Romeo und Julia

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Dritte Szene

Ein Zimmer in Capulets Hause.

Gräfin Capulet und die Wärterin.

GRÄFIN CAPULET.

Ruft meine Tochter her: wo ist sie, Amme?

WÄRTERIN.

Bei meiner Jungferschaft im zwölften Jahr,

Ich rief sie schon. – He, Lämmchen! zartes Täubchen! –

Daß Gott! Wo ist das Kind? He, Juliette!

Julia kommt.

JULIA.

Was ist? Wer ruft mich?

WÄRTERIN.

Eure Mutter.

JULIA.

Hier bin ich, gnäd'ge Mutter! Was beliebt?

GRÄFIN.

Die Sach' ist diese! – Amme, geh beiseit',

Wir müssen heimlich sprechen. Amme, komm

Nur wieder her, ich habe mich besonnen:

Ich will dich mit zur Überlegung ziehn.

Du weißt, mein Kind hat schon ein hübsches Alter.

WÄRTERIN.

Das zähl' ich, meiner Treu, am Finger her.

GRÄFIN CAPULET.

Sie ist nicht vierzehn Jahre.

WÄRTERIN.

Ich wette vierzehn meiner Zähne drauf –

Zwar hab' ich nur vier Zähn', ich arme Frau –

Sie ist noch nicht vierzehn. Wie lang ist's bis Johannis?

GRÄFIN CAPULET.

Ein vierzehn Tag' und drüber.

WÄRTERIN.

Nu, drüber oder drunter. Just den Tag,

Johannistag zu Abend wird sie vierzehn.

Suschen und sie – Gott gebe jedem Christen

Das ew'ge Leben! – waren eines Alters.

Nun, Suschen ist bei Gott:

Sie war zu gut für mich. Doch wie ich sagte,

Johannistag zu Abend wird sie vierzehn.

Das wird sie, meiner Treu; ich weiß es recht gut.

Eilf Jahr ist's her, seit wir 's Erdbeben hatten:

Und ich entwöhnte sie (mein Leben lang

Vergess' ich's nicht) just auf denselben Tag.

Ich hatte Wermut auf die Brust gelegt,

Und saß am Taubenschlage in der Sonne;

Die gnäd'ge Herrschaft war zu Mantua.

(Ja, ja! ich habe Grütz' im Kopf!) Nun, wie ich sagte:

Als es den Wermut auf der Warze schmeckte

Und fand ihn bitter – närr'sches, kleines Ding –,

Wie's böse ward und zog der Brust ein G'sicht!

Krach! sagt der Taubenschlag; und ich, fürwahr,

Ich wußte nicht, wie ich mich tummeln sollte.

Und seit der Zeit ist's nun eilf Jahre her.

Denn damals stand sie schon allein; mein' Treu',

Sie lief und watschelt' euch schon flink herum.

Denn Tags zuvor fiel sie die Stirn entzwei,

Und da hob sie mein Mann – Gott hab ihn selig!

Er war ein lust'ger Mann – vom Boden auf.

»Ei«, sagt' er, »fällst du so auf dein Gesicht?

Wirst rücklings fallen, wenn du klüger bist.

Nicht wahr, mein Kind?« Und, liebe heil'ge Frau!

Das Mädchen schrie nicht mehr, und sagte: »Ja.«

Da seh' man, wie so 'n Spaß zum Vorschein kommt!

Und lebt' ich tausend Jahre lang, ich wette,

Daß ich es nie vergäß'. »Nicht wahr, mein Kind?« sagt' er,

Und 's liebe Närrchen ward still, und sagte: »Ja.«

GRÄFIN CAPULET.

Genug davon, ich bitte, halt' dich ruhig!

WÄRTERIN.

Ja, gnäd'ge Frau. Doch lächert's mich noch immer.

Wie 's Kind sein Schreien ließ und sagte: »Ja.«

Und saß ihm, meiner Treu, doch eine Beule,

So dick wie 'n Hühnerei, auf seiner Stirn,

Recht g'fährlich dick! und es schrie bitterlich.

Mein Mann, der sagte: »Ei, fällst aufs Gesicht?

Wirst rücklings fallen, wenn du älter bist.

Nicht wahr, mein Kind?« Still ward's, und sagte: »Ja.«

JULIA.

Ich bitt' dich, Amme, sei doch auch nur still!

WÄRTERIN.

Gut, ich bin fertig. Gott behüte dich!

