Grammatiklernen interaktiv

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3.4. Visuelle Unterstützung beim Grammatiklernen in analogen Medien

Durch Visualisierungen kann das Erklären grammatischer Inhalte unterstützt werden, da „rein verbale Erklärungen im flüchtigen Medium der gesprochenen Sprache […] zu abstrakt [sind], sie überfordern die Lernenden, erschweren das Verstehen und dürften zudem einen geringen Behaltenseffekt haben“ (Storch 1999: 194). Zur Visualisierung von Grammatik im Bereich Deutsch als Fremdsprache arbeiteten einige Forschende Tipps für die Praxis aus (vgl. Brinitzer und Damm 2012; Kießling 2002; Nordkämper-Schleicher 1998; Scherling und Schuckall 1992). Neben den Praxistipps für die Arbeit mit Visualisierungen (Bilder, abstrakte Symbole, Signale etc.) im Grammatikunterricht wird ein kleiner Zeichenkurs für Lehrende angeboten (vgl. Scherling und Schuckall 1992). Laut Hilger (1999: 8) sind Bilder „ideale Hilfsmittel“ zur Erschließung grammatischer Inhalte, eine kritische Auseinandersetzung mit Visualisierungsmöglichkeiten der Grammatik und Anforderungen an einzelne Darstellungsformen in der Fremdsprachendidaktik ist dringend vonnöten.

Der erste Versuch einer Systematisierung visueller Lernhilfen für die Grammatikvermittlung wurde von Funk (1984: 28-29) unternommen, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit. Folgende Lernhilfen werden erwähnt: grafisch-technische Symbole (Unterstreichung, Tabellen, farbige Hervorhebung, Umrahmungen, Veränderung der Drucktypen), abstrakte Symbole (sprachsystembezogen oder inhaltsbezogen), konkret-bildliche Verstehenshilfen, Bild-Metaphern und Situierung von Strukturen und Verbalisierungsmustern (Zeichnungen, Fotos) (vgl. ebd.). Auf der Grundlage der Analyse der DaF-Lehrwerke unterscheiden Funk und Koenig (1991a, 1991b) zwischen drucktechnisch-grafischen Lernhilfen, abstrakten Symbolen1, konkreten Symbolen („Bildmetaphern“) und Lernhilfen durch Situationskontexte.

Eine verbale Vermittlung grammatischer Regeln2 kann insbesondere im Anfängerunterricht kompliziert sein, daher könnten visuelle Elemente, wie Situationsbilder, konkrete bildliche Verstehenshilfen, Signale, abstrakte Zeichen und Bildsymbole (vgl. Scherling und Schuckall 1992: 97) verwendet werden. Laut Scherling und Schuckall (1992) findet eine gegenseitige Ergänzung von Bild und Sprache nur dann statt, wenn sie inhaltlich aneinander anknüpfen. Unter Situationsbildern werden nach Scherling und Schuckall (1992: 98) Visualisierungen verstanden, die der „Klärung des sprachlichen Handlungsrahmens“ dienen, welche den Situationsvorgaben von Funk entsprechen. Konkrete bildliche Verstehenshilfen stehen für visuelle Metaphern, die die formale Struktur eines grammatischen Phänomens darstellen, wie beispielsweise eine Schraubzwinge oder eine Schere für Satzklammer (vgl. ebd.: 105). Eine visuelle Metapher ist ein Beispiel analoger Bilder in der Typologie von Macaire und Hosch (1996) (s. Kap. 3.3).

