Der Dreißigjährige Krieg

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Ja­ko­be leb­te un­ter­des­sen fröh­li­che Tage. Sie träum­te da­von, dass sie nun bald frei und un­ter Freun­den sein, Neu­es und Schö­nes se­hen und wie­der die Hul­di­gun­gen ge­nie­ßen wür­de, die ei­ner hoch­ge­bo­re­nen, re­gie­ren­den Her­rin und ei­nem schö­nen Wei­be ge­bühr­ten. Sie mal­te sich auch aus, dass sie ih­ren Ge­mahl wie­der­ha­ben und ihm sei­ne Un­treue vor­wer­fen wür­de, wie sich all­mäh­lich Angst und Lie­bes­sehn­sucht in sei­nem hüb­schen Ge­sich­te aus­prä­gen, wie er wei­nen, sie ihm end­lich ver­ge­ben und sich von ihm lieb­ko­sen las­sen wür­de. Oder aber es wür­den ihr an­de­re, viel herr­li­che­re Män­ner be­geg­nen und ihr neue, große Be­se­li­gun­gen ge­ben und ihr zu ih­rem Recht und ih­rer Ra­che ver­hel­fen. Un­ge­dul­dig in­des­sen war sie nicht, son­dern ließ, mit Be­ten und Sti­cken be­schäf­tigt, die feu­er­hel­len Herbst­ta­ge mit den Flu­ten des Rheins un­ter ih­rem Fens­ter vor­bei­flie­ßen, ohne sie zu wä­gen oder zu zäh­len.

So war es denn eine nach­denk­li­che Sa­che, dass die Her­zo­gin am Mor­gen des 3. Sep­tem­ber 1597 von ih­rer Kam­mer­frau, die wie üb­lich in ihr Ge­mach kam, tot im Bet­te ge­fun­den wur­de; denn nie­mand hat­te Zei­chen ei­nes Übel­be­fin­dens am vor­her­ge­hen­den Abend an ihr wahr­ge­nom­men. Be­vor das Er­eig­nis noch recht be­kannt wur­de, ließ Schen­kern das Be­gräb­nis vor­neh­men, has­tig und schänd­lich, wie es sich für ge­rin­ge, na­men­lo­se Leu­te oder Ar­me­sün­der ge­schickt hät­te. Zwei­fel­te nun auch nie­mand dar­an, dass es bei die­sem To­des­fall et­was ge­walt­sam zu­ge­gan­gen sei, so hü­te­te sich doch ein je­der, den Ver­dacht öf­fent­lich zu äu­ßern oder gar den mut­maß­li­chen Mör­der zur Re­chen­schaft zu zie­hen; denn ohne Be­wei­se hät­te man sich da­mit in eine dor­ni­ge Sa­che ein­ge­las­sen.

Da­mit man ihm de­sto we­ni­ger an­ha­ben kön­ne, ließ Schen­kern die Spa­nier ins Land, die un­ter ih­rem Feld­herrn Men­do­za meh­re­re Plät­ze be­setz­ten und sich dort als recht­mä­ßi­ge Her­ren ge­bär­de­ten. Ei­nen Grund zu die­sem un­er­hör­ten Schritt zog Schen­kern dar­aus ab, dass er einen Plan der pro­tes­tan­ti­schen Er­ban­spre­cher, sich in Be­sitz des Lan­des zu set­zen, ent­deckt habe und die­sen habe zu­vor­kom­men müs­sen. Ein Ge­schrei der ver­ge­wal­tig­ten Ge­gend er­füll­te bald das Reich, des­sen Glie­der denn auch zu er­wä­gen be­gan­nen, was bei ei­nem der­ar­ti­gen feind­li­chen Ein­bruch durch die Reichs­ge­set­ze vor­ge­se­hen sei. Die­se nun leg­ten die Pf­licht, den Feind ab­zu­weh­ren, dem nächst­ge­le­ge­nen Krei­se auf, wel­ches in die­sem Fal­le der west­fä­li­sche war, und der­sel­be setz­te sich dem­ge­mäß in Be­ra­tung, wie das Kreis­heer und das Geld, es zu be­sol­den, zu­sam­men­zu­brin­gen sei. Da je­doch meh­re­re Mo­na­te dar­über ver­lie­fen, wäh­rend wel­cher die Spa­nier nach ih­rer Wei­se Stadt und Land ver­wüs­te­ten, tra­ten ei­ni­ge Fürs­ten zu­sam­men, um etwa von sich aus der feind­li­chen Ei­gen­macht zu steu­ern, die dem Reich zur Uneh­re ge­rei­che und ih­nen ge­fähr­lich sei. Es wa­ren dies der Land­graf Mo­ritz von Hes­sen, der Her­zog Hein­rich Ju­li­us von Braun­schweig und der Pfalz­graf Kur­fürst Fried­rich IV., de­ren Län­der dem Her­zog­tum Jü­lich nahe la­gen und die über­haupt ge­wohnt wa­ren, bei al­len vor­kom­men­den Reichs­hän­deln Par­tei zu er­grei­fen.

