Schreibkompetenzen in der Fremdsprache

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Schreibkompetenzen in der Fremdsprache
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Schreibkompetenzen in der Fremdsprache

Bettina Akukwe / Rüdiger Grotjahn / Stefan Schipolowski

Narr Francke Attempto Verlag Tübingen

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© 2017 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

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E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen

ePub-ISBN 978-3-8233-0059-5

Inhalt

  1 Kompetenzorientiertes Schreiben als Teil modernen Fremdsprachenunterrichts 1.1 Evaluation und Lehrerkompetenz 1.2 Inhalte des vorliegenden Bands 1.3 Kompetenz aus Theorie und Praxis Hinweise zum Weiterlesen Literatur

  2 Rahmenbedingungen für das Evaluieren von Schreibkompetenzen 2.1 Stellenwert von Rahmenbedingungen und Vorgaben 2.2 Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen (GER) 2.3 Bildungsstandards 2.4 Curriculare Vorgaben und Lehrwerke 2.5 Testentwicklung am IQB: Bildungsstandards und GER Hinweise zum Weiterlesen Literatur

 3 Typen und Funktionen der Evaluation von Schreibkompetenzen3.1 Prüfen, Testen, Evaluieren, Diagnostizieren: Begriffliche Vorbemerkungen3.2 Typen der Evaluation3.2.1 Bezugsgruppenorientierte versus kriteriumsorientierte Evaluation3.2.2 Summative versus formative Evaluation3.2.3 Formelle und informelle Evaluation3.2.4 Selbstevaluation und Peer-Evaluation3.3 Funktionen der EvaluationHinweise zum WeiterlesenLiteratur

 4 Gütekriterien bei der Evaluation von Schreibkompetenzen4.1 Evaluation von Schreibkompetenzen: Spezifika4.2 Typen und Funktionen von Gütekriterien4.2.1 Objektivität und Standardisierung4.2.2 Reliabilität4.2.3 Validität4.2.4 Weitere Gütekriterien4.3 Gütekriterien dynamischer EvaluationHinweise zum WeiterlesenLiteratur

 5 Testkonstrukt und Testspezifikationen5.1 Aufgabenbasierte Evaluation von Schreibkompetenzen5.2 Kompetenz: begriffliche Klärungen5.3 Adressaten und Verwendungskontexte5.4 Definition des Testkonstrukts: grundlegende Aspekte5.4.1 Verhaltenszentrierte Ansätze5.4.2 Traitzentrierte Ansätze5.4.3 Interaktionale Ansätze5.4.4 Interaktionistische Ansätze5.4.5 Variabilität und Nichtlinearität von Schreibleistungen und Kompetenz5.4.6 Struktur und Dimensionalität von Schreibkompetenz5.4.7 Level-spezifischer vs. Multi-Level-Ansatz5.5 Modelle kommunikativer Kompetenz und kommunikativen Sprachgebrauchs5.5.1 Der gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen (GER)5.5.2 Modell kommunikativer Kompetenz von Bachman & Palmer (1996)5.6 Schreibaktivitäten und Schreibkompetenzen im GER5.7 Schreibaktivitäten und Schreibkompetenzen in den Bildungsstandards5.8 Psycholinguistische und sozio-kognitive Modelle fremdsprachlichen Schreibens5.9 Test- und Aufgabenspezifikationen5.10 Testkonstrukt und BewertungskriterienHinweise zum WeiterlesenLiteraturAnhängeAnhang 1: GER-Skala „Schriftliche Produktion allgemein“Anhang 2: GER-Skala „Schriftliche Interaktion allgemein“Anhang 3: GER-Skala „Spektrum sprachlicher Mittel (allgemein)“Anhang 4: GER-Skala „Wortschatzbeherrschung“Anhang 5: GER-Skala „Grammatische Korrektheit“Anhang 6: GER-Skala „Beherrschung der Orthographie“Anhang 7: GER-Skala „Kohärenz und Kohäsion“

