Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft

Text
Read preview
Mark as finished
How to read the book after purchase
Font:Smaller АаLarger Aa

1.2.5Medienwirkungen auf die Bevölkerung

Obwohl zwischen Politik, Medien und Bevölkerung zahlreiche Wirkungsbeziehungen und -richtungen denkbar sind, lag der Schwerpunkt der politischen Kommunikationsforschung – insbesondere zu Beginn – v. a. auf der Frage nach dem politikbezogenen Einfluss der Massenmedien auf die Bevölkerung. Entsprechende Untersuchungen (sehr früh z. B. Lazarsfeld et al. 1944) fanden meist zu Wahlkampfzeiten statt und zielten darauf ab, die Rolle der Massenmedien für die Bildung politischer Einstellungen und Wahlentscheidungen näher zu beleuchten. Die Konzentration wissenschaftlicher Forschung auf Wahlkämpfe ist in jüngster Zeit zwar etwas zurückgegangen, allerdings bilden sie aus mehreren Gründen immer noch einen beliebten Forschungskontext (Graber 2005). Erstens handelt es sich dabei um bereits im Vorfeld terminierte Zeiträume, was die Planbarkeit empirischer Untersuchungen erleichtert (Schönbach 1998). Zweitens forcieren die politischen Akteure innerhalb des Wahlkampfs ihre politische Kommunikation beträchtlich. Das gilt nicht nur für die Parteien und Kandidaten, deren Kampagnen in dieser Zeitspanne ihren Höhepunkt erreichen (Brady et al. 2006; Holtz-Bacha 2003), sondern auch für die Medien, die dem Wahlkampfgeschehen einen Großteil ihrer politischen Berichterstattung widmen (Wilke/Reinemann 2006). Drittens handelt es sich bei Wahlen in aller Regel um Ereignisse von großer politischer und gesellschaftlicher Relevanz, da über die zukünftige politische Führung eines Landes, eines Bundeslandes oder einer Kommune entschieden wird.

Versuche, über die Wirkungen politischer Kommunikation auf die Bevölkerung valide Aussagen zu treffen, erfordern zunächst, deren Ursachen in den Blick nehmen. Diese lassen sich grosso modo in drei Gruppen einteilen: Zum einen beschäftigt sich die Forschung mit den Wirkungen, die sich aus der bloßen Existenz von Medien ergeben. Entsprechende Studien betrachten z. B. die Folgen der Einführung neuer Medien(angebote), wie z. B. jene des Privatfernsehens (Peiser 2000) oder des Internets (Boulianne 2009); oder sie vergleichen die Auswirkungen politischer Kommunikation in unterschiedlich organisierten Mediensystemen (Curran et al. 2009) auf politisches Wissen, Interesse oder Partizipation. Etwas spezifischer und näher an den eigentlichen Medieninhalten sind Untersuchungen zu verorten, die sich mit der Nutzung bestimmter Mediengattungen, Formate oder auch einzelner Sendungen beschäftigen und diese als Ursache für Effekte politischer Kommunikation betrachten. Hier geht es z. B. um die Auswirkungen von informierenden (Eveland/Scheufele 2000) oder unterhaltenden (Hollander 2005) Formaten oder die Nutzung von Printmedien bzw. Fernsehen (Chaffee/Frank 1996). Andere Untersuchungen befassen sich mit Effekten einzelner Sendungen oder Beiträge. Dazu gehören z. B. Studien zu den Wirkungen von TV-Duellen (Benoit et al. 2003; Maurer/Reinemann 2003, Reinemann/Maurer 2007) oder Late-Night-Shows mit politischem Bezug (Hollander 2005). Die dritte Ursachengruppe umfasst schließlich konkrete inhaltliche Merkmale, deren Wirkung i. d. R. experimentell, aber durchaus auch im Rahmen von Feldstudien untersucht wird. Wichtig sind in diesem Zusammenhang v. a. solche Arbeiten, die strukturelle Merkmale politischer Berichterstattung als Ursache von Medieneffekten untersuchen. Solche Studien gehen z. B. der Wirkung der Berichterstattungsintensität über bestimmte Themen, Akteure oder andere inhaltliche Aspekte nach (Iyengar/Simon 1993; Scheufele 2000), ihrer allfälligen Konsonanz, Fokussierung bzw. Ambivalenz (Mutz/Martin 2001; Peter 2004), auch ihrem Tenor (Kepplinger/Maurer 2005); oder sie betrachten Effekte formaler Gestaltungsmerkmale, wie z. B. Umfang oder Platzierung einzelner Beiträge (z. B. Seibold 2002).

