Eine unglaubliche Entwicklung

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Eine unglaubliche Entwicklung
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Eine unglaubliche Entwicklung

Tom J.

Roman

Es beeindruckte mich jedes Mal aufs Neue, wenn ich so im Vorbeifahren unsere gesamte Anlage unterhalb der Autobahn im Industriegebiet liegen sah und ich war mir absolut sicher, dass es vielen anderen Leuten ebenso erging.

Dabei musste ich stets an den Anfang vor mehr als 20 Jahren denken, als ich nach langjähriger Tätigkeit bei einer deutschen Spedition mit längeren Aufenthalten in den verschiedensten Ländern Europas wieder nach Salzburg zurückkam und hier die gerade vakante Leitung der Spedition Bammer übernahm.

Die damalige berufliche Rundreise führte mich im Auftrage meiner deutschen Stammfirma nach England, Frankreich, Spanien und Italien, wo ich stets mehrere Jahre verbrachte und verantwortungsvolle Positionen einnahm. Neben meinen ganzen beruflichen Erfahrungen, die ich dabei sammelte, lernte ich stets auch die jeweiligen Sprachen in Wort und Schrift.

Dies kam mir bei meinem Antritt in Salzburg sehr zugute, denn hier mangelte es vor allem an internationalen Verbindungen, welche ich zügig ausbauen wollte. Bammer war ein alt eingesessener, österreichischer Speditionsbetrieb mit einer Zentrale in Wien und Filialen in allen Landeshauptstädten. Alles in dieser Firma gab sich sehr traditionell und man stand Neuerungen stets sehr skeptisch gegenüber. Dies hatte über die Zeit zur Folge, dass der Betrieb von Jahr zu Jahr weniger verdiente und schlussendlich sogar in die roten Zahlen schlitterte.

Die Filialen, welche alle über eine Größe von 20 bis 50 Personen verfügten, mühten sich sehr das Unvermeidliche abzuwenden, aber die unflexible Art der Führung in Wien mit ihrer aufgeblähten Verwaltung und einem Personalstand von insgesamt 400 Beschäftigten wog zu schwer. Man agierte zwar in Wien in fast allen Speditionssparten, arbeitete aber wegen veralteter Methoden durchwegs nicht rentabel.

Unsere Filialen wiederum handelten gezielter mit Schwerpunkten in den verschiedensten Bereichen und erwirtschafteten jeweils bescheidene Gewinne. Dies alles half jedoch nicht, die jährlich steigenden Verluste der gesamten Firma auszugleichen. So kam es, dass sich immer öfter Leute für unsere Firma zu interessieren begannen. Jedenfalls hatte ich stets diesen Eindruck, wenn die Wiener Leitung wieder mit fremden Personen unsere Filiale inspizierte. Mir wurde klar, dass früher oder später ein Verkauf unausweichlich sein würde, sofern es überhaupt gelingen sollte, einen passenden Käufer zu finden.

Ich hoffte dies natürlich in meinem eigenen Interesse und dem meiner Kollegen sehr, da wir alle gemeinsam in den letzten Jahren aus der kleinen, verschlafenen Filiale einen funktionierenden Speditionsbetrieb mit respektablen Resultaten geschaffen hatten. Wir entwickelten uns, anfangs sogar gegen den Willen der Zentrale in Wien, zu einer weitgehend eigenständigen Firma mit zwar kleinen, aber guten Sammelgutverbindungen nach Deutschland, England, Frankreich, Spanien, Italien, verschiedenen Balkanländern und vereinzelten Ostblockstaaten, wobei der Schwerpunkt bei diesen Verkehren stets auf dem Import lag.

Weiters baute unser Disponent Ivo, ein eingebürgerter Kroate aus Zagreb, eine Charterabteilung auf, die sich wirklich sehen lassen konnte und die über die Grenzen hinaus bekannt war. Wir arbeiteten sehr eng mit unseren anderen Filialen zusammen und unterstützten uns gegenseitig, wo wir nur konnten. Am Ende disponierten wir von Salzburg aus den gesamten täglichen Warenfluss zwischen unseren Häusern in Österreich. Alles in allem klappte es in unserem kleinen Team sehr gut und wir stellten sowohl unseren bescheidenen Kundenkreis als auch unsere internationalen Partner stets vollauf zufrieden.

