Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft

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• das Kartellgesetz (Medienfusionskontrolle)

• das Fernmelderecht

• das Urheberrecht

• das Betriebsverfassungsgesetz (mit seinen Tendenzschutzbestimmungen)

• die Tarifverträge

• Betriebsvereinbarungen

• das Standesrecht (kodifizierte, aber nicht rechtsverbindliche Grundsätze bzw. Richtlinien für die journalistische Arbeit des Deutschen Presserates)

• u. a. m.

In Ergänzung zu diesen nationalen Rechtsgrundlagen sind darüber hinaus supranationale und internationale Übereinkünfte und Rechtsmaterien zu erwähnen, die wichtige Voraussetzungen für die Presse- und Informationsfreiheit auf internationaler Ebene darstellen. Dazu gehören u. a.:

• die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen

• die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten des Europarates

• der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (Menschenrechtspakt der Vereinten Nationen)

• das Internationale Post- und Telekommunikationsabkommen der International Television Union ITU (Fernmeldeverkehr)

• die Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE-Schlussakte Helsinki 1975; 1994 Umbenennung der KSZE in OSZE)

• die UNESCO-Mediendeklaration

• die EU-Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste (zuvor Fernsehrichtlinie)

• das Übereinkommen des Europarates über grenzüberschreitendes Fernsehen

• u. a. m.

Kommunikationsrecht ist in gesetzliche Normen gegossene Kommunikationspolitik. Dieses ist für Deutschland, wie die vorstehende Auflistung von Gesetzesmaterien zeigt, auf Länderebene, Bundesebene, Europaebene (EU) und globaler Ebene (UNO, ITU) verteilt. Infolge der Kulturhoheit der Länder (Art. 70 GG) liegt in Deutschland die Gesetzgebungsbefugnis für Medienangelegenheiten grundsätzlich bei den einzelnen Bundesländern, wie etwa die Länderverfassungen, die Landespressegesetze, die Landesrundfunkgesetze, die Landesmediengesetze sowie die Staatsverträge der Länder zeigen.

Es gibt daneben aber auch Gesetzgebungsaufgaben des Bundes. Er ist u. a. zuständig für das Postwesen und die Telekommunikation, für die Verhütung des Missbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung von Medien (Kartellrecht); für die Deutsche Welle als Rundfunkanstalt des Bundesrechts; für elektronische Signatur sowie Frequenzversteigerungen. Eine wichtige Einrichtung des Bundes stellt die Bundesnetzagentur dar. Deren vielfältige Aufgaben sind dem Onlineauftritt www.bundesnetzagentur.de zu entnehmen.

Gute Überblicke über die in Deutschland geltenden, auf verschiedene Rechtskomplexe aufgeteilten Bestimmungen zum Recht der Massenmedien und des Journalismus sowie medienrelevante zivil- und strafrechtliche Bestimmungen enthalten u. a. Ernst Frickes »Recht für Journalisten« (2010) sowie das von Frank Fechner publizierte und regelmäßig aktualisierte Lehrbuch »Medienrecht« (2014). Es lohnt sich, für weitere Vertiefungen der Materie dort nachzusehen.