 6 Kriteriale Evaluation von Schreibkompetenzen6.1 Performanzbasierte beurteilergestützte Evaluation6.2 Urteilsprozess: Einflussfaktoren6.3 Bezugsnormen bei der Bewertung6.4 Bewertungskriterien6.5 Bewertungsskalen und Bewertungsraster6.5.1 Uni-Level-, Bi-Level- und Multi-Level-Ansatz6.5.2 Aufgabenspezifische versus aufgabenübergreifende Bewertung6.5.3 Holistische Bewertung6.5.4 Analytische Bewertung6.5.5 Globale Bewertung6.5.6 Kompensatorische versus nicht-kompensatorische Bewertung6.5.7 Analytische versus holistische Bewertung im Vergleich6.6 Einsatz von Bewertungsrastern im schulischen Kontext: Beispiele6.6.1 Formeller Französischtest6.6.2 VERA-6 Englisch 20166.6.3 KMK-Projekt FOR.MAT6.6.4 Standardisierte Schularbeiten für die Sekundarstufe II in Österreich6.7 Leistungsbeispiele und Benchmarktexte6.8 Erwartungshorizont6.9 Bewertung von Schreibleistungen im schulischen Kontext: Qualitätsanforderungen6.10 Situationsabhängige Flexibilisierung kriterialer Bewertung6.11 Anregungen zur Reflexion der eigenen BewertungspraxisHinweise zum WeiterlesenLiteratur

 7 Entwicklung von Testaufgaben zum Schreiben7.1 Schreibkompetenzen und Testaufgaben7.2 Entwicklung von Schreibaufgaben: Zentrale Prinzipien und prototypischer Verlauf7.2.1 Spezifizierung der Prüfungsteilnehmenden7.2.2 Festlegung der Ziele und Funktionen der Evaluation7.2.3 Spezifizierung des Testkonstrukts7.2.4 Entscheidung über das Aufgabenformat7.2.5 Festlegung der Zahl der Aufgaben7.2.6 Entscheidung über Wahlmöglichkeiten7.2.7 Entscheidung über Themen, Textsorten und intendierte Leserinnen/Leser7.2.8 Auswahl der Inputmaterialien7.2.9 Erstellen der Arbeitsanweisung und Situierung7.2.10 Entscheidung über die Bewertungskriterien und die Form der Bewertung7.2.11 Formulierung eines Erwartungshorizonts7.2.12 Überprüfung und Erprobung der Aufgaben7.3 Checkliste zur Erstellung von Schreibaufgaben7.4 Kommentierte AufgabenbeispieleBeispiel 1: EnglischBeispiel 2: EnglischBeispiel 3: FranzösischBeispiel 4: FranzösischHinweise zum WeiterlesenLiteratur

 8 Evaluation von Schreibkompetenzen mithilfe eines Bewertungsrasters8.1 Die Entwicklung eines Bewertungsrasters am IQB8.1.1 Holistische Bewertung: Erster Gesamteindruck8.1.2 Umsetzung der Aufgabenstellung8.1.3 Sprachliche Realisierung8.1.4 Globale Bewertung: Abschließendes Urteil8.1.5 Benotung8.2 Kommentierung von Schülerlösungen8.2.1 Kommentierung von Schülerlösungen für das Fach Englisch8.2.2 Kommentierung von Schülerlösungen für das Fach Französisch8.3 Möglichkeiten der Weiterarbeit8.3.1 Aufgabenspezifische Hinweise für die Weiterarbeit8.3.2 Aufgabenunabhängige Formen der Rückmeldung – Überarbeitung/KorrekturHinweise zum WeiterlesenLiteratur

 

