Dem Schicksal einen Tritt in den Hintern

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Dem Schicksal einen Tritt in den Hintern
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Sue Schmidt

Dem Schicksal einen Tritt in den Hintern

Stella did it

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort, mal anders

Stella did it (oder Das zweite Gesicht)

Nachwort: Stella!

Leseprobe: Tim did it (oder Wer anderen eine Grube gräbt)

Leseprobe: Alec did it (oder Die Kiste)

Story gefallen? Weitere Rebellen mit Herz und Verstand

Impressum

Vorwort, mal anders

~~

Wenn man wie alle andren tickt,

dann gilt man selten als verrückt.

Doch kaum verlässt man alte Gleise

und denkt auf eine neue Weise,

keimt der Verdacht, man würde spinnen

und sei von Sinnen.

Der Autor

~~

Stella did it (oder Das zweite Gesicht)

Es herrschte Hochbetrieb in der kleinen Bank in Padstone Village, wie immer, wenn es Freitagnachmittag war. Stella betrat sie zwanzig Minuten vor Schalterschluss, wühlte in ihrer Handtasche, grub sich durch etliche Notizzettel, Stifte und sonstige Utensilien nach unten und wurde mit einem Seufzer der Erleichterung fündig. Da war sie, ihre Bankkarte, und auch ihr Handy. Sie nahm die Stummschaltung heraus, reihte sich in die Schlange wartender Kunden ein und wünschte sich, der Mann hinter dem Schalter möge wenigstens einmal im Leben, nämlich heute, auf Touren kommen. Sie hatte eine zehnstündige Spätschicht vor sich, Akkordarbeit an dröhnenden Maschinen, nervenaufreibend und monoton.

Doch er schien wieder einmal alle Zeit der Welt gepachtet zu haben, so langsam zählte er das Geld auf den Schaltertisch.

„Hallo, Mr. Miller“, rief sie ihm zu und tippte auf ihre Uhr. „Sie haben noch 18 Minuten, bis der Hammer fällt, und ich habe noch 40 bis Arbeitsantritt. Geht das auch etwas schneller?“

„Hallo Madame Ungeduld“, rief er zurück und seine hochgezogenen Augenbrauen stießen fast an den grauen Bürstenschnitt. „Haben wir es wieder mal eilig? Hast du immer noch nicht gelernt, das gut Ding Weile haben will?“

Sie seufzte erneut. So redete nur jemand, der einen von Kindheit an kannte. „Vielleicht sollten Sie bei „Weile“ das „W“ abschießen, damit dieser Steinzeit-Spruch ein paar Menschen glücklich macht. Mich zum Beispiel.“

Er bedachte sie mit einem missbilligenden Blick und drosselte sein Tempo noch mehr. Sie hätte es wissen müssen. Verbale Kinnhaken funktionierten bei notorischen Rechthabern nie. Warum hatte sie nicht einfach den Mund gehalten?

Dafür hielt sie ihn jetzt, musterte wortlos die Kunden, die sich nach ihr umgedreht hatten und sie anstarrten. Ganz besonders starrte die dicke Dame vor ihr, deren Deodorant schon vor Stunden den Dienst versagt haben musste. Nicht, dass Ausdünstungen sie störten – das Leben in einer Wohngemeinschaft auf engstem Raum hatte sie abgehärtet – aber wenn es so warm war wie heute, und so stickig, wie in dieser kleinen Bank, und wenn sie außerdem so viel gegessen hatte, wie vor einer Stunde, sank ihre Toleranzgrenze rapide. Und sie sank noch weiter, als aus ihrem Handy „She loves you“ von den Beatles schallte. Sie drehte der Dicken den Rücken zu, nahm den Anruf mit einem „Hallo Mam“ entgegen und seufzte schon wieder. „Weißt du eigentlich, dass das heute dein zehnter Anruf ist? Mein Handy ist fast entladen, also fasse dich kurz .....“ Ihre Stirn legte sich in kleine Falten. „Können wir diese Diskussion auf ein anderes Mal verschieben? Ich stehe gerade in der Bank und unter Zeitdruck ..... Was? ......“ Sie verdrehte die Augen, versuchte leise zu sprechen. „... Nein, ich habe ihm keinen Laufpass gegeben. Wie soll ich jemandem einen Laufpass geben, mit dem ich noch nicht einmal zusammen bin ..... Mam ... Mam ... Wenn du nicht aufhörst, mich mit reichem verstaubtem Dünkel verkuppeln zu wollen, haben wir ein Problem ..... Nein, ich werde mich nicht bei ihm entschuldigen .....“ Stella blies die Backen auf und ließ die Luft hörbar wieder heraus. „... Mam, du übertreibst ... Ich bin sehr wohl bei Trost, aber ich nehme mein Studium erst wieder auf, wenn ich finanziell von dir unabhängig bin ... Nein, ich ziehe auch nicht wieder bei dir ein ... Also, ich werde jetzt Schluss machen und dich in meiner Pause zurückrufen.“ Stella klappte ihr Handy einfach zu, schaltete es erneut auf stumm, steckte es in eine der Taschen ihrer Arbeitskleidung und wischte sich die feinen Schweißperlen von der Stirn.