1.1.5Funktionen der Massenmedien

Jene Funktionen, die die Massenmedien in einem politischen System erbringen, sind mit der jeweiligen Gesellschaftsform und der Rechtsordnung eng verknüpft. In totalitären Systemen sind dies andere als in offenen demokratischen Gesellschaften, in Entwicklungsländern können es andere sein als in hoch entwickelten Industrienationen. Im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen stehen Funktionen der Massenmedien in modernen pluralistischen Systemen, wie es die meisten mittel-, süd-, west- und nordeuropäischen Staaten sowie auch viele ost- und südosteuropäische Reformländer sind. Diese Funktionen erscheinen aus politologischer Perspektive als den Massenmedien mehr oder weniger normativ zugewiesene Aufgaben, aus soziologischer Perspektive als beobachtbare Leistungen der Massenmedien für die Gesellschaft und ihre Mitglieder. Die meisten der im Folgenden genannten Funktionen sind jedenfalls gesetzlich nicht vorgeschrieben. Allenfalls kann man darauf verweisen, dass in manchen Ländern und ihren Verfassungen von der »öffentlichen Aufgabe« der Presse und der anderen Massenmedien direkt oder indirekt die Rede ist: Die Medien stellen in demokratischen Staaten zweifellos unverzichtbare Instrumente dar, um unabhängig von staatlichen Einflüssen Öffentlichkeit über bedeutende Vorgänge in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur herzustellen und den politisch-weltanschaulichen Diskurs zu reflektieren; insofern spielen die Massenmedien für die (politische) Meinungs- und Willensbildung eine wichtige Rolle. So heißt es z. B. in § 3 des Landespressegesetzes von Baden-Württemberg: »Die Presse erfüllt eine öffentliche Aufgabe, wenn sie in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung nimmt, Kritik übt oder auf andere Weise an der Meinungsbildung mitwirkt.«

Die Massenmedien – keine »Vierte Gewalt«

In diesem Zusammenhang ist in der wissenschaftlichen und medienpolitischen Diskussion immer wieder von den Medien als einer »Vierten Gewalt« die Rede (z. B. Bergsdorf 1980; Riese 1984; von Graevenitz et al. 1999). Gemeint ist damit meist, dass die Massenmedien gegenüber dem Gesetzgeber (Legislative), der Regierung und den ausführenden Organen (Exekutive) sowie den Instanzen der Rechtsprechung (Judikative) wichtige Kontrollaufgaben erfüllen sollen. Dabei sind die Massenmedien jedoch nicht als Vierte Gewalt, als »Publikative« anzusehen: Weder geht dies aus den Verfassungs- oder Landespressegesetzen hervor, noch verfügen dazu viele Medienschaffende über die erforderliche Kompetenz. Allenfalls ließe sich in Anlehnung an Rousseau von einer »vierten Säule« des Staates sprechen (Pürer 2002, S. 278), zumal die Massenmedien (trotz Internet) immer noch sehr wichtige Träger der öffentlichen Meinung sind und »besonders berufen erscheinen, gegenüber dem Machtstreben der den Staatsapparat beherrschenden Parteiengruppen [sowie dem Herrschaftsstreben mächtiger Wirtschafts-, Gewerkschafts- und anderer Interessensverbände – Ergänzung H. P.] das gesunde Gegengewicht zu bilden« (Löffler 1984, S. 248; siehe auch Pürer/Raabe 1996, S. 260, Fußnote 359). In diesem Kontext ist nicht zu übersehen, dass Teile der Massenmedien – v. a. die großen Presse- und Medienkonzerne – selbst mächtige Institutionen darstellen, die ihrerseits (im Schutz der »öffentlichen Aufgabe«) Machtinteressen vertreten und daher selbst der Kontrolle bedürf(t)en (Pürer 2002, S. 279). Diese Kontrolle darf in demokratischen Staaten aus Gründen der Pressefreiheit jedoch nicht inhaltlicher Natur sein, sondern tangiert den Bereich publizistischer und/ oder ökonomischer Vormachtstellung, um demokratiegefährdende Medienübermacht zu verhindern. Für Deutschland ist in diesem Kontext z. B. die Pressefusionskontrolle zu erwähnen, die im Rahmen des Kartellrechtes geregelt ist (vgl. Pürer/Raabe 1996, S. 139f; Pürer/Raabe 2007, S. 136f; Lerche 1971; Thiel 1992); sowie die Konzentrationskontrolle für den privaten Rundfunk auf der Basis des sog. »Zuschauer-Marktanteilsmodells«, die seit 1997 im Medienstaatsvertrag geregelt ist und für die Landesmedienanstalten seitens der KEK, der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich, wahrgenommen wird (vgl. Seufert/Gundlach 2012, S. 244–246, sowie S. 251ff; siehe auch www.kek-online.de).