Farbe, Fettdruck, Einrahmungen und Pfeile gehören nach Scherling und Schuckall (1992) zur Signalgrammatik3 und können den Verstehensprozess von grammatischen Inhalten unterstützen, funktionieren aber kaum auf der pragmatischen Ebene des Gebrauchs und der Bedeutung. Mit Elementen der Signalgrammatik könnten grammatische Regeln konkretisiert werden, was bei der Selbstkorrektur und der Wiederholung hilfreich sei. Abstrakte Zeichen und Bildsymbole dienen auch der Regelpräzisierung und können in Übungen, z. B. zum Satzbau, eingesetzt werden (vgl. ebd.: 106). Scherling und Schuckall (1992) betonen, dass einzelne Visualisierungsmöglichkeiten der Grammatik exemplarisch aufgezeigt werden (vgl. ebd.: 97), d. h. dass es sich um keine prägnante Klassifikation handelt. Jedoch sind viele Übereinstimmungen zwischen der Klassifikation von Funk und Koenig (1991b) und einzelnen visuellen Lernhilfen nach Scherling und Schuckall (1992) festzustellen. Im Gegensatz zu Funk und Koenig gehen Scherling und Schuckall von der Funktionalität aus und zählen Farbe, Schrift und Pfeile zu den signalgrammatischen Mitteln. Erwähnenswert ist, dass keine weiteren Systematisierungsvorschläge möglicher Lernhilfen für Grammatik nach den oben erläuterten Publikationen zu finden sind. Die Platzierung der grammatischen Informationen, sowohl verbalen als auch visuellen, auf den Lehrwerkseiten, könnte im Hinblick auf die Rolle der Grammatik für eine genauere Analyse auch interessant sein.

Um eine Doppelung zu vermeiden, wird an dieser Stelle auf Beispiele der ausgeführten Visualisierungen aus den DaF-Lehrwerken verzichtet. In Kapitel 4.4 zur Grammatikvermittlung werden sie anhand der Lehrwerkanalyse systematisch dargelegt. Jedoch ist ein Blick in eine Bildergrammatik bzw. in vier Ausgaben der Bildergrammatik für Deutsch als Fremdsprache, Englisch, Französisch und Spanisch sehenswert. Da die Analyse aller Visualisierungen der vier Bildergrammatiken den Rahmen sprengen würde und der Fokus dieser Arbeit auf dem Imperativ liegt, werden Lektionen zum Thema Imperativ in allen vier Ausgaben analysiert.

Einen ambitionierten Versuch, grammatische Themen zu visualisieren, unternehmen Autoren der Grammatik in Bildern für Deutsch als Fremdsprache (Gubanova-Müller und Tommaddi 2016). Laut eigener Angabe könne jeder Grammatik mit der neuen visuellen Methode lernen. Bereits nach einem kurzen Blick ins Buch werden Erwartungen einer „neuen“ Methode nicht bestätigt. Bei den Visualisierungen handelt es sich um die bereits bekannten, oben skizzierten Elemente: farbige Markierungen, Pfeile, Abbildungen. Das Buch kündigt an, mit Visualisierungen den Text zu unterstützen, die reine Textmasse aufzubrechen und somit zu helfen, sprachliche Inhalte besser zu verstehen und zu verarbeiten (vgl. ebd.: 4). Einige Abbildungen versuchen grammatische Phänomene auf humorvolle Weise darzustellen, was eher eine verwirrende Wirkung hat. Es ist fraglich, ob Lernende bspw. verstehen würden, dass das Bild einer Schnecke auf einem Skateboard, das von dem Satz „Fahr ein bisschen langsamer!“ begleitet wird, die Funktion „Rat“ verdeutlichen soll (s. Abb. ebd.: 251). Für die visuelle Darstellung der Imperativbildung werden Farben, Durchstreichungen, Pfeile und mathematische Zeichen verwendet (s. Abb. ebd.: 252).

In Grammatik in Bildern für Englisch wird dem Imperativ im Kapitel „Verb“ eine Doppelseite gewidmet (vgl. Melican und Proctor 2014: 116-117). Die Abbildung, auf der eine Person auf einem Felsen steht, sollte den Satz „Be careful.“ verständlicher machen. Die Funktionen des Imperativs werden im kurzen Text rot hervorgehoben. In Beispielsätzen sind die Imperativformen durch Fettdruck hervorgehoben. Darüber hinaus werden pragmatische Aspekte sowie Orthographiezeichen thematisiert und mit Beispielsätzen illustriert. Eine weitere Doppelseite zum Imperativ ist in Kapitel „Satzarten“ zu finden, in dem die Bildung der Imperativsätze im Englischen metasprachlich erklärt wird (vgl. ebd.: 254-255). Die Abbildung einer maskierten Person mit einer Pistole in der Hand und dem Ausspruch „Give me the money!“ veranschaulicht, wie die Absicht des Sprechers in einem Imperativsatz ausgedrückt wird (s. Abb. ebd.: 254). Im Gegensatz zum Foto mit dem Satz „Be careful.“ ist diese Visualisierung eindeutiger, auch wenn sie aggressiv wirken könnte und in dem Falle, dass aus dem Bild, in dem weder Geld noch ein Kassierer zu sehen sind und ein Supermarkt nur zu erahnen ist, der Satz erraten wird.

