Die zwölf Jünger Jesu

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1.2.3.4.2 Mt 10,2a-5b

V.2b-4: πρῶτος Σίμων ὁ λεγόμενος Πέτρος καὶ Ἀνδρέας ὁ ἀδελφὸς αὐτοῦ, καὶ Ἰάκωβος ὁ τοῦ Ζεβεδαίου καὶ Ἰωάννης ὁ ἀδελφὸς αὐτοῦ, Φίλιππος καὶ Βαρθολομαῖος, Θωμᾶς καὶ Μαθθαῖος ὁ τελώνης, Ἰάκωβος ὁ τοῦ Ἁλφαίου καὶ Θαδδαῖος, Σίμων ὁ Καναναῖος καὶ Ἰούδας ὁ Ἰσκαριώτης ὁ καὶ παραδοὺς αὐτόν. Die Namenliste in Mt 10,2b-4 ist der eindeutigste Beweis für das Interesse des Evangelisten am Zwölferkreis. Diese offenbart die genaue Zusammensetzung des Zwölferkreises, indem sie den Erzählfluss unterbricht und zwölf Personen Name für Name auflistet, wobei sieben bis dato unbekannte Personen als Jünger Jesu ausgewiesen werden. Auffallend ist, dass der Evangelist die zwölf Personen mit gelegentlichen zusätzlichen Angaben zu Verwandtschaft, Beruf oder Herkunft ausstattet und sie dadurch als bestimmte und unwiederholbare historische Personen ausweist, wodurch die Gefahr der Verwechselbarkeit entscheidend verringert wird.1 Ein starkes Argument für die historische Funktion der Namenliste ist, dass sechs der zwölf Personen nirgendwo sonst im MtEv namentlich erwähnt werden.2 Jedenfalls wird durch die Verbindung mit Mt 28,16-20 deutlich, dass der Zwölferkreis bereits vor Jesu Auferstehung an seinem Werk beteiligt war und nach Jesu Auferstehung sein Werk fortführen sollte.3 Diese Liste der Jünger Jesu kann man übrigens auch als Gegenüber zur Liste der Vorfahren Jesu betrachten: die Genealogie beschreibt die Geschichte vor Jesus und die Jüngerliste beschreibt die Geschichte nach Jesus.4 Neben der Unverwechselbarkeit und Historizität der Zwölf hat die Namenliste möglicherweise auch die Funktion, die Vielfalt in der Zusammensetzung des Zwölferkreises auszudrücken, wobei diese Funktion der ersteren untergeordnet wäre. Die Vielfalt hat eine sozial-politische Sprengkraft, weil hier ansonsten gesellschaftlich separate Gruppierungen durch ihr enges Verhältnis zu Jesus vereint sind.