Diese Formen der Medienkontrolle sind zu unterscheiden von Formen der freiwilligen Selbstkontrolle, der sich die Massenmedien mehr oder weniger bereitwillig und effektiv unterziehen. Im Bereich der Presse (und seit 1996 auch bei den Onlinezeitungen) findet diese Selbstkontrolle in Deutschland über den 1956 von Verleger- und Journalistenverbänden gegründeten Deutschen Presserat statt, der seine Spruchpraxis penibel dokumentiert, ständig weiterentwickelt und jährlich veröffentlicht (vgl. z. B. Deutscher Presserat – Jahrbuch 2013), Sein Ehrenkodex umfasst 16 Ziffern bzw. Richtlinien, die auf Anstand und Verantwortungsbewusstsein im Journalismus abzielen; seine Sanktionsmöglichkeiten bestehen aus öffentlichen und nichtöffentlichen Rügen sowie aus Missbilligungen und Hinweisen, die in aller Regel aber ohne Konsequenzen bleiben (vgl. u. a. Pürer/Raabe 2007, S. 365–376). Die öffentlich gerügten Printmedien sollten die an sie ausgesprochenen öffentlichen Rügen auch zeitnah veröffentlichen. Wie sonderbar sie dies oft tun – »Verstecken, verschleiern, verschieben« –, ist einem lesenswerten Aufsatz auf der Basis empirischer Ergebnisse von Ilona Ammann und Martin Anetzberger (2013) zu entnehmen. Im Bereich des Fernsehens gibt es Jugendschutzrichtlinien öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten (vgl. u. a. Wirth 2005 mit Blick auf das ZDF) sowie die 1993 von privaten TV-Anbietern ins Leben gerufene Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), u. a. mit Empfehlungen für Ausstrahlungszeiten und evtl. Schnittauflagen für fiktionale Programme im Sinne des Jugendschutzes (etwa im Hinblick auf Gewaltdarstellungen und Pornografie – vgl. Baum et al. 2005; Friedrichs et al. 2013). Die bereits 1949 gegründete Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) wiederum befasst sich u. a. mit Prädikationen und Empfehlungen von Filmen hinsichtlich ihrer Eignung für bestimmte Altersgruppen (Kinder und Jugendliche). Dabei wird u. a. geprüft, ob Inhalte gegen das Sittengesetz, die Menschenwürde, die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder das friedliche Zusammenleben der Völker verstoßen. Die seit 1997 bestehende, von Medienverbänden und Unternehmen errichtete Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) verfügt nicht nur über einen Verhaltenskodex für Anbieter und Vermittler von Onlineprodukten. »Sie stellt eine jedem Bürger offen stehende Beschwerdestelle für jugendgefährdende und strafbare Inhalte im Internet und in Onlinediensten dar. Außerdem fördert sie das Angebot entsprechender technischer Sperrungsmöglichkeiten« (Kunczik/Zipfel 2001, S. 211). Der 1972 vom Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft gegründete Deutsche Werberat versucht, »auf der Grundlage der allgemeinen Gesetze, der werberechtlichen Bestimmungen, eigener Verhaltensregelungen zu Spezialbereichen […] und in der Gesellschaft herrschender moralischer Auffassungen Missstände in der Werbung aufzufinden und abzustellen« (Kunczik/Zipfel 2001, S. 211f). Ein Selbstkontrollorgan der PR-Branche ist im Deutschen Rat für Public Relations zu sehen (vgl. Avenarius 2005). Zu verweisen ist des Weiteren auf die Kontrolle Unterhaltungssoftware (USK, u. a. Alterskennzeichnung von Computerspielen) sowie auf die DT-ControlInteressensge- meinschaft Selbstkontrolle elektronische Datenträger im Pressevertrieb. Auskunft über die genannten und weitere Einrichtungen erteilt das Handbuch Medienselbstkontrolle (Baum et al. 2005), zudem verfügen sämtliche Einrichtungen über Onlineauftritte, denen wichtige Informationen über das Wirken der Selbstkontrolleinrichtungen zu entnehmen sind (z. B. www.presserat.de).