Die Bildergrammatik für Französisch beinhaltet nur eine Doppelseite zum Thema Imperativ (im Kapitel „Verb“) (vgl. Rist 2014: 164-165). Die Funktionsweise wird in einem Satz formuliert, in dem statt Funktionen (Befehle, Aufforderungen) das Wort Imperativ dunkelrot hervorgehoben ist, ohne eine weitere visuelle Unterstützung. Anschließend folgen mehrere Tabellen zur Bildung unterschiedlicher Imperativformen.

In der Grammatik in Bildern für Spanisch wird dem Thema Imperativ ein separates Kapitel gewidmet (vgl. Reymóndez-Fernández 2014: 228-239). Der Imperativ wird als „der Modus der Befehle“ definiert (ebd.: 230). Neben der Bildung der Imperativformen werden auch alternative Ausdrucksformen der Befehle und Aufforderungen aufgelistet. Visuelle Unterstützung findet durch eine farbige Hervorhebung in Beispielsätzen statt. Die Bildung des Imperativs wird tabellarisch für unterschiedliche Verben mit farbigen Hervorhebungen der Endungen bzw. der Verben dargestellt. Im Kapitel sind auch vier Abbildungen zu finden, zwei dieser Abbildungen sollten humorvolle Situationen zum Thema Imperativ präsentieren. In der Abbildung der zwei Personen in Ganzkörperverbänden werden z. B. die Folgen der Nichtausführung einer Aufforderung, die im Imperativ formuliert wird („Cerrad bien el gas.“/“Dreht das Gas immer gut zu!“), dargestellt (s. Abb. ebd.: 234). Fraglich bleibt, ob die Visualisierung in diesem Fall hilfreich oder eher irritierend (und auch unsensibel) ist.

Die Grammatiken in Bildern sind eine Art Referenzgrammatiken, die heutige visuelle drucktechnische Möglichkeiten nutzen und grammatische Strukturen in Farben und Tabellen zu veranschaulichen. Jedoch die Behauptung, dies sei eine „neue“ Methode, wird nicht bestätigt. Darüber hinaus wird am Beispiel der fotografischen Illustrationen deutlich, dass ihre Potenziale für die Visualisierung von Grammatik nicht ausgeschöpft werden bzw. sie die Anforderungen an didaktische Visualisierungen4 nur teilweise erfüllen.

Visuelle Metapher

Zur weiteren Kategorie der Visualisierungen gehören Metaphern, deren Potenziale für das Fremdsprachenlernen zu nutzen sind, jedoch in wenigen Lehrwerken eine Berücksichtigung finden. Für die Grammatikvermittlung können Metaphorisierungsprozesse5 „eine bedeutende Rolle zur Verarbeitung abstrakter Konzepte“ spielen (Weininger 2013: 31). Ausgehend von den Erkenntnissen der Gedächtnistheorien sieht Bellavia (2007) einen positiven Einfluss der Metapher beim Sprachenlernen in ihrer emotionalen Kraft und lebendigen Bildlichkeit, die das Behalten der Lerninhalte fördern. Darüber hinaus wird durch den Einsatz der Metaphern der Anbau des mentalen Lexikons gefördert sowie die Fantasie der Lernenden angesprochen, was zu affektiven Effekten führt und zum Lernen motiviert (vgl. Bellavia 2007: 212ff.). In einer Reihe von Publikationen werden Potenziale der Metapher für den Spracherwerb diskutiert (s. dazu z. B. Bellavia 2007, 2011, 2017; Suñer Muñoz 20136; Roche und Suñer Muñoz 2016). Bellavia erarbeitet zahlreiche didaktische Vorschläge zum Nutzen der alltäglichen Metaphorik für die Darstellung deutscher Präpositionen und schreibt den Metaphorisierungsprinzipien in computergestützten Grammatikanimationen großes Potenzial zu (vgl. Bellavia 2007: 364), was in späteren Studien zu Animationen bestätigt wird (vgl. Roche und Suñer Muñoz 2014; Kanaplianik 2016). In der Interaktiven Grammatik werden auch visuelle Metaphern in einzelnen Einheiten (z. B. eine Schere zum ‚Schneiden‘ von Komposita, ein Magnet zur Verdeutlichung der Satzklammer) zur Verständniserleichterung verwendet. Diese Metaphern lassen sich bewegen und sollten dadurch nachvollziehbar für Lernende sein. Die visuelle Metapher der Einheit Imperativ wird in Kapitel 5 dargestellt und analysiert. Zuerst werden im folgenden Abschnitt einige Bei­spiele für Grammatikvermittlung mit bewegten Bildern bzw. Animationen einer näheren Betrachtung unterzogen.