Wirkungen politischer Kommunikation kann man zudem anhand verschiedener Aspekte differenzieren (Potter 2011). Zu den wichtigsten gehört die Art des Effekts, wobei man Wirkungen auf Kognitionen (z. B. politisches Wissen oder Bewertungen), Emotionen und Verhalten (z. B. Wahlverhalten, politische Partizipation) unterscheidet. Zudem können die Effekte auf verschiedenen Ebenen stattfinden, also das Individuum (Mikroebene), Gruppen bzw. Organisationen (Mesoebene) oder die Gesellschaft insgesamt (Makroebene) betreffen. Überblickt man die bisherige Forschung zu den Wirkungen politischer Kommunikation auf die Bevölkerung, so dominieren Untersuchungen, die auf Individualebene angesiedelt sind und sich auf politische Einstellungen bzw. politisches Verhalten konzentrieren. Theoretisch sind diese Arbeiten stark vom sozialpsychologischen Ansatz des Wahlverhaltens geprägt (auch: Ann-Arbor-Modell oder Michigan-Ansatz), der versucht, die individuelle Richtung der Stimmabgabe zu erklären. In seiner aktuellsten Form (vgl. Miller/Shanks 1996, S. 192) berücksichtigt der Ansatz insgesamt acht, für die Wahlentscheidung relevante Einflussfaktoren und ordnet diese zeitlich und kausal. Dabei handelt es sich im Einzelnen um: 1) soziodemografische Merkmale, 2) Parteiidentifikation, 3) politische Prädispositionen, 4) Einstellungen zu aktuellen gesellschaftlichen Problemen, 5) Wahrnehmung der aktuellen eigenen Situation und des Zustands der Gesellschaft, 6) rückblickende Beurteilung der Regierungsarbeit, 7) Bewertung der Persönlichkeit der Kandidaten und 8) Erwartungen an die kommende Regierung.

Das Modell hat sich in den vergangenen Jahrzehnten auch als Grundlage für die Wirkungen politischer Kommunikation auf Individualebene als nützlich erwiesen, da seine Einzelbestandteile nicht nur Determinanten der Wahlentscheidung darstellen, sondern ihrerseits medialen Einflüssen unterliegen. In diesem Zusammenhang geht eine Reihe von Studien der Frage nach, inwiefern die mediale Darstellung beeinflusst, wie die Bevölkerung die agierenden politischen Kandidaten wahrnimmt (Kepplinger/Maurer 2005). Gleiches gilt für die Einschätzung der Wichtigkeit aktueller politischer Themen und Probleme (Agenda Setting) (Scheufele/Tewksbury 2007) oder einzelner Kandidateneigenschaften und wie stark diese als Konsequenz in die Gesamtbewertung der Kandidaten (Maurer/Reinemann 2007) bzw. in die Wahlentscheidung (Druckman 2004) einfließen (sog. Priming-Effekte). Auch der mediale Einfluss auf die Vorstellungen der Bürger vom aktuellen Zustand eines Landes und von den realen Gegebenheiten sind Gegenstand empirischer Forschung (Kultivierung, Wissen; vgl. Cohen/Weimann 2000). Ferner finden sich auch Untersuchungen zu Medieneffekten auf die politische Sozialisation (Shah et al. 2009) sowie grundlegende Einstellungen zum politischen System, z. B. zur Politikverdrossenheit und Demokratiezufriedenheit (z. B. Maurer 2003), aber auch zum politischen Interesse (Boulianne 2011). Neben der Wahlentscheidung hat die Forschung jüngst außerdem auch andere Formen politischer Partizipation in den Blick genommen, also z. B. untersucht, wie sich massenmedial vermittelte politische Kommunikation auf die Häufigkeit politischer Diskussionen oder andere Aktivitäten auswirkt (Boulianne 2009). Außerdem rückt in Modellen, die versuchen, die kommunikations- und politikwissenschaftliche Perspektive zu verbinden, auch die Wahrnehmung des herrschenden Meinungsklimas als medial beeinflusster Einflussfaktor in den Fokus (Dahlem 2001). In diesem Zusammenhang wurde zwar schon seit längerem die Wirkung von Umfragedarstellungen auf das Wahlverhalten untersucht (Schoen 2002), andere Meinungsklimaindikatoren fanden allerdings vergleichsweise selten Berücksichtigung (Noelle-Neumann 1974).