Unsere Zentrale in Wien hingegen kochte weiterhin ihre eigene Suppe und bediente sich unserer Dienste nur, wenn es gelegen kam oder wenn es keine andere Möglichkeit gab. Dies führte sogar dazu, dass wir in der Nähe von Wien immer häufiger mit einer anderen, neutralen Spedition zusammenarbeiteten mussten, um unsere Kunden zufriedenstellen zu können oder auch nur, um ausreichend Rückladungen für unsere eingesetzten Lkws zu bekommen. Unser Wiener Haus wusste von dieser Zusammenarbeit, interessierte sich aber nicht weiter dafür und hatte somit auch nichts dagegen einzuwenden.

Als nun wieder eine Delegation aus Wien mit einem potentiellen Käufer erschien, lief es diesmal etwas anders ab wie sonst. Die Interessenten schienen aus England zu kommen und informierten sich sehr genau über unsere Tätigkeiten. Besonders ein Mann aus England, vermutlich der Chef des Unternehmens oder zumindest der Verantwortliche der Gruppe, befasste sich sehr lange mit mir persönlich und ließ sich alles bis ins letzte Detail zeigen und erläutern.

Unsere kleine Firma schien ihm zu gefallen, wobei ihm besonders die Vielfalt unserer Tätigkeiten zusagte. Die Lage Salzburgs als Verteilungsplattform für eintreffende internationale Verkehre entsprach wohl ebenfalls seinen Vorstellungen oder Plänen. Er hatte sogar seinen Unternehmensberater mitgebracht, der sich gleichfalls sehr genau über alles informierte. Ich hoffte insgeheim, dass es diesmal mit dem Verkauf klappen würde, da mir diese Leute aus England durchaus sympathisch erschienen und ich mir eine Zusammenarbeit mit dem Leiter der Delegation gut vorstellen konnte. Aber wir stellten ja nur einen kleinen Teil unserer Firma dar und die Entscheidung würde sicherlich in Wien fallen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass diese Leute aus England genau so etwas wie uns hier bereits seit Längerem suchten.

Ein unglaubliches Angebot

Es dauerte ganze drei Monate, bis wir aus Wien die Nachricht über den abgewickelten Verkauf erhielten. Erfreulicherweise war es tatsächlich diese englische Firma mit dem Namen EUROLOG, die uns übernahm. Es handelte sich dabei um einen europäischen Speditionskonzern mit Sitz in London und Niederlassungen in Großbritannien, Irland, Holland, Belgien, Frankreich, Spanien, Portugal und Italien.

Man hatte sich dort entschlossen, auch den österreichischen Markt zu bedienen und daher eine bestehende Organisation mit Filialen in allen Bundesländern gesucht. Angesichts der finanziellen Lage unserer Firma dürfte der Preis nicht allzu hoch gewesen sein. Aber das interessierte mich weniger, als die Tatsache, wie es nun mit uns weitergehen würde.

Ich war äußerst überrascht, als mich jener Engländer, der sich mit mir damals länger unterhalten hatte, persönlich anrief und nach London einlud. Das Treffen fand eine Woche später statt und John Dare, so hieß der Eigentümer des gesamten Unternehmens, stellte mich seinen führenden Mitarbeitern und auch den einzelnen Länderchefs vor. Er hatte sich entschieden, Salzburg zur Zentrale und Drehscheibe der österreichischen Organisation auszubauen. Aufgrund meiner bisherigen Tätigkeiten und vor allem auch wegen meiner langjährigen Auslandserfahrung wollte er mir die Leitung von Österreich übertragen.

Mich überraschte dieses Angebot natürlich sehr, nahm es aber ohne auch nur einen Moment zu zögern an. Ich kannte von früher her gesunde Speditions-Organisationen und schien mir sicher, hier in so einer aufgenommen worden zu sein. Die Leute, allen voran John Dare, der etwa gleich alt wie ich war, schienen äußerst kompetent und umgänglich zu sein. Das Eis schmolz vollends, als die Länderchefs merkten, dass sie sich mit mir fast in allen ihren Landessprachen unterhalten konnten und dass ich tatsächlich auch einige Jahre in den meisten ihrer Länder verbracht hatte.