Pfalz­graf Fried­rich IV. fühl­te sich für sei­ne Per­son nicht an­ders wohl als bei den fürst­li­chen Un­ter­hal­tun­gen der Jag­den, Tur­nie­re und Trink­ge­la­ge; aber er war sich be­wusst, der Trä­ger ei­nes ruhm­vollen Na­mens und Erbe von Fürs­ten zu sein, die sich durch kampf­be­rei­tes Ein­ste­hen für ihre re­li­gi­öse Über­zeu­gung an­ge­se­hen und ge­fürch­tet ge­macht hat­ten, und hielt dar­auf, die Über­lie­fe­run­gen sei­nes Hau­ses fort­zu­set­zen. Die blü­hen­de Pfalz soll­te die Vor­macht und Stüt­ze der Re­for­mier­ten im Rei­che und ei­gent­lich der Evan­ge­li­schen über­haupt blei­ben, da Sach­sen an­fing, eine trä­ge und zwei­deu­ti­ge Po­li­tik zu be­fol­gen, um es mit dem Kai­ser nicht zu ver­der­ben. Des­halb um­gab sich Fried­rich IV. mit re­for­mier­ten Rä­ten, die an sei­ner Statt un­ter­neh­mend, ehr­lie­bend und flei­ßig wa­ren, hing ih­nen dank­bar an und un­ter­warf sich ih­nen in al­len Stücken, mit der Ein­schrän­kung, dass er sich ih­rer un­be­que­men Herr­schaft nicht sel­ten ent­zog, um an be­freun­de­ten Hö­fen beim vol­len Be­cher sich ih­rer Ratschlä­ge und Grund­sät­ze gänz­lich zu ent­schla­gen. Auch sei­ne Ge­mah­lin, die Ora­nie­rin Lui­se Ju­lia­ne, de­ren Her­kunft die Ver­bin­dung mit ihr zum Zei­chen für küh­ne, kampf­be­rei­te re­for­mier­te Sin­nes­art mach­te, hat­te er we­gen ih­rer Bil­dung, ih­res be­herrsch­ten We­sens und tüch­ti­gen Cha­rak­ters an­fäng­lich ge­liebt und ver­ehrt; auf die Dau­er aber ver­moch­te er ihre Über­le­gen­heit, da sie eine Frau war, nicht zu er­tra­gen und zeig­te ihr die sei­ni­ge durch rohe Be­hand­lung, die sie mit Ge­duld und Wür­de er­trug; die­se Art und Wei­se schi­en ihm aber Ver­ach­tung aus­zu­drücken und gab da­her sei­ner Er­bit­te­rung stets neu­en Stoff.

An­ders ge­ar­tet war Land­graf Mo­ritz von Hes­sen, ein schlan­ker, statt­li­cher, über­aus tä­ti­ger und klu­ger Mann, von ei­ner ge­wis­sen Fein­heit und Ehr­lich­keit des Den­kens, so­dass er, wie er selbst durch Un­rat und Un­ord­nung ge­stört wur­de und sich stets ge­drängt fühl­te, in dunkle Win­kel hin­ein­zu­leuch­ten, über­all un­be­quem emp­fun­den wur­de, wo schmut­zi­ge oder stumpf­sin­ni­ge Be­hag­lich­keit wal­te­te. Er war seit dem Jah­re 1593 mit Ag­nes aus dem gräf­li­chen Hau­se Solms-Lau­bach ver­hei­ra­tet, die we­gen ih­rer Schön­heit mit der Göt­tin Ve­nus ver­gli­chen wur­de und die­se Gabe den Kin­dern ver­erb­te, die sie ihm ge­bar.

Da­ge­gen hielt der Her­zog von Braun­schweig am Al­ten fest, aber wie der Land­graf war er dem Mü­ßig­gang feind und dazu von so aus­ge­zeich­ne­ter Ge­sund­heit, dass das Trin­ken ihn nicht vom leb­haf­ten Be­trieb und viel­fa­cher Tä­tig­keit ab­hielt. Die­se bei­den Her­ren ge­rie­ten leicht an­ein­an­der, weil ein Streit zwi­schen ih­nen schweb­te, in­dem der Her­zog auf meh­re­re Äm­ter An­spruch er­hob, die der Land­graf als sein Ei­gen­tum an­sah und stets an­ge­se­hen hat­te und in de­ren Be­sitz er sich, recht­li­cher Ent­schei­dung vor­grei­fend, ge­walt­sam ge­setzt hat­te. Da­von ab­ge­se­hen, reiz­ten den Land­gra­fen des Her­zogs brei­te Ge­müt­lich­keit, sein selbst­ge­fäl­li­ges Be­ha­gen, sei­ne alt­vä­te­rischen Sit­ten und die Lang­sam­keit sei­nes Ver­stan­des; den Her­zog da­ge­gen är­ger­te das neue­rungs­süch­ti­ge We­sen des Land­gra­fen, das er un­fürst­lich fand, sei­ne Re­de­fer­tig­keit und Über­le­gen­heit, wie er denn das Ge­fühl hat­te, als schla­ge der Land­graf sei­ne, des Her­zogs, welt­be­rühm­te Ge­lehr­sam­keit ge­ring an. Al­ler­dings dach­te der Land­graf dies­be­züg­lich, der Her­zog sei ein Fass voll Sau­er­kraut, es sei wohl viel dar­in, aber ge­rin­ge, gro­be Nah­rung. In der Po­li­tik war Her­zog Hein­rich im Grun­de der Mei­nung, die Din­ge wä­ren gut, wie sie eben wä­ren, und das alte Rö­mi­sche Reich, wie es nun ein­mal sei, dür­fe durch­aus nicht an­ge­tas­tet wer­den; da er aber dar­auf er­picht war, die Stadt Braun­schweig, die sich als Reichs­stadt ge­bär­de­te, sich un­ter­tä­nig zu ma­chen, und der Kai­ser in die­sem Zwist kürz­lich ge­gen ihn und zu­guns­ten der Stadt ent­schie­den hat­te, schloss er sich mit zä­hem Nach­druck den Fürs­ten an, die es an­ti­kai­ser­lich trie­ben.