Gerade politikbezogene Medienwirkungen sind eher selten zu beobachten. Dies hat vermutlich zwei Hauptgründe: Einerseits sind Effekte oft nur mit relativ hohem methodischem Aufwand nachweisbar (Brady/Johnston 2006); anderseits liegt es aber auch daran, dass politikbezogene Medienwirkungen meist von bestimmten Voraussetzungen abhängig sind. So hat wissenschaftliche Forschung auf Rezipienten- wie auch auf Medienseite einige intervenierende Faktoren identifiziert, die die Effekte politischer Kommunikation fördern, aber auch hemmen können. Den wohl wichtigsten Faktor stellt die individuelle Parteiidentifikation dar, die als langfristig stabile affektive Bindung an eine bestimmte politische Partei (Schoen/Weins 2005) sowohl die Selektion als auch die Interpretation politischer Medieninhalte beeinflusst (Conover 1984). Demnach wenden sich Personen eher solchen Medieninhalten zu, die ihren eigenen politischen Einstellungen entsprechen, weshalb sie seltener mit gegenläufigen Inhalten in Kontakt kommen (bereits Lazarsfeld et al. 1944). Die Parteiidentifikation prägt ferner die Einstellungen zu Kandidaten sowie die thematischen Positionen der Wähler, wodurch das Potenzial für Medienwirkungen nochmals kleiner wird (Schoen/Weins 2005). Allerdings zeigen Längsschnittstudien, dass sich die Parteibindungen der Bevölkerung zunehmend abschwächen (Schmitt-Beck/Schrott 1994), was sich auch in einer wachsenden Anzahl von Wechselwählern (Schoen 2005) sowie von Personen zeigt, die ihre Wahlentscheidung erst kurz vor dem Wahltermin treffen (McAllister 2002; Reinemann et al. 2011). Beide Entwicklungen dürften das Potenzial für Medienwirkungen erhöhen (Reinemann/Maurer/Zerback/ Jandura 2013).

Ebenfalls von großer Bedeutung ist das persönliche politische Involvement einer Person, das sich aus einer motivationalen (politisches Interesse) und einer kognitiven Komponente (politisches Wissen) zusammensetzt (Krosnick/Brannon 1993). Allerdings wirkt sich das Involvement auf verschiedenen Stufen des Wirkungsprozesses durchaus unterschiedlich aus: So nutzen politisch hoch involvierte Personen politische Medieninhalte stärker, was zumindest das Potenzial für Wirkungen erhöht (Maurer et al. 2013). Auch gelingt es solchen Personen aufgrund bestehender Wissensstrukturen, sich weiteres politisches Wissen schneller und effektiver anzueignen. Hingegen zeigen sie sich weniger anfällig gegenüber persuasiven Botschaften.

 

Auf inhaltlicher Seite haben sich v. a. Kumulation (Häufung) und Konsonanz (Übereinstimmung) als strukturelle Merkmale der politischen Berichterstattung als wichtige Verstärker von Medienwirkungen erwiesen. Ein einheitlicher Tenor über viele Medien hinweg schränkt die Selektionsmöglichkeiten der Rezipienten ein und erhöht so das Wirkungspotenzial der Berichterstattung (Noelle-Neumann 1973; Peter 2003). Ferner lässt sich zeigen, dass sich eine (moderate) Wiederholung der gleichen Botschaft positiv auf deren Glaubwürdigkeit auswirkt (Koch/Zerback 2011, 2013), was ihr Wirkungspotenzial ebenfalls erhöht.