Man beabsichtigte also, die einzelnen Filialen in Österreich den zukünftigen Anforderungen anzupassen und gegebenenfalls auch auszubauen. In Wien wollte man den bisherigen Standort im Stadtgebiet aufgeben und in Autobahnnähe an den Stadtrand übersiedeln. In Salzburg schien die bestehende Anlage für das Vorhaben ebenfalls viel zu klein und man sah daher auch hier die Errichtung einer neuen Zentrale mit ausreichender Umschlagfläche vor.

Transporttechnisch plante man, Österreich aus allen Konzernländern mit diversen Sammelgütern zu beliefern und diese in Salzburg umzuschlagen. Von hier aus sollte die Verteilung erfolgen und auch für ausreichend Güter für die Rückbeladung der firmeneigenen Wechselbrücken-Lkws gesorgt werden. Aus allen seinen Ländern würden laut Meinung von John Dare am Anfang täglich ein, in weiterer Folge jeweils zwei bis drei Lkws eintreffen.

Die Verteilung der Sendungen in Österreich sollte für uns absolut kein Problem darstellen, da wir alle darin genügend Erfahrung besaßen. Bei der kurzfristigen Beschaffung von ausreichenden Rückladungen hatte ich vorerst zwar leichte Bedenken, erwähnte diese aber natürlich nicht. Außerdem war ich mir dann etwas später doch wieder sicher, dies zusammen mit Ivo und seinen Leuten und auch mit Hilfe unserer Filialen zu schaffen.

John, wir sprachen uns bald wie in der Gruppe üblich nur mit dem Vornamen an, stellte mir auch seine Unternehmensberatung, die Firma SETERS vor, welche für die gesamte Gruppe EUROLOG in allen Ländern agierte. Diese Firma betreute die Gruppe in wirklich allen Belangen vor Ort und sollte auch in Österreich für uns aktiv werden.

Ich kannte diese Firma zwar nicht, stellte aber bald fest, dass sie weltweit vertreten war und auf allen Gebieten wertvolle Arbeit leisteten konnte. Der Bogen dieser Tätigkeiten spannte sich von Finanzprüfung über Steuern, Recht, Personalrekrutierung, innerbetriebliche Beratung, Betreuung und Optimierung hin bis zur Beratung bei kompletten Firmenübernahmen, baulichen Planungen und Ausführungen, Investitionen und noch vieles mehr. SETERS hatte zusammen mit John seinerzeit den Konzern in Europa mit aufgebaut und genoss deshalb dessen uneingeschränktes Vertrauen.

 

John beauftragte später seinen Assistenten Tom, mir die gesamte Anlage zu zeigen. Ich war schon bei meiner Ankunft vom riesigen Ausmaß der Gebäude beeindruckt gewesen, staunte aber bei deren Besichtigung noch mehr. Die Anlage bestand aus zwei sehr großen, gegenüber liegenden Umschlagshallen, einem enormen technischen Servicecenter für den großen, eigenen Fuhrpark und einem beachtlichen Bürogebäude. Sämtliche Hallen umgaben große Rangier- und Parkflächen und es herrschte überall eine sehr rege Tätigkeit.

Sowohl in den beiden Lagerhallen mit den jeweiligen Maßen von 450 m x 200 m, als auch in den darüber liegenden operativen Büros fiel mir trotz der Masse an Sendungen und Transporten größte Ordnung auf, was mich doch sehr beeindruckte. Auch in dem Hauptgebäude, in dem sich die Leitung und Verwaltung befand, hatte ich denselben positiven Eindruck.

Tom erzählte mir etwas mehr von der gesamten Organisation EUROLOG und begann mit dem Start vor gut 20 Jahren. John übernahm damals bereits in sehr jungen Jahren mit circa 25 Jahren nach dem frühen Tod seines Vaters den Londoner Speditionsbetrieb und baute diesen so nach und nach mit Hilfe seiner sehr vermögenden Familie europaweit zu diesem beachtlichen Konzern aus.

Er besaß nach einiger Zeit Filialen in fast allen Ländern Westeuropas. Genau gesagt fehlten nur Deutschland, Österreich und die Schweiz. Alle Länder funktionierten auf die gleiche Weise, nämlich mit Zentralen vorrangig in den Landeshauptstädten und mit weiteren Verladezentren in den restlichen Großstädten oder Ballungsräumen. Diese Verladezentren verfügten wiederum über mehrere kleinere Umschlags- und Sammelzentren in ihren großräumigen Einzugsgebieten. Alle diese Stützpunkte beschäftigten durchwegs auch Verkaufspersonal, da man im Konzern auf Kundenwerbung und Betreuung größten Wert legte.