 

3.5. Visualisierung der Grammatik in digitalen Lernmaterialien

Visuelle Lernhilfen, die in gedruckten Lernmaterialien vorkommen, werden auch in digitalen verwendet. Jedoch bietet die mediale Entwicklung weitere Einsatzmöglichkeiten von Visualisierungen beim Grammatiklernen. Die Farb- oder Schriftänderung kann durch Aktivitäten von Lernenden initiiert werden und ist nicht mehr statisch wie in Printmaterialien. Die Veränderung visueller Elemente liegt an der Schnittstelle der Visualisierung und der Interaktivität, die im vorigen Kapitel näher betrachtet wurde. Die technische Entwicklung trägt zur Erweiterung des visuellen Repertoires bei. Dabei müssen nicht unbedingt neue Visualisierungstypen geschaffen werden, sondern die, die bereits eine lange Tradition in den gedruckten Materialien haben, gewinnen neue Eigenschaften. So sind visuelle Elemente in digitalen Materialien durch eine gewisse Dynamik gekennzeichnet: Als eine Reaktion auf die Eingaben der Nutzer kann eine farbige Änderung der Schrift, das Erscheinen einer Einrahmung etc. vorprogrammiert werden. Eine Farbänderung könnte für das gesamte Element oder bei einem Teil der Visualisierung z. B. Ampelfarben als Rückmeldung auf eine falsche Eingabe (rot) und auf eine richtige (grün) erfolgen.1 Das Erscheinen neuer visueller Elemente kann ebenfalls gewährleistet werden.

Videomaterialien und Audio-Bilder-Sequenzen

Eine weitere Visualisierungsmöglichkeit, Videos bei der Grammatikvermittlung einzusetzen, wird selten benutzt, wobei einige Beispiele zur Erklärung der Grammatik auf Youtube zu finden sind (s. z. B. Easy German Grammar2). Darüber hinaus werden zu didaktisierten Videos neben Hör-Sehverstensübungen und Wortschatzaufgaben Übungen zu grammatischen Themen angeboten. So muss man z. B. nach dem Anschauen einer Video-Folge Pronomen in einem Dialog auswählen (s. dazu das Lernangebot des Goethe-Instituts Erste Wege in Deutschland3). Laut Kerres (2013: 171) eignen sich aber für Anfänger eher einfache Bilder oder Bildfolgen statt Animationen oder Videos bei der Auseinandersetzung mit Inhalten. Daher könnte man statt Videos Audio-Bilder-Geschichten zur Grammatikvermittlung entwickeln. Videos und Audio-Bilder-Geschichten werden im Bereich Grammatik kaum eingesetzt, dafür werden andere „moderne“ visuelle Medien von Verlagen zur Verfügung gestellt, wie z. B. augmented reality.

