Grammatiklernen interaktiv

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2.1.5. Potenziale digitaler Medien für das Grammatiklernen

Bereits in früheren Diskussionen über den Computereinsatz im Fremdsprachenunterricht werden Potenziale des Mediums speziell „bei der Darstellung und Einübung von grammatischen Strukturen“ hervorgehoben (Hope et al. 1989: 29). Insbesondere für die Auslagerung von Drill-Übungen aus dem Unterricht bieten digitale Medien viel Potenzial (vgl. ebd.), somit kann eine Lehrperson von Korrekturen entlastet werden. Solche Übungsprogramme (reine drill & practice) verfügen jedoch über wenig Interaktivitätspotenzial (vgl. Rüschoff 1988: 48ff.). Die Anfangseuphorie verschwand mit der Zeit. Die meisten digitalen Grammatikaufgaben im Netz sind weiterhin geschlossen, was mit der generellen Formfokussierung im Bereich Grammatik verbunden ist (s. o). Jedoch bieten digitale Medien weitere Möglichkeiten zur Gestaltung von Grammatikaufgaben.

Rösler (2004: 137) weist darauf hin, dass digitale Grammatikübungen „zumeist überwiegend dem Erwerben und Sichern des Formbestandes“ dienen. Darüber hinaus ermöglichen digitale Medien entdeckendes Lernen der Grammatik und steuern z. B. durch die Veränderung der Farblichkeit die Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte grammatischer Phänomene (vgl. ebd. 136-137). Digitalen Medien werden auch weitere Potenziale für die Grammatikvermittlung zugeschrieben, wie z. B. die Erweiterung der Darstellungsformen von grammatischen Strukturen durch interaktive animierte Grammatiken sowie die Implementierung mehrerer Pfade, die unterschiedliche Vorgehensweisen beim Lernen zulassen. Durch den Zugriff auf linguistische Datenmengen kann auch entdeckendes Lernen ermöglicht werden (vgl. Rösler 2012: 182). Laut Freibichler ermöglichen digitale Medien spielerisches und entdeckendes Sprachenlernen, das speziell für Anfänger eine wichtige Rolle spiele (vgl. Freibichler 1997: 41). Scheller schreibt digitalen Medien viel Potenzial bei der Grammatikvermittlung, insbesondere durch animierte Darstellungsformen, zu (vgl. Scheller 2012: 2 ff.), die in Kapitel 3.5 einer näheren Betrachtung unterzogen werden.

In Anbetracht der relativ einfachen Programmierung von Programmen und Materialien zur Grammatik1 ist die hohe Anzahl digitaler Grammatiklernangebote nicht verwunderlich. Interessanterweise sind jedoch wenige Forschungsbeiträge zu finden, die sich mit der Analyse dieser Materialien beschäftigen. Einen Versuch unternahm Rausch (2017), indem sie den Aufbau, die Merkmale sowie Übungstypen von Online-Übungsgrammatiken analysierte. Auf der Grundlage der Analyse fasst Rausch folgende Vorteile gegenüber gedruckten Grammatiken zusammen: Durch die Hypertextstruktur der Online-Materialien ist der Informationszugriff schneller und auf die jeweiligen Lernbedürfnisse anpassbar. In Online-Grammatiken können multimediale Komponenten eingebettet werden, was in gedruckten Übungsgrammatiken mit einer CD oder DVD allerdings auch möglich sei. Die analysierten Online-Grammatiken beinhalten interaktive Komponenten (wie z. B. Kommentarfunktion, Foren, automatisches Feedback etc.). Darüber hinaus besteht die Möglichkeit zur Vernetzung mit anderen Lernenden sowie mit Experten. Außerdem ermöglichen die Online-Übungsgrammatiken die Auswahl mehrerer Beschreibungssprachen, was insbesondere für Anfänger vorentlastend ist. Als nachteilig wird die Tatsache bezeichnet, dass eine unübersichtliche Navigationsstruktur sowie die Informationsmenge überfordern könnten. Eine starke Abhängigkeit des Lernfortschrittes von Lerngewohnheiten und dem Lerntyp beim Lernen mit Online-Materialien wird ebenfalls als problematisch angesehen (vgl. Rausch 2017: 105-106).