Die größeren Länder, wie Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien unterhielten zwischen 10 und 12 Verladezentren pro Land, die kleineren wie Irland, Portugal, Belgien und Holland zwischen 2 und 4 Zentren. Jedes Verladezentrum hatte wiederum in seinem Einzugsgebiet zwischen 2 und 5 regionale Depots und Verkaufsbüros zur Verfügung.

EUROLOG schien sowohl auf den jeweiligen nationalen als auch auf den internationalen Märkten sehr erfolgreich tätig zu sein. Alle Verladezentren belieferten sich untereinander täglich mit firmeneigenen Wechselbrückenfahrzeugen und bewegten so äußerst rasch riesige Mengen an Sendungen. Man garantierte den Kunden sehr kurze Lieferzeiten und schaffte dies alles durch eine sehr straffe Organisation und je nach Entfernung mit zwei Fahrern pro Lkw. Wie mir Tom stolz erklärte, trafen jeden Tag mehr als 50 Lkws von den internationalen und nationalen Verladezentren bei ihnen in London ein und wurden auch wieder umgehend an diese voll beladen zurückgesandt.

Hauptsächlich transportierte man klassisches Sammelgut in den Größen von 20 kg bis 5 to. In einer der beiden Hallen in London betrieb man auch Lagerhaltung für diverse Kunden. Dort sah ich ebenfalls in einem anderen Teil der Halle spezielle Vorrichtungen für Textiltransporte und -lagerungen, was mich doch etwas überraschte. Wie mir Tom erläuterte, unterhielt EUROLOG diese speziellen Verkehre für hängende Textilien auch zwischen ihren einzelnen Ländern. Man war sehr stark im Modegeschäft tätig und transportierte dadurch täglich eine Unmenge an Textilien auf diese Weise für sehr viele Kunden.

Der gesamte Betrieb lief, wie überall in der Gruppe, in einem 3-Schicht-Rhythmus ab und man beschäftigte laut Tom in London über 1.500 und im ganzen Konzern über 16.000 Mitarbeiter. Wie ich erst später erfahren sollte, war diese Organisation äußerst rentabel und erwirtschaftete dadurch jährlich beträchtliche Gewinne.

Wieder zurück, fragte mich John nach meinen Eindrücken und ich konnte ihm nur bestätigen, dass mir alles sehr gut gefiel. Er teilte mir mit, dass derartige Anlagen in seiner Gruppe Standard wären und die Verladezentren, egal in welchen Ländern auch immer, zumindest über eine dieser riesigen Hallen verfügten. Auch wir in Salzburg sollten bald so eine Halle mit jeweils 100 Toren an beiden Längsseiten und 40 an der Stirnseite bekommen. SETERS hätte von ihm schon den Auftrag erhalten, einen passenden Standort in der Nähe von Salzburg zu suchen und wäre wohl auch schon fündig geworden.

Wie ich weiters hörte, handelte es sich dabei um ein vor einiger Zeit neu eingerichtetes Industriegebiet etwas außerhalb von Salzburg mit einem eigenen Autobahnanschluss. Ich kannte dieses Gebiet natürlich und wusste, dass dort eigentlich ein riesiger Produktionsbetrieb hätte angesiedelt werden sollen. Dieser entschied sich wohl aber im letzten Moment für einen anderen Standort. Der Fall wurde seinerzeit bei uns ausführlich in den Medien diskutiert. In der Zwischenzeit siedelten sich dort zwar vereinzelt kleinere Betriebe an, der Großteil des Areals blieb aber weiterhin frei. Mir gefiel die Idee, dort zu bauen, aus mehreren Gründen sehr gut. Die Autobahn führte nämlich in der Nähe vorbei, es gab ausreichend Platz und die Anbindung an den städtischen Nahverkehr schien optimal.

Wieder zurück in Salzburg, überraschte ich die gesamte Mannschaft mit diesen Neuigkeiten und alle freuten sich verständlicherweise sehr, dass es auf diese Weise weitergehen sollte. Ich lud alle 65 Mitarbeiter am Abend in das kleine Lokal meiner langjährigen Lebensgefährtin Lisa in Salzburg ein und wir feierten unseren voraussichtlichen Neubeginn bis spät in die Nacht.