Be­vor es zu ei­ner ge­mein­sa­men Be­rat­schla­gung kom­men konn­te, muss­te der zwi­schen dem Land­gra­fen und dem Her­zog schwe­ben­de Streit we­gen der Äm­ter in et­was bei­ge­legt wer­den, was der Pfalz­graf über sich nahm; dann tra­ten die Her­ren der Sa­che nä­her un­ter ei­ner star­ken Rede des Her­zogs Hein­rich Ju­li­us, wie schimpf­lich der spa­ni­sche Ein­fall für das Reich sei. Wenn es nicht Spa­ni­en wäre, mein­te Hes­sen, wür­de der Kai­ser sich eher rüh­ren, wie trä­ge er auch sei. Nun, man müs­se eben selbst han­deln, sag­te Hein­rich Ju­li­us, und da sie ein­mal so weit ei­nig wä­ren, sol­le das Un­we­sen bald ein Ende neh­men. Als es dar­an ging, das Heer zu­sam­men­zu­brin­gen, das die Spa­nier ver­trei­ben soll­te, zeig­ten sich je­doch vie­ler­lei Schwie­rig­kei­ten in Be­zug auf die An­zahl der Trup­pen und wie sie auf je­den zu ver­tei­len wä­ren; denn es woll­te je­der so we­nig wie mög­lich be­sol­den. Am Ende, mein­te Mo­ritz von Hes­sen, kön­ne man sich so hel­fen, dass man es den Hol­län­dern über­las­se, die Spa­nier zu ver­trei­ben, und sie nur mit Geld da­bei un­ter­stüt­ze. Die Hol­län­der hät­ten so­wie­so Sol­da­ten auf den Bei­nen und hät­ten eben­so viel In­ter­es­se dar­an wie das Reich selbst, dass die Spa­nier sich nicht im Cle­ve­schen fest­setz­ten. Was? rief der Her­zog von Braun­schweig ent­rüs­tet, mit den Hol­län­dern wol­le man ge­mei­ne Sa­che ma­chen und ih­nen gar noch Dank schul­dig wer­den? Mit den Re­bel­len und Trotz­köp­fen, die es den Fürs­ten gleich­tun woll­ten? Lie­ber wol­le er spa­nisch oder tür­kisch wer­den, und es sol­le kei­ner mehr mit ei­nem sol­chen Vor­schlag sei­ner fürst­li­chen Ehre zu nahe tre­ten. Dies war eine be­son­de­re Krän­kung für Mo­ritz von Hes­sen, der mit den hol­län­di­schen Staa­ten in ei­nem freund­schaft­li­chen Ver­hält­nis stand, so viel wie mög­lich Hol­län­der nach Hes­sen zu zie­hen und die dort herr­schen­de Blü­te an Kunst und Ge­wer­be in sein Land zu ver­pflan­zen such­te.

Nach Ver­lauf ei­ni­ger Wo­chen, wäh­rend wel­cher die Spa­nier ernst­lich ver­warnt wor­den wa­ren, sich aus dem Reich zu­rück­zu­zie­hen, ei­nig­te man sich über die Zahl der zu wer­ben­den Trup­pen; nun aber er­klär­te Chris­ti­an von An­halt, er wol­le den Ober­be­fehl, wor­auf man sich doch ver­las­sen hat­te, nicht über­neh­men. An sei­nem Mut und gu­ten Wil­len wer­de man nicht zwei­feln, sag­te An­halt, es sei ja be­kannt, un­ter wel­chen Schwie­rig­kei­ten er sei­ner­zeit dem Kö­nig von Frank­reich zu Hil­fe ge­kom­men sei; aber sei­ne Ehre sei ihm zu lieb, als dass er sie bei ei­ner zwei­fel­haf­ten Sa­che aufs Spiel set­zen möch­te. Er habe von An­fang an ge­sagt, dass man mehr Mit­tel an das Un­ter­neh­men wen­den müs­se, wenn et­was da­bei her­aus­kom­men sol­le, und wenn man nicht auf ihn höre, wol­le er auch kei­ne Rol­le da­bei spie­len.

 

Zwar ver­dach­ten die Fürs­ten dem An­hal­ter des­sen Ent­schluss, aber er brach­te Mo­ritz von Hes­sen auf den Ge­dan­ken, dass er an sei­ner Stel­le das Amt des Feld­herrn über­neh­men und auf die­sem Fel­de Lor­bee­ren ge­win­nen kön­ne. Es be­mäch­tig­te sich sei­ner bei der Vor­stel­lung eine ge­wis­se Un­ru­he, und er wuss­te selbst kaum, ob sei­ne Lust oder sei­ne Be­den­ken grö­ßer wä­ren. Ge­fah­ren und Stra­pa­zen fürch­te­te er nicht; und doch fühl­te er sich des Er­fol­ges nicht so si­cher, wie wenn er ein ma­the­ma­ti­sches Pro­blem hät­te lö­sen oder eine theo­lo­gi­sche Dis­pu­ta­ti­on hät­te hal­ten sol­len. In­des­sen ge­ra­de die­se Un­si­cher­heit sporn­te ihn an; es war ihm, als ob je­der die Zwei­fel hege, die in ihm selbst auf­stie­gen, und als müs­se er sie durch die Tat ent­kräf­ten.