Augmented Reality

Die großen Verlage stellen Augmented-Apps zu ihren Lehrwerken zur Verfügung.4 Augmented Reality wird als Werbeslogan bzw. als Marketingargument von Verlagen eingesetzt. Mehler-Bicher et al. (2011) versuchen eine einheitlichen Definition der Augmented Reality auszuarbeiten und weisen darauf hin, dass mithilfe derer die vorhandene Welt mit einer virtuellen Realität bzw. mit virtuellen Objekten ergänzt wird, die zudem dreidimensional und interaktiv sein könnten. Einer der Anwendungsbereiche der Augmented Reality ist die Visualisierung und Präsentation von Informationen, z. B. eines neuen Produktes (vgl. ebd.: 74). Sie hat sicherlich große Potenziale für das Fremdsprachenlernen (vgl. z. B. Thorne et al. 2015; Santos et al. 2016), jedoch stellt sich die Frage, ob die aktuellen Augmented Reality-Apps, die für DaF-Lehrwerke angeboten werden, ihren Namen berechtigt tragen, da sie eher dem Abspielen von Audios oder Videos zum Lehrwerk dienen. Es ist kein neues visuelles Medium, sondern eine weitere technische Möglichkeit, textuelle, auditive, visuelle Inhalte abzurufen und wiederzugeben. Die Inhalte können z. B. in Form von animierten Präsentationen oder Videos zu grammatischen Themen aufbereitet sein. Augmented reality in dieser Form fällt in die Kategorie Werkzeuge/Hilfsmittel, die bereits oben (Kapitel 3.1) kritisch betrachtet wurde.

Grammatikclips

Eine Möglichkeit, grammatische Strukturen visuell darzustellen, ist es, bewegte Bilder einzusetzen. Ein Beispiel sind animierte Grammatikclips5 für das Lehrwerk DaF leicht, die de facto gefilmte Legetechniken6 zur Präsentation von verschiedenen grammatischen Themen darstellen. So werden einzelne Vokabeln gelegt, getauscht, geschoben, versteckt oder farbig markiert, um auf die Besonderheiten grammatischer Themen aufmerksam zu machen und die Strukturen nachvollziehbar zu präsentieren. Die Präsentationen laufen in Begleitung von fragenden, verneinenden oder bejahenden In­ter­jek­ti­onen. Die Grammatikclips bieten eine alternative Präsentationsart der Grammatik, sind jedoch keine Animationen.

Animationen

Schnotz et al. (1998: 136) verstehen unter animierten Bildern die, „deren grafische Struktur sich während der Darbietung verändert.“ Ausgehend von dieser Definition gehören auch Filme und Videos zu animierten Bildern, sie verfügen aber nur gering über Interaktivität, da sie keine Manipulation der Bildstruktur zulassen (vgl. ebd.). Lowe unterscheidet bei Animationen drei verschiedene Änderungsarten visueller Darstellungen:

 “Form changes (‘Transformations’)” sind Änderungen an grafischen Entitäten wie Größe, Form, Farbe und Textur;

 “Position changes (‘Translations’)” sind Bewegungen visueller Elemente von einem Punkt zum anderen;

 “Inclusion changes (‘Transitions’)” sind das komplette oder partielle Erscheinen oder Verschwinden der Elemente (Lowe 2003: 158-159 [Hervorhebung im Original]).

Für das Sprachenlernen ist eine Verdeutlichung des Animationsbegriffs notwendig. So unterscheidet Scheller zwischen zwei Arten der Animationen: die, in denen Bilder als Semantisierungshilfen fungieren, und die, „in denen die Bewegung der sprachlichen Elemente selbst zum Gegenstand wird“ (Scheller 2009: 231).

Es wird darauf hingewiesen, dass dynamische Bilder gegenüber den statischen nicht per se vorteilhaft beim Lernen sind, weil sie durch eine größere Informationsmenge, die in begrenzter Zeit angeboten wird und zu verarbeiten ist, eine höhere Belastung des Arbeitsgedächtnisses erfordern (vgl. Lowe 1998: 126). Visuelle und verbale Informationen in Animationen müssen aufeinander abgestimmt sein: „Bei der Entwicklung instruktionaler Animationen sind Inhalt und Form der Präsentation so aufeinander zu beziehen, daß Lernende zum einen die thematisch relevante Information entnehmen können und zum anderen möglichst wenig inadäquate relationale Information inferieren.“ (ebd.: 133).