Georg, ein Mitarbeiter von SETERS Frankfurt mit bayerischen Wurzeln, blieb nun ständig bei uns in Salzburg und kümmerte sich auftragsgemäß um alles Organisatorische, wie den Bau der neuen Anlage mit allen Genehmigungen, die Ausstattung aller österreichischen Häuser mit ausreichend Wechselbrückenfahrzeugen, neuen Wechselbrücken, Nahverkehrs-Lkws, zusätzlichem Personal und vieles mehr. Er war mir wirklich eine sehr große Hilfe und auch menschlich in Ordnung, sodass sich bald ein freundschaftliches Verhältnis zwischen uns entwickeln sollte.

Ich besuchte mit Georg zusammen natürlich bald unsere Häuser in den anderen Bundesländern und stimmte die Kollegen dort ebenfalls auf unseren neuen Kurs ein. Nur in Wien regte sich Widerstand, da man natürlich mit einer Standortverlegung vom Süd-Osten der Stadt an den nord-westlichen Stadtrand und vor allem mit einer Leitung in Salzburg nicht einverstanden war.

Das alles störte uns jedoch nicht, da wir für Wien bereits andere Pläne hatten. SETERS suchte seit Beginn in der Wiener Gegend ein passendes Objekt und fand dieses auch bald. Von der alten Wiener Bammer-Belegschaft übernahmen wir dann nur einen verschwindend kleinen Teil, der Rest konnte oder wollte nicht mit uns übersiedeln und schied daher nach und nach aus.

Ich bot Heinz Seiler, dem Chef unseres neutralen Wiener Partners, die Leitung dieser neuen Filiale an, nachdem ich ihm bei meinem letzten Besuch in Wien mehr über unseren neuen Konzern und vor allem über unser Vorhaben erzählte. Ich wusste, dass er firmenintern nicht sehr zufrieden war und sollte mich nicht getäuscht haben, denn er nahm nach einigen Tagen mein Angebot an.

Es herrschte grundsätzlich keine große Eile, da wir erst in einem Jahr mit unseren neuen Anlagen und den EUROLOG-Verkehren beginnen wollten. Bis dahin sollte unsere neue Halle in Salzburg stehen und die im Moment leer stehende, neue Anlage in Wien adaptiert werden. Auch wollten wir die Umbenennung der Firma in Österreich erst zu diesem Zeitpunkt durchführen.

Da der Verkauf von Bammer nicht ganz geheim gehalten werden konnte, informierten wir von uns aus alle Kunden und Partner über die zukünftige Entwicklung. Es gelang uns, sie alle zu beruhigen, lediglich unsere Speditionspartner in Westeuropa begannen bald, sich verständlicherweise Ersatz für uns zu suchen. Dies sollte ihnen aber nicht so leicht gelingen, wie wir später feststellten. Ich bedauerte diese Trennungen sehr, da wir doch lange Zeit sehr gut zusammen gearbeitet hatten, aber es gab in diesem Falle leider keine andere Wahl.

In Wien rechneten wir sogar mit dem Verlust fast aller Kunden und Verkehre, da die verschiedenen Bammer-Mitarbeiter zur Konkurrenz überwechselten und ihre Kontakte mitnahmen. Das störte uns aber nicht besonders, da wir ohnehin mit Heinz völlig neu beginnen wollten und dieser wiederum seine eigenen Verbindungen einzubringen versprach. Auch hoffte ich stark, dass wir den einen oder anderen Bammer-Kunden später doch wieder für uns gewinnen würden können.

Alle unsere Ost- und Süd-Ost-Partner, die uns bisher regelmäßig anfuhren und ihr Sammelgut hier verzollen und durch uns verteilen ließen, freuten sich auf eine noch bessere Zusammenarbeit durch die neue Anlage und wollten uns weiterhin treu bleiben.

Genauso verhielt es sich bei unserer Charter-Abteilung. Ivo, der Leiter dieser Dispositionsabteilung, kontaktierte natürlich alle seine Verbindungen und klärte sie über die Weiterentwicklung auf. Alle nationalen und internationalen Frächter, von denen er eine enorme Anzahl beschäftigte, wollten selbstverständlich mit uns weiter zusammenarbeiten. Auch bei den Komplettladungs-Kunden, den Speditionen und Frachtvermittlern auf dem Komplettladungssektor, mit denen wir bereits seit vielen Jahren in Österreich und Deutschland kooperierten, gab es erfreulicherweise keinerlei Probleme.