Kaum war Land­graf Mo­ritz mit sei­nem Aner­bie­ten her­vor­ge­tre­ten, als der Her­zog von Braun­schweig er­klär­te, er habe sich be­reits zum Di­rek­to­ri­um des Krie­ges ent­schlos­sen und wol­le nun nicht da­von zu­rück­tre­ten. Er dach­te bei sich, es sei ein lä­cher­li­cher An­spruch von Mo­ritz, der doch nur ein Maul­held sei, den Feld­herrn spie­len zu wol­len, wäh­rend der Land­graf fand, nach­dem Hein­rich Ju­li­us erst kürz­lich vor Braun­schweig ab­ge­blitzt sei, täte er bes­ser, hin­ter sei­nem Bier­krug sit­zen zu blei­ben. Hier­über zer­schlug sich der Feld­zug der ver­bün­de­ten Fürs­ten; die Trup­pen, die sie schon ge­wor­ben hat­ten, über­nah­men die be­nach­bar­ten Krei­se; da die­se aber kein Geld hat­ten, sie or­dent­lich aus­zu­rüs­ten und zu un­ter­hal­ten, ver­lief sich das Heer, be­vor et­was Ei­gent­li­ches un­ter­nom­men war, und die Fes­tung Or­sau blieb einst­wei­len im Be­sit­ze der Spa­nier.

1 On­kel <<<

2.

Wäh­rend der jun­ge Erz­her­zog Fer­di­nand von Stei­er­mark zu In­gol­stadt stu­dier­te, be­gab es sich an ei­nem Fest­ta­ge, dass er spä­ter als ge­wöhn­lich zur Mes­se in die Kir­che kam und den vor­de­ren Stuhl, den er sonst in­ne­hat­te, von sei­nem Vet­ter Ma­xi­mi­li­an, dem Soh­ne des Her­zogs von Bay­ern, be­setzt fand. In­dem er die­sen mit freund­li­chem An­la­chen be­grüß­te, blieb er war­tend vor ihm ste­hen, und da Ma­xi­mi­li­an nicht Mie­ne mach­te, ihm den Platz zu über­las­sen, for­der­te er ihn leich­ten To­nes dazu auf. Er wis­se nicht, dass das Fer­di­n­ands Stuhl sei, ant­wor­te­te Ma­xi­mi­li­an zö­gernd und kühl; dass er ihn bis­her ge­habt hät­te, hin­de­re nicht, dass heu­te er, Ma­xi­mi­li­an, ihn be­hal­te, da er ihm ein­mal zu­vor­ge­kom­men sei. »Mein Platz ist es«, ent­geg­ne­te Fer­di­nand, »weil er als der vor­de­re mei­nem Ran­ge ge­bührt, und lege ich auch als Freund und Vet­ter kei­nen Wert dar­auf, so bin ich es doch seit dem Tode mei­nes Va­ters mei­ner Wür­de schul­dig, dar­auf zu be­ste­hen.«

Hät­te er ge­wusst, sag­te Ma­xi­mi­li­an, dass Fer­di­nand es so auf­fass­te, wür­de er ihm den Stuhl vor­her nicht im­mer über­las­sen ha­ben, was nur aus dem Grun­de ge­sche­hen sei, weil er sich an der bay­ri­schen Lan­des­u­ni­ver­si­tät dem stei­er­mär­ki­schen Vet­ter ge­gen­über als Wirt ge­fühlt habe; nun wer­de ihm sei­ne Höf­lich­keit als Un­ter­wür­fig­keit aus­ge­legt. Ein Her­zog von Bay­ern sei so viel wie ein Erz­her­zog von Stei­er­mark, vor­züg­lich auf bay­ri­schem Ge­biet, wo kei­nem Erz­her­zo­ge auch nur so viel wie eine Scheu­ne oder ein Heu­stock ge­hö­re.

Das kön­ne man nicht wis­sen, ent­geg­ne­te Fer­di­nand und lä­chel­te; er ge­hö­re zur kai­ser­li­chen Fa­mi­lie und kön­ne noch ein­mal Kai­ser wer­den, wenn es Gott ge­fäl­lig sei.

Der äl­te­re Vet­ter, der, ge­ra­de ge­wach­sen und sich steif hal­tend, auf den vor ihm ste­hen­den, ein we­nig schlot­te­ri­gen Stei­er­mär­ker her­ab­zu­se­hen schi­en, er­rö­te­te vor Är­ger, blieb aber kalt und sag­te: »Ich etwa nicht? Es gibt kein Ge­setz in der Gül­de­nen Bul­le, dass nicht auch ein Bayer zum Kai­ser könn­te er­wählt wer­den.«