In diesem kurzen Überblick über die Entwicklung digitaler Lernmaterialien und ihrer Vor- und Nachteile für selbstständiges Fremdsprachen- und insbesondere Grammatiklernen wurden ihre Potenziale und Grenzen gezeigt. Die Skizzierung lässt deutlich werden, dass Lernende eine aktive Rolle im Lernprozess übernehmen sollten. Das kann durch die Interaktivität von digitalen Lernmaterialien erfolgen.

2.2. Interaktivität beim Grammatiklernen mit digitalen Medien

Bereits vor 30 Jahren wurde die Interaktivität digitaler Medien als gewinnbringend betrachtet, weil Computer eine Eins-zu-eins-Interaktion ermöglichen (vgl. Hope et al. 1989: 8). Durch die Interaktivität werden die Rollen der Lernenden und der Maschine gleichmäßiger verteilt als im Fall Lernende-Lehrende, da Lernende selbst bestimmen, wann und wie sie mit dem Medium lernen (vgl. ebd.: 8-9). Was hinter dem Begriff Interaktivität digitaler Medien steckt und welche Formen der Interaktivität in Lernprogrammen vorhanden sind, sind Fragen, die im Folgenden erläutert werden. Auch wird in diesem Kapitel der Frage nachgegangen, wie viel Interaktivität für die Förderung eines selbstständigen Lernprozesses nötig ist.

2.2.1. Zum Begriff der Interaktivität

Da es sich beim Thema der vorliegenden Arbeit um Interaktivität in der Form Mensch-Maschine-Kommunikation handelt, findet die Erklärung des Begriffs im Kontext von CALL statt.1 Nach dem konstruktivistischen Paradigma können sich Lernende im Rahmen des Lernprozesses mit einem Lerngegenstand aktiv befassen, neue Informationen explorativ erschließen, über eigene Lösungsstrategien reflektieren und das Gelernte sofort anwenden. Somit ist das Lernen mit vielen Aktivitäten Lernender verbunden (vgl. Strzebkowski und Kleeberg 2002: 229-230). In der Diskussion über mediengestütztes Lernen spielt die Interaktivität digitaler Medien eine zentrale Rolle. Durch diese Eigenschaft digitaler Medien kann ein aktiver Lernprozess bzw. eine Aktivierung der Lernenden beim Lernen ermöglicht werden.

Mitschian grenzt Interaktivität von Interaktion ab und versteht darunter „alle Aktions-Reaktionsfolgen, die sich ausschließlich zwischen Software und Lernenden abspielen“ (Mitschian 2004a: 44). Die Reaktionen des Systems werden auf Grundlage methodischer Überlegungen von Entwicklern konzipiert (vgl. ebd.: 44ff.). Interaktivität ist „das Ausmaß, in dem eine Lernumgebung Interaktionen ermöglicht und fördert“ (Niegemann et al. 2008: 295). Grünewald ist der Ansicht, dass die Interaktivität beim Lernen mit digitalen Medien nur bedingt als solche zu verstehen ist, da es sich um vorprogrammierte Reaktionen eines Programms auf Nutzereingaben handelt. Daher wird sie in seiner Arbeit durch den Begriff Reaktivität ersetzt (vgl. Grünewald 2006: 97). Seine Überlegungen sind nachvollziehbar, jedoch können vorprogrammierte Programmreaktionen unterschiedlich komplex sein, in verschiedenen Lernphasen unterschiedlichen Zwecken dienen und im engen Zusammenhang mit Aktionen der Lernenden stehen. Daher ist für die vorliegende Arbeit der Begriff Interaktivität vorzuziehen. Darunter wird die Eigenschaft eines Programms verstanden, unterschiedliche Aktion-Reaktionsketten zwischen einem Nutzer und einem Programm zu ermöglichen; damit wird eine kontinuierliche aktive Einbeziehung des Lernenden in den Lernprozess bezweckt.