Du warst das feinste Püppchen, das ich säugte.

Erleb' ich deine Hochzeit noch einmal,

So wünsch' ich weiter nichts.

GRÄFIN CAPULET.

Die Hochzeit, ja! das ist der Punkt, von dem

Ich sprechen wollte. Sag mir, liebe Tochter,

Wie steht's mit deiner Lust, dich zu vermählen?

JULIA.

Ich träumte nie von dieser Ehre noch.

WÄRTERIN.

Ein' Ehre! Hätt'st du eine andre Amme

Als mich gehabt, so wollt' ich sagen: Kind,

Du habest Weisheit mit der Milch gesogen.

GRÄFIN CAPULET.

Gut, denke jetzt dran; jünger noch als du

Sind angesehne Frau'n hier in Verona

Schon Mütter worden. Ist mir recht, so war

Ich deine Mutter in demselben Alter,

Wo du noch Mädchen bist. Mit einem Wort:

Der junge Paris wirbt um deine Hand.

WÄRTERIN.

Das ist ein Mann, mein Fräulein! Solch ein Mann

Als alle Welt – ein wahrer Zuckermann!

GRÄFIN CAPULET.

Die schönste Blume von Veronas Flor.

WÄRTERIN.

Ach ja, 'ne Blume! Gelt', 'ne rechte Blume!

GRÄFIN CAPULET.

Was sagst du? Wie gefällt dir dieser Mann?

Heut abend siehst du ihn bei unserm Fest.

Dann lies im Buche seines Angesichts,

In das der Schönheit Griffel Wonne schrieb;

Betrachte seiner Züge Lieblichkeit,

Wie jeglicher dem andern Zierde leiht.

Was dunkel in dem holden Buch geblieben,

Das lies in seinem Aug' am Rand geschrieben.

Und dieses Freiers ungebundner Stand,

Dies Buch der Liebe, braucht nur einen Band.

Der Fisch lebt in der See, und doppelt teuer

Wird äußres Schön' als innrer Schönheit Schleier.

Das Buch glänzt allermeist im Aug' der Welt,

Das goldne Lehr' in goldnen Spangen hält:

So wirst du alles, was er hat, genießen,

Wenn du ihn hast, ohn' etwas einzubüßen.

WÄRTERIN.

Einbüßen? Nein, zunehmen wird sie eher;

Die Weiber nehmen oft durch Männer zu.

GRÄFIN CAPULET.

Sag kurz: fühlst du dem Grafen dich geneigt?

JULIA.

Gern will ich sehn, ob Sehen Neigung zeugt:

Doch weiter soll mein Blick den Flug nicht wagen,

Als ihn die Schwingen Eures Beifalls tragen.

Ein Bedienter kommt.

DER BEDIENTE. Gnädige Frau, die Gäste sind da, das Abendessen auf dem Tisch, Ihr werdet gerufen, das Fräulein gesucht, die Amme in der Speisekammer zum Henker gewünscht, und alles geht drunter und drüber. Ich muß fort, aufwarten: ich bitte Euch, kommt unverzüglich!

GRÄFIN CAPULET.

Gleich! – Paris wartet. Julia, komm geschwind!

WÄRTERIN.

Such' frohe Nächt' auf frohe Tage, Kind!

Ab.

Vierte Szene

Eine Straße.

Romeo, Mercutio, Benvolio, mit fünf oder sechs Masken, Fackelträgern und anderen.

ROMEO.

Soll diese Red' uns zur Entschuld'gung dienen?

Wie? oder treten wir nur grad' hinein?

BENVOLIO.

Umschweife solcher Art sind nicht mehr Sitte.

Wir wollen keinen Amor, mit der Schärpe

Geblendet, der den buntbemalten Bogen

Wie ein Tatar geschnitzt aus Latten trägt,

Und wie ein Vogelscheu die Frauen schreckt;

Auch keinen hergebeteten Prolog,

Wobei viel zugeblasen wird, zum Eintritt.

Laßt sie uns nur, wofür sie wollen, nehmen,

Wir nehmen ein paar Tänze mit und gehn.

ROMEO.

Ich mag nicht springen; gebt mir eine Fackel!

Da ich so finster bin, so will ich leuchten.

MERCUTIO.

Nein, du mußt tanzen, lieber Romeo.

ROMEO.

Ich wahrlich nicht. Ihr seid so leicht von Sinn

Als leicht beschuht: mich drückt ein Herz von Blei

Zu Boden, daß ich kaum mich regen kann.