Die bei­den Hof­meis­ter, die bis­her ver­geb­lich dem Wort­wech­sel zu steu­ern ver­sucht hat­ten, dran­gen nun­mehr durch, der bay­ri­sche, in­dem er Ma­xi­mi­li­an flüs­ternd an den Be­fehl sei­nes Va­ters er­in­ner­te, stets höf­lich ge­gen Fer­di­nand zu sein und auf alle Fäl­le in gu­tem Ver­neh­men mit ihm zu blei­ben, wäh­rend der stei­er­mär­ki­sche Fer­di­nand mit dem Zorn sei­ner Mut­ter schreck­te, die ihm streng be­foh­len hat­te, dem Her­zog von Bay­ern, ih­rem Bru­der, wie ei­nem Va­ter zu ge­hor­chen und Ma­xi­mi­li­an wie einen äl­te­ren Bru­der zu re­spek­tie­ren. Der Ge­dan­ke dar­an, dass sei­ne Mut­ter schon mehr­mals ge­droht hat­te, ihn von In­gol­stadt fort­zu­neh­men, wie es der Kai­ser und des­sen Brü­der, Fer­di­n­ands Ohei­me, wünsch­ten, schlug sei­nen Hoch­mut nie­der, und er ver­stand sich dazu, Ma­xi­mi­li­an zu bit­ten, er möge ihm den Stuhl, ab­ge­se­hen von der Rang­fra­ge, aus vet­ter­li­cher Freund­schaft über­las­sen, weil er sich an ihn ge­wöhnt habe. Ma­xi­mi­li­an gab mit küh­ler Herab­las­sung, aber im Grun­de nicht un­gern nach; denn in­zwi­schen wa­ren ihm Zwei­fel auf­ge­stie­gen, ob er nicht doch ei­nem Habs­bur­ger ge­gen­über, der des Kai­sers Nef­fe war, ein we­nig zu weit ge­gan­gen sei. Wäh­rend der kirch­li­chen Ze­re­mo­nie gab sich Fer­di­nand aus­ge­las­se­nen Spä­ßen über einen der Geist­li­chen hin, der au­gen­schein­lich den Schnup­fen hat­te und sei­ne rot­ge­schwol­le­ne Nase mit dem reich­ge­stick­ten Un­ter­är­mel sei­nes Ge­wan­des putz­te; aber wie der Hof­meis­ter sei­ne Lus­tig­keit nicht zu dämp­fen ver­moch­te, so ge­lang es ihm nicht, Ma­xi­mi­li­an zum La­chen zu brin­gen.

An die­sen Vor­fall knüpf­te sich ein lan­ger, nicht un­be­schwer­li­cher Brief­wech­sel zwi­schen Ma­xi­mi­lians Va­ter, Her­zog Wil­helm von Bay­ern, und des­sen Schwes­ter, der Erz­her­zo­gin Ma­ria von Stei­er­mark, Fer­di­n­ands Mut­ter, die sich herz­lich lieb­ten, ob­wohl die Hef­tig­keit der jün­ge­ren Erz­her­zo­gin ih­rem fried­fer­ti­gen Bru­der man­che Nach­gie­big­keit zu­mu­te­te. Ma­ria hielt ihre bay­ri­sche Fa­mi­lie für weit tüch­ti­ger und ver­dienst­li­cher als die ih­res Man­nes, die sie im Stil­len herz­lich ver­ach­te­te; al­lein da ihre Kin­der nun ein­mal Habs­bur­ger wa­ren, trotz­te sie auf de­ren Ti­tel und Rech­te und ge­bär­de­te sich so­gar dem Her­zog ge­gen­über zu­wei­len als die Hö­he­re, de­ren An­sprü­chen ein je­der zu wei­chen habe. Da von ih­ren fünf­zehn Kin­dern die meis­ten kränk­lich und un­be­gabt wa­ren, mach­te ihr die Er­zie­hung viel zu schaf­fen, umso mehr, als sie bei ih­rem Man­ne we­nig Un­ter­stüt­zung fand, im Ge­gen­teil sei­ne Träg­heit, Gleich­gül­tig­keit und Leicht­fer­tig­keit be­stän­dig durch ih­ren Ernst und ihre Tat­kraft er­set­zen muss­te. Wenn sie be­dach­te, wie sie ihn stets hat­te sto­ßen und trei­ben müs­sen, da­mit er den An­ma­ßun­gen sei­nes Adels stand­hielt, wie sie hat­te weh­ren müs­sen, wo er nach­ge­ben woll­te, wie sie mit Dro­hen, Kei­fen, Pre­di­gen und Int­ri­gie­ren al­lem Ge­gen­wir­ken der Stän­de zum Trotz Je­sui­ten und Ka­pu­zi­ner ins Land ge­bracht hat­te, dass sie nun­mehr al­lent­hal­ben das wah­re ka­tho­li­sche Le­ben sprie­ßen und um sich grei­fen sah, so moch­te sie sich füg­lich von ih­rer Wich­tig­keit und Macht­fül­le durch­drun­gen füh­len. Auch hät­te kei­nes von ih­ren Kin­dern ge­wagt, ihr den Ge­hor­sam zu wei­gern; aber das konn­te sie doch nicht hin­dern, dass et­was habs­bur­gi­sches Un­kraut selbst in ih­res Fer­di­n­ands gute An­la­gen, die er von bay­ri­scher Sei­te mit­be­kom­men hat­te, hin­ein­wil­der­te.