 

Funktionen der Massenmedien

Was konkret die Aufgaben der Massenmedien betrifft, so sind verschiedene, mehr oder weniger normative Funktions- und Leistungskataloge entwickelt worden wie: die Herstellung von Öffentlichkeit (Informationsfunktion); Kritik und Kontrolle des soziopolitischen, -ökonomischen und -kulturellen Geschehens (sog. Wächter- oder Watchdog-Funktion); die Ermöglichung sozialer Interaktion und Integration (Sozialisationsfunktion); die Vermittlung von Bildung und Kultur (Bildungsfunktion); die Wahrnehmung der Unterhaltungsfunktion; die Dienstleistungsfunktion; sowie nicht zuletzt die Werbefunktion (vgl. u. a. Bergsdorf 1980). Es sind dies sehr allgemein gehaltene Aufgaben, weswegen es sinnvoll erscheint, im Folgenden eine etwas differenziertere Funktionsbeschreibung vorzunehmen. Dies erfolgt in Anlehnung an Roland Burkart (1998, S. 368ff), dessen umsichtig erarbeiteter Funktionskatalog (soziale, politische, ökonomische Funktionen, Informationsfunktion) hier um Leistungen für den Einzelnen ergänzt wurde (vgl. auch Pürer/ Raabe 1996, S. 306ff sowie Pürer/Raabe 2007, S. 377). Als wichtigste Aufgabe der Massenmedien erscheint dabei die Informationsfunktion. Im Weiteren sollen Leistungen der Massenmedien erörtert werden, die aus Bedürfnissen der Gesellschaft und ihrer Teilsysteme, wie des politischen und des ökonomischen Systems, resultieren. Nicht zuletzt sind aber auch Bedürfnisse des Einzelnen nicht zu übersehen.

Die Informationsfunktion

Eine der zentralen Leistungen der Massenmedien ist in der Informationsfunktion zu sehen. Für die Politologen Rudolf Wildenmann und Werner Kaltefleiter ist sie die »ursprünglichste Funktion der Massenmedien« (Wildenmann/Kaltefleiter 1965, S. 15). Sie entzieht sich einer genaueren Zuordnung, da die Massenmedien sowohl im Hinblick auf das soziale, politische und ökonomische System als Ganzes Informationsleistungen ebenso erbringen wie für gesellschaftliche Gruppen oder einzelne Mitglieder der Gesellschaft (vgl. Burkart 1998, S. 391ff). Die Bedeutung der Informationsfunktion für den Einzelnen wie für das System liegt dabei in der Erweiterung des Kenntnisstandes im Bereich der Sekundärerfahrung, also bei Wissen und Erfahrung, die wir nicht primär aus dem direkten Umgang mit unserer unmittelbaren Umwelt gewinnen können. Die Massenmedien prägen, soweit es keine Möglichkeit der Primärerfahrung gibt, »den Erkenntnisstand unserer Gesellschaft« und »die ›Bilder in unseren Köpfen‹« in entscheidendem Maße (Schulz 1974, S. 157). Die Kenntnis dessen, was außerhalb unserer persönlichen Erfahrungswelt liegt, ist laut Burkart von Bedeutung für die öffentliche Debatte und Willensbildung, für die gesellschaftliche Integration und auch für Prozesse der Kapitalverwertung (Burkart 1998, S. 396). Neben den klassischen Massenmedien Presse, Radio und TV sind für die Informationsfunktion auch viele Onlineangebote von Bedeutung, sofern sie von professionellen Anbietern stammen.