Die innere Ordnung der Namenliste Mt 10,2b-4 sagt ebenfalls etwas über die Funktion des Zwölferkreises als Ganzes aus. Die innere Ordnung besteht erstens in einer Reihenfolge, angefangen mit Petrus bis hin zu Judas Iskarioth. Dass diese Reihenfolge wertend gemeint ist, also eine gruppeninterne Rangfolge beschreibt, zeigt erstens die Letztplatzierung von Judas Iskarioth, der von Anfang an als der spätere Verräter Jesu identifiziert wird, und zweitens – im bewussten Kontrast zu Judas – die Erstplatzierung von Petrus, der als wichtigster Jünger des Zwölferkreises gilt. Denn Petrus wird als erster berufen (4,18f), er spricht häufig im Namen der Gruppe und er gilt als „Fels“ der Kirche (16,18). Deswegen drückt πρῶτος Σίμων in V.2b keine einfache Reihenfolge im Sinne von „als Erster“ (hinsichtlich der Berufungen oder der Auflistung) aus, sondern eine Rangordnung im Sinne von „der Wichtigste“ oder „der Angesehenste“.5 Im Kontrast zu Judas dürfte weniger die Wichtigkeit oder Machtfülle im Vordergrund stehen, als vielmehr das Ansehen. Auch die Auflistung der drei nächsten Jünger Andreas, Jakobus und Johannes belegt, dass die Namenliste eine Rangfolge impliziert, da Petrus und die beiden Zebedaiden Jakobus und Johannes an etlichen Stellen des MtEv von Jesus „bevorzugt“ behandelt werden, insbesondere bei seiner Verklärung in 17,1-14 und im Garten Gethsemane in 26,37-46.6 Der mögliche Einwand, dass Andreas noch vor den beiden Zebedaiden genannt wird, und die alternative These, dass man deswegen in der Namenliste eher eine Berufungschronologie widergespielt sehen müsste, können durch die Erklärung entkräftet werden, dass Andreas eine Ausnahme darstellt: Andreas wird zusammen mit Petrus genannt, weil beide miteinander verwandt sind. Eine andere Platzierung von Andreas würde außerdem nicht in die Zwei-Personen-Gruppierung der Namenliste passen, zumal die Zebedaidenbrüder zusammengehören. Für den besonderen Status der ersten drei (oder vier?) spricht auch die Konjunktion καί, die nur hier zwischen den Paaren Petrus + Andreas und Jakobus + Johannes eingefügt ist, und somit die sonstige Struktur (Name – καί – Name – Komma – Name – καί – Name – Komma usw.) durchbricht. Weil die ersten vier Jünger in besonderer Weise hervorgehoben werden und ansonsten die zwölf Jünger paarweise genannt werden, liegt keine 3 x 4 Einteilung vor, wie z.B. in Apk 21 (in Entsprechung zu den Himmelsrichtungen) oder in 1QM III, 14-15 (je drei Stämme im Lager) oder in Ex 28,17-21 (vier Reihen von je drei Edelsteinen auf der Brusttasche des Hohepriesters, die für die 12 Stämme stehen).7 Die plausibelste Erklärung für die Einteilung in Paare dürften die synoptischen Parallelen nennen: die Zwölf (Mk 6,7) und die Siebzig (Lk 10,1; nicht aber die Zwölf in Lk 9,1-6) werden paarweise ausgesandt. Die paarweise Aussendung hat eine Parallele in Mt 18,16 (evtl. auch 18,20; evtl. 21,1), wonach zwei oder drei Personen als Zeugen bei der Korrektur des sündigenden „Bruders“ zugegen sind. Obwohl das AT von der paarweisen Aussendung nicht berichtet, ist sie vermutlich im atl Zeugenrecht begründet (vgl. Dtn 17,6; 19,15).8 Dennoch: dass Jesus die Zwölf hier in Mt 10 tatsächlich paarweise ausgesandt hätte, ist am Text selbst nicht belegbar.