Als letzte wichtige Wirkungsbedingung kann schließlich der politische situationale Kontext gelten. So bestehen z. B. in jedem Wahlkampf spezifische Konstellationen von Kandidaten, Parteien, gesellschaftlichen Problemlagen etc., die Medienwirkungen mehr oder weniger wahrscheinlich machen (Roessing 2007). Auch spezifische Ereignisse, wie z. B. die Oderflut im Wahljahr 2002, können über ihre mediale Darstellung wahlentscheidende Wirkungen entfalten (Kepplinger/Roessing 2005).

1.2.6Medialisierung politischer Akteure

Während Medienwirkungen auf die Bürger umfangreich erforscht sind, haben Medienwirkungen auf politische Akteure erst in jüngster Zeit Aufmerksamkeit erhalten. Zwar stellen politische Akteure nur eine relativ kleine Gruppe dar, allerdings kann deren Handeln weitreichende gesellschaftliche Folgen haben; mögliche Medienwirkungen auf politische Akteure sind somit von hoher Relevanz. Insbesondere im Zuge der Diskussion über eine ›Medialisierung‹ von Politik erhielten die politischen Akteure zunehmend mehr Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Forschung. Dies gilt auch für politische Akteure im weiteren Sinne (Unternehmen, Verbände, NGOs etc.). Der Fokus der nachfolgenden Ausführungen liegt allerdings auf Politikern und deren Parteien.

Für den Begriff Medialisierung finden sich unterschiedliche Zugänge in der dazu vorliegenden wissenschaftlichen Literatur (siehe hierzu auch Saxers (Lebens-)Werk »Mediengesellschaft« 2012, S. 259–291). Selbst der Begriff wird uneinheitlich verwendet: ›Mediatisierung‹ und ›Medialisierung‹ werden teils zwar noch synonym gebraucht; aufgrund der Verwendung von ›Mediatisierung‹ in der Geschichtswissenschaft hat sich in Politik- und Kommunikationswissenschaft aber der Begriff Medialisierung durchgesetzt. Die Unterschiede im Verständnis von Medialisierung liegen insbesondere im jeweils zugrunde liegenden Medienbegriff. Während einerseits die Folgen öffentlicher, massenmedial vermittelter Kommunikation im Mittelpunkt stehen (z. B. Schulz 2004; Strömbäck 2008; Meyen 2009), liegt andererseits ein breiterer Kommunikationsbegriff zugrunde, der auch interpersonale Kommunikation umfasst (z. B. Krotz/Hepp 2012). Ferner definiert die eine Sichtweise Medialisierung als Bedeutungsgewinn der Medien, d. h. ein Wandel bzw. Prozess wird untersucht, während die andere Perspektive Medialisierung als eher rein statische, medienvermittelte Wahrnehmung politischer Prozesse betrachtet (vgl. bei Reinemann 2010). Dafür existiert allerdings bereits der Begriff mediation (vgl. dazu ausführlicher bei Strömbäck 2008, S. 229–231). Für die folgenden Überlegungen wird auf die Definition von Carsten Reinemann (2010, S. 282) zurückgegriffen, der unter Medialisierung einen Prozess sozialen Wandels versteht, der zu einem Bedeutungsgewinn von Massenmedien, massenmedialer Berichterstattung und/oder der massenmedialen Logik für die Wahrnehmungen und Handlungen von Bürgern, Medien und/oder politischen Akteuren führt.

