Das blaue Licht /Dienen

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Das blaue Licht /Dienen
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© 2017 Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs-GmbH

Schweinfurthstraße 60, 14195 Berlin

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Sämtliche Rechte der öffentlichen Wiedergabe (u. a. Aufführungsrecht, Vortragsrecht, Recht der öffentlichen Zugänglichmachung und Senderecht) können ausschließlich von der Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs-GmbH erworben werden und bedürfen der ausdrücklichen vorherigen schriftlichen Zustimmung. Nicht genehmigte Verwertungen verletzen das Urheberrecht und können zivilrechtliche und ggf. auch strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.

Personen:

A

B / C/ D / E / F

Was ist grün und dämlich und sieht den Bullen ähnlich?

Die Bundeswehr, die Bundeswehr, wir scheißen auf das ganze Heer!

Demo-Spruch

Das Stück entstand als Auftragswerk des Staatstheaters Kassel.

White Trash

B's Stube.

A putzt.

B liegt.

B Da. Eine Wollmaus.

A Was?

B Es heißt: Wie bitte.

A Wie bitte?

B WOLLMAUS. Unter dem Schrank.

A putzt.

B Da. Ein Silberfisch.

A Was?

B Wie bitte.

A Wie bitte?

B Ein Silberfisch. Pause. SILBERFISCH. Unter der Spüle.

A putzt.

B Da. Ein Blutfleck.

A Wie bitte?

B BLUTFLECK. Bist du taub?

A Ich bin nicht taub, ich hör nur schlecht.

B Ich bin nicht dumm, ich bin nur'n Vollidiot. Oder was. Pause. Oder was?

Pause.

A Warum ist hier überhaupt ein Blutfleck?

B Mir ist der Eimer mit den alten, vollgesuppten Monatsbinden umgefallen.

A verzieht das Gesicht.

B Du bist so ein Trottel. Bin ich etwa in dem Alter, in dem eine Frau noch blutet? Ich hab dort bloß den Hund massakriert.

A verzieht das Gesicht.

B Für einen Mörder bist du ganz schön empfindlich.

A Ich bin kein Mörder. Pause. Hört auf zu putzen. Kann ich gehen?

B Wohin?

A An die Luft.

B Luft? Für was brauchst du Luft?

A Vergiss es.

B Schon passiert.

A flüstert Blöde, alte Hexe.

B Sei bloß nett zu mir. Ich hab dir das Leben gerettet.

A Leben gerettet. Na ja.

B Du warst halb verhungert.

A Halb verhungert. Na ja.

B Gut sahst du nicht aus.

A Ich war schon noch lebendig.

B Mehr oder weniger. Jetzt stehst du gut im Futter.

A Gut im Hundefutter.

B Besser als nichts. Das ist Premium-Qualität. Früher hat Zerbero das bekommen. Aber den musste ich ja massakrieren. Weißt du, warum?

A Nein. Und ich will's auch nicht wissen.

B Er war nicht brav genug. Er hat meine Füße nicht mehr hingebungsvoll geleckt, sondern nur noch routiniert.

A Blödsinn. Seit ich in diesem Haushalt wohne, ist mir noch keinerlei Hund begegnet.

B Der war vor deiner Zeit.

Pause. A putzt. Riecht am Lappen.

A Ich tippe auf Rote Beete.

B Glaub doch, was du willst, du Opfer.

A flüstert. Widerliche, alte Ekelhexe.

B Interessant. Die anderen Männer nannten mich geile Schlampe, willige Dreiloch-Stute oder Fickschlitten.

A würgt.

B Weißt du, was dein Problem ist, Spatzenhirn? Du bist prüde wie ein Besen. Und das mit deiner Backstory.

A flüstert. Vorgeschichte.

B Was hast du gesagt?

A Nichts.

B Ich hab’s genau gehört, Sprachmimose. So spricht man halt heutzutage.

A flüstert. Vor zwanzig Jahren heutzutage.

B Was hast du gesagt?

A Nichts.

B Ich hab’s genau gehört. Das ist ein Fachausdruck, Spatzenhirn. Den benutzen professionelle Geschichtenerzähler. Aber davon hast du ja keinen Schimmer. Da fällt mir ein: Der Garten muss noch umgegraben werden.

A Bitte? Es ist mitten in der Nacht.

B Na und?

A Kann ich den nicht morgen früh umgraben?

B Ich finde, du solltest ihn jetzt umgraben.

A Und warum findest du das?

B Wüsste nicht, was dich das anginge. Pause. Du wolltest doch AN DIE LUFT.

A Ha. Ha.

Pause.

B Oh oh oh. Wird Zeit, dass ich mir mal wieder die Krampfadern veröden lasse. Und die Hämorrhoiden wegschneiden.

A Ich gehe.

B Wohin?

A Den Garten umgraben.

B Na bitte. Geht doch.

A ab.

B ruft A hinterher. Wessen Mitleid willst du eigentlich erregen mit deinem peinlichen Gehumpel?

A aus dem Off. Ha. Ha.

B posiert vor dem Spiegel. Brüllt. Für mein Alter bin ich noch ganz gut in Schuss, oder? Pause. Oder?