Einen Überblick über die Studien zum Lernen mit Animationen bietet Scheller (2009: 57ff.). Allerdings beschäftigen sich die meisten Studien mit naturwissenschaftlichen und technischen Themen (Lewalter 1997b; Lowe 1998; Schnotz et al. 1998; Drewniak 1992; Wagner 2013), somit sollten die Ergebnisse in der Sprachmittlung mit Vorsicht betrachtet werden. Daher werden im Folgenden exemplarisch nur sprachwissenschaftliche Studien zusammengefasst, in deren Fokus die Grammatikvermittlung mit Animationen steht.

In ihrer Studie untersuchte Caplan (2002) die Wirkung der statischen und animierten Präsentationsformen der deutschen Modalverben für amerikanische DaF-Lernende und stellte keine signifikanten Unterschiede beim Wissensstand von Probanden der Kontroll- und Experimentalgruppe fest. Im Nachtest zeigten alle Probanden Wissenszuwachs, auch wenn die animierte Präsentationsform im Vergleich zur statischen besser bewertet wurde, wurde keine stärkere Lernwirksamkeit der Animationen festgestellt.

In einer experimentellen Studie mit elf DaF-Lernenden der Mittelstufe aus China, Spanien und Russland wurde die Lernwirksamkeit animierter Präsentationen von Satzklammer, Wechselpräpositionen, Pronomen es und Wortbildung getestet und festgestellt: „Dynamische Bilder (Animationen) eignen sich wesentlich besser zur Darstellung sequenzieller oder kausaler Sachverhalte, aber nur solange auch dies nicht zu einer Reizüberflutung oder Ablenkung führt.“ (Roche und Scheller 2004: 14). Dies stimmt mit der Schlussfolgerungen von Lowe (1998) überein (s. o.). Die Konsequenzen der Studie fließen in die Animationskonzeption für eine weitere größere Studie von Scheller (2009) ein. Im Fokus der Untersuchung steht das Thema Kasuswechsel nach Wechselpräpositionen im Deutschen. Dafür wurden multimediale Grammatikanimationen auf der Grundlage eines alternativen kognitionspsychologischen Erklärungsansatzes für die Kasuswahl nach Wechselpräpositionen konzipiert. Im Gegensatz zum traditionellen Erklärungsansatz (wo/wohin) liegt das Konzept der Grenzüberschreitung dem alternativen Ansatz zugrunde (vgl. Scheller 2007: 160). Für beide Ansätze wurden sowohl statische als auch animierte Versionen entwickelt. Die Lernwirksamkeit der Animationen wurde anhand von drei Studien, einer experimentellen mit 89 in einer weißrussischen Universität und zwei explorativen Studien mit 9 und 13 DaF-Lernenden in Deutschland analysiert. Es wurde festgestellt, „dass nicht von einer generellen lernfördernden Wirkung der Animationen ausgegangen werden darf, sondern erst die Verbindung der mentalen Möglichkeiten und spracherwerbsbezogenen Forschung den Lernmehrwert von Animationen zur Geltung kommen lässt.“ (Scheller 2009: 217). Darüber hinaus hat sich der Erklärungsansatz Grenzüberschreitung in animierter Präsentationsform als lernfördernd ergeben (vgl. ebd. 218).

Die von Scheller ausgearbeiteten Animationen wurden in einer anderen Studie zur Erforschung mentaler Modelle eingesetzt (vgl. Grass 2013). Dafür arbeiteten Schüler (mit Migrationshintergrund) eines Münchener Gymnasium mit dem animierten Lernprogramm zu Wechselpräpositionen. Es wurden Entscheidungsstrategien bei der Arbeit mit Animationen erfasst. In der Pilotstudie wird ein anderes Erhebungsdesign geschildert: „Mit der Erhebung mentaler Modelle kann es auch Lernern einer Fremdsprache der Anfängerniveaus ermöglicht werden, komplexe Beziehungen und Zusammenhänge graphisch darzustellen und für den Forscher sichtbar zu machen.“ (vgl. ebd.: 106).