V.2a: Τῶν δὲ δώδεκα ἀποστόλων. V.5a. Τούτους τοὺς δώδεκα ἀπέστειλεν ὁ Ἰησοῦς. V.5b: παραγγείλας αὐτοῖς λέγων·. Aus den beiden Verben ἀπέστειλεν und παραγγείλας lassen sich folgende Aspekte für die Bedeutung des Zwölferkreises ableiten.9 Erstens: Das Verb ἀποστέλλω, das 22 Mal im MtEv vorkommt,10 bedeutet laut BA zuallererst „absenden, aussenden“.11 In der Unterkategorie 1.c. folgen bei BA auf die Formulierung „bes. v.d. Aussendung d. Jünger durch Jesus“ zunächst die Stellen Mt 10,5; Mk 3,14; 6,7; Lk 9,2; Joh 4,38; 17,18, bevor der Satz fortgesetzt wird mit „sowie d. Aussendung Jesu durch Gott“, wozu zwischen Klammern stehend angemerkt wird „von der göttl. Sendung, bes. auch der Propheten sehr oft in LXX. […]“, was z.B. Mt 15,24 belege. Die bei LN für uns relevante Definition und Bedeutung von ἀποστέλλω lautet: „to cause someone to depart for a particular purpose – ,to send.‘“12 Folgt man also BA und LN, so lässt sich ἀποστέλλω in V.5a allgemein als „aussenden“ oder „absenden“ verstehen. D.h., dass dem Verb selbst keine besondere theologische Bedeutung innewohnt. Zweitens: Dennoch hat das Verb ἀποστέλλω dieselbe Wortwurzel wie das Substantiv ἀπόστολος. Daraus folgt: Wenn das Verb sowohl in V.5a als auch in V.16a gebraucht wird, um zu beschreiben, dass Jesus die zwölf Jünger ausgesandt hat, dann ist jeweils ihre Aufgabe bzw. Funktion als „Apostel“ mit im Blick (zu ἀπόστολος gleich mehr). Drittens: Wenn nun Mt hier davon berichtet, dass Jesus die Zwölf aussendet, dann erfüllt sich, worum in 9,38 die Jünger Gott bitten sollten, nämlich Erntearbeiter „auszusenden“ (9,38b: ἐκβάλῃ). Demnach ist es Gott selbst, der ihr Gebet erhört, indem er durch Jesus die Zwölf aussendet. Die nächsten beiden Aspekte treten durch die Verbindungen zum Verb ἀποστείλαντα in V.40 und zum Verb ἀπεστάλην in 15,24 hervor.13 Viertens: die Zwölf sind das letzte Teil einer zweigliedrigen „Sendungskette“: Gott sandte Jesus, und dieser wiederum sandte die zwölf Jünger. So wird zum wiederholten Mal deutlich, dass letztlich Gott hinter der Aussendung der Zwölf steht. Fünftens: nicht nur die Zwölf werden (durch Jesus) zum Volk Israel ausgesandt, sondern auch Jesus (durch Gott). D.h., dass Jesus seine eigene Sendung zum Volk Israel (auch) durch die Sendung der Zwölf ausführt. Sechstens: Eine einfache, aber dennoch zentrale Erkenntnis, die aus V.5a resultiert, ist, dass Jesus das Subjekt und die zwölf Jünger das Objekt der Handlung „senden“ sind. D.h., dass die Zwölf Jesu Auftrag ausführen. Siebtens: παραγγείλας ist ein participium coniunctum, das durch einen modalen Adverbialsatz aufgelöst werden sollte, der entweder durch „wobei“ oder durch „indem“ eingeleitet werden kann.14 Obwohl der „Befehl“ – inklusive der folgenden langen direkten Rede V.5-42 – der Hauptinhalt der „Aussendung“ ist, lässt sich nicht ausschließen, dass Jesus die Aussendung durch weitere Handlungen begleitete. Folglich spricht etwas mehr für das einleitende Wort „wobei“. Das Verb παραγγείλας betont einen Aspekt, der bereits durch das Verb ἀποστέλλω angedeutet ist: das Verhältnis zwischen sendender Person und gesandter Person ist asymetrisch (vgl. Joh 13,16), denn Jesus als der hierarchisch Übergeordnete hat das Recht „ihnen“ (αὐτοῖς), also seinen zwölf Jüngern, zu „befehlen“ bzw. ihnen „anzuordnen“, dass und was sie ausführen sollen. Mit anderen Worten: die Zwölf sind Jesus gegenüber verpflichtet. Angesichts Jesu besonderer Autorität ist nicht zu erwarten, dass einer der zwölf Jünger die Ausführung des Befehls verweigern könnte. Achtens: Auffallend sind die beiden Gegenbewegungen: nachdem Jesus in V.1a die Zwölf näher zu sich geholt hatte, schickt er sie nun wieder von sich weg.