Die dicke Dame hatte jedes Wort interessiert aufgesogen und musterte Stellas anthrazitfarbene Latzhose. „Wir kennen uns zwar nur vom Sehen, Schätzchen ...“, kam es auch schon näselnd aus ihrem kleinen, grellrot geschminkten Mund, „... aber Ihre Mutter kenne ich gut. Sie sollten auf sie hören. Sie sollten tun, was sie sagt. Sie weiß, was gut für Sie ist.“ Sie lüftete die Arme, was einen erneuten Schwall von Schweißgeruch in Stellas Nase trieb.

„Und Sie sollten Ihr Deodorant wechseln“, sagte Stella trocken, während sie in das brüskierte und von einer festzementierten Frisur umgebene Gesicht blickte. „Und Ihr Haarspray ebenfalls ... Sie sind übrigens dran.“ Stella machte eine auffordernde Kopfbewegung in Richtung Bankschalter.

Die Dicke brachte ihren Mund mit Mühe wieder zu, würdigte Stella keines Blickes mehr, erledigte wortkarg ihre Bankgeschäfte und stelzte mit hoch erhobenem Kopf aus der Bank. Doch auch Mr. Miller schien Stella ignorieren zu wollen, zumindest machte sein plötzlich erstarrtes Gesicht den Eindruck.

Sie sah auf ihre Uhr. „Was ist denn, Mr. Miller? Frieren wir jetzt zwei Minuten vor Geschäftsschluss ganz ein?“ Sie schob ihm ihre Bankkarte zu. „Ich hoffe, Ihnen ist das Geld nicht ausgegangen. Ich brauche nämlich dringend welches.“

Er schien sie nicht zu hören, blickte einfach an ihr vorbei, wurde merkwürdig blass.

„Was ist denn los? Wachsen hinter mir grüne Männchen aus dem Boden?“ Sie drehte den Kopf, doch was auch immer er sah, sie sah es nicht mehr, weil sich ein schwarzer Handschuh vor ihr Gesicht schob und ihren Mund zudrückte.

Bis zu diesem Augenblick hatte sie nie verstanden, wie ein Mensch in den Zustand der Schockstarre verfallen konnte, doch das tief donnernde: „Das ist ein Überfall! Die Kassen räumen, aber ein bisschen plötzlich“, machte es zu etwas persönlich Erfahrbarem.

Die Hand des Gangsters saß wie ein festes Klebeband über ihrem Mund, während die andere eine Pistole schwenkte und den Bankangestellten mit ein paar auffordernden Bewegungen zum Öffnen der Kasse brachte. „Alles hineinpacken, und zwar genauso plötzlich!“ Vor Mr. Millers Nase landete ein Sack.