Die Informationsfunktion bildet folglich die Grundlage für alle übrigen Leistungen der Massenmedien (und wird im Weiteren daher auch wiederholt angesprochen). Aus ihrer fundamentalen Bedeutung heraus ergeben sich auch die (normativen) Ansprüche an die Qualität massenmedialer Informationsvermittlung, nämlich die Postulate nach Vollständigkeit, Objektivität und Verständlichkeit (vgl. Wildenmann/Kaltefleiter 1965, S. 15ff; vgl. Burkart 1998, S. 396ff). Auch wenn – zu Recht – eingewendet werden kann, dass diese Postulate de facto nicht erfüllbar sind, können sie für die journalistische Arbeit als Orientierungsrahmen gelten. Mit Vollständigkeit ist (möglichst) umfassende Information gemeint, nicht nur Themenvielfalt, sondern auch Vielfalt der zu Wort kommenden gesellschaftlichen Gruppen. Unter Objektivität versteht man eine möglichst unverzerrte, faktengetreue Berichterstattung aus möglichst vielen Blickwinkeln, auch die Trennung von Nachricht und Meinung. Die Forderung nach Verständlichkeit schließlich postuliert eine Aufbereitung der Information, die auch von Nichtexperten, also von Laien verstehbar ist und die ihre Bedeutung im gesellschaftlichen Kontext erkennen lässt, ohne jedoch dass die dargestellten Sachverhalte durch grobe Vereinfachung verzerrt werden.

Aus der Perspektive desjenigen, für den die Massenmedien bestimmte Funktionen erfüllen (sollen), lassen sie sich auch als »Bedürfnisse« des gesellschaftlichen Gesamtsystems an das Kommunikationssystem begreifen (vgl. Burkart 1998, S. 368ff). Insbesondere ist zu verweisen auf Bedürfnisse der Gesellschaft allgemein, auf Bedürfnisse des politischen Systems, des ökonomischen Systems sowie schließlich auf Bedürfnisse des Einzelnen in der Gesellschaft.

Funktionen für die Gesellschaft

Was die Leistungen der Massenmedien für die Gesellschaft allgemein betrifft, so ist der klassische Bereich der Funktionen der Massenmedien angesprochen. Zu ihnen gehören sowohl politische als auch soziale Funktionen. Als die wichtigsten politischen Funktionen gelten:

• die Herstellung von Öffentlichkeit, durch die die Massenmedien einen Austausch der Informationen zwischen den Organisationen und Institutionen und den Bürgern ermöglichen sollen, womit sie zugleich Transparenz schaffen (auch Artikulationsfunktion genannt; vgl. Ronneberger 1974, S. 199; Bergsdorf 1980, S. 76);

• die politische Sozialisation und Integration, welche die Medien für die einzelnen Staatsbürger im Hinblick auf Einübung und Aktualisierung der Rolle des Einzelnen als Staatsbürger (wie Wähler, Parteimitglied, Opponent, Demonstrant) zu erbringen hat (vgl. Ronneberger 1971, S. 50, und 1974, S. 201);

• Kritik- und Kontrollaufgaben im Sinne einer Rundumkontrolle v. a. im Hinblick auf politische Entscheidungen (Normenfindung und Normenkontrolle) sowie hinsichtlich der Transparenz des ökonomischen und kulturellen Systems (einschließlich der Massenmedien selbst; vgl. Ronneberger 1971, S. 52; Burkart 1998, S. 384ff);

• die politische Bildungsfunktion, die einen Beitrag zur Fähigkeit des Einzelnen leisten soll, politische Informationen aufzunehmen und zu verstehen, und die auch zur politischen Meinungs- und Urteilsbildung befähigen soll (vgl. Ronnebeger 1974, S. 204; Bergsdorf 1980, S. 77).