Bei Ivo meldeten sich schon seit Jahren viele Frächter und Speditionen vorrangig aus dem gesamten Balkangebiet, aber auch aus den restlichen Ostblockländern und fragten um Rückladungen an. Nach meinem damaligen Eintritt bei Bammer weiteten wir dieses Tätigkeitsfeld auch auf Westeuropa aus, sodass wir bald zu einer kleinen, aber feinen internationalen Drehscheibe mit besten Möglichkeiten und Kontakten auf dem Komplettladungsmarkt wurden.

Dies wollte ich nun unbedingt beibehalten und vor allem noch weiter ausbauen, da wir schon für unsere zukünftigen täglichen Lkws aus den EUROLOG-Ländern jede Menge an Rückladungen benötigen würden. Auch nahm ich mir vor, die Anzahl der uns aus dem Osten und Süd-Osten anfahrenden Speditionen weiter auszubauen. Diese Firmen besaßen zwar in ihren jeweiligen Heimaltregionen einen beachtlichen Status, konnten aber ihr gesamtes Bundesgebiet nicht komplett abdecken. Viele der größeren Speditionen in diesen Ländern verfügten im Westen bereits über ihre Partnerorganisationen und kamen daher für uns nicht in Frage.

Mir waren aber kleinere Partner ohnehin lieber, da man mit ihnen viel flexibler arbeiten konnte. Einziger Nachteil bestand darin, dass sie meist eben nur ihre jeweilige Region gut abdeckten und den Rest des Landes mehr schlecht als recht bedienten. Aber gerade deshalb unternahmen wir auch alles, um jeweils mehrere Partner räumlich verteilt in diesen Ländern zu bekommen.

Aus diesem Grunde versuchten Ivo und ich, Kontakte zu weiteren regionalen Größen in solchen Ländern herzustellen und ihnen eine Zusammenarbeit mit uns anzubieten. Unser Ziel blieb es, in den kleineren Ländern mindestens zwei bis drei, in den größeren vier bis fünf Partner zu gewinnen. Diese Partner sollten uns so oft wie möglich mit Stückgutsendungen für Österreich und auch für Süddeutschland anfahren und von uns im Gegenzug Rückladungen erhalten. Wir hielten schon immer unsere Preise für Verzollung und Weiterleitung sehr moderat und wollten dies auch in unserer neuen Anlage als Anreiz für unsere Partner so beibehalten.

Ivo, der neben Serbokroatisch auch sehr gut Russisch sprach, fand bald viele neue Kontakte, die sich meist auch wirklich zu einer Zusammenarbeit entwickelten. Somit verdichtete sich uns Netz an Ost- und Süd-Ost-Partner zu meiner Freude immer mehr.

Unsere Charterabteilung stellte bereits bisher ein starkes Standbein unserer Filiale dar und wir wollten dieses Geschäft in Zukunft noch ausweiten. Ivo und ich berieten uns deshalb häufig, wie wir diesen Bereich noch weiter ausbauen könnten und kamen zu dem Entschluss, dass wir uns von den anderen Ladungsanbietern auf dem Markt grundsätzlich unterscheiden müssten. Ein ganz bedeutender Faktor schien uns dabei die verlässliche und rasche Bezahlung der Frächter zu sein.

Ich nahm mir vor, John bei seinem nächsten Besuch in Salzburg mit einem etwas ungewöhnlichen Vorschlag zu konfrontieren. Meine Idee bestand nämlich darin, die Lkws sofort nach Eingang ihrer Rechnung, versehen natürlich mit allen notwendigen Original-Quittungen, zu bezahlen. Unserer Erfahrung nach wäre dies etwa einen Monat früher, als wir selbst unsere Rechnungen von den Auftraggebern bezahlt bekämen. Selbstverständlich würden wir die für diesen Zeitraum anfallenden Bankzinsen bei unseren Frächterpreisen berücksichtigen, bzw. diese entsprechend reduzieren. Somit wären die Kosten der Operation gedeckt und es bliebe nur mehr das Risiko, dass wir unser Geld von den Auftraggebern viel später oder gar nicht bekämen. Dagegen half nur äußerste Vorsicht bei der Auftragsannahme und die laufende Kontrolle der Außenstände, was wir natürlich garantierten konnten.