Als er das ers­te Mal nach dem Tode des Va­ters von In­gol­stadt nach Hau­se kam, hoff­te sie ihn et­was ge­reif­ter und männ­li­cher zu fin­den; in­des­sen muss­te sie ihm schon beim Ein­tritt sei­ne Lus­tig­keit und Scher­ze mit der Die­ner­schaft als dem Trau­er­hau­se un­ziem­lich ver­wei­sen. Sie über­rasch­te ihn mit ei­nem Ge­schenk aus dem Nach­las­se des Va­ters, ei­ner reich mit Perl­mut­ter und El­fen­bein ein­ge­leg­ten Büch­se, die der Nürn­ber­ger Künst­ler Jam­nit­zer ver­fer­tigt hat­te; denn er soll­te sie künf­tig an Stel­le des Va­ters zur Jagd be­glei­ten. Der sechs­jäh­ri­ge Leo­pold, der auch zur Jagd zu ge­hen ver­lang­te, wur­de im Hin­blick auf sei­ne Be­stim­mung zum geist­li­chen Stan­de mit ei­nem Ro­sen­kranz aus böh­mi­schen Gra­na­ten ge­trös­tet, der ne­ben dem Bet­te des ver­stor­be­nen Va­ters ge­han­gen hat­te. Dies gab An­lass zu ei­ner Rau­fe­rei, da Fer­di­nand den Klei­nen aus­lach­te und ne­ckend sag­te: »Ler­ne du nur flei­ßig be­ten, du kannst nicht zur Jagd ge­hen, denn du wirst Wei­ber­rö­cke tra­gen und müss­test als ein Weib auf dem Sat­tel sit­zen«, eine von den An­spie­lun­gen, mit de­nen die Ge­schwis­ter den wil­den Bu­ben zu rei­zen lieb­ten. In laut­lo­ser Wut stürz­te sich Leo­pold auf den großen Bru­der, warf ihn mit dem ers­ten An­lauf zu Bo­den und schlug den jäm­mer­lich Schrei­en­den mit der Faust auf den Kopf, in­dem er schrie: »Ich will dir auf dei­nen dre­cki­gen Grind be­ten!«, bis Ma­ri­as fes­te Hand den Knäu­el aus­ein­an­der­riss. Sie gab Leo­pold zwei Ohr­fei­gen, die eine we­gen sei­ner Ver­sün­di­gung am hei­li­gen Ge­bet, die an­de­re, weil er sei­nen äl­te­ren Bru­der, dem er Ge­hor­sam schul­dig sei, ver­prü­gelt habe; dann sich plötz­lich zu Fer­di­nand wen­dend, der bei der Be­stra­fung sei­nes Bru­ders zu weh­kla­gen auf­ge­hört und la­chend zu­ge­se­hen hat­te, ver­setz­te sie auch ihm eine, denn er sei nicht min­der schul­dig als Leo­pold, in­so­fern er mit un­ziem­li­chen Ne­cke­rei­en den An­fang ge­macht habe, wo er doch viel­mehr den künf­ti­gen Pries­ter in sei­nem Bru­der eh­ren soll­te. Dann wisch­te sie Leo­pold die Trä­nen ab, der un­ter dem Schluch­zen wü­ten­de Bli­cke auf sei­nen Bru­der schoss, reich­te ihm einen Ap­fel und führ­te ihn in ein an­de­res Zim­mer, wo ihn die Schwes­tern mit neu­gie­ri­gen Bli­cken und Fra­gen emp­fin­gen. Von der Zu­rück­keh­ren­den bat sich Fer­di­nand, halb dreist, halb ängst­lich, auch einen Ap­fel aus; Leo­pold wer­de von ihr ver­hät­schelt, und das sei der Grund, warum er ihm nicht ge­hor­che, er wis­se wohl, dass die Mut­ter ihm al­les hin­ge­hen las­se, die Ohr­fei­gen habe sie ihm ja auch gleich ver­gü­tet.

Es ver­hal­te sich ganz an­ders, sag­te Ma­ria streng; ei­gent­lich hät­te sie ihn, Fer­di­nand, al­lein stra­fen sol­len, denn nicht nur, dass er als der Äl­te­re der Ver­stän­di­ge­re sein und ein gu­tes Bei­spiel ge­ben soll­te, hät­te er, der Gro­ße, sich von dem tap­fe­ren Klei­nen wie ein Feig­ling zu Bo­den schla­gen und ver­prü­geln las­sen, dazu noch Ze­ter ge­schri­en. Fröm­mig­keit sei zwar für einen christ­li­chen Re­gen­ten die Haupt­sa­che, und auch die ka­tho­li­schen Wis­sen­schaf­ten und die His­to­rie sei­en ihm nütz­lich, aber die rit­ter­li­chen Übun­gen und eine statt­li­che, krie­ge­ri­sche Hal­tung dür­fe er nicht ver­nach­läs­si­gen. Die Ver­wand­ten mach­ten ihr Vor­wür­fe, dass sie ihn zu lan­ge auf der Uni­ver­si­tät las­se, wo er nichts als ge­lehr­tes Sil­ben­ste­chen und Dis­pu­tie­ren ler­ne.

Fer­di­nand sag­te mau­lend, er neh­me Reit- und Fecht­stun­den und habe schon große Fort­schrit­te ge­macht. Der päpst­li­che Nun­ti­us, der kürz­lich durch In­gol­stadt ge­kom­men sei und ihn in der Fecht­schu­le ge­se­hen habe, habe ihn mit dem blit­ze­schleu­dern­den Apol­lo ver­gli­chen. Was hät­ten sich auch sei­ne Ohei­me, die Erz­her­zö­ge, ein­zu­mi­schen? Sie, die Mut­ter, hät­te al­lein zu be­stim­men und al­len­falls ihr Bru­der, der alte Her­zog von Bay­ern, ih­nen bei­den wol­le er gern ge­hor­chen.

Ganz be­sänf­tigt, hieß Ma­ria ih­ren Sohn sich zu ihr set­zen und sprach ihm ver­trau­lich von ih­ren Sor­gen und Plä­nen. Ei­nen er­bit­ter­ten Kampf habe sie füh­ren müs­sen, bis man sie mit ih­ren Kin­dern im Schlos­se zu Graz ge­las­sen habe; man hät­te sie am liebs­ten auf die Sei­te ge­stellt, nicht weil man an ih­rer Kraft zwei­fel­te, die Re­gent­schaft zu füh­ren, im Ge­gen­teil, weil man ihre Ent­schlos­sen­heit fürch­te. Der Kai­ser und sei­ne Brü­der sei­en zwar gut ka­tho­lisch, das wol­le sie ih­nen nicht ab­strei­ten, aber es feh­le ih­nen der Mut, den al­lein das rei­ne Ge­wis­sen ver­lei­hen kön­ne. Das sei ein be­stän­di­ges Pak­tie­ren und Feil­schen mit den Ket­zern! Da­durch, dass man sie fürch­te­te, wür­den sie fürch­ter­lich. Jetzt frei­lich bläh­ten sie sich auf und spritz­ten ihr Gift da­hin und dort­hin.