Mr. Miller schluckte, warf einen verstörten Blick auf Stella, dann unter den Schaltertisch, und zuckte zusammen, als die Warnung folgte: „Denken Sie noch nicht einmal daran, den Alarm auszulösen. Das wollen Sie nicht, glauben Sie mir.“ Die Pistole zielte jetzt direkt auf Mr. Millers Stirn und dann auf Stellas Schläfe, weil sie dem Gangster in den Finger gebissen hatte. Ihr Manöver lockerte seinen Griff nicht im Geringsten, ließ seine Hand lediglich einen Hohlraum bilden, während der Druck des Pistolenlaufs an ihrer Schläfe ein Übriges tat, um ihre Zähne fernzuhalten.

„Schon gu...gut“, stottert Mr. Miller und stopfte alles, was er hatte, panisch und mit zitternden Händen in den Sack.

Stella sah ungläubig dabei zu, konnte nicht fassen, was sich da vor ihren Augen abspielte. Sie fühlte sich wie in einem Traum, der nicht absurder hätte sein können. Niemand, der noch halb bei Verstand war, überfiel eine kleine, unwichtige Bank, in welcher ein Schnarchzapfen wie Mr. Miller Dienst hatte. Und trotzdem spürte sie den harten Lauf der Pistole an ihrem Kopf, sowie ein ungutes Gefühl in ihrem Magen, weil sich dort der Schock heftiger manifestierte als in ihrem Verstand und die halbverdaute Pizza wieder nach oben kriechen ließ. Sie war nicht leicht einzuschüchtern, war mit drei älteren Brüdern aufgewachsen, die ihr jede Art von Aufstand vorgelebt und ihn bei ihr herausgefordert hatten, aber das hier versetzte ihrer Courage einen merklichen Dämpfer.

Der Mann riss den Sack an sich. „Und jetzt auf den Boden, mit dem Gesicht nach unten, und die Hände über den Kopf.“ Er verlieh seinem Befehl mit der Pistole Nachdruck. „Gut so. Sie bleiben mindestens fünf Minuten in dieser Stellung. Und lassen Sie sich bloß nicht einfallen, vorher aufzustehen. Die Konsequenzen möchten Sie nicht verantworten.“

Seine Worte hallten in ihrem Kopf wieder, wie durch ein Megafon verstärkt, intensivierten sowohl die Übelkeit als auch das traumartige Gefühl. Er behielt sie an sich gedrückt, eilte rückwärts zur Tür hinaus und zerrte sie mit sich. Sie verlor mehrmals das Gleichgewicht, wurde immer wieder auf die Beine gezogen und dreißig Sekunden später auf die Rückbank eines Autos gestoßen, das mit quietschenden Rädern losfuhr, noch während die Tür zuknallte.

Er saß neben ihr, zog seine Handschuhe aus, musterte Stellas Bissspuren und dann Stella selbst. Eine schwarze Maske bedeckte den gesamten Kopf, gab nur den Mund und ein Paar stahlblau funkelnde Augen frei.

 

Stellas Herz schlug bis zum Hals, obwohl es kaum Platz dafür hatte, so raumfüllend machte sich inzwischen die Pizza breit. Ihr war schlecht. „Ich hätte Sie nicht nur beißen sollen, ich hätte Ihnen auch dorthin treten sollen, wo es am meisten wehtut“, zischte sie, völlig bereit, dieses Versäumnis trotz ihrer fatalen Lage nachzuholen. „Konnten Sie sich nicht einfach mit dem Geld zufrieden geben? Mussten Sie auch noch ...“ Sie verstummte, weil hinter ihnen die Sirenen eines Polizeiwagens aufheulten und der Fahrer des Fluchtautos so heftig in das Gaspedal trat, dass es sie in den Sitz drückte. Die nächste Linkskurve schleudert sie gegen die Tür, die anschließende Rechtskurve gegen ihren Entführer. Sie schrie, als der Wagen selbst ins Schleudern kam und gegen einen Bordstein knallte. Der Fahrer kurbelte wie wild am Lenkrad, brachte das Auto wieder unter Kontrolle und drückte das Gaspedal jetzt fast durch das Bodenblech, was die Räder in jeder noch so schwachen Kurve dazu brachten, schrill zu kreischen und das äußerste Limit ihrer Bodenhaftung zu erreichen.

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