A kommt. Soll ich jetzt den Garten umgraben oder nicht?

B Lass mich kurz überlegen. Hm. Ich glaube, es ist jetzt viel wichtiger, dass du mir beim Bodycheck behilflich bist. Wer ist auch so doof und gräbt nachts den Garten um?

A Ha. Ha.

B Also, was sagst du?

A Was sag ich zu was?

B Zu meinem Körper, du Vollhonk.

A Dazu müsst ich ja wohl wissen, wie alt du bist.

B Bitte?

A Um entscheiden zu können, ob du für dein Alter noch gut in Schuss bist.

B Ha, netter Versuch.

A Ich sag mal: Für eine Achtzigjährige bist du top in Schuss.

B Danke verbindlichst.

A Dumm nur, dass du wesentlich jünger bist als achtzig.

B Was weißt denn du? Du wiederum: Schon ganz schön runtergerockt für deine fünfundzwanzig.

A Woher willst du wissen, dass ich fünfundzwanzig bin?

B Steht auf deiner Hundemarke. Pause. Weißt du, was die Wissenschaft behauptet?

A Nein. Und ich will's auch nicht wissen.

B Die Wissenschaft behauptet, dass im Alter der Hormonspiegel fällt und die sexuelle Gier abnimmt.

A Nicht mein Thema. Echt jetzt.

B Ich sage: Wissenschaft, Arsch offen oder was? Das Gegenteil ist der Fall. Je älter ich bin, desto geiler werd ich.

A würgt.

B Gut nur, dass ich alle Schwänze haben kann, die ich will. Ich brauch bloß zuzugreifen.

A würgt.

B Und wenn grad kein strammes Ding zur Verfügung steht, schieb ich mir ne Zucchini rein.

A würgt.

B zieht sich das Gesicht mit den Fingern nach hinten. Meinst du, ich sollte mich liften lassen? Ich könnte mir auch Fett aus den Hinterbacken saugen und in die Brüste spritzen lassen. Oder – hier – diesen Wabbel am Oberarm abschneiden lassen. Und – hier – dieser –

A Könnt'st du das mit wem anderen besprechen bitte?

B Mit wem denn? Ist doch keiner sonst da.

A Hast du keine Freundinnen?

B Freundinnen? Um Gottes Willen.

A Ex-Männer?

B Die haben längst das Zeitliche gesegnet. Hatte mein Lebtag für Gatten kein gutes Händchen. Robuste Naturen: Fehlanzeige. Ich ziehe die Versehrten an. Die Schlaffen und Schlappen, Kranken und Siechen. Opfer eben.

A Ich platz gleich vor Mitleid.

B Lach nur. Das ist ein wahrer Höllenfluch.

A Und mit wem hast du geredet, bevor ich hier einzog?

B Mit deinem Vorgänger.

A Und wo ist der jetzt?

B Hat das Zeitliche gesegnet.

A Aha. Sehr beruhigend.

B Das ist halt das, was Menschen irgendwann tun.

A Was?

B Das Zeitliche segnen.

A Ja. Irgendwann schon.

Pause.

B Was ist deine Haltung zum Thema Schamlippen-Lifting?

A Hör auf.

B Du hast gut Reden, du hast ja keine. Meine werden länger und länger, die hängen mir bald in den Kniekehlen. Die reiben aneinander beim Gehen. Pendeln seitlich aus dem Bikini raus. Das stört ganz schön! Aber kann man ja alles wunderbar weg schnippeln. Dazu eine hübsche Vagina-Verengung. Das ist ein vollkommen easy Eingriff: Der Onkel schneidet die Schleimhaut auf und zieht darunterliegenden Muskeln straff. Zur Krönung noch ein künstliches Jungfernhäutchen eingesetzt und fertig ist die taufrische Lustgrotte.

 

A würgt.

B Kostet ein bisschen, aber dafür kriegt man die Möse einer Vierzehnjährigen. Und wer hätte nicht gern die Möse einer Vierzehnjährigen? Du doch auch, Spatzenhirn. Gib's zu. Pause. Hast du dir schon mal Gedanken über Anal-Bleaching gemacht?

A Es reicht jetzt.

B Ich hab ja auf eigene Faust versucht, mir die Rosette zu veredeln. Mit After-Aufhellungs-Creme. Die hemmt angeblich das Enzym, das dir den Arscheingang verfinstert. Hat's allerdings nicht gebracht! Wochenlang schmiere und schmiere ich und man sieht: Nichts. Mein Loch bleibt dunkel wie das Höllentor. Da muss demnächst der Fachmann ran!

A Bitte.

B Gut, wir versuchen was Mainstreamigeres. Das Schamhaar – Segen oder Fluch?

A Lass das.

B Das ist ein wichtiges Zeitgeist-Thema. Verdammt ungerecht: Jetzt, wo alle Welt die Rückkehr des Schamhaars feiert, fällt es mir aus. Büschelweise. Erst wurd es grau, dann fiel es aus. Meine Pflaume sieht aus wie der Hinterkopf eines alten Penners, dem ein Neonazi eins mit der Axt übergezogen hat.

A verzieht das Gesicht.