MERCUTIO.

Ihr seid ein Liebender: borgt Amors Flügel,

Und schwebet frei in ungewohnten Höh'n!

ROMEO.

Ich bin zu tief von seinem Pfeil durchbohrt,

Auf seinen leichten Schwingen hoch zu schweben.

Gewohnte Fesseln lassen mich nicht frei;

Ich sinke unter schwerer Liebeslast.

MERCUTIO.

Und wolltet Ihr denn in die Liebe sinken?

Ihr seid zu schwer für ein so zartes Ding.

ROMEO.

Ist Lieb' ein zartes Ding? Sie ist zu rauh,

Zu wild, zu tobend; und sie sticht wie Dorn.

MERCUTIO.

Begegnet Lieb' Euch rauh, so tut desgleichen!

Stecht Liebe, wenn sie sticht: das schlägt sie nieder.

Zu einem andern aus dem Gefolge.

Gebt ein Gehäuse für mein Antlitz mir:

'ne Larve für 'ne Larve!

Bindet die Maske vor.

Nun erspähe

Die Neugier Mißgestalt: was kümmert's mich?

Erröten wird für mich dies Wachsgesicht.

BENVOLIO.

Fort! Klopft, und dann hinein! Und sind wir drinnen,

So rühre gleich ein jeder flink die Beine!

ROMEO.

Mir eine Fackel! Leichtgeherzte Buben,

Die laßt das Estrich mit den Sohlen kitzeln:

Ich habe mich verbrämt mit einem alten

Großvaterspruch: »Wer 's Licht hält, schauet zu!«

 

Nie war das Spiel so schön; doch ich bin matt.

MERCUTIO.

Jawohl zu matt, dich aus dem Schlamme – nein,

Der Liebe, wollt' ich sagen – dich zu ziehn,

Worin du leider steckst bis an die Ohren.

Macht fort! Wir leuchten ja dem Tage hier.

ROMEO.

Das tun wir nicht.

MERCUTIO.

Ich meine, wir verscherzen,

Wie Licht bei Tag', durch Zögern unsre Kerzen.

Nehmt meine Meinung nach dem guten Sinn,

Und sucht nicht Spiele des Verstandes drin!

ROMEO.

Wir meinen's gut, da wir zum Balle gehen,

Doch es ist Unverstand.

MERCUTIO.

Wie? laßt doch sehen!

ROMEO.

Ich hatte diese Nacht 'nen Traum.

MERCUTIO.

Auch ich.

ROMEO.

Was war der Eure?

MERCUTIO.

Daß auf Träume sich

Nichts bauen läßt, daß Träume öfters lügen.

ROMEO.

Sie träumen Wahres, weil sie schlafend liegen.

MERCUTIO.

Nun seh' ich wohl, Frau Mab hat Euch besucht.

ROMEO.

Frau Mab, wer ist sie?

MERCUTIO.

Sie ist der Feenwelt Entbinderin.

Sie kömmt, nicht größer als der Edelstein

Am Zeigefinger eines Aldermanns,

Und fährt mit einem Spann von Sonnenstäubchen

Den Schlafenden quer auf der Nase hin.

Die Speichen sind gemacht aus Spinnenbeinen,

Des Wagens Deck' aus eines Heupferds Flügeln,

Aus feinem Spinngewebe das Geschirr,

Die Zügel aus des Mondes feuchtem Strahl;

Aus Heimchenknochen ist der Peitsche Griff,

Die Schnur aus Fasern; eine kleine Mücke

Im grauen Mantel sitzt als Fuhrmann vorn,

Nicht halb so groß als wie ein kleines Würmchen,

Das in des Mädchens müß'gem Finger nistet.

Die Kutsch' ist eine hohle Haselnuß,

Vom Tischler Eichhorn oder Meister Wurm

Zurecht gemacht, die seit uralten Zeiten

Der Feen Wagner sind. In diesem Staat

Trabt sie dann Nacht für Nacht; befährt das Hirn

Verliebter, und sie träumen dann von Liebe;

Des Schranzen Knie, der schnell von Reverenzen,

Des Anwalts Finger, der von Sporteln gleich,

Der schönen Lippen, die von Küssen träumen

(Oft plagt die böse Mab mit Bläschen diese,

Weil ihren Odem Näscherei verdarb).