Das Substantiv ἀπόστολος taucht im MtEv ein einziges Mal auf.15 Laut BA bedeutet es „Abgesandter, Bote“ und kann sich auf drei verschiedene Personengruppen beziehen:16 erstens auf solche, auf die die allgemeine Bedeutung zutrifft,17 zweitens auf „Sendboten Gottes“, die neben den Propheten aufgeführt werden,18 wozu laut Hebr 3,1 auch Christus gehört, und drittens auf eine Gruppe „bes. hochgeschätzter Gläubiger, denen eine bestimmte Tätigkeit obliegt.“ Diese dritte Gruppe ist für uns besonders relevant, weil BA hier u.a. Mt 10,2 anführt. Es ist bemerkenswert, dass BA darunter offensichtlich ein „Amt“ versteht.19 Zu der dritten Gruppen gehören laut BA „Verkündiger des Evangeliums“, z.B. Paulus, der sich selbst „Apostel“ nennt, dann die „Zwölf Apostel“, wozu BA u.a. unsere Stelle Mt 10,2 zählt, und darüber hinaus weitere „Apostel“, die häufig Inhaber eines Gemeindeamtes sind und im Zusammenhang mit weiteren Gemeindeämtern stehen. LN dagegen kennt zu ἀπόστολος lediglich zwei Bedeutungen: erstens „apostle, special messenger“ und zweitens „messenger“. Die erste Bedeutung definiert LN wie folgt: „one who fulfills the role of being a special messenger (generally restricted to the immediate followers of Jesus Christ, but also extended, as in the case of Paul, to other early Christians active in proclaiming the message of the gospel)“. Weiter heißt es: „The relationship of an apostle to Jesus Christ is sometimes expressed as ,being Christ’s messenger‘ or ,being a special messenger of Jesus Christ.‘ In such a phrase, the term ,special‘ refers to having been commissioned by Jesus Christ for a particular task or role.“20 Im Vergleich zwischen BA und LN fallen zwei Punkte auf: Erstens schafft BA für die Sendung durch Gott eine eigene Unterkategorie. Eine derartige Sendung lässt sich bei LN unter der ersten Bedeutung „apostle, special messenger“ einordnen. Die letzten beiden Personengruppen bei BA lassen sich zusammenfassen. Dadurch würden sich mögliche falsche Alternativen vermeiden, da Gott häufig indirekt als der eigentliche Sender bzw. Auftraggeber angesehen wird, wenn Jesus Apostel aussendet (wie oben im Zusammenhang mit ἀποστέλλω für Mt 10 festgestellt) oder die Gemeinde Apostel beauftragt. Eine solche Unterteilung in zwei Kategorien fehlt interessanterweise bei BAs Besprechung des Verbs ἀποστέλλω (s.o.). Zweitens fällt auf, dass BA das Wort „Amt“ gebraucht, während LN stattdessen von einer bestimmten Aufgabe („particular task“) oder Funktion („role“) spricht. M.E. sollte man im Zusammenhang von Mt 10 auf den Begriff „Amt“ verzichten, weil er missverständlich ist, da er an eine Institution denken lässt. Das führt aber zu der Frage, welcher Art und welcher Dauer die bestimmte Tätigkeit / Aufgabe („task“) / Funktion („role“) ist, zu der Jesus seine zwölf Jünger in Mt 10 aussendet. Zu der Antwort auf diese Frage gehören folgende Punkte. Erstens: Aus dem einmaligen Vorkommen von ἀπόστολος darf nicht abgeleitet werden, dass der Evangelist oder die Leser und Hörer des MtEv gar kein oder nur ein geringes Interesse am Konzept „Apostel“ hätten.21 Theoretisch hätten die Personen, deren Aussendung durch das Verb ἀποστέλλω beschrieben wird, in dem jeweiligen Zusammenhang auch „Apostel“ genannt werden