre Übelthat durch ein blutiges Merkmal der Entdekung auszusezen, sondern strichen ihre boshaftigen Absichten mit schönern Farben an. Kurz, sie schleppten uns auf eine Barke, und führten uns etliche Meilen in die See, wo sie ein ausgeweidetes Gerippe von einem Boot, ohne Thauwerk, ohne Seegel, und ohne Mast zubereiteten, ein so armseliges Ding, das sogar die Razen, vom Instinct gewarnet, es verlassen hatten; und auf diesem elenden Nachen stiessen sie uns in die See, um den Wellen entgegen zu jammern, die uns heulend antworteten; und den Winden zuzuseufzen, deren wieder zurükseufzendes Mitleiden unsre Angst vermehrte, indem es sie lindern zu wollen schien.

Miranda.

Himmel! wie viel Unruhe muß ich euch damals gemacht haben!

Prospero. O! Ein Cherubim warst du, der mich beschüzte. Da ich von der Last meines Elends niedergedrükt, einen Strom von trostlosen Thränen in die See hinunter weinte, da lächeltest du mir mit einer vom Himmel eingegoßnen Freudigkeit entgegen, und erwektest dadurch den Muth in mir, alles zu ertragen, was über mich kommen würde.

Miranda.

Wie kamen wir denn ans Land?

Prospero. Durch Göttliche Vorsicht! Wir hatten einigen Vorrath von Speise und frischem Wasser, womit uns Gonsalo, ein Neapolitanischer Edelmann, dem die Ausführung dieses Geschäfts anbefohlen war, aus Gutherzigkeit und Mitleiden versehen hatte. Er hatte uns auch mit reichen Kleidern, leinen Geräthe und andern Nothwendigkeiten beschenkt, die uns seither gute Dienste gethan haben; und da er wußte wie sehr ich meine Bücher liebte, so verschafte mir seine Leutseligkeit aus meinem eignen Vorrath einige, die ich höher schäze als mein Herzogthum.

Miranda.

Wie wünscht' ich diesen Mann einmal zu sehen!

Prospero. Nun komm ich zur Hauptsache. Bleibe sizen, und höre das Ende meiner Erzählung. Wir kamen in dieses Eiland, und hier hab' ich, durch meine Unterweisungen, dich weiter gebracht als andre Fürsten können, die nur für ihre Lustbarkeiten Musse haben, und die Erziehung ihrer Kinder nicht so sorgfältigen Aufsehern überlassen.

Miranda. Der Himmel danke es euch! Aber nun bitte ich euch mein Herr, (denn ich höre dieses Ungewitter noch immer in meiner Einbildung) was war die Ursache, warum ihr diesen Sturm erreget habt?

Prospero. So wisse denn, daß durch einen höchst seltsamen Zufall, das mir wieder günstige Glük meine Feinde an dieses Ufer gebracht hat: Meine Vorhersehungs-Kunst sagt mir, daß ein sehr glüklicher Stern über meinem Zenith schwebt; allein sie sagt mir auch, daß wenn ich die wenigen Stunden seines günstigen Einflusses ungenüzt entschlüpfen lasse, mein Glük auf immer verscherzt seyn werde—Hier frage nicht weiter; du bist schläfrig; es ist eine heilsame Betäubung, gieb ihr nach; ich weiß daß du nicht anders kanst.

(Miranda schläft ein.)

Herbey, mein Diener, herbey; ich bin fertig. Nähere dich, mein

Ariel—Komm!

Dritte Scene.

(Ariel zu Prospero.)

Ariel. Heil dir, mein grosser Meister! Ehrwürdiger Herr, Heil dir! ich komme deine Befehle auszurichten; es sey nun zu fliegen oder zu schwimmen, mich in die Flammen zu tauchen, oder auf den krausen Wolken zu reiten; Ariel und alle seine Kräfte sind zu deinem mächtigen Befehl.

Prospero.

Hast du, o Geist, den Sturm so ausgerichtet, wie ich dir befahl?

Ariel. Bis auf den kleinsten Umstand. Ich kam an Bord des Königlichen Schiffes, und sezte, in Flammen eingehüllt, bald das Vordertheil, bald den Bauch, das Verdek und jede Cajüte in Schreken. Zuweilen theilt' ich mich, und zündet' es an etlichen Orten zugleich an, flammte in abgesonderten Klumpen Feuers auf dem Bramsteng, den Segelstangen und dem Bögs-Priet-Mast; dann floß ich wieder zusammen. Jupiters Blize selbst, die Vorläuffer fürchterlicher Donner- Schläge, sind nicht behender zu leuchten und wieder zu verschwinden; das schmetternde Gebrüll der schweflichten Flammen schien den allmächtigen Neptunus zu belagern, und seine kühne Woogen zittern zu machen, ja seinen furchtbaren Dreyzak selbst zu erschüttern.

Prospero. Mein wakrer, wakrer Geist! War einer unter diesen Leuten gesezt und standhaft genug, bey einem solchen Getöse Meister von sich selbst zu bleiben?