B Ach komm, das war ein lustiger Vergleich.

A Hörst du mich lachen?

B Du bist eben nicht nur prüde, sondern auch humorlos. Ich hab mit dir also die doppelte Arschkarte gezogen.

A Und ich, was hab ich mit dir gezogen?

B Hauptgewinn, mein Junge, Hauptgewinn.

A Ja. Hauptgewinn aus der Hölle.

B Manche Menschen sind eben Opfertypen, manche mehr so Tätertypen.

A Ich bin kein Opfertyp.

B Ach nee? Was denn sonst?

A Ich bin schuldlos in eine Notlage geraten.

B Schuldlos. Notlage. Hör dir mal selbst zu, Heulboje. Du bist ein Individuum im Vollbesitz seiner Geistesklarheit und somit komplett verantwortlich für deine Situation.

A Und die zu Tode gehungerten Kinder in Afrika, sind die auch selbst schuld an ihrer Totheit?

B Also, bei dir, da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll. Erstens willst du unabhängiger, erwachsener Mann dich wohl nicht mit einem hilflosen Säugling vergleichen. Zweitens ist Afrika, ja, Afrika, du Knalltüte, ein riesengroßer fucking Kontinent, wo sich beileibe nicht überall ZU TODE GEHUNGERT wird. Da gibt es florierende Metropolen voller Wirtschaftskraft und Wohlstand. Und drittens: Totheit, Totheit, das ist ja wohl kein richtiges Wort.

A Na und?

B Na und was jetzt konkret?

A Na und alles. Einfach alles.

B Mit dieser Einstellung wirst du nicht weit kommen.

A Ich komm auch so nicht weit. Wie man sieht.

B Heul doch. Pause. B liest ein Magazin. Weißt du, was hier steht? Dass es weltweit über dreißig Millionen Arbeitssklaven gibt.

A So was steht in der GALA?

B Nicht in der GALA, Spatzenhirn. Glaubst du, ich les die GALA?

A Was denn sonst?

B Das ist das Monatsmagazin von Amnesty International.

A Du hast das Monatsmagazin von Amnesty International abonniert?

B Ja, und? Ich bin Mitglied. Seit Neunzehnhundertvierundsiebzig.

A lacht.

B Was gibt’s da zu lachen?

A Ausgerechnet du.

B Ja und?

A Die du selbst Sklaven hältst.

B Du wirst doch wohl nicht den Zynismus besitzen, dich mit den wahrhaft Ausgebeuteten dieser Erde zu vergleichen? Du, der du einen ordentlichen Vertrag hast, ein Dach überm Kopf, Kost und Logis –

A Kost und Logis: Hundefutter!

B Es steht nicht drin, welche Art von Kost.

A Unter Kost stell ich mir was Köstliches vor.

B Dein Problem, nicht das des Worts.

A Hundefutter und Gänsewein.

B Dosenfleisch und Quellwasser. Ist doch klar eine Verbesserung für dich. Und immerhin schläfst du in einem Bett. Das ist mehr, als der Großteil der Weltbevölkerung von sich sagen kann.

A Ja. In einem Bett mit dir drin. Das verstößt gegen die Menschenrechte.

B Freu dich doch. Andere würden dafür zahlen, mit mir in einem Bett zu schlafen.

A Wüsste nicht, wer.

B Da kenn ich einige.

A Also, ich kenn da keinen.

B Du bist ja auch neu im Dorf. Pause. Der Bürgermeister. Der Pfarrer. Der Wirt. Alle wollen sie ran an den Honigtopf. Alle sind sie heiß auf den Nektar zwischen meinen Schenkeln. Aber die lass ich nicht. Weißt du, warum?

A Nein. Und ich will's auch nicht wissen.

B Die sind mir zu schlaff. Zu schwach. Zu müde. Ausgelaugte Gesellen, die die blaue Pille fressen müssen, bevor die Lanze steht. Erbärmlich. Und so was rennt rum und nennt sich noch MANN. Dafür hab ich die gesamte freiwillige Feuerwehr durch.

A Ach, bitte nicht.

B Saftige Burschen in Uniform, einer geiler als der andere. Ungefähr dein Alter, aber kein Vergleich. Kein Vergleich. Die steh'n vor Omas Saftladen Schlange!

A Kann ich mir nur schwer vorstellen.

B Problem deiner Vorstellungskraft, nicht das der Realität. So. Zeit für die Pediküre.

A Das mach ich nicht.

B Letzte Woche hast du dich nicht so angestellt.

A Ein Mal und nie wieder.

B Tja. Tut mir leid. Da hat so ein Idiot deines Namens einen Vertrag unterschrieben.

A In dem absolut nichts von Hornhaut-Abhobeln steht.

B Da steht aber auch absolut nichts von Nicht-Hornhaut-Abhobeln. Möchtest du, dass ich dir das Schriftstück nochmals vorlese? Holt Zettel und liest. Vertrag. Unterzeichnender A, hier Arbeitnehmer, erhält von Unterzeichnender B, hier Arbeitgeber, Kost und Logis und verpflichtet sich im Gegenzug, B zu Diensten zu sein.

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