können.22 Damit hängt der zweite Punkt zusammen: Aus der einmaligen Bezeichnung der zwölf Jünger als „Apostel“ darf nicht abgeleitet werden, dass das Apostel-Sein der zwölf Jünger unwichtig sei.23 Dagegen lässt sich erstens einwenden, dass man stattdessen daran festhalten sollte, dass die Zwölf mit dem Substantiv „Apostel“ bezeichnet werden. Theoretisch ließe sich das Argument sogar umkehren: weil der Evangelist ἀπόστολος nur einziges Mal gebrauche, im Kontrast zu ganzen 22 Vorkommen von ἀποστέλλω, habe er diese Bezeichnung bewusst für den Zwölferkreis reserviert. Dagegen lässt sich zweitens sagen, dass das Konzept der Apostolizität durch alternative Wörter be- und umschrieben werden kann. Das ist in der Aussendungsrede tatsächlich der Fall, was z.B. in V.5-15 die Parallelen zu Jesu Tun oder in V.40 die Gleichsetzung der Jünger mit Jesus belegen. Drittens: Aus der Tatsache, dass die Zwölf im MtEv lediglich im Zusammenhang der Aussendungsrede „Apostel“ genannt werden, ließe sich einerseits die Schlussfolgerung ziehen, dass sich dieser Begriff auf diese besondere, evtl. zeitlich begrenzte (vgl. aber 10,23) „Mission“ mit einer bestimmten Aufgabe beschränkt. Denn eine Formulierung wie z.B. „die Apostel genannt werden“ (so in Lk 6,13), die für eine allgemein übliche Bezeichnung der Zwölf als „Apostel“ gesprochen hätte, fehlt bekanntlich im MtEv. Andererseits ist es wohl kein Zufall, dass das einzige Vorkommen von ἀπόστολος gerade dort platziert ist, wo zum ersten und letzten Mal die Namenliste des Zwölferkreises erscheint.24 Daraus ließe sich schließen, dass die Zwölf grundsätzlich als „Apostel“ gelten, insbesondere (oder ausschließlich?) dann, wenn sie ausführen, wozu Jesus sie beauftragt hat. Sollte das stimmen, dann würde die Bezeichnung „Apostel“ im MtEv abgesehen von Mt 10 aufgrund der ausgeprägten Parallelität besonders auf 28,18-20 zutreffen.25 Viertens: Es ist an dieser Stelle nicht notwendig, die Begriffsgeschichte oder die traditionsgeschichtliche Entwicklung des Begriffs ἀπόστολος oder des Konzepts eines Apostolats nachzuzeichnen.26 So lässt sich eine einfache und direkte Abstammung der ntl Apostel-Vorstellungen vom sogenannten „Schaliach-Institut“ nicht nachweisen.27 Stattdessen genügt es hier festzuhalten, dass die Beschreibung der zwölf Apostel in Mt 10 Parallelen aufweist, erstens zum frühchristlichen „Erscheinungsapostolat“28 und zweitens zum rabbinischen „Schaliach-Institut“.29 Doch wichtiger als diese Parallelen sind diejenigen zwischen Mt 10 und atl Propheten.30 Daraus lässt sich ableiten, dass die Zwölf – wie zuvor atl Propheten – von Gott dazu beauftragt werden, ihn und sein Wort unter den Menschen zu vertreten (vgl. dazu v.a. V.40).31 Um es bildhaft zu sagen: Gott steht nicht nur „hinter“ den zwölf Jüngern und ihrem Missionsauftrag, sondern Gott ist in gewisser Weise „in“, „bei“ und „mit“ den zwölf Jüngern. Indem die Zwölf als „Apostel“ stellvertretend für Jesus sowie für Gott agieren, stechen zwei Aspekte besonders stark hervor: erstens sind sie streng an Jesus und seinen Auftrag gebunden. Zweitens handeln sie mit einer außerordentlichen Autorität. Doch was im Detail ihren Auftrag und ihre Autorität ausmacht, stellt Jesus selbst in seiner Rede V.5c-42 vor.

