Der Regent

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Der Regent
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Prolog

Rückblick

Die All-Invest AG

Ein Imperium entsteht

Der neue Firmensitz

Gegenwart

Vorbereitung

Neue Technologie

Neues Land

Industrierevolution

Ökologie

Migration

Geld

Offenbarung

Verkehr

Warlord

Politik

Expansion

Wissenschaft und Beruf

Gäa

Gesundheit

Sudan

Auslandspolitik

USA

Technik

Mexiko

Wirtschaft

Drogenkartell

Datenschutz

USA-Krise

Bildung

Enttarnung

Kultur

Welt am Abgrund

Interview

Epilog

Abschlussgespräch

Glossar

Vorschau

Der Regent

Von Roland Bochynek

Buchbeschreibung:

Obwohl Ralf Berger zu einem der mächtigsten und reichsten Unternehmer der Welt aufgestiegen ist, hat er es dennoch geschafft, unerkannt im Hintergrund zu bleiben. Bei seinem Versuch, zusammen mit einem mysteriösen Partner, eine friedliche und soziale Welt aufzubauen, stößt er auf heftigen Widerstand. Durch ihre Gier nach Profit und Macht bringen Konzernbosse und Politiker die Welt an den Abgrund eines Atomkrieges. Berger und seine Freunde kämpfen verzweifelt darum, die Katastrophe zu verhindern.

Über den Autor:

Roland Bochynek zeigt in diesem Roman die wahren Ursachen unserer heutigen gesellschaftlichen Probleme. Auf spannende und unterhaltsame Art versucht er, Lösungen zu finden. So könnte Utopia aussehen ...

Der Regent

Von Roland Bochynek

roland.bochynek@t-online.de

2. Auflage, 2019

© Roland Bochynek – alle Rechte vorbehalten.

Emil-Kömmerling-Straße 50

66954 Pirmasens

roland.bochynek@t-online.de

Die Situation

Oberflächlich gesehen leben wir in einer friedlichen Zeit. In keiner Ära zuvor gab es weniger offene Kriege auf der Welt als heute. Auch wenn die Sensationsgier der Medien uns etwas anderes vorgaukelt. Konflikte werden nun auf andere Art ausgetragen – mit Geld. Während der Waffenlärm mit Ausnahme einzelner Brennpunkte immer leiser wird, entwickelt sich unbemerkt von den meisten Menschen ein neuer Weltkrieg.

Aber was heißt entwickelt? Wir sind schon mitten drin! Es ist ein Krieg des Geldes. Länder werden nicht mehr erobert, sondern mittels Ratingagenturen in den Bankrott getrieben. Global Player besitzen so viel Kapital und Macht, um damit ganze Staaten zu erpressen oder zu manipulieren. In armen Ländern werden von Großkonzernen Rohstoffe ausgebeutet, ohne dass der betroffene Staat oder seine Bevölkerung auch nur den geringsten Nutzen davon haben.

Eine moderne Art von Kolonialherrschaft ist so entstanden. Banken haben Systeme erfunden, um Geld zu vermehren, ohne dass ein Mensch einen Finger rührt. Hochfrequenzhandel nennt man diese Perversion. Die leistungsfähigsten Rechner der Welt werden nicht mehr für technische Forschungsarbeiten gebaut. Stattdessen nutzt man sie, um Geschäfte, Nanosekunden vor der Konkurrenz, abzuschließen. Für Reichtum ist keine Arbeit erforderlich, nur noch Rechenleistung.

Auf der Strecke bleibt der Mensch. International agierende Konzerne spielen die Arbeitnehmer weltweit gegeneinander aus, um damit die Löhne zu drücken. Outsourcing heißt das Stichwort! In den Industriestaaten wird Burn-out zur Volksseuche, während in den ärmeren Ländern die Menschen nicht satt werden, obwohl sie sieben Tage in der Woche zwölf, vierzehn und mehr Stunden schuften. Sogar im reichen Deutschland gibt es Menschen, die von ihrer Arbeit nicht mehr leben können. Eine neue, bequeme Art der Profitmaximierung, die sich hinter der Bezeichnung 'prekäre Beschäftigung' versteckt. Man bezahlt den Mitarbeitern Hungerlöhne, die der Staat aufstocken muss. Steuergelder in Milliardenhöhe werden so für Sozialhilfen aufgewendet, die an anderer Stelle fehlen. Somit ist auch dies eine Subventionierung der Profite einiger weniger.