 

Aus ei­nem Schub­fach ih­res Schreib­ti­sches hol­te sie Brie­fe, die sie von ih­rer Toch­ter Anna, der Ge­mah­lin des Po­len­kö­nigs Si­gis­mund, er­hal­ten hat­te. Si­gis­mund sei ein gu­ter, from­mer Mann, sag­te sie, und ihr als Ei­dam wert, aber all­zu sanft­mü­tig und den bos­haf­ten Schwe­den nicht ge­wach­sen, wie er denn ein fei­er­li­ches Ver­spre­chen ge­ge­ben habe, die lu­the­ri­sche Re­li­gi­on in Schwe­den zu er­hal­ten und zu schüt­zen; denn sonst hät­ten ihm die un­bot­mä­ßi­gen Stän­de nicht hul­di­gen wol­len. Da­hin­ter ste­cke nie­mand an­ders als Karl, sein Oheim, der, als ein ech­ter Ab­kömm­ling der bö­sen, wöl­fi­schen Wa­sa­brut, selbst auf den Thron spe­ku­lie­re. Nach­dem nun Si­gis­mund das lei­di­ge Ver­spre­chen ein­mal ge­ge­ben habe, sol­le er sich we­nigs­tens nicht dar­an ge­bun­den hal­ten; denn den Un­ter­ta­nen ste­he kei­ner­lei Recht zu, den ih­nen von Gott ge­setz­ten Her­ren Eide und Bünd­nis­se ab­zu­neh­men, son­dern als gott­lo­se Räu­ber sol­le er sie ein­fach zu Paa­ren trei­ben. Auch sei Anna sehr trau­rig dar­über, dass es so ge­kom­men sei und dass sie sich von den lu­the­ri­schen Af­fen hät­te müs­sen krö­nen und sal­ben las­sen, wel­ches doch nicht mehr zu be­deu­ten habe, als wenn man von ei­nem Ba­der we­gen ei­nes Aus­sat­zes oder an­de­ren Scha­dens ge­schmiert wer­de. Könn­te sie nur al­len ih­ren Mut und ihre Über­zeu­gung ein­flö­ßen, so wür­den die Un­ru­hen und Em­pö­run­gen, das Ge­schrei der toll­köp­fi­gen Bau­ern um freie Re­li­gi­ons­übung und das Lär­men der Prä­di­kan­ten auf den Kan­zeln ein­mal auf­hö­ren. Die Bau­ern ge­hör­ten an den Pflug, die Bür­ger in ihre Werk­statt und die Prä­di­kan­ten an den Gal­gen; hiel­te man sich dar­an, so wür­de der lie­be Frie­de und die alte Ord­nung bald wie­der her­ge­stellt sein. Frei­lich müs­se zu­erst der über­mü­ti­ge Adel ge­beugt wer­den, da­mit das ket­ze­ri­sche Volk kei­nen Rück­halt mehr an ihm fin­den kön­ne.

Er wol­le schon Ord­nung schaf­fen, sag­te Fer­di­nand, der sich be­müht hat­te, auf­merk­sam zu­zu­hö­ren; wenn er drei Jah­re re­giert hät­te, sol­le kei­ner mehr im Lan­de sein, der nicht das Knie beug­te, wenn die Pro­zes­si­on vor­über­ge­he. Er wol­le den großen Prahl­han­sen schon ein Ge­biss ins Maul klem­men, die stör­ri­schen Ket­ze­re­sel soll­ten ihm Sä­cke in sei­ne Müh­le tra­gen.

Ma­ria zähl­te ei­ni­ge Her­ren vom Adel auf, die ihr am meis­ten zu schaf­fen mach­ten, die Rä­knitz, die Pra­un­falk und die Win­disch­grätz. Be­reits hät­ten sie sich beim Al­ten, näm­lich beim Kai­ser, be­klagt, dass sie sie Un­ter­ta­nen ge­hei­ßen hät­te; und doch müss­ten sie wohl Un­ter­ta­nen sein, wenn der Fürst der Herr sei. Sie steck­ten mit al­len Ket­zern und Auf­rüh­rern in Ös­ter­reich, Schle­si­en und Mäh­ren, ja auch in Böh­men und Un­garn zu­sam­men, wo es an der­glei­chen nie ge­fehlt habe, und möch­ten etwa gar freie Schwei­zer oder Hol­län­der sein. Ein hüb­scher Staat ohne gött­li­ches und ir­di­sches Haupt, eine schö­ne Ord­nung, wo die Un­ter­ta­nen mit ih­rem kur­z­en Ver­stan­de Gott und die hei­li­ge Kir­che läs­tern dürf­ten, ohne dass ei­ner sie beim Schop­fe neh­me. Sie wis­se auch im Reich drau­ßen manch einen, der da­bei sein möch­te.

»Sie wer­den schon zu Kreu­ze krie­chen, wenn der Fer­di­nand die Zü­gel führt«, sag­te die­ser la­chend.