Die Differenzierung zwischen der Bedeutung der Massenmedien, deren Berichterstattung und der Medienlogik verdeutlicht die Besonderheiten, mit welchen die Medialisierungs- im Vergleich zur Medienwirkungsforschung umzugehen hat. Zunächst einmal sind Politiker nicht nur »normale« Rezipienten, sondern stehen selbst auch als Protagonisten bzw. politische Akteure im Fokus der Berichterstattung (vgl. dazu das Konzept reziproker Effekte; Kepplinger 2007). Die Medialisierungsforschung untersucht somit keinen linearen Prozess, vom Ereignis bis zur Rezeption, wie dies in der klassischen Medienwirkungsforschung meist der Fall ist. Politische Akteure stehen nämlich sowohl am Anfang als auch am Ende dieser Kette. Sie sind Ursache für Medienberichte, sie initiieren Ereignisse; sie nutzen aber – wie andere Rezipienten auch – die Berichterstattung. Des Weiteren spielen bei politischen Akteuren indirekte Medienwirkungen eine Rolle, z. B., indem Politiker sich an der Medienlogik orientieren oder Berichterstattung bereits im Vorfeld antizipieren und so ihr Handeln danach ausrichten. Bereits Vorstellungen, die politische Akteure von der Wirkung der Medien etwa auf die Bürger oder auf ihre Karriere haben, können zu Medienwirkungen auf sie selbst führen (Meyen 2009). Medialisierung von Politik kann somit nicht ausschließlich kausal erklärt werden, da die zeitliche Reihenfolge von Ursache und Wirkung nicht zutreffen muss; es müssen auch finale Erklärungen herangezogen werden (vgl. ausführlicher bei Kepplinger 2008).

Zur Analyse von Medienwirkungen auf die Politik bieten sich verschiedene Analyseraster an: z. B. der Mehrebenenansatz und der prozessorientierte Ansatz. Dem Mehrebenenansatz zufolge lässt sich zunächst zwischen Medienwirkungen auf Mikro-, Meso- und Makroebene unterscheiden (vgl. Reinemann/Zerback 2013):

Auf der Mikroebene können Medienwirkungen auf die politischen Akteure selbst verortet werden. Wie bei den klassischen Rezipienten können Effekte auf Emotionen, Kognitionen, Einstellungen und Verhalten auftreten, wobei aufgrund der besonderen Rolle von politischen Akteuren die beiden letzteren von höherer Relevanz sind. Aus zeitlicher Perspektive lässt sich zudem zwischen pro-aktiven, inter-aktiven und re-aktiven Effekten unterscheiden (vgl. Kepplinger 2007). Pro-aktive Effekte bezeichnen Wirkungen zukünftiger Berichte auf die politischen Akteure, d. h., es geht um deren Handeln, welches die Berichterstattung antizipiert bzw. wie sie sich an den Medien orientieren. Diese umfassen z. B. eine Orientierung an der Medienlogik bei der Auswahl von (politisch zu kommunizierenden) Themen (z. B. Pontzen 2006, S. 93) oder bei der politischen Entscheidungsfindung (z. B. Davis 2007, S. 188). Dabei spielen bekannte Wahrnehmungsphänomene wie der Third-Person-Effekt eine bedeutende Rolle. Studien zeigen, dass Politiker von einem stärkeren Einfluss der Medien auf andere Personen ausgehen, als dies bei normalen Bürgern der Fall ist (z. B. Johansson 2004; Dohle/Vowe 2010) und dass der vermutete mediale Einfluss auf die Bürger das Verhalten von Politikern mit prägt (z. B. die Parlamentsaktivitäten; vgl. Cohen et al. 2008). Inter-aktive Effekte umfassen Wirkungen, die während dem Kontakt mit Medien auftreten, z. B. wenn Politiker vor der Kamera stehen. Als re-aktive Wirkungen werden die postkommunikativen Effekte bezeichnet, die nach der Nutzung der Berichterstattung bei politischen Akteuren auftreten (Kepplinger 2007, S. 280f).

Auf der Mesoebene werden die Folgen der Medialisierung für politische Organisationen und Institutionen untersucht (z. B. Donges 2008). Dabei geht es insbesondere um innerorganisatorische Veränderungen als Reaktion auf den Bedeutungsgewinn der Medien; dieser besteht beispielsweise in einem Anstieg der Professionalität der Kommunikation, einer Vergrößerung der PR-Abteilungen oder einer Zunahme an externer PR-Beratung (z. B. Pontzen 2006, S. 98–101, 120–128; Tenscher 2003).

Auf Makroebene geht es um die Auswirkungen der Medialisierung auf das politische System selbst. Politikerbefragungen zeigen dabei durchgängig, dass der wahrgenommene Einfluss der Medien auf die Politik deutlich über dem »Soll-Wert« liegt, also für zu hoch gehalten wird (vgl. z. B. Hoffmann 2003; Weßels 2005; Kepplinger 2009b). Hier wird auch untersucht, ob sich die Strukturen des politischen Prozesses verändern, oder ob politische Institutionen zu Gunsten der Medien an Einfluss verlieren. So nehmen Politiker z. B. einen Bedeutungsverlust des Parlaments wahr (vgl. Pontzen 2006, S. 111).