Ariel. Keine einzige Seele, die nicht, von fieberhaften Schauern geschüttelt, in irgend einen Ausbruch von Verzweiflung fiel. Alle, bis auf die Schiffleute, verliessen das Schiff, das ganz von mir in Flammen stuhnd, und stürzten sich in das schäumende Salzwasser. Ferdinand, des Königs Sohn, war der erste, der mit berg an stehendem Haar, eher Binsen als Haaren ähnlich, in die See sprang. Die Hölle ist leer, schrie er, und alle Teufel sind hier.

Prospero.

Gut, das ist mein Geist! Aber war es nahe genug am Ufer?

Ariel.

Ganz nah, mein Gebieter.

Prospero.

Sind sie alle errettet, Ariel?

Ariel. Es ist nicht ein Haar umgekommen, und auf ihren Kleidern ist nicht ein Fleken, sondern sie glänzen frischer als zuvor. Wie du mir befohlen hast, hab' ich sie truppenweise um die Insel her zerstreut: den Sohn des Königs hab ich ganz allein ans Land gebracht, und ihn in einem düstern Winkel der Insel verlassen, wo er mit verschlungnen Armen traurig dasizt, und die Luft mit seinen Seufzern abkühlt.

Prospero. Was hast du denn mit dem Schiffsvolk auf dem königlichen Schiffe, und mit dem ganzen Rest der Flotte gemacht?

Ariel. Des Königs Schiff ist unbeschädigt in Sicherheit gebracht. Ich hab es in eine tiefe Bucht der Bermudischen Inseln verborgen, wohin du mich einst um Mitternacht schiktest, Thau zu holen. Die Schiffleute, alle in den Raum zusammen gedrängt, habe ich in einen bezauberten Schlaf versenkt; die übrigen Schiffe der Flotte die ich zerstreut hatte, fanden sich wieder zusammen, und sind auf der mittelländischen See im Begriff traurig wieder heim nach Neapel zu segeln, in der Meynung, daß sie des Königs Schiff scheitern, und seine hohe Person umkommen gesehen haben.

Prospero. Ariel, du hast meinen Auftrag pünctlich ausgerichtet; aber es ist noch mehr Arbeit; wie viel ist es am Tage?

Ariel.

Höchstens zwey Stunden nach Mittag.

Prospero. Die Zeit zwischen izt und Sechse muß von uns beyden als höchst kostbar angewendet werden.

Ariel. Ist noch mehr zu thun? Da du mir so viel Mühe auflegest, so verstatte daß ich dich an etwas erinnre, so du mir versprochen und noch immer nicht gehalten hast.

Prospero.

Wie? du bist übel aufgeräumt? Was verlangst du denn?

Ariel.

Meine Freyheit.

Prospero.

Eh deine Zeit aus ist? Nichts mehr davon!

Ariel. Ich bitte dich, erinnere dich wie getreu ich dir gedient habe; ich sagte dir keine Lügen vor, ich machte nie eines für das andre, ich diente dir ohne Groll noch Murren; und du versprachest mir ein ganzes Jahr nachzulassen.

Prospero.

Hast du vergessen, von was für einer Marter ich dich befreyet habe?

Ariel.

Nein.

Prospero.

Du hast es vergessen, und hältst es für zuviel in dem sumpfichten

 

Grund des gesalznen Meeres für mich zu waten, oder auf dem scharfen

Nordwind zu rennen, oder in den Adern der hartgefrornen Erde meine

Geschäfte auszurichten.

Ariel.

Das thu ich nicht, mein gebietender Herr.

Prospero. Du lügst, boshaftes Ding. Hast du die scheußliche Zauberin Sycorax vergessen, die von Alter und Neid in einen Reif zusammengewachsen war? Hast du sie vergessen?

Ariel.

Nein, Herr.

Prospero.

Du hast; wo war sie gebohren? Sprich, erzähl es mir.

Ariel.

In Argier, mein Herr.

Prospero. So, war sie? ich muß alle Monat einmal mit dir wiederholen was du gewesen bist, um dir das Gedächtniß ein wenig anzufrischen. Diese verdammte Hexe Sycorax, war wegen manchfaltiger Übelthaten und Zaubereysünden, die zu ungeheuer sind, als daß ein menschliches Ohr sie ertragen könnte, wie du weist, von Argier verbannt; um eines einzigen willen das sie gethan hatte, wollten sie ihr das Leben nicht nehmen. Ists nicht so?

Ariel.

Ja, mein Herr.

Prospero. Diese blauaugichte Unholdin ward schwängern Leibes hiehergebracht, und von den Schiffleuten hier zurükgelassen; du, mein Sclave, warest nach deiner eignen Aussage, damals ihr Diener. Und weil du zu Verrichtung ihrer irdischen und abscheulichen Aufträge ein zu zärtlicher Geist warst, und ihre grossen Befehle ausschlugest; so schloß sie dich in ihrer unerbittlichen Wuth, mit Hülfe ihrer stärkern Diener in eine gespaltne Fichte, in deren Klamme eingekerkert du zwölf peinvolle Jahre verharren mußtest, bis sie starb und dich in diesem elenden Zustand ließ, worinn du die Gegend umher, soweit als man das Getöse von Mühlrädern hören kan, mit Ächzen und Winseln erfülltest. Damals war dieses Eiland, (ausser einem Sohn, den sie hier geworfen hatte, einen rothgeflekten ungestalten Wechselbalg) mit keiner menschlichen Gestalt geziert.

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