Der industrielle Aufbau ist längst einem Verdrängungskampf gewichen. Es wird nicht mehr nach Bedarf produziert, sondern Bedarfe werden durch Marketing-Strategien erst geweckt. Oft für absolut unnötige, nicht selten auch schädliche Produkte. Es wird nicht hergestellt, was gebraucht wird, sondern das, was sich billig produzieren lässt.

Allerorten wird Wachstum angestrebt, aber niemand bedenkt, dass unsere Erde nicht mitwächst. Wenn Indien und China nur annähernd unseren Lebensstandard erreichen würden, wären wahrscheinlich sämtliche Rohstoffvorräte verbraucht. Die globalen Ressourcen sind nun mal begrenzt.

Nicht nur in den ärmsten Agrarländern arbeiten Bauern Tag und Nacht auf ihren Feldern, nur, um nach der Ernte noch ärmer zu sein als vorher. Oft sind sie fast wie Leibeigene an Knebelverträge von Konzernen gebunden. Von ihrem Ertrag können sie sich noch nicht einmal ernähren, da es sich nicht selten um genmanipulierte Agrarprodukte für industrielle Zwecke handelt, die für den menschlichen Verzehr nicht geeignet sind. Wenige Großkapitalisten teilen die Welt unter sich auf, dabei skrupellos über Leichen gehend. Das oft sogar im wahrsten Sinne des Wortes. Wir alle erinnern uns an die Industrie-Katastrophen in Seveso, Bopal, Bangladesch, oder in den Ölfeldern im mexikanischen Golf. Unfälle und Unglücke lassen sich bei genauer Recherche meist auf den von Managern ausgeübten Druck auf die Mitarbeiter, oder übertriebenen Sparwahn, meist bei den Sicherheitsmaßnahmen, zurückführen.

Wesentlich schlimmer als diese glücklicherweise eng begrenzten Katastrophen machen sich die schleichenden Folgen der Ausbeutung von Menschen und Umwelt bemerkbar. Jeder kennt die Berichte von kilometerweiten Waldrodungen, aussterbenden Tierarten sowie vertriebenen Naturvölkern. Noch niemand hat erfasst, um wie viel sich die Lebenserwartung der Menschen, sowohl in den Industriestaaten als auch in den Entwicklungs- und Schwellenländern, durch die Machenschaften der Großkonzerne verringert. Wie lange kann das noch so weiter gehen?

Schon viele Bücher wurden zu der Problematik verfasst. '1 Billion Dollar' von Andreas Eschbach, 'Planet der verrückten Affen' von Jan Umsonst oder 'Daemon', bzw. 'Darknet' von Daniel Suarez, um nur einige zu erwähnen. Das Thema bleibt immer noch aktuell. Man braucht nur die Berichte über die Konflikte im Nahen Osten, oder die an Peinlichkeiten nicht mehr zu übertreffende Präsidentenwahl 2016 in den USA zu verfolgen.

Prolog

Im Südwesten Deutschlands, an der Südspitze der oberrheinischen Tiefebene gab es einen von der Sonne verwöhnten Landstrich, die Südpfalz. In mediterranem Klima eingebettet lag die Stadt Landau. Nicht weit entfernt führte ein schmales Sträßchen von der idyllischen Weinstraße Richtung Haardt, dem bis zu 670 Meter hohen Gebirgszug, der die Rheinebene im Westen begrenzte. Nur hin und wieder fuhr auf der Straße ein Fahrzeug. Es hatte den Anschein, dass dieser Weg hinter der nächsten Kurve in einem Weinberg endete. In Wirklichkeit führte er kurvenreich auf eine den Bergen vorgelagerte Anhöhe. Ein paradiesischer Fleck. Bei günstigem Wetter hatte man eine fantastische Aussicht. Sie reichte im Südosten bis zum Schwarzwald. Weiter nördlich erkannte man sogar im Hintergrund von Ludwigshafen den Odenwald.

 

Das Plateau selbst bildete eine gepflegte, von Kastanienbäumen umgebene Parklandschaft. Unterhalb der Kastanien erstreckten sich Weinberge, die bis weit in die Ebene reichten. Ein herrlicher Ausblick. Mitten in der Anlage stand eine stattliche Villa. Ihr Äußeres schmiegte sich harmonisch in die Landschaft. Sogar die Nebengebäude passten sich optimal an die Umgebung an. Man konnte das Anwesen mit einem verstecken Raubvogelhorst vergleichen. Aus der Entfernung erkannte man die Villa kaum. Einer der vielen Sicherheitsfaktoren. „Protze nicht mit deinem Reichtum, dann kommt keiner auf die Idee, ihn dir wegzunehmen.“

Das Anwesen bildete im Großen und Ganzen den einzigen Luxus, den sich Berger gönnte. Dabei hätte er in jeder Provinz eine solche Residenz haben können ...