Neben diesen gleichsam normativ-manifesten Funktionen ist auf soziale Funktionen zu verweisen, die als latente Funktionen erscheinen:

• die Sozialisationsfunktion, die zum einen Normen- und Wertevermittlung innerhalb der Gesellschaft und zum anderen die Vermittlung von Denkformen und Verhaltensweisen für die Einzelnen in der Gesellschaft umfasst, und die sich (indirekt) aus dem Gesamtangebot der Medien erschließt (vgl. Hess 1969, S. 284; Ronneberger 1971; Saxer 1974, 2012; vgl. Kap. 3.1);

• die Funktion der sozialen Orientierung, mit der durch Vermittlung von Umweltkenntnissen ein Zurechtfinden in der immer unüberschaubarer werdenden Umwelt des Einzelnen in modernen hochzivilisierten Gesellschaften ermöglicht werden soll (vgl. Ronneberger 1971, S. 50; Burkart 1998, S. 375);

• sowie schließlich die Rekreationsfunktion, verstanden als gesellschaftlicher Anspruch an die Massenmedien, einen Beitrag zur Entlastung und Zerstreuung ihrer Gesellschaftsmitglieder zu leisten (Ronneberger 1971, S. 50; Saxer 1974, S. 32; Burkart 1998, S. 376).

Funktionen für das politische System

Für das politische System erfüllen Presse und Rundfunk insofern wichtige Aufgaben, als dass sie einerseits Öffentlichkeit über politische Entscheidungen bereits im Vorfeld ihrer Entstehung schaffen, andererseits aber auch das politische System, insbesondere die darin Handelnden, mit Informationen über Stimmungen in der Bevölkerung versorgen. Daraus resultieren Bedürfnisse des politischen Systems an die Massenmedien, nämlich (vgl. Ronneberger 1978, S. 103ff; teils auch Bergsdorf 1980, S. 75ff):

• das Unterrichtungsbedürfnis, mit dem das politische System selbst informiert werden will im Blick auf Meinungs-, Einstellungs- und Verhaltensveränderungen innerhalb der Bevölkerung sowie bei gesellschaftlichen Funktionen und Organisationen (die Artikulationsfunktion der Medien, die Informationsvermittlung von »unten« nach »oben«);

• das Mitteilungsbedürfnis des politischen Systems bzw. der darin Handelnden gegenüber der Öffentlichkeit im Hinblick auf politische Entscheidungen, Programme, Nah- und Fernziele (die Informationsvermittlung von »oben« nach »unten«);

• das Akzeptanzbedürfnis bzw. die Notwendigkeit der Unterstützung des politischen Systems, die nur durch eine öffentlich wirksame politische Selbstdarstellung erreicht werden kann; sowie schließlich

• internationale Kommunikationsbedürfnisse im Blick auf die Außenbeziehungen des politischen Systems, zumal die »Medien-Diplomatie« in der internationalen Kommunikation seit Jahren eine immer wichtiger werdende Rolle spielt.

Die Massenmedien erfüllen die genannten Bedürfnisse in unterschiedlicher Weise. Teils beschränken sie sich auf (nachrichtliche) Vermittlungsaufgaben und würdigen Vorgänge in Politik und Gesellschaft kritisch in Kommentaren, Glossen und Leitartikeln; teils ergreifen sie selbst politisch Partei, besonders wenn sie politischen Gruppen weltanschaulich nahe stehen oder – wie dies z. B. bei parteigebundenen Zeitungen der Fall ist (sofern es sie noch gibt) – ihnen zugehörig sind. Es ist dies alles legitim. Wichtig für den Mediennutzer ist aber zu wissen, mit welchem Medium er es zu tun hat, damit er für sich die (politische) Position des jeweils genutzten Mediums weltanschaulich einschätzen sowie erforderlichenfalls (ideologie-)kritisch beurteilen kann. In zahlreichen demokratischen Ländern gibt es daher Bestimmungen, wonach Presse und (privat organisierter) Rundfunk ihre weltanschauliche Position (z. B. Blattlinie bei Printmedien) transparent machen müssen. Dies erfolgt bei Printmedien in aller Regel in den Impressa (meist zu Jahresende oder Jahresbeginn). Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind dem Gemeinwohl verpflichtet (vgl. S. 23f).