Die wichtigste Funktion der Interaktionen in Lernprozessen sieht Mitschian in der Vermeidung monotoner und eindimensionaler Vermittlung von Wissen bzw. im Angebot vielfältiger Lernwege und Handlungsweisen (vgl. Mitschian 1999: 125). Niegemann et al. zählen zu den Funktionen von Interaktivität folgende: Motivieren, Informieren, Verstehensförderung, Förderung von Behalten, Förderung von Anwenden bzw. Transfer, Organisierung und Regulierung des Lernprozesses (vgl. Niegemann et al. 2008: 295). Damit diese Funktionen realisiert werden können und Lernprogramme lernwirksam sind, sollten Interaktionsketten bzw. Aktionen der Lernenden und des Systems aufeinander abgestimmt werden. Darüber hinaus ist eine Balance anzustreben, dass Lernende durch die Interaktivität der Software in gewisser Maße entlastet, jedoch gleichzeitig auch aktiviert werden. D. h. das Programm darf nicht von den Lernzielen ablenken und den Lernenden die gesamte Arbeit abnehmen (vgl. Mitschian 1999: 126-127). Insbesondere im Kontext selbstständigen Lernens scheint dieser Aspekt von großer Bedeutung zu sein.

Im Kontext des mediengestützten Lernens wird die Interaktivität häufig als Teil der multimedialen Lernumgebung neben Adaptivität, Multimodalität etc. betrachtet (vgl. Kallenbach und Ritter 1998; Niegemann et al. 2008; Betrauncourt 2010; Schulmeister 2007). Eine intensive Analyse dieser Bereiche im Zusammenspiel mit der Interaktivität findet in Jones et al. (2016) statt.2

2.2.2. Formen der Interaktivität

Biechele et al. (2003: 7) unterteilen mögliche Interaktionsformen in zwei Gruppen: in die, „die nicht primär dem Lernen dienen, die Lernende aber bewältigen müssen, um überhaupt zum Lernmaterial zu gelangen“, sowie in die, „denen Lernende bei der Bearbeitung von Lernaufgaben begegnen können“. Diese Unterteilung entspricht den Kategorien von Steuerungsinteraktionen und didaktischen Interaktionen nach Strzebkowski (1995: 278). Bei Steuerungsinteraktionen handelt es sich um die Interaktionsformen, die mit Navigations- und Systemfunktionen, wie Speichern, Abspielen etc. verbunden sind. Didaktische Interaktionen dienen einer direkten Unterstützung des Lernprozesses, z. B. durch Animationen, Texteingaben, Informationstransformationen etc. Dabei ist die Grenze zwischen den Interaktionsformen nicht scharf trennbar (vgl. Strzebkowski und Kleeberg 2002: 232ff.).

Eine Unterteilung der Interaktionsformen ist auch nach den interagierenden Beteiligten des Lernprozesses möglich: So wird zwischen Aktionen Lernender und des Systems unterschieden (vgl. Niegemann et al. 2008: 287 ff.; Niegemann 2011: 125 ff.).

Mögliche Aktionen Lernender sind:

 

 die selbstständige Auswahl von Lehrinhalten

 die selbstständige Wahl einer Reihenfolge des Lehrstoffs

 Auswahlentscheidungen bezüglich Beispielen und Aufgaben

 das Anordnen und Nutzen von Hilfen

 das Stellen von Fragen.1

Zu Aktionen des Systems gehören:

 die Darbietung von Informationen

 das Anbieten von Hilfen

 Rückmeldung auf Eingaben

 Feedback (vgl. ebd.).

Einige Aktionen stehen in direkter Verbindung miteinander, wie z. B. dass das System Informationen darbietet und Lernende aus dem Informationsangebot Inhalte selbstständig auswählen und über die Reihenfolge bei der Bearbeitung der Inhalte und Aufgaben entscheiden können. Wird eine Hilfe-Funktion im Programm vorgesehen, ist den Lernenden überlassen, ob, wann und wie sie genutzt wird. Der Umfang und die Gestaltung der Hilfe-Funktion können sowohl in unterschiedlichen Programmen als auch in verschiedenen Phasen innerhalb eines Programms unterschiedlich sein und von den didaktischen Überlegungen der Entwickler und den technischen Möglichkeiten abhängen. Für einen kontinuierlichen Lernprozess mit digitalen Medien sind Rückmeldungen bzw. Reaktionen des Systems auf jede einzelne Eingabe nötig. Eine wichtige Rolle spielt Feedback beim selbstständigen Lernen mit digitalen Medien. Dabei sind viele Aspekte zu beachten: Ausführlichkeit der Ausformulierung von Feedback, visuelle Gestaltung, kognitive Anforderungen an Lernende, Reaktionen auf eine falsche sowie eine richtige Eingabe etc. Daher wird dem Feedback ein gesondertes Unterkapitel gewidmet.