 

1.2.4 Mt 10,5c-8d: Die zwölf Jünger und ihr heilvolles Wirken
1.2.4.1 Übersetzung


V.5c: εἰς ὁδὸν ἐθνῶν μὴ ἀπέλθητε
Geht nicht auf den Weg der Heidenvölker.
V.5d: καὶ εἰς πόλιν Σαμαριτῶν μὴ εἰσέλθητε·
Und geht nicht hinein in eine Stadt der Samaritaner.
V.6: πορεύεσθε δὲ μᾶλλον πρὸς τὰ πρόβατα τὰ ἀπολωλότα οἴκου Ἰσραήλ.
Geht aber vielmehr zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.
V.7a: πορευόμενοι δὲ
Und wenn ihr (dorthin) geht,
V.7b: κηρύσσετε λέγοντες ὅτι
predigt und sprecht:
V.7c: ἤγγικεν ἡ βασιλεία τῶν οὐρανῶν.
„Das (König-) Reich der Himmel ist nahe (gekommen)!“
V.8a: ἀσθενοῦντας θεραπεύετε,
Heilt Kranke,
V.8b: νεκροὺς ἐγείρετε,
erweckt Tote,
V.8c: λεπροὺς καθαρίζετε,
reinigt Aussätzige,
V.8d: δαιμόνια ἐκβάλλετε·
treibt Dämonen aus!

1.2.4.2 Literarischer Kontext

V.5c-8d ist der erste Teil von V.5c-15, dem ersten größeren Textblock der Aussendungsrede V.5c-42. Was V.5b mit dem Verb παραγγείλας ankündigt und was Mt 11,1 mit dem Verb διατάσσων rückwirkend über den vorangegangenen Text sagt, bestätigt sich in den Propositionen ab V.5c: es folgen nun verschiedene Aufforderungen. Und was V.5a mit dem Verb ἀπέστειλεν über die nachfolgenden Verse sagt, wird in V.5c-6 mit drei Verben der Bewegung konkret (V.5c: ἀπέλθητε; V.5d: εἰσέλθητε; V.6: πορεύεσθε): sie sollen nicht dorthin (V.5c-d), sondern dorthin (V.6) gehen.

1.2.4.3 Aufbau

Der Abschnitt V.5c-8d lässt sich in zwei Teile gliedern: in V.5c-6 geht es um die Orte, zu denen die Jünger (nicht) gehen sollen, und in V.7b-8d geht es um die Aufgaben, die sie am „richtigen“ Ort erfüllen sollen. Dazwischen liegt die Proposition V.7a, die mit der koordinierenden Konjunktion δέ und dem Partizip πορευόμενοι den ersten Teil V.5c-6 aufgreift und zum zweiten Teil V.7b-8d überleitet. Demnach sind zwei aufeinander folgende Zeitphasen im Blick: auf das Hingehen folgt das Tun der genannten Dinge. Gleichzeitig zeigt das Partizip an, dass die Umsetzung der Aufforderung, zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel hinzugehen, Voraussetzung für das Tun der genannten Dinge ist.

Der erste Teil von V.5c-6 beginnt mit zwei Verboten, nämlich wohin bzw. zu wem sie nicht gehen sollen: „auf einen Weg der Heidenvölker“ (εἰς ὁδὸν ἐθνῶν) und „in eine Stadt der Samariter“ (εἰς πόλιν Σαμαριτῶν). Auf das Negative folgt in V.6 das Positive, nämlich die Aufforderung, wohin sie stattdessen (μᾶλλον) gehen sollen: „zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel“ (πρὸς τὰ πρόβατα τὰ ἀπολωλότα οἴκου Ἰσραήλ). Der zweite Teil V.7b-8d lässt sich ebenfalls in zwei Teile untergliedern: die erste Kernaufgabe vor Ort bezieht sich auf das „Wort“: zu predigen, dass das Himmelreich nahe gekommen sei (V.7b-c); die zweite Kernaufgabe vor Ort bezieht sich auf vier wunderhafte Taten: Kranke zu heilen, Tote zu erwecken, Aussätzige zu reinigen und Dämonen auszutreiben (V.8a-d).