 9 Feedback zu schriftlichen Lernerproduktionen9.1 Feedback in der Fachdiskussion9.1.1 Ziele und Ebenen von Feedback9.1.2 Spezifische Merkmale von Feedback zu schriftlichen Produktionen9.1.3 Feedback in Form von Fehlerkorrektur9.1.4 Allgemeine Feedbackregeln9.2 Funktionen und Typen von Feedback zu schriftlichen Produktionen9.2.1 Rückmeldung eines ermittelten Kompetenzniveaus9.2.2 Rückmeldung zu Schwächen und Stärken9.2.3 Lob und Hervorheben von Fortschritten9.2.4 Vorstellen eines korrekten Modells9.2.5 Hilfen für die Überarbeitung9.2.6 Rückmeldung in Form einer verbalen Bewertung oder Ziffernnote9.2.7 Anstoß und Aktivitäten zum Weiterlernen9.3 Feedback bei Selbst- und Peer-Evaluation9.4 Feedbackgespräche und Überarbeitung9.5 Feedback auf der Basis der interaktionistischen dynamischen Evaluation9.6. Automatisierte Diagnose- und FeedbacksystemeHinweise zum WeiterlesenLiteratur

  10 Überprüfung von Kompetenzen – aktuelle Trends 10.1 Kompetenzorientierter Unterricht und Assessment Literacy 10.2 Überprüfung von Sprechkompetenzen 10.3 Computerbasiertes Testen 10.4 Integrierte Aufgabenformate 10.5 Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf Hinweise zum Weiterlesen Literatur

  Sachregister

1 Kompetenzorientiertes Schreiben als Teil modernen Fremdsprachenunterrichts

Bettina Akukwe, Rüdiger Grotjahn & Stefan Schipolowski

Spätestens mit Verabschiedung der BildungsstandardsBildungsstandards für die erste Fremdsprache für den Mittleren Schulabschluss im Jahr 2003 (KMK, 2004a) hat kompetenzorientierter Fremdsprachenunterricht in allgemeinbildenden Schulen mehr und mehr an Bedeutung gewonnen. Insbesondere wird auch die Förderung der Teilkompetenzen HörverstehenHörverstehen und SprechenSprechen mittlerweile verstärkt in den Unterricht integriert. Das Schreiben von Texten in der Fremdsprache stellte dagegen schon immer einen wichtigen Bestandteil des Sprachenlernens in der Schule dar, jedoch lag der Fokus des Schulunterrichts bis vor wenigen Jahren zumeist auf der korrekten Verwendung der Sprache und weniger auf der Erfüllung der kommunikativen Absicht. In Schulleistungsuntersuchungen wie dem Nationalen Bildungspanel (NEPS) oder dem IQBIQB-BildungstrendLändervergleich/Bildungstrend werden im Fremdsprachenbereich – auch aufgrund des damit verbundenen hohen Aufwandes – die produktiven KompetenzenKompetenzproduktiv bisher nur selten getestet – trotz ihrer Bedeutung für einen kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht. Jones & Seville machen die Bedeutung gerade auch des Lehrens und Testens der produktiven KompetenzenKompetenzproduktiv deutlich:

In the classroom or the real world the impression of a learner’s overall proficiency level is undoubtedly based primarily on the performance skills – precisely because they are directly apprehended productive skills – rather than the indirectly apprehended receptive skills of reading and listening. This suggests that the performance skills are a more relevant, practical and meaningful target for aligning judgements of level across classroom and large scale assessmentassessment… (Jones & Saville, 2016, S. 74)