2.2.3. Feedback

In der Forschungsliteratur wird vorprogrammiertes Feedback mit der Fehlerkorrektur im Unterricht verglichen (vgl. Biechele et al. 2003: 18 ff.; Rösler 2004: 177 ff.) und scheint laut Puskás im Vergleich zur unterrichtlichen Fehlerkorrektur „defizitär“ zu sein (Puskás 2011: 270). Jedoch stellt sich die Frage, ob solche Erwartungen, die man an die Fehlerkorrektur seitens einer Lehrperson hätte, mit den Ansprüchen an eine Fehlerkorrektur beim Selbstlernen identisch wären. Lernt man selbstständig mit analogen Medien wie z. B. einem Buch oder Arbeitsblättern, beschäftigt man sich mit grammatischen Inhalten ohne jegliche Unterstützung. Man muss seine Antworten mit dem Lösungsschlüssel abgleichen und ggf. selbst nach Fehlerquellen suchen und sie analysieren. Betrachtet man vorprogrammiertes Feedback im Kontext des Selbstlernens, scheint es Vorteile im Vergleich zu analogen Medien zu haben, da eine automatische Rückmeldung unmittelbar nach der Antworteingabe erscheint und mehrfach abrufbar ist.

Puskás weist auf die Vergleichbarkeit des programmierten Feedbacks mit der schriftlichen Fehlerkorrektur im Unterricht hin. Mögliche Feedbackformen sind:

 Präsentation der richtigen Lösung,

 Markierung der fehlerhaften Stelle,

 Ausgabe einer Fehlermeldung, die bei der Erkennung der Fehler aus gespeicherten vorhersehbaren Fehlern erscheint,

 intelligente Fehlermeldungen, die auf einer natürlichsprachlichen Analyse basieren (ebd.: 272).

Die ersten drei Feedbackarten basieren nicht auf linguistischer Analyse der Eingaben von Nutzern, sondern sind vorprogrammiert und eignen sich für geschlossene Übungstypen. Für sie ist es laut Puskás möglich, „ein angemessenes vorprogrammiertes Feedback zu liefern“ (ebd.). Der häufig kritisierte Aspekt digitaler Medien ist das Fehlen unterschiedlicher Rückmeldungen auf die Eingaben der Nutzer bzw. das Fehlen elaborierten Feedbacks. Dies wird von Mitschian im Hinblick auf die Lernmaterialien für Anfänger nicht bestätigt, da „in diesem Lernstadium in nur geringem Umfang mit Sprache produktiv umgegangen oder sie in größeren Einheiten gebraucht wird“ (Mitschian 2004a).

Eine motivierende Wirkung einer sofortigen Reaktion auf jede Eingabe1 bestätigt Schmidt in seiner Studie, jedoch kann es bei schwächeren Lernenden einen Gegeneffekt haben, wenn sie durch die Häufigkeit negativer Rückmeldungen permanent auf ihre Schwächen aufmerksam gemacht werden (vgl. Schmidt 2005: 275). Eine Rückmeldung über die Korrektheit oder Inkorrektheit der Eingabe reicht den Lernenden aus, die Feedbackinhalte selbst werden ignoriert: „Eine im Falle eines Fehlers intensivere Auseinandersetzung mit den Inhalten der Rückmeldungen ‒ so z. B. den Erläuterungen zur Fehlerursache im Rahmen des schriftlichen Eingabefeedbacks ‒ findet allerdings nur vergleichsweise selten statt“ (ebd.). In diesem Zusammenhang entsteht laut Schmidt eine „Feedbackverdrossenheit“, die insbesondere im Bereich Grammatik beobachtet wurde (vgl. ebd.: 276 ff.). Die Verdrossenheit kann durch unterschiedliche Aspekte verursacht werden: Wenn im Feedback die Spezifik der Fehler nicht berücksichtigt wird und die Rückmeldung sehr allgemein (und häufig gleich für verschiedenen Fehlertypen) formuliert ist, wenn die Rückmeldungen fehlerhaft sind oder wenn die selbstständige Fehlerkorrektur im Programm nicht vorgesehen ist, werden die Inhalte des Feedbacks ungelesen weggeklickt (vgl. ebd.: 290–291).