In der Villa brannte nur in einem Zimmer Licht. Es war sechs Uhr morgens, das Personal würde erst in zwei Stunden den Dienst antreten. Berger, ein Frühaufsteher, nutzte gerne diese Zeit, um anstehende Arbeiten ungestört zu verrichten. Weder im Haus noch von außerhalb störte ihn jetzt jemand. Aber heute blieben einige Dinge liegen. Auf die üblichen Routinearbeiten konnte er sich nicht konzentrieren. Zu groß war seine Enttäuschung. In tiefer Nachdenklichkeit versunken saß er im Arbeitszimmer. Er betrachtete den einhundert Millimeter großen Würfel aus reinstem Silizium auf seinem Schreibtisch. Noch immer klangen ihm diese Worte in den Ohren: „Das Projekt ist gescheitert.“

Diese Worte hörte er gestern im Besprechungsraum der Firma Chip-Design in Dresden. Das gesamte Projektteam fand sich zur Besprechung ein. Die Leitung hatte Entwicklungsingenieur Eberhard Klein, einer der größten Kapazitäten auf dem Gebiet der Halbleitertechnik europaweit. Krisensitzung! Das Projekt trat auf der Stelle. Entsprechend deprimierend fiel Klein's Bericht aus. Bericht? Es klang eher wie ein Offenbarungseid. Auch sein Schlussvortrag hörte sich nicht besser an:

„...Fassen wir zusammen: Die letzte Testserie ist abgeschlossen. Einen Monat lang haben wir das Objekt mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln getestet, weitere Alternativen haben wir nicht. Es fällt mir schwer, es auszusprechen, aber das Projekt ist gescheitert. Nach unserem Kenntnisstand benötigen wir mindestens weitere zwanzig Jahre Grundlagenforschung. Vorher wird es nicht gelingen, einen Computer zu bauen, der auf Basis von Quantenverschränkungen funktioniert. Echte künstliche Intelligenz gibt es vorerst nicht.“ Den Blick auf Berger gerichtet fuhr er fort: „Ich weiß wie sehr Sie an dem Projekt hängen. Deshalb wird es nur ein schwacher Trost für Sie sein, dass wir aus dieser Forschung viele Erkenntnisse für die laufende Produktion erzielten. Die Investition, immerhin über eine Milliarde Euro, war somit nicht umsonst. Dank der großzügigen Forschungsgelder, die Sie uns bereitgestellt haben, ist die wirtschaftliche Lage des Unternehmens nach wie vor bestens gesichert. Wenn Sie damit einverstanden sind, erkläre ich das Projekt für beendet. Ich werde die Teammitglieder den entsprechenden Abteilungen zuteilen, damit die hier gewonnenen Erkenntnisse in die Produktion einfließen.“ Berger blieb nichts anderes übrig, als zuzustimmen. Hier weiter zu forschen wäre Zeit- und Geldverschwendung. Immerhin konnte die Produktion der Halbleiter-Chips in der laufenden Fertigung erheblich optimiert werden. Das verschafft der Chip-Design einen gewaltigen Vorsprung vor der Konkurrenz. Trotzdem sah ihm jeder seine Enttäuschung an.

Nach der Besprechung saßen Berger und Klein beisammen, um das weitere Vorgehen im Unternehmen abzustimmen. Er bat Klein darum, den letzten Siliziumquader zum Andenken mitnehmen zu dürfen. Er mag ja aussehen wie ein Briefbeschwerer, sicher einer der teuersten der Welt. Aber für Berger bedeutete er ein Mahnmal dafür, dass seine Fähigkeiten Grenzen hatten.

Das endgültige Aus dieser Idee schmerzte ihn. Der Versuch, die Computerwelt zu revolutionieren war gescheitert. Er hätte das wissen müssen. Schon zu Beginn des Projektes stellte sich heraus, dass alle Informationen über Forschungserfolge in Sachen Quantencomputer, die seit Jahren immer wieder in den Medien erschienen, nicht das hielten, was sie versprachen.

„Alle Forschungen im Quantenschaum waren Seifenblasen.“ Dieser Wortwitz machte schnell die Runde in seinem Forschungsteam. Hier zeigte sich das Dilemma der heutigen Forschungen. Weil die Wissenschaftler zu sehr am Tropf von Gönnern oder Investoren hingen, mussten auf Biegen und Brechen positive Ergebnisse vorgelegt werden. Die Angst vor gekürzten oder gar gestrichenen Forschungsgeldern verlieh vielen Forschern Flügel. Zumindest bei der Ausarbeitung ihrer Veröffentlichungen.