 

Ivo erstellte rasch eine Liste mit allen Chartervorgängen der letzten zwei Jahre und vermerkte überall die tatsächlichen Zahlungseingänge von den Kunden. Hier konnte man sehr gut zu ersehen, dass wir alles stets unter Kontrolle hatten, denn die Ausfälle gestalteten sich nur minimal und die Verzögerungen bei den Bezahlungen an uns hielten sich in Grenzen. Betrachtete man den Nutzen dieser Charterabteilung nach Abzug aller anteiligen Kosten, wie Gehälter, Telefon, etc., so sah man eine sehr hohe Rentabilität, die wir noch weiter zu steigern gedachten.

John staunte etwas, als ich ihm diesen Vorschlag präsentierte. Er beriet sich wie immer mit SETERS in London und gab uns erfreulicherweise bereits nach einigen Tagen grünes Licht. Wir richteten sofort für alle Chartervorgänge ein spezielles Konto ein, auf dem laufend der aktuelle Stand der Operation eingesehen werden konnte. John versprach, dieses Konto gesondert bei unserer Bank abzusichern, sodass wir stets ausreichend in Vorlage treten würden können. Nun stand diesbezüglich also nichts mehr im Wege und Ivo machte sich mit seinen Leuten sofort an die Arbeit.

Durch gezielte Werbung auch in den neuen Medien, wie Internet, etc., gelang es ihm bald, das Angebot an Laderaum für unsere diversen Auftraggeber bedeutend zu erhöhen. Es meldeten sich immer mehr Frächter aus den verschiedensten Ländern und suchten Rückladungen aus Deutschland oder Österreich. Auch unsere eigenen Exportkunden und all die Speditionskollegen, die unsere Dienste in Anspruch nahmen, merkten mit Wohlwollen unser gesteigertes Angebot an Laderaum und beauftragten uns ebenfalls vermehrt. All dies passierte sogar noch bevor wir in unsere neue Anlage übersiedelten. Ich konnte aber sicher sein, dass dies nur der Anfang sein würde und sich dieses Geschäft in den nächsten Jahren noch viel weiter ausbauen ließ.

Neben unserem normalen Speditionsgeschäft, welches wie gewohnt weiterlief, gab es natürlich sehr viele andere Dinge zu erledigen. Dabei stellte SETERS mit der gesamten Organisation eine sehr große Hilfe dar. Alleine hätte ich dies alles schon aus Zeitgründen niemals schaffen können. Georg, der ständig mit John in Kontakt stand, nahm mir vieles ab und unterstützte mich nach besten Kräften. Dies betraf sowohl unsere Situation hier in Salzburg mit dem Neubau, als auch bei allen anderen Filialen, vor allem jener in Wien.

Die Zeit verging rasch und wir hatten nur mehr gut sechs Monate bis zur geplanten Eröffnung unserer Anlage. Alles verlief soweit planmäßig und wir sollten in Kürze in gesamt Österreich mit ausreichend Wechselbrücken und den passenden Fahrzeugen ausgestattet werden. EUROLOG arbeitete seit Jahren sehr erfolgreich mit diesem System und setzte es deshalb auch bei uns hier ein.

Dafür benötigte ich aber einen erfahrenen Mann, der mit diesem Transportsystem vertraut war und dementsprechend umgehen konnte. Da wir in unserer Firma über niemanden Entsprechenden verfügten, musste ich mich rechtzeitig auf dem Salzburger Markt umsehen. Jüngere Kollegen von uns kannten durch eine gemeinsame Mitgliedschaft in einem Fußballverein einen fähigen Mann der Konkurrenz, der durchaus bereit zu sein schien, zu uns überzuwechseln. Dessen Spedition verwendete diese praktischen Wechselbrücken schon seit Jahren in ganz Österreich und hatte dadurch natürlich sehr große Erfahrungen im Umgang damit gesammelt. Auch arbeitete diese Salzburger Spedition, welche bedeutend größer als unsere war, sehr eng mit vielen deutschen Speditionen mit diesem gleichen Transportsystem zusammen.