Mit der Einführung von verbindlichen Standards im Rahmen eines kompetenzorientierten Unterrichts geht es nicht mehr in erster Linie um die Kenntnis von Fakten und Zusammenhängen, sondern vor allem um Handlungsfähigkeit. Kompetenzorientierter Unterricht geht hierbei einher mit einer lernorientierten Leistungsbeurteilung (learning-orientedassessmentlearning-oriented assessment), die den Fokus nicht nur auf den reinen Output legt, sondern auch den Lernprozess berücksichtigt, der durch Feedback und WeiterarbeitWeiterarbeit konstruktiv gestaltet wird. Für eine lernorientierte Leistungsbeurteilung müssen bestimmte Rahmenbedingungen geschaffen werden, z.B. ein angenehmes Klassenklima, motivierende Unterrichtsinhalte, didaktische und fachliche KompetenzKompetenz der Lehrkraft sowie eine positive Unterrichtsinteraktion, die sich beispielsweise durch gezieltes Nachfragen und unmittelbares respektvolles Feedback auszeichnet (Turner & Purpura, 2016). Die Leistungsbeurteilung erfolgt in der Regel mithilfe von mehr oder minder authentischen AufgabenAufgaben (task-basedassessmenttask-based assessment). Wichtig ist hierbei, dass verschiedene Aufgaben zur Auswahl gestellt werden, sodass sich Lernende entsprechend ihrem KompetenzniveauKompetenzniveau für sie passende Aufgabenstellungen auswählen können. Alternativ kann ein Input mit adäquater ArbeitsanweisungAufgabenArbeitsanweisung gewählt werden, der von Lernenden unterschiedlicher Leistungsniveaus bearbeitet werden kann. Für den Kompetenzbereich Schreiben könnte dies beispielsweise ein Foto von einer Person sein, deren Porträt beschrieben werden soll, oder es wird eine Szene dargestellt, zu der eine Handlung beschrieben werden soll. Hier ist nicht nur die Kreativität der Lernenden gefragt, sondern es wird zugleich das Niveau der Aufgabenbearbeitung durch die Lernenden bestimmt.

Neben der stärkeren KompetenzorientierungKompetenzorientierung im Fremdsprachenunterricht wurde in den zurückliegenden Jahren in verschiedenen Ländern das Schulsystem hin zu einem Zwei-Säulen-Modell und einer größeren Durchlässigkeit reformiert. Infolge dieser Reformen sowie der Bemühungen um eine Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarfsonderpädagogischer Förderbedarf entstehen immer heterogenere Klassenzusammensetzungen, die Unterrichtsmaterialien voraussetzen, die die Lernenden auf ihrem individuellen Niveau fordern und fördern. Dies stellt Lehrkräfte vor die Herausforderung, kompetenzorientierte AufgabenAufgaben zu erstellen, die trotz sehr unterschiedlicher Ausgangsvoraussetzungen von der jeweiligen LerngruppeLerngruppe bearbeitet werden können.

Der vorliegende Band zeigt Möglichkeiten und Wege, um Schreibkompetenzen unter Berücksichtigung verschiedener Voraussetzungen zu überprüfen. Er beinhaltet eine Vielzahl an Beispielaufgaben und Benchmark-Texten (Leistungsbeispiele) aus Aufgabenerprobungen mit Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen 8 und 9. In Abgrenzung zu vielen anderen Publikationen werden auch die Rahmenbedingungen und Kontexte für die Evaluation von Schreibkompetenzen relativ ausführlich thematisiert. Des Weiteren ist der Band im Gegensatz zu vielen anderen Handbüchern zur (Messung von) Schreibkompetenz konsequent aufgaben- und kompetenzorientiert.

Der vorliegende Band ist so gestaltet, dass Lehrkräfte, Fortbildnerinnen und Fortbildner, Studierende und Fachdidaktikerinnen und -didaktiker die Zielgruppe bilden. Dabei sind die Ausführungen nicht sprachspezifisch, sondern können von allen Personen, die Fremdsprachen (inklusive Deutsch als Fremdsprache) lehren oder lernen, sinnvoll genutzt werden. Die Illustration erfolgt anhand von Beispielen für die Fächer Englisch und Französisch.

1.1 Evaluation und Lehrerkompetenz

In Deutschland haben Lehrkräfte einer Fremdsprache in der Regel einen engeren Bezug zu standardisierter Evaluation und zum Testen als Vertreterinnen und Vertreter anderer Fächer. Bedingt durch die Globalisierung und die moderne Arbeitswelt steigt im Kontext des Lehrens und Lernens von Fremdsprachen auch die Bedeutung formaler Qualifikationsnachweise z.B. in Form des Diplôme d’Études en langue française (DELF) oder des Test of English as a Foreign Language (TOEFL). In diesem Zusammenhang hält die Vorbereitung und Durchführung entsprechender Zertifikatsprüfungen auch immer stärker Einzug in den Bereich der allgemeinbildenden Schulen. Allerdings genügen die regulären LehrwerkeLehrwerke für die Fremdsprachen oft nicht den Anforderungen, Lernende auf kompetenzorientierte TestsEvaluationkompetenzorientiert vorzubereiten, sondern folgen eher einer inhaltlichen oder sprachlichen Progression. Lehrkräfte stehen somit vor der Herausforderung, Unterrichtsmaterialien selbstständig entwickeln zu müssen. Dies erfordert Kompetenzen, die Lehrkräfte in dieser Form ggf. noch nicht erwerben konnten. Aktuelle internationale Studien zeigen: Auf Gebieten wie TestspezifikationenTestspezifikation, Testtheorie, Leistungsbeurteilung der eigenen Klasse, Kriterienerstellung und Testbedingungen mangelt es vielen Lehrkräften noch an notwendigen Kompetenzen (Jeong, 2013).