Oft steckte nicht mal Absicht hinter solchen Pseudoerfolgen. Durch Erfolgszwang getrieben, wurden viele Forscher Opfer ihrer eigenen, allzu menschlichen Denkweise. Sie erkannten nicht, dass sie unbewusst ihre ganze Forschung nur darauf ausrichteten, ihre eigenen, vorgeformten Ideen zu bestätigen. Solches Scheuklappendenken führte dann häufig zu folgenschweren Fehlinterpretationen bei den Testergebnissen.

Bestenfalls konnten die meisten 'sensationellen Forschungsergebnisse' dazu verwendet werden, um festzulegen, in welche Richtung man erst gar nicht mehr zu forschen brauchte. Letztendlich musste aber auch Bergers Team feststellen, dass sie die Grenzen der heutigen Technologie erreicht hatten. Man war zwar in der Lage, in den Makro-, und in den Nano-Kosmos einzugreifen, jedoch der subatomare Bereich bleibt uns noch auf Jahrzehnte verschlossen.

Glücklicherweise stellte Berger die Chip-Design in Sachen Forschung anders auf. Hier akzeptierte man sogar solche Misserfolge. So wie bei allen Forschungsprojekten in Bergers Unternehmen, wurden auch die Ergebnisse dieses Projektes mit anderen Fachbereichen abgeglichen. Oft stellten sich dabei Fortschritte auf Gebieten heraus, an die man vorher gar nicht dachte. Das Projekt 'Quantencomputer' war wegen der Nebenergebnisse für das Unternehmen aus wirtschaftlicher Sicht erfolgreich. Aber für Berger bedeutete es aus Gründen eine Niederlage, die keiner im Forschungsteam ahnte.

Ziemlich deprimiert begab er sich auf den Heimweg, wohl wissend, dass er die kommende Nacht nicht gut schlafen würde…

Er nahm den Siliziumquader in die Hand, ein makelloser Kubus mit einer Kantenlänge von exakt einhundert Millimeter. Keine Kante wich mehr als zwei Nanometer von diesem Maß ab. Schon sein Äußeres glich einem Kunstwerk, dessen Herstellung ein Vermögen kostete. Die polierte Oberfläche strahlte in einem perfekten Glanz. Sie hätte es mit jedem astronomischen Teleskopspiegel aufnehmen können. Man sah dem Würfel nicht an, welche Anstrengungen unternommen wurden, um in seinem Inneren subatomare Vorgänge in vorgegebene Bahnen zu lenken. Es gab keine bekannte Technik oder Energieform, die man nicht dafür einsetzte. Alles war umsonst!

War alles umsonst? War das das Ende? Hatte er die Spitze seiner 20-jährigen, ununterbrochenen Erfolgspyramide erreicht? Hatte er diesen speziellen Instinkt verloren? Die 'Begabung'? Seine Fähigkeit, die Entwicklung von wirtschaftlichen und finanziellen Ereignissen zu erahnen, ja nahezu vorherzusagen. Seit er sie vor über zwanzig Jahren bei sich entdeckte, hatte sie ihn nicht ein Mal im Stich gelassen. Es war ihm schon oft unheimlich, wie präzise diese 'Begabung' bei ihm funktionierte.

Ein Konzernimperium hatte er damit aufgebaut, das die Welt noch nicht sah. Kaum ein Wirtschaftszweig, in dem nicht seine Unternehmen führend waren. Ohne Übertreibung durfte er sich DER Mega-Milliardär nennen, der reichste Mann der Welt. Aber von Anfang an hatte er die Fäden nur aus dem Hintergrund heraus gezogen. Kaum jemand kannte ihn, nur einer Handvoll ausgesuchter Menschen war Bergers Identität bekannt. In seinen Unternehmen spielte er immer nur den ständigen Unternehmensberater. Nur ein kleiner handverlesener Mitarbeiterkreis wusste, dass die Aktien des riesigen Unternehmens zu 100% ihm selbst gehörten. So hielt er sich die Medien vom Hals, außerdem ließ er damit direkte Angriffe von Gegnern und Konkurrenten ins Leere laufen.

Rückblick

Während er den Quader spielerisch in den Händen drehte, wanderten die Gedanken zurück zu den Anfängen. Er arbeitete als kleiner Sachbearbeiter in einem großen Konzern. Seine Aufgabe bestand darin, sich mit säumigen Kunden auseinanderzusetzen, um offene Forderungen zum Ausgleich zu bringen. Er war sehr erfolgreich bei dieser Arbeit. Keiner schaffte es so effizient wie er, sowohl Schulden einzutreiben, als auch zu erkennen, dass man nichts holen konnte, wo jeder Aufwand bzw. Rechtsstreit nur noch mehr Kosten produzieren würde. Damals war er von seinen fachlichen Fähigkeiten überzeugt, mehr nicht.