Bayerlein (2010) betont die Problematik der Anforderungen an gutes vorprogrammiertes Feedback und eine diffuse Vorstellung über die eigentliche Gestaltung der Rückmeldungen. In seiner Studie, in deren Rahmen japanische DaF-Lernende bei mediengestütztem selbstständigem Lernen beobachtet wurden, wurde festgestellt, dass die Erklärungen, warum eine Antwort in Multiple-Choice-Fragen oder Zuordnungen falsch ist, nicht gelesen werden. Stattdessen versuchen die Lernenden durch weitere Klicks eine richtige Antwort zu finden. Bei den Übungen, in denen eine Texteingabe erwartet wird, werden die Rückmeldungen hingegen gelesen, da dadurch die Anzahl der unendlichen Antwortmöglichkeiten reduziert werden kann (vgl. Bayerlein 2010: 574-575). „Die Anstrengung, elaboriertes Feedback zu konzipieren, lohnt sich also nur dann, wenn auch sichergestellt ist, dass die Lernenden sich die Mühe machen, dieses Feedback zu lesen“ (ebd. 574). Darüber hinaus weist der Autor darauf hin, dass die sprachliche Formulierung der Rückmeldung verständlich sein sollte (vgl. ebd.).

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Gestaltung des Feedbacks mit dem jeweiligen Übungstyp im Zusammenhang steht. Das Lernziel von Übungen und vorprogrammierten Aktivitäten, die von Lernenden erwartet werden können, ist ebenfalls zu beachten. Gerade beim entdeckenden Lernen sollte die Gestaltung der Rückmeldungen den Lernprozess fördern und die Lernenden motivieren. Dafür sind mögliche vorhersehbare Fehler zu beachten, um die entsprechenden Feedbackmeldungen zu programmieren. Außerdem trägt eine sprachniveauangemessene Formulierung des Feedbacks zur Lernwirksamkeit des Programms bei. Diese Überlegungen flossen in das Konzept der Interaktiven Grammatik ein, das in Kapitel 5 am Beispiel des Themas Imperativ detailliert aufgezeigt wird.

2.2.4. Umfang der Interaktivität

Wenn viele Elemente auf einer Bildschirmfläche interaktiv sein müssen, um den selbstständigen Lernprozess ermöglichen und fördern zu können, bedeutet dies aus der Entwicklerperspektive die Erhöhung des Programmieraufwandes. Sind alle angezeigten Elemente interaktiv, ist für jeden einzelnen eine (Re-)Aktion zu programmieren. Aus der (medien-)didaktischen Perspektive ist zu überlegen, welche Elemente interaktiv fungieren sollten, um die Aufmerksamkeit des Lernenden auf das zu erlernende Phänomen zu fokussieren und durch eine Menge der Interaktionsmöglichkeiten und Verzweigungen nicht zu überfordern (vgl. Zeyer 2016: 204 ff.). Darüber hinaus sollte die Menge bzw. Anzahl interaktiver Elemente, die auf einmal auf dem Bildschirm zur Verfügung stehen, nicht zu groß sein.

Das konstante Vorhandensein bestimmter interaktiver Steuerungselemente kann Lernenden Sicherheit geben: Weiß man, wo man sich im Programm befindet, wie man Hilfe abruft, wie Feedback funktioniert, bleibt man auf den Lerngegenstand fokussiert. Daher ist wichtig, dass sich diese Elemente in den verschiedenen Phasen der Lernprogramme nicht unterscheiden. Somit werden Lernende durch die Vielfalt vieler Interaktionsmöglichkeiten nicht abgelenkt bzw. überfordert und konzentrieren sich auch auf die vielfältigen didaktischen Interaktionen, die sich je nach Lernphase und Lernziel abwechseln und zum Lernziel führen. In Kapitel 5 werden mögliche Interaktionen in einzelnen Teilen der Interaktiven Grammatik schematisch dargestellt und ausführlich analysiert.