Bald trabt sie über eines Hofmanns Nase,

Dann wittert er im Traum sich Ämter aus.

Bald kitzelt sie mit eines Zinshahns Federn

Des Pfarrers Nase, wenn er schlafend liegt:

Von einer bessern Pfründe träumt ihm dann.

Bald fährt sie über des Soldaten Nacken:

Der träumt sofort von Niedersäbeln, träumt

Von Breschen, Hinterhalten, Damaszenern,

Von manchem klaftertiefen Ehrentrunk;

Nun trommelt's ihm ins Ohr; da fährt er auf,

Und flucht in seinem Schreck ein paar Gebete,

Und schläft von neuem. Eben diese Mab

Verwirrt der Pferde Mähnen in der Nacht,

Und flicht in strupp'ges Haar die Weichselzöpfe,

Die, wiederum entwirrt, auf Unglück deuten.

Dies ist die Hexe, welche Mädchen drückt,

Die auf dem Rücken ruhn, und ihnen lehrt,

Als Weiber einst die Männer zu ertragen.

Dies ist sie –

ROMEO.

Still, o still, Mercutio!

Du sprichst von einem Nichts.

MERCUTIO.

Wohl wahr, ich rede

Von Träumen, Kindern eines müß'gen Hirns,

Von nichts als eitler Phantasie erzeugt,

Die aus so dünnem Stoff als Luft besteht

Und flücht'ger wechselt, als der Wind, der bald

Um die erfrorne Brust des Nordens buhlt

Und, schnell erzürnt, hinweg von dannen schnaubend,

Die Stirn zum taubeträuften Süden kehrt.

BENVOLIO.

Der Wind, von dem Ihr sprecht, entführt uns selbst.

Man hat gespeist; wir kamen schon zu spät.

ROMEO.

Zu früh, befürcht' ich; denn mein Herz erbangt,

Und ahndet ein Verhängnis, welches, noch

Verborgen in den Sternen, heute nacht

Bei dieser Lustbarkeit den furchtbar'n Zeitlauf

Beginnen, und das Ziel des läst'gen Lebens,

Das meine Brust verschließt, mir kürzen wird

Durch irgendeinen Frevel frühen Todes:

Doch er, der mir zur Fahrt das Steuer lenkt,

Richt' auch mein Segel! – Auf, ihr lust'gen Freunde!

BENVOLIO.

Rührt Trommeln!

Gehn ab.

Fünfte Szene

Ein Saal in Capulets Hause.

Musikanten. Bediente kommen.

ERSTER BEDIENTE. Wo ist Schmorpfanne, daß er nicht abräumen hilft? Daß dich! mit seinem Tellermausen, seinem Tellerlecken!

ZWEITER BEDIENTE. Wenn die gute Lebensart in eines odei zweier Menschen Händen sein soll, die noch obendrein ungewaschen sind, – 's ist ein unsaubrer Handel.

ERSTER BEDIENTE. Die Lehnstühle fort! Rückt den Schenktisch beiseit! Seht nach dem Silberzeuge! Kamerad, heb mir ein Stück Marzipan auf, und wo du mich lieb hast, sag dem Pförtner, daß er Suse Mühlstein und Lene hereinläßt. Anton! Schmorpfanne!

Andre Bediente kommen.

BEDIENTE. Hier, Bursch, wir sind parat.

ERSTER BEDIENTE. Im großen Saale verlangt man euch, vermißt man euch, sucht man euch.

BEDIENTE. Wir können nicht zugleich hier und dort sein. – Lustig, Kerle! Haltet euch brav; wer am längsten lebt, kriegt den ganzen Bettel.

Sie ziehen sich in den Hintergrund zurück.

Capulet u.s.w. mit den Gästen und Masken.

CAPULET.

Willkommen, meine Herren! Wenn eure Füße

Kein Leichdorn plagt, ihr Damen, flink ans Werk!

He, he, ihr schönen Frau'n! Wer von euch allen

Schlägt's nun wohl ab zu tanzen? Ziert sich eine, – die,

Ich wette, die hat Hühneraugen. Nun,

Hab' ich's euch nahgelegt? Ihr Herrn, willkommen!

Ich weiß die Zeit, da ich 'ne Larve trug

Und einer Schönen eine Weis' ins Ohr

Zu flüstern wußte, die ihr wohlgefiel.

Das ist vorbei, vorbei! Willkommen, Herren!

Kommt, Musikanten, spielt! Macht Platz da, Platz!