International ist der Trend zur stärkeren Förderung diagnostischer KompetenzKompetenzdiagnostisch von Lehrkräften für eine (Fremd-)Sprache unter dem Schlagwort language assessment literacyassessmentassessment literacy schon länger festzustellen, wie u.a. Harding & Kremmel (2016) in einer aktuellen Publikation darstellen. Taylor (2013, S. 410) fasst die für Sprachlehrkräfte, Testautorinnen und Testautoren, universitäre Testadministratorinnen und Testadministratoren sowie für professionelle Sprachtesterinnen und Sprachtester relevantesten Kompetenzbereiche wie folgt zusammen:

 Sprachpädagogik;

 soziokulturelle Werte;

 lokaler Kontext;

 persönliche Überzeugungen/Einstellungen;

 technisches Wissen;

 Wissen über Prinzipien und Konzepte;

 theoretisches Wissen;

 Ergebnis- und Entscheidungsfindung.

Dabei gilt für jede der vier genannten Adressatengruppen ein Kompetenzprofil mit einer unterschiedlichen Gewichtung der einzelnen Komponenten. In Bezug auf Sprachlehrkräfte bedeutet dies u.a., dass theoretisches Wissen einen eher peripheren Stellenwert einnimmt. Von Taylor nicht aufgeführt, aber nicht weniger wichtig, ist die sehr gute Beherrschung der Fremdsprache. Ebenso sollte die diagnostische KompetenzKompetenzdiagnostisch in Form der reinen Leistungsbeurteilung nie für sich alleine stehen, sondern stets durch ein angemessenes Feedback sowie die Steuerung der Weiterentwicklung durch gezielte WeiterarbeitWeiterarbeit ergänzt werden (Lee, 2015).

Nun ist die Feststellung der für Sprachlehrkräfte relevanten diagnostischen KompetenzKompetenz nur eine Seite der Medaille – viel wichtiger erscheint es jedoch, die Vermittlung dieser Kompetenz auch entsprechend in die Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften einfließen zu lassen. Dafür brauchen Lehrkräfte der Studie von Fulcher (2012) zufolge vor allem gut verständliche Einführungen, die theoretisch fundiert, aber zugleich praktisch ausgerichtet und mit Beispielen illustriert sind. Auch die Vermittlung von statistischem Grundlagenwissen ist essenziell für eine adäquate (language) assessment literacyassessmentassessment literacy.

In den USA gibt es bereits seit 1990 Standards für Lehrkräfte, die eine diagnostische KompetenzKompetenzdiagnostisch eindeutig als wichtiges Merkmal der Lehrerkompetenz beinhalten (American Federation of Teachers, 1990). Auch für Deutschland gelten seit 2004 von der Kultusministerkonferenz verabschiedete Standards für die Lehrerbildung (KMK, 2004b), die neben inhaltlichen Schwerpunkten auch Kompetenzen für Lehrkräfte in der theoretischen und praktischen Ausbildung festlegen. Dabei werden die drei Kompetenzbereiche Unterrichten, Erziehen und Beurteilen unterschieden. Die im Kompetenzbereich Beurteilen beschriebene Kompetenz 8 („Lehrerinnen und Lehrer erfassen Leistungen von Schülerinnen und Schülern auf der Grundlage transparenter Beurteilungsmaßstäbe“) beinhaltet konkrete Hinweise auf Fähigkeiten, die im Laufe des Referendariats erworben werden sollen:

 

Die Absolventinnen und Absolventen …

 konzipieren Aufgabenstellungen kriteriengerecht und formulieren sie adressatengerecht.

 wenden Bewertungsmodelle und Bewertungsmaßstäbe fach- und situationsgerecht an.

 verständigen sich auf Beurteilungsgrundsätze mit Kolleginnen und Kollegen.

 begründen Bewertungen und Beurteilungen adressatengerecht und zeigen Perspektiven für das weitere Lernen auf.

 nutzen Leistungsüberprüfungen als konstruktive Rückmeldung über die eigene Unterrichtstätigkeit.

(KMK, 2004b, S. 11)

Diese Kompetenzen wurden 2008 von der KMK inhaltlich in Fachprofilen konkretisiert und kürzlich aktualisiert. Für den Bereich Neue Fremdsprachen wird nun noch stärker zwischen Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft und Kulturwissenschaft unterschieden. Eine weiterhin zentrale Rolle spielen die „Grundlagen der LeistungsdiagnoseDiagnose und -beurteilung im Fach“ (KMK, 2017, S. 39).

Es ist jedoch nicht zu leugnen, dass die Ausbildungsmodalitäten sehr vom lokalen Kontext abhängig sind. Die von der Bildungspolitik geforderten Kompetenzen können oder müssen unter Umständen erst nach der eigentlichen Ausbildung erworben werden. Vielerorts fehlt es an entsprechenden Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, sodass sich ein nicht unerheblicher Anteil an Lehrkräften mit dem Problem konfrontiert sieht, sich language assessment literacyassessmentassessment literacy durch Selbststudium und learning by doing anzueignen. Das vorliegende Buch spricht insbesondere diese Lehrkräfte, aber auch Lehrkräfte in der Aus- und Weiterbildung, Studierende der fremdsprachlichen Fächer und von Deutsch als Fremdsprache an.

1.2 Inhalte des vorliegenden Bands

Dieser Band beinhaltet theoretische und praktische Hinweise zu den Rahmenbedingungen der Testung von Schreibkompetenzen, zur AufgabenentwicklungAufgabenentwicklung, zur Bewertung von Schreibleistungen und zum Feedback an Schülerinnen und Schüler. Das Buch ist das Produkt eines längeren Dialogs zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Lehrkräften unter der Moderation des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQBIQB)1IQBBildungsstandardsBildungsstandardsIQB. Die Kapitel dieses Bands sind je nach Themenbereich eher aus einer praktischen oder eher aus einer theoretischen Perspektive geschrieben. Entsprechend ihrer ausgewiesenen Expertise liegt die Verantwortung für einzelne Kapitel bei unterschiedlichen Autorinnen und Autoren. Die Kapitel 2 bis 6 legen die theoretischen Grundlagen zur Messung von Schreibkompetenzen. Die Kapitel 7 bis 9 geben vor allem praktische Hinweise. Insbesondere die Kapitel 2 und 6 sind jedoch auch für Praktikerinnen und Praktiker in hohem Maße relevant.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in den eher praktisch orientierten Kapiteln versucht, die Zahl der Literaturverweise im Fließtext möglichst gering zu halten. Am Ende jedes Kapitels finden sich Hinweise zum Weiterlesen, die detaillierte Angaben zu weiterführender Literatur, z.T. mit einer Kurzbeschreibung, beinhalten. Ein Literaturverzeichnis ist jedem Kapitel angehängt

Neben Lehrplänen und CurriculaCurricula gelten zunehmend die BildungsstandardsBildungsstandards der KMK und der Gemeinsame europäische Referenzrahmen (GER) Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen als Grundlage für die Evaluierung von Schreibkompetenzen. In Kapitel 2 „Rahmenbedingungen für das Evaluieren von Schreibkompetenzen“ wird das Evaluieren von Schreibkompetenz, u.a. auf Basis des GERGemeinsamer europäischer Referenzrahmen und der BildungsstandardsBildungsstandards, erläutert. Des Weiteren wird auf Lehrpläne und die Entwicklung von TestaufgabenAufgabenTestaufgaben am IQBIQB eingegangen. Damit Lehrkräfte bei der unterrichtlichen Evaluation mögliche Handlungsspielräume nutzen können und sich als aktiv gestaltende, kompetente Akteure erfahren, sind die Vertrautheit mit den Rahmenbedingungen und eine kritische Reflexion der Vorgaben wichtige Voraussetzungen.