Peter Grosser, so hieß dieser von uns umworbene Mitarbeiter der Konkurrenz, erklärte sich nach einem längeren Gespräch mit mir grundsätzlich bereit, zu uns zu kommen. Er war in seiner Firma schon länger nicht mehr zufrieden, da es ihm an jeglicher Unterstützung durch die Firmenleitung und auch durch die restlichen österreichischen Filialen mangelte. Seine Firma verpflichtete sich gemäß Kooperationsvertrag mit ihren Vertragspartnern, die täglich aus den verschiedensten Regionen Deutschlands eintreffenden Wechselbrücken umgehend auch wieder dorthin zurückzubeladen. Mangels ausreichender Ladungen aus dem Salzburger Raum und aus den restlichen Bundesländern konnte er dem aber immer weniger gerecht werden. So kam es, dass viele der circa 15 - 20 täglichen Wechselbrücken-Lkws nicht ausreichend beladen wieder retour fuhren und dadurch dem Salzburger Unternehmen zuletzt ein nicht unbedeutender Verlust entstand.

Wie mir Peter Grosser im Laufe des Abends in Lisa´s Lokal mitteilte, hatte sich seine Salzburger Spedition vor Jahren noch sehr gefreut, als man von einer deutschen Speditions-Vereinigung als Partner für Österreich und den grenznahen bayerischen Raum auserkoren wurde. Man erhielt dadurch täglich unzählige Sendungen zur Verteilung und hatte stets ausreichend Laderaum für Sendungen in den deutschen Raum zur Verfügung. In den ersten Jahren verdiente man wohl auch noch gutes Geld damit, in weiterer Folge verlor man aber immer mehr Export-Kunden aus den verschiedensten Gründen an die Konkurrenz und verabsäumte es, rechtzeitig dagegen zu steuern. In weiterer Folge blieben die notwendigen Investitionen in den Fuhrpark aus oder erfolgten nur sehr zögerlich.

Grundsätzlich stellte diese Speditions-Vereinigung in Deutschland ein sehr respektables Gebilde dar, denn sie schloss 20 beachtliche regionale Speditionsgrößen zu einer Gruppe zusammen, die so das ganze Bundesgebiet perfekt abdeckten. Bei diesen Speditionen handelte es sich durchwegs um sehr starke Betriebe, die alle in ihren Regionen einen großen Stellenwert innehatten. Ihr einziges gemeinsames Manko bestand darin, dass sie immer auf nationale oder internationale Partner angewiesen waren. Diese Partner konnten aber aus den verschiedensten Gründen rasch wegfallen, sodass stets die eigene Existenz gefährdet war. Man schloss sich daher mit Gleichgesinnten zusammen und konnte ab diesem Zeitpunkt aus einer gesicherten Gruppe heraus agieren und auch längerfristig planen.

Man konzentrierte sich dabei voll auf die gemeinsamen Stärken, nämlich auf das deutsche Inlandsgeschäft. Der Erfolg stellte sich sehr rasch ein und die strategisch über ganz Deutschland verteilten Speditionen belieferten sich untereinander gegenseitig täglich mit jeweils mindestens einem vollen Wechselbrücken-Lkw pro Partner. Die kurzen Laufzeiten der Sendungen konnten dabei durchaus mit jenen von Paketdiensten mithalten. Man arbeitete überall im 3-Schichtbetrieb und sandte somit täglich mindestens 20 Lkws an die Partner und erhielt gleichzeitig ebenfalls von diesen die gleiche Anzahl an Lkws voll beladen zurück. International unterhielt jeder Partner zwar auch einige eher unbedeutende Speditionsverbindungen, konzentrierte sich jedoch fast ausschließlich auf seine nationalen Verkehre.

Als ich dann auch noch von Peter erfuhr, dass diese Gruppe seine Firma bereits abgemahnt und die Kündigung der Zusammenarbeit angedroht hatte, schlug ich vor, diese Rolle in Salzburg künftig selbst zu übernehmen. Nach dem Bild, welches ich mir nach Peter´s Erzählungen machen konnte, entsprachen wir nämlich allen Anforderungen dieser Gruppe. Wir waren in gesamt Österreich vertreten, verfügten in Deutschland über keine eigenen Häuser oder feste Verbindungen und wurden zuletzt selbst Mitglied einer starken europäischen Gruppe.