Ihr Mädchen, frisch gesprungen!

Musik und Tanz. Zu den Bedienten.

Mehr Licht, ihr Schurken, und beiseit' die Tische!

Das Feuer weg! Das Zimmer ist zu heiß. –

Ha, recht gelegen kömmt der unverhoffte Spaß.

Na, setzt Euch, setzt Euch, Vetter Capulet!

Wir beide sind ja übers Tanzen hin.

Wie lang' ist's jetzo, seit wir uns zuletzt

In Larven steckten?

ZWEITER CAPULET.

Dreißig Jahr, mein' Seel'.

CAPULET.

Wie, Schatz? So lang' noch nicht, so lang' noch nicht!

Denn seit der Hochzeit des Lucentio

Ist's etwa fünfundzwanzig Jahr, sobald

Wir Pfingsten haben; und da tanzten wir.

ZWEITER CAPULET.

's ist mehr, 's ist mehr! Sein Sohn ist älter, Herr:

Sein Sohn ist dreißig.

CAPULET.

Sagt mir das doch nicht!

Sein Sohn war noch nicht mündig vor zwei Jahren.

ROMEO zu einem Bedienten aus seinem Gefolge.

Wer ist das Fräulein, welche dort den Ritter

Mit ihrer Hand beehrt?

DER BEDIENTE.

Ich weiß nicht, Herr.

ROMEO.

Oh, sie nur lehrt den Kerzen, hell zu glühn!

Wie in dem Ohr des Mohren ein Rubin,

So hängt der Holden Schönheit an den Wangen

Der Nacht: zu hoch, zu himmlisch dem Verlangen!

Sie stellt sich unter den Gespielen dar

Als weiße Taub' in einer Krähenschar.

Schließt sich der Tanz, so nah' ich ihr: ein Drücken

Der zarten Hand soll meine Hand beglücken.

Liebt' ich wohl je? Nein, schwör' es ab, Gesicht!

Du sahst bis jetzt noch wahre Schönheit nicht.

TYBALT.

Nach seiner Stimm' ist dies ein Montague.

Zu einem Bedienten.

Hol' meinen Degen, Bursch! –Was? wagt der Schurk',

Vermummt in eine Fratze herzukommen,

Zu Hohn und Schimpfe gegen unser Fest?

Fürwahr, bei meines Stammes Ruhm und Adel!

Wer tot ihn schlüg', verdiente keinen Tadel!

CAPULET.

Was habt Ihr, Vetter? Welch ein Sturm? Wozu?

TYBALT.

Seht, Oheim! der da ist ein Montague.

Der Schurke drängt sich unter Eure Gäste

Und macht sich einen Spott an diesem Feste.

CAPULET.

Ist es der junge Romeo?

TYBALT.

Der Schurke Romeo.

CAPULET.

Seid ruhig, Herzensvetter! Laßt ihn gehn!

Er hält sich wie ein wackrer Edelmann:

Und in der Tat, Verona preiset ihn

Als einen sitt'gen, tugendsamen Jüngling.

Ich möchte nicht für alles Gut der Stadt

In meinem Haus ihm einen Unglimpf tun.

Drum seid geduldig: merket nicht auf ihn!

Das ist mein Will', und wenn du diesen ehrst,

So zeig' dich freundlich, streif' die Runzeln weg,

Die übel sich bei einem Feste ziemen!

TYBALT.

Kömmt solch ein Schurk' als Gast, so stehn sie wohl.

Ich leid' ihn nicht.

CAPULET.

Er soll gelitten werden,

Er soll! – Herr Junge, hört er das? Nur zu!

Wer ist hier Herr? Er oder ich? Nur zu!

So? will er ihn nicht leiden! – Helf' mir Gott! –

Will Hader unter meinen Gästen stiften?

Den Hahn im Korbe spielen? Seht mir doch!

TYBALT.

Ist's nicht 'ne Schande, Oheim?

CAPULET.

Zu! Nur zu!

Ihr seid ein kecker Bursch. Ei, seht mir doch!

Der Streich mag Euch gereun: ich weiß schon was.

Ihr macht mir's bunt! Traun, das käm' eben recht! –

Brav, Herzenskinder! – Geht, Ihr seid ein Hase!

Seid ruhig, sonst – Mehr Licht, mehr Licht, zum Kuckuck! –

Will ich zur Ruh' Euch bringen! – Lustig, Kinder!

TYBALT.