In Kapitel 3 „Typen und Funktionen der Evaluation von Schreibkompetenzen“ wird zunächst auf folgende grundlegende Unterscheidungen und Typen eingegangen: bezugsgruppenorientiertEvaluationgruppenorientiert versus kriteriumsorientiertEvaluationkriteriumsorientiert, summativEvaluationsummativ versus formativEvaluationformativ, informellEvaluationinformell versus formellEvaluationformell. Danach werden eine Reihe weiterer spezifischerer Funktionen und Ziele, die mit Prüfungen verbunden werden, kurz skizziert.

Das Kapitel 4 „GütekriterienGütekriterien bei der Evaluation von Schreibkompetenzen“ beschäftigt sich mit Aspekten der Qualitätssicherung. Es nennt eine Vielzahl von Kriterien zur Beurteilung der Qualität der eingesetzten AufgabenAufgaben, der AngemessenheitAngemessenheit des Vorgehens bei der Evaluation sowie der Güte der auf der Basis der Evaluationsergebnisse gezogenen Schlüsse und getroffenen Entscheidungen. Neben den sogenannten HauptgütekriterienGütekriterien der ObjektivitätObjektivität, ReliabilitätReliabilität (Zuverlässigkeit) und ValiditätValidität (Gültigkeit) und deren jeweiligen Unterkriterien wie z.B. Interrater-Reliabilität ReliabilitätBeurteilerreliabilität oder curriculareValiditätcurricular Validität findenValidität sich als weitere GütekriterienGütekriterien u.a. NützlichkeitNützlichkeit, FairnessFairness, Ökonomie, PraktikabilitätPraktikabilität, SchwierigkeitSchwierigkeit, TrennschärfeTrennschärfe, StandardisierungStandardisierung, RückwirkungRückwirkung auf den Unterricht (Washback/Backwash), AuthentizitätAuthentizität, TransparenzTransparenz sowie Handlungs- und KompetenzorientierungKompetenzorientierung. Die GütekriterienGütekriterien werden unter Berücksichtigung ihrer praktischen Relevanz und in engem Bezug zur Schreibkompetenzmessung vorgestellt und diskutiert.

In Kapitel 5 „TestkonstruktTestkonstrukt und TestspezifikationenTestspezifikation“ liegt der Fokus auf dem TestkonstruktTestkonstrukt und der Frage, was unter Schreibkompetenz verstanden werden kann und welche Aspekte bei der Überprüfung von Schreibkompetenzen Berücksichtigung finden sollten. Darauf aufbauend wird gezeigt, wie auf der Basis des jeweiligen TestkonstruktsTestkonstrukt Test- und AufgabenspezifikationenTestspezifikation formuliert werden können, die ihrerseits einen Rahmen für die Aufgabenerstellung und die Bewertung von Schreibleistungen abgeben. Da Schreibkompetenz als eine Komponente des übergeordneten Konstrukts kommunikativeKompetenzkommunikativ KompetenzKompetenz zu sehen ist, geht der Autor auch kurz auf Modelle kommunikativer KompetenzKompetenzkommunikativ ein.

In Kapitel 6 „Kriteriale Evaluation von Schreibkompetenzen“ wird ein allgemeiner Überblick über die Bewertung von Schreibkompetenzen gegeben. Dazu werden zunächst neben Spezifika einer beurteilergestützten Bewertung von Schreibleistungen auch Faktoren benannt, die die Bewertung in verzerrender Weise beeinflussen können. Anhand von BeispielbewertungsrasternBewertungsraster und Leistungsbeispielen (Benchmarktexten) werden sodann BewertungskriterienBeurteilungskriterien und Vorgehensweisen, z.B. analytisch versus holistisch, diskutiert. Das Kapitel thematisiert abschließend Qualitätsanforderungen an die Bewertung von Schreibleistungen im schulischen Kontext und Möglichkeiten zur Reflexion der eigenen Bewertungspraxis.