Kapitel 2.2 zielte auf eine Beantwortung der Fragen, was genau Interaktivität im CALL-Bereich bedeutet, welche Funktionen sie erfüllt und in welchen Formen sie realisiert werden kann. Darüber hinaus wurden Aspekte und didaktische Überlegungen dargelegt, die die Gestaltung des vorprogrammierten Feedbacks bestimmen. Nicht zu vernachlässigen ist auch der letztgenannte Punkt zum Umfang angebotener interaktiver Elemente.

3. Visualisierung beim Fremdsprachenlernen mit Fokus auf Grammatik

„Am Anfang war das Bild: vor der Schrift das Felsbild, vor der artikulierten Sprache der mimische Ausdruck, vor der rationalen Überlegung die mythische Vorstellung.“ Mit diesem Zitat eröffnet Doelker (1997: 16) das erste Kapitel seines Buches über die visuelle Kompetenz in der Multimedia-Gesellschaft. Er weist darauf hin, dass die Digitalisierung und ihre unbegrenzten Verbreitungsmöglichkeiten eine Flut visueller Informationen ermöglichen (vgl. ebd.). Etwa zehn Jahre später schreibt Lieber im Vorwort im Handbuch zur Bilddidaktik: „Gerade im Zeitalter der digitalen Medien sind Bilder unaufhaltsam auf dem Vormarsch und rücken seit einigen Jahren in den Fokus des wissenschaftlichen Interesses“ (Lieber 2008: 4). Dieses Interesse trägt zur Entwicklung „einer eigenen interdisziplinär ausgerichteten Bildwissenschaft“ bei, dabei können Bilder aus der historisch orientierten, sozialwissenschaftlichen oder anwendungsorientierten Perspektive erforscht werden (ebd.). Aufgrund des interdisziplinären Charakters der Bildwissenschaft werden Visualisierungen, ihre Grenzen und Potenziale, Einsatzmöglichkeiten und Anforderungen an sie, in unterschiedlichen Fachdiskursen besprochen. Ich beschränke mich in dieser Arbeit auf Visualisierungen in der Linguistik und beim Fremdsprachenlernen.

„Die visuelle Flut führt erfahrungsgemäß zu einer Abstumpfung der Wahrnehmung. Eine aktive Visualisierung beim Lernen, wie zum Beispiel die Einbeziehung visueller Vorstellungen beim Einprägen fremdsprachiger Informationen, ist wahrscheinlich wirksamer als eine Fülle von Bildmaterial“ (Schiffler 2002: 10). Schiffler weist auf die Notwendigkeit der Förderung von Visualisierungstechniken im Unterricht hin (vgl. ebd.). Übertragbar auf Selbstlernmaterialien lässt sich behaupten, dass Lernende mit visuellen Elementen interagieren müssen (s. Kapitel 2.2 zur Interaktivität), um somit die Nachvollziehbarkeit von Lerninhalten in visueller und verbaler Form anzustreben. Die technische Entwicklung trägt m. E. auch zu der medialen Ausstattung im Fremdsprachenunterricht bei und beeinflusst die visuelle Gestaltung der Lernmaterialien.

Viele Beiträge zur Rolle visueller Komponenten im Fremdsprachenunterricht beginnen mit dem Spruch „Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“ (s. z. B. Hieronimus 2014; Gubanova-Müller und Tommaddi 2016; Klewitz 2016). Wie viel kann ein Bild über ein grammatisches Phänomen aussagen? Und wie muss das Bild gestaltet sein? Das sind die zentralen Fragen dieses Kapitels. Zuerst werden Potenziale von Visualisierungen für verschiedene Kompetenzbereiche im Kontext des Fremdsprachenlernens skizziert und Begriffe visueller Medien in verschiedenen fremdsprachlichen Handbüchern dargestellt. Danach folgt eine Auseinandersetzung mit Typen und Funktionen der Visualisierungen. Anschließend stehen visuelle Mittel speziell zur Unterstützung bei der Grammatikdarstellung im Fokus. Dabei werden Visualisierungen in gedruckten Medien systematisch betrachtet und die Veränderungen der Visualisierungen durch die mediale Entwicklung diskutiert. Anschließend werden die Konsequenzen für die Entwicklung digitaler Lernmaterialien zur Grammatik zusammengefasst.