Wenn sie nur er­rei­chen könn­te, mein­te Ma­ria, dass er ein paar Jah­re frü­her mün­dig er­klärt wer­de; die habs­bur­gi­sche Vor­mund­schaft sei doch nur eine Miss­wirt­schaft. Es kom­me dar­auf an, dass er sich sei­nem Oheim, dem Kai­ser Ru­dolf, per­sön­lich vor­stel­len kön­ne; der Rat Rumpf, der al­les beim Al­ten ver­mö­ge, sei ein gu­ter Freund von ihr und habe sich be­reit er­klärt, einen sol­chen Be­such zu ver­mit­teln. In­zwi­schen müs­se Fer­di­nand sich in kör­per­li­chen Übun­gen ver­voll­komm­nen, da­mit er eine an­stän­di­ge Hal­tung be­kom­me, nicht wie ein Ham­pel­mann ein­her­ge­he, müs­se sich ein erns­tes, auf­rich­ti­ges, be­schei­de­nes Be­tra­gen an­ge­wöh­nen, um auf Ru­dolf einen güns­ti­gen Ein­druck zu ma­chen, denn da­von hän­ge nun ein­mal al­les ab.

»Ich bin gut ge­nug für den al­ten Un­flat!« sag­te Fer­di­nand, in­dem er die lan­ge Un­ter­lip­pe hän­gen ließ, un­ter­brach sich aber so­gleich, von der Mut­ter derb am Arme ge­schüt­telt. Er hät­te eine Maul­schel­le ver­dient, rief sie zor­nig; wie er so frech von der kai­ser­li­chen Ma­je­stät re­den dür­fe! Wenn das sei­ne jün­ge­ren Ge­schwis­ter ge­hört hät­ten!

Sie hät­ten es oft ge­nug von ihr ge­hört, brumm­te Fer­di­nand, wie er es auch nicht aus sich sel­ber habe. Sie habe ge­sagt, dass er sich Hu­ren hal­te und mit ge­mei­nen Leu­ten und Ket­zern sau­fe und schänd­li­che Küns­te trei­be.

»Dir ziemt nicht, al­les zu sa­gen, was mir ziemt«, sag­te sie un­wirsch, »denn du kannst nicht un­ter­schei­den, wo und wann du den Mund auf­tun sollst.« Sie sei Ru­dolfs Freun­din nie ge­we­sen, aber er sei nun ein­mal der Kai­ser und habe ihr Schick­sal in sei­nen Hän­den, dar­um müs­se Fer­di­nand sich Mühe ge­ben, ihm zu ge­fal­len.

Schließ­lich er­öff­ne­te Ma­ria ih­rem Soh­ne einen Aus­blick in die Zu­kunft: Bis jetzt hät­ten we­der der Kai­ser noch sei­ne le­ben­den Brü­der einen Er­ben; er so­wie Matt­hi­as, Ernst und Al­brecht wä­ren un­ver­mählt, Ma­xi­mi­li­an dür­fe als Deutschor­dens­meis­ter nicht hei­ra­ten, der Sohn Fer­di­n­ands von Ti­rol sei als Kind der Wel­se­rin un­eben­bür­tig, nur der jüngs­te Bru­der, Karl, sein ver­stor­be­ner Va­ter, habe Söh­ne in der Ehe er­zeugt. Er­sicht­lich ste­he das Haus un­ter der Ma­le­dik­ti­on Got­tes, die es sich durch Lau­heit im Glau­ben zu­ge­zo­gen habe, und so wäre es nicht un­mög­lich, dass noch ein­mal alle habs­bur­gi­schen Län­der auf ihn kämen. Wenn Gott es so füge, sei da­bei je­den­falls sei­ne Ab­sicht, einen from­men Glau­bens­hel­den an die Herr­schaft zu brin­gen, der die ka­tho­li­sche Kir­che wie­der­her­stel­len wer­de, und ob­schon er na­tür­li­cher­wei­se sei­nen Ohei­men nichts Übles wün­schen dür­fe, viel­mehr fort­fah­ren sol­le, für ihre Ge­sund­heit und Fort­pflan­zung zu be­ten, so müs­se er sich doch im Stil­len auf sein großes Amt vor­be­rei­ten, falls Gott im Schil­de füh­re, ihn da­hin zu er­hö­hen.

Fer­di­nand war ein we­nig rot ge­wor­den; aber er sag­te leicht­hin, warum soll­te denn der Kai­ser nicht noch hei­ra­ten und Nach­kom­men­schaft er­zie­len, da er doch Hu­ren­kin­der habe. Auch Matt­hi­as, Ernst und Al­brecht wä­ren noch in den Jah­ren, sich zu ver­mäh­len; mit so wei­taus­se­hen­den Sa­chen wol­le er sich nicht ernst­lich ab­ge­ben.

Dank den An­wei­sun­gen, die sein Be­schüt­zer, Mi­nis­ter Rumpf, dem Kna­ben gab, wie auch durch sei­ne na­tür­li­che Un­be­fan­gen­heit und Schlau­heit fiel Fer­di­n­ands Be­such am Kaiser­ho­fe gut aus; über­haupt hat­te der Kai­ser an jun­gen Leu­ten, die sich ihm mit be­schei­de­ner Be­wun­de­rung und Ehr­er­bie­tung nä­her­ten, Wohl­ge­fal­len und lieb­te es, Spä­ße mit ih­nen zu ma­chen, bei de­nen er eine an­mu­tig über­le­ge­ne Freund­lich­keit ent­fal­ten konn­te. Fer­di­nand kehr­te nicht we­nig ge­ho­ben nach Graz zu­rück und muss­te sich man­che Ne­cke­rei von Sei­ten der Ge­schwis­ter ge­fal­len las­sen, die das pomp­haf­te We­sen an dem Dä­mel, wie sie Fer­di­nand nann­ten, der beim Spiel der Al­b­erns­te war, nicht lei­den konn­ten.