Das Kapitel 7 „Entwicklung von TestaufgabenAufgabenTestaufgaben zum Schreiben“ beschreibt zentrale Prinzipien und den prototypischen Verlauf der AufgabenentwicklungAufgabenentwicklung. Es wird u.a. darauf hingewiesen, dass als erste Schritte stets die jeweilige LerngruppeLerngruppe, die mit der Evaluation verfolgten Ziele sowie das TestkonstruktTestkonstrukt zu spezifizieren sind. Die Darstellung mündet in eine Checkliste, mit Hilfe derer man überprüfen kann, inwieweit die erforderlichen Schritte bei der Erstellung von Schreibaufgaben beachtet worden sind. Illustriert wird das Vorgehen anhand von kommentierten AufgabenbeispielenAufgabenbeispiele.

In Kapitel 8 „Evaluation von Schreibkompetenzen mithilfe eines BewertungsrastersBewertungsraster“ wird ein kriteriales Bewertungsinstrument vorgestellt, das am IQBIQB von Expertinnen und Experten entwickelt wurde. Es ist das Ergebnis einer umfangreichen Diskussion und knüpft explizit an Beispiele aus den Ländern und anderen Testinstituten im In- und Ausland an. Das vorgelegte BewertungsrasterBewertungsraster wurde mehrfach erprobt und optimiert. In einem ersten Unterkapitel wird das Raster ausführlich beschrieben. Dabei werden zum einen detaillierte Informationen zu den einzelnen Facetten des BewertungsrastersBewertungsraster angeführt, zum anderen werden praktische Handlungshinweise zur Arbeit mit dem Raster gegeben. Umfangreiche Beispiele von Schreibproduktionen von Schülerinnen und Schülern dienen in einem zweiten Unterkapitel zur Illustration der Nutzung des BewertungsrastersBewertungsraster. Hierzu wird auf drei AufgabenAufgaben für Englisch und vier Aufgaben für Französisch mit zahlreichen Schülerantworten zurückgegriffen. Das dritte Unterkapitel fokussiert Möglichkeiten der WeiterarbeitWeiterarbeit im Unterricht in Bereichen, die den Lernenden bei der Bearbeitung der Aufgaben Probleme bereitet haben.

Kapitel 9 „Feedback zu schriftlichen Lernerproduktionen“ behandelt Möglichkeiten und Formen des Feedbacks im Rahmen eines kompetenzorientierten Schreibunterrichts. Viele Lehrkräfte haben in der Unterrichtspraxis die Erfahrung gemacht, dass Feedback von Lernenden entweder gar nicht rezipiert wird oder nicht im intendierten Sinne. In der Unterrichtsrealität beobachtet man dann häufig, dass Lernende mit bestimmten Situationen völlig anders umgehen als von den Lehrkräften erwartet. Ein wichtiger Bestandteil von Rückmeldeverfahren ist es, die für jede Schülerin und jeden Schüler passende Form des Feedbacks zu finden. Es werden im Detail Möglichkeiten verschiedener Formen des Feedbacks im Rahmen der Arbeit mit Schreibaufgaben aufgezeigt und anhand zahlreicher praktischer Beispiele erklärt. Dabei wird u.a. auch auf Formen des Feedbacks auf der Basis der interaktionistischen dynamischen EvaluationEvaluationinteraktionistisch dynamisch eingegangen.

Im abschließenden Kapitel 10 „Überprüfung von Kompetenzen – aktuelle Trends“ wird sowohl auf allgemeine Trends der Kompetenzmessung als auch auf spezifische Innovationen bei der Messung von Schreibkompetenzen kurz eingegangen. Dabei wird erneut die Wichtigkeit von assessment literacyassessmentassessment literacy herausgestellt.