Eine prozessorientierte Perspektive zur Analyse der Medialisierung von Politik bietet die Politikfeldanalyse mit ihren Phasenmodellen. Auf Basis des ›Policy-Cycles‹ lässt sich untersuchen, welche Rolle die Medien in den einzelnen Phasen (politische) Problemartikulation/Agenda Setting, Politikformulierung, (politische) Implementation und (politische) Evaluation spielen. Otfried Jarren und Patrick Donges (2011) haben in diesem Zusammenhang ein hilfreiches Modell vorgestellt, welches den Medieneinfluss in den ersten Phasen der Problemartikulation/des Agenda Setting als sehr hoch einschätzt, in den folgenden Phasen Programmentwicklung, Implementation und Evaluation dagegen als (sehr) gering beschreibt. Insbesondere in Bezug auf den Medieneinfluss auf das Policy-Agenda-Setting ist die Forschungslage recht umfangreich. In einer Metaanalyse von 19 Policy-Agenda-Setting-Studien konnten zwölf Studien einen starken, drei Studien einen schwachen und vier Studien keinen Medieneinfluss auf das politische Agenda Setting finden (vgl. Walgrave/Aelst 2006, S. 91). In Deutschland gelten die Medien ebenfalls als einflussreiche Agenda Setter (vgl. Wittkämper et al. 1986; Pfetsch 1993; Fuchs/Pfetsch 1996; Marx 2009; Ausnahme Maurer 2011). Auch wenn in der wissenschaftlichen Literatur häufig kritisiert wird, dass es kaum empirische Befunde hinsichtlich der Rolle der Medien während der Politikformulierung gibt (z. B. Koch-Baumgarten/Voltmer 2009; Sarcinelli 2011), zeigen Studien zunehmend einen Medieneinfluss auf Verhandlungen auf, z. B. indem Medien den Entscheidungsdruck auf die Verhandlungsteilnehmer erhöhen oder die Kompromissfindung erschweren (vgl. z. B. Linsky 1986; Davis 2007; Baugut/ Grundler 2009). Eine Zunahme von Indiskretionen während Verhandlungen seitens der politischen Akteure wird darüber hinaus als Ursache für einen gestiegenen Medieneinfluss auf Verhandlungen genannt (Baugut/Grundler 2009; Spörer-Wagner/Marcinkowski 2010). Die Bedeutung der Medien im politischen Prozess zeigt sich auch daran, dass die Medien für die politischen Akteure in allen Phasen des politischen Prozesses wichtige politische Funktionen erfüllen. Zu nennen ist zum einen eine Informationsfunktion: Politiker nutzen die Medienberichterstattung, um sich über die öffentliche Meinung, andere politische Akteure, politische Ereignisse etc. zu informieren (Wittkämper et al. 1986; Koch-Baumgarten/ Voltmer 2009). Zum anderen erfüllen die Medien auch eine strategische Funktion, indem Politiker versuchen, über die Medienagenda die eigenen Themen auf die politische Agenda zu setzen, öffentliche Unterstützung für die eigenen politischen Ziele zu erhalten oder politische Entscheidungen zu beeinflussen (z. B. Wittkämper et al. 1986; Marx 2009). Dabei kommt insbesondere der politischen Öffentlichkeitsarbeit eine hohe Bedeutung zu.

Eine Ausnahme hinsichtlich des Forschungsstandes stellt das Politikfeld Außenpolitik dar (vgl. z. B. Wittkämper et al. 1986); hier wurde mit Blick auf militärische Interventionen der Einfluss der Medien unter dem Stichwort CNN-Effekt untersucht. Allerdings werden die Studien insbesondere im Hinblick auf ihre methodische Vorgehensweise kritisch betrachtet (vgl. Ammon 2001; Robinson 2002; Gilboa 2005; Hammerschmidt 2007).

You have finished the free preview. Would you like to read more?