Der Gegenstand einer weiteren Studie zum Lernen mit Animationen sind deutsche Modalverben und ihre Vermittlung basierend auf Erkenntnissen der kognitiven Linguistik und multimedialen Lernens (vgl. Kanaplianik 2016). Auf der Grundlage des Modells der kognitiven Didaktik (s. dazu auch Roche und Suñer Muñoz 2014: 125) und einer ausführlichen Analyse einzelner Ebenen des Modells wurden circa 60 animierte Lerneinheiten zu Modalverben (als Ausdrucksmitteln der Ereignismodalität und der Wissensmodalität) implementiert und mit Studierenden einer weißrussischen Universität getestet. An der Studie zur Ereignismodalität nahmen 118 Personen teil, an der zweiten 56 Studierende, die entweder mit ausgearbeiteten Animationen oder mit statischen Lerneinheiten arbeiteten. Darüber hinaus wurde ein alternativer Erklärungsansatz zur Darstellung der Modalverben entwickelt und präsentiert, der auf der kognitiven Domäne der Kraft-Dynamik basiert (im Gegensatz zum traditionellen Notwendigkeit/Möglichkeit-Erklärungsansatz). Die Ergebnisse der Nachtests (unmittelbar nach der Bearbeitung der Lerneinheiten und eine Woche danach) zeigte folgende Ergebnisse:

Die Anwendung der Kenntnisse, die nach dem innovativen Konzept (kognitionslinguistische Konzepte und animierte Bilder; kognitionslinguistische Konzepte und statische Bilder) vermittelt werden, ermöglicht einen direkten Zugang zur konzeptuellen Basis der Grammatik und führt zu einem nachhaltigen Lernmehrwert bei Grammatikvermittlung. (EL-Bouz (Kanaplianik) 2016: 94)

 

Die Ergebnisse der Studie bestätigen die Erkenntnisse der vorigen Studien, dass die Anwendung animierter Lerneinheiten nicht automatisch lernfördernd ist.7

In den erläuterten empirischen Studien steht die Lernwirksamkeit der Animationen bei der Grammatikvermittlung im Fokus. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich in erster Linie mit der Frage, wie Lernende mit dem Programm Grammatik lernen.

In diesem Kapitel wurde zuerst ein Überblick über visuelle Medien im Fremdsprachenunterricht aus einer diachronischen Perspektive sowie über weitere Aspekte der Visualisierungen anhand verschiedener Definitionen gewährt. Anschließend wurden Funktionen und Typen der Visualisierungen zusammengefasst. Bis jetzt fehlt eine systematische Analyse von Visualisierungen der Grammatik in gedruckten Materialien, daher konnten nur exemplarische Kategorisierungsvorschläge analysiert werden. Außer der visuellen Metapher wurden keine visuellen Lernhilfen für Grammatik systematisch erforscht (weder die Lernwirksamkeit, noch der Umgang mit Visualisierungen im Unterricht). Zu dynamischen Visualisierungsformen ist eine übersichtliche Reihe von Arbeiten zur Lernwirksamkeit von Animationen vorhanden, die einen wichtigen Ausgangspunkt für die Entwicklung digitaler Materialien bilden.

Für die Konzeption der Interaktiven Grammatik konnten ebenfalls Konsequenzen gezogen werden.8 Generell sollten Materialentwickler bei der Erstellung von Bildern auch mögliche Probleme beachten, die beim Verstehen der jeweiligen Bilder entstehen könnten. Wichtig bei der Visualisierung von Grammatik ist das Zusammenspiel visueller und textueller Elemente. Dynamische Darstellungen bzw. Animationen eignen sich nicht für die Visualisierung aller grammatischen Themen. Liegt einer grammatischen Struktur eine dynamische Zustandsänderung, bspw. eine Veränderung von Objekten in ihrer Position oder über die Zeit, zugrunde, lässt sich das jeweilige Phänomen animiert darstellen. Jedoch ist eine Überladung mit visuellen Informationen zu vermeiden. Bevor die Realisierung der Visualisierungsmöglichkeiten in der Interaktiven Grammatik dargestellt wird, werden im folgenden Kapitel Prinzipien der Grammatikvermittlung, die Vermittlung des Imperativs in wissenschaftlichen und didaktischen Grammatiken sowie in DaF-Lehrwerken geschildert. Bei der Analyse der Imperativdarstellung für A1-Lernende werden u. a. visuelle Elemente der Lehrmaterialien untersucht.