Aber so oder so half ihm der Erfolg nicht weiter. Die Leistungen des ganzen Teams fanden keine Anerkennung beim Management. Es war total frustrierend, diese Ignoranz hinnehmen zu müssen. Typisch Konzernmanager! Niemand interessierte, wie viel Geld das Unternehmen tatsächlich einnahm. Es genügte, die Forderungen zu verbuchen. Der Betrag erschien damit in den Büchern. Unabhängig davon ob er eingenommen wurde oder nicht. Somit tauchte er in der Bilanz und letztendlich in den Prämien der Manager auf. Kontrolle durch Aufsichtsrat oder Aktionäre? Lachhaft! Solange der Vorstand den Aufsichtsgremien Riesenumsätze vorgaukelte und die Anteilseigner mit satten Dividenden verwöhnte, notfalls aus imaginären Rücklagen, war die Unternehmenswelt in Ordnung, was dann die Vorstandsprämie sicherte, selbst wenn die Pleite schon vor der Tür stand.

„Bei objektiver Betrachtung ist eine Aktiengesellschaft doch nur ein Selbstbedienungsladen für Manager!“, schimpfte Berger oft. Man konnte ihn zwar nicht als Kommunisten bezeichnen, aber er hatte einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Es ging ihm gegen den Strich, wie rücksichtslos ausschließlich Profite zählten, selbst wenn diese nur auf dem Papier standen und kaum etwas mit den tatsächlichen Einnahmen zu tun hatten. Nicht von ungefähr platzten in regelmäßigen Abständen Finanzblasen, oft mit globalen Auswirkungen.

Profitgier auf der einen, Menschenverachtung auf der anderen Seite. Sowohl Mitarbeiter als auch Kunden wurden rücksichtslos ausgebeutet. Um sich nicht an diesen Umständen aufzureiben, kapselte Berger sich von seinem betrieblichen Umfeld ab. Er konzentrierte sich mit einer nahezu autistischen Fixiertheit auf die eigene Arbeit. Jedoch hielt seine Ehe dieser Belastung nicht stand. Die Scheidung war unumgänglich. Fast hätte er damals den Boden unter den Füßen verloren. Es erforderte ein hartes Training, bis es ihm gelang, seinen Lebensrhythmus neu zu finden, um in der Freizeit den Frust der Arbeit vollkommen auszuklammern. Mittlerweile beherrschte er diese Methode wie ein Roboter. Es kam ihm vor, als könnte er in seinem Kopf einen Schalter umlegen. Klick, Arbeit – klick privat. Lange Zeit lebte er so nach dem Prinzip Jekyll and Hyde, wie er es nannte.

Alles änderte sich mit dem Besuch bei seinem alten Freund Heinz in Baden-Baden. Sie hatten gemeinsam ihre Ausbildung absolviert. Seit damals trafen sie sich regelmäßig zwei bis dreimal im Jahr. Dieses Mal sollte es ein ganz besonderes Wochenende werden. Heinz wollte sein neu erworbenes Single-Dasein feiern. Er hatte bei der Einladung schon so etwas angedeutet und bat darum, Anzug und Krawatte mitzubringen. Berger ahnte, was da auf ihn zukommen würde. Schon immer hatte Heinz davon geträumt, einmal im Casino Roulette zu spielen. Glücksspiel faszinierte ihn. Vor längerer Zeit zeigte er Berger Wahrscheinlichkeitsberechnungen, die er erstellt hatte. Nur die panische Angst seiner Frau, dass Heinz dem Spieltrieb verfallen würde, hielt ihn bisher ab, sein System auszuprobieren. Aber jetzt, wo diese 'Bremse' auf und davon war, die Scheidung lief gerade, hielt ihn nichts mehr von seinem Vorhaben ab. Den ganzen Tag zitterte Heinz dem Ereignis entgegen. Stundenlang studierte er seine Berechnungen. Mit Berger diskutierte er immer wieder die Vorgehensweise. Er war davon überzeugt, dass er dem Zufall mathematisch Paroli bieten konnte. Sein halbes Leben und seine Ehe hatte er dieser Idee geopfert. Heute Abend würde er die Ernte einfahren. Nichts konnte seine Überzeugung erschüttern. Berger hatte es auch schon längst aufgegeben, ihn von dem Vorhaben abzubringen. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg.

 

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