Mir kämpft Geduld aus Zwang mit will'ger Wut

Im Innern und empört mein siedend Blut.

Ich gehe: doch so frech sich aufzudringen,

Was Lust ihm macht, soll bittern Lohn ihm bringen.

Geht ab.

ROMEO tritt zu Julien.

Entweihet meine Hand verwegen dich,

O Heil'genbild, so will ich's lieblich büßen.

Zwei Pilger, neigen meine Lippen sich,

Den herben Druck im Kusse zu versüßen.

JULIA.

Nein, Pilger, lege nichts der Hand zu schulden

Für ihren sittsam-andachtsvollen Gruß.

Der Heil'gen Rechte darf Berührung dulden,

Und Hand in Hand ist frommer Waller Kuß.

ROMEO.

Hat nicht der Heil'ge Lippen wie der Waller?

JULIA.

Ja, doch Gebet ist die Bestimmung aller.

ROMEO.

Oh, so vergönne, teure Heil'ge, nun,

Daß auch die Lippen wie die Hände tun.

Voll Inbrunst beten sie zu dir: erhöre,

Daß Glaube nicht sich in Verzweiflung kehre!

JULIA.

Du weißt, ein Heil'ger pflegt sich nicht zu regen,

Auch wenn er eine Bitte zugesteht.

ROMEO.

So reg' dich, Holde, nicht, wie Heil'ge pflegen,

Derweil mein Mund dir nimmt, was er erfleht.

Er küßt sie.

Nun hat dein Mund ihn aller Sünd' entbunden.

JULIA.

So hat mein Mund zum Lohn sie für die Gunst?

ROMEO.

Zum Lohn die Sünd'? O Vorwurf, süß erfunden!

Gebt sie zurück!

Küßt sie wieder.

JULIA.

Ihr küßt recht nach der Kunst.

WÄRTERIN.

Mama will Euch ein Wörtchen sagen, Fräulein.

 

ROMEO.

Wer ist des Fräuleins Mutter?

WÄRTERIN.

Ei nun, Junker,

Das ist die gnäd'ge Frau vom Hause hier,

Gar eine wackre Frau, und klug und ehrsam.

Die Tochter, die Ihr spracht, hab' ich gesäugt.

Ich sag' Euch, wer sie habhaft werden kann,

Ist wohl gebettet.

ROMEO.

Sie ein' Capulet! O teurer Preis! mein Leben

Ist meinem Feind als Schuld dahingegeben.

BENVOLIO.

Fort! Laßt uns gehn; die Lust ist bald dahin.

ROMEO.

Ach, leider wohl! Das ängstet meinen Sinn.

CAPULET.

Nein, liebe Herrn, denkt noch ans Weggehn nicht!

Ein kleines, schlechtes Mahl ist schon bereitet. –

Muß es denn sein? – Nun wohl, ich dank' euch allen;

Ich dank' euch, edle Herren! Gute Nacht!

Mehr Fackeln her! – Kommt nun, bringt mich zu Bett!

(Wahrhaftig, es wird spät; ich will zur Ruh'.)

Alle ab, außer Julia und die Wärterin.

JULIA.

Komm zu mir, Amme: wer ist dort der Herr?

WÄRTERIN.

Tiberios, des alten, Sohn und Erbe.

JULIA.

Wer ist's, der eben aus der Türe geht?

WÄRTERIN.

Das, denk' ich, ist der junge Marcellin.

JULIA.

Wer folgt ihm da, der gar nicht tanzen wollte?

WÄRTERIN.

Ich weiß nicht.

JULIA.

Geh, frage, wie er heißt. – Ist er vermählt,

So ist das Grab zum Brautbett mir erwählt.

WÄRTERIN kommt zurück.

Sein Nam ist Romeo, ein Montague,

Und Eures großen Feindes ein'ger Sohn.

JULIA.

So ein'ge Lieb' aus großem Haß entbrannt!

Ich sah zu früh, den ich zu spät erkannt.

Oh, Wunderwerk! ich fühle mich getrieben,

Den ärgsten Feind aufs zärtlichste zu lieben.

WÄRTERIN.

Wieso? wieso?

JULIA.

Es ist ein Reim, den ich von einem Tänzer

Soeben lernte.

Man ruft drinnen: »Julia!«

WÄRTERIN.

Gleich! wir kommen ja.

Kommt, laßt uns gehn; kein Fremder ist mehr da.

Ab.

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