Funktionen für das ökonomische System

Mit den ökonomischen Funktionen sind alle jene Leistungen der Massenmedien gemeint, »welche diese im Hinblick auf die gesellschaftliche Umwelt als ökonomisches System erbringen« (Burkart 2002, S. 397). Gemeint sind vorwiegend privatwirtschaftlich erbrachte Leistungen in kapitalistischen Systemen, die der unmittelbaren (gegeben durch die Existenz der Medien) oder der mittelbaren (durch die von Medien produzierten Inhalte) Kapitalverwertung dienen (vgl. Burkart 2002, S. 397f). Als zentrales Bedürfnis des ökonomischen Systems nennt der Soziologe Horst Holzer die sog. Zirkulationsfunktion. Gemeint ist damit, dass die Massenmedien zur »Aktivierung der Ware-Geld-Beziehungen« beitragen und dadurch den Warenumschlag beschleunigen. Sie tun dies auf zweierlei Weise: Als Werbeträger für kommerzielle Anzeigen bzw. Werbespots informieren sie über das Warenangebot, wecken Konsumwünsche und regen zum Kauf an. Sie erfüllen die Zirkulationsfunktion aber auch in der Vermittlung redaktioneller Inhalte v. a. in der Wirtschaftsberichterstattung, in der neben Informationen über Produkte und Dienstleistungen auch über aktuelle Trends und Entwicklungen im Konsumverhalten informiert wird und dabei seitens der Medien auch normsetzend gewirkt werden kann (vgl. Holzer 1973, 1975, 1994; vgl. Burkart 1998, 2002). Insgesamt kann man von einer »absatzökonomischen Funktion« zur Stabilisierung des wirtschaftlichen Systems sprechen (Burkart 2002, S. 399ff mit Bezugnahme auf Holzer 1994, S. 203).

 

Funktionen für den Einzelnen

Nicht zuletzt ist auf Leistungen der Massenmedien zu verweisen, die aus Bedürfnissen des Einzelnen gegenüber Zeitung, Radio und Fernsehen beruhen – Leistungen also, die die Individuen von den Massenmedien erwarten (vgl. Pürer/Raabe 1996, S. 309f und 2007, S. 376). Denis McQuail hat aus empirischen Studien, die Motiven der Mediennutzung auf den Grund gegangen sind, die folgenden Bedürfnisse ausfindig gemacht (vgl. McQuail 1983; Schulz 1994, S. 164f):

• das Bedürfnis nach Information, d. h. Unterrichtung über relevante Ereignisse aus dem lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Geschehen, Ratsuche in praktischen Fragen, die Befriedigung von Neugier sowie der Wunsch nach Reduktion von Unsicherheit durch Wissen;

• das Bedürfnis nach persönlicher Identität wie die Bestärkung persönlicher Werthaltungen, die Suche nach Verhaltensmodellen, die Identifikation mit anderen (in den Medien) sowie die Selbstfindung;

• das Bedürfnis nach Integration und sozialer Interaktion, wobei die Medien ein (soziales) Wir-Gefühl erzeugen oder gar mangelnde Sozialkontakte kompensieren helfen sollen, der gemeinsame Medienkonsum oder das Gespräch über Medieninhalte soziale Kontakte fördern und soziale Empathie und die Annahme (eigener) sozialer Rollen ermöglichen soll;

• das Unterhaltungsbedürfnis, das sich aufgliedert in Wünsche nach Zerstreuung und Entspannung, Wirklichkeitsflucht und Ablenkung von (Alltags-)Problemen, Verminderung der Langeweile, kulturelle und ästhetische Erbauung, sexuelle Stimulation sowie Spannung und emotionale Entlastung.

Die Vielzahl der hier genannten Leistungen bzw. Funktionsanforderungen können von den verschiedenen Medien nicht in gleicher Weise erfüllt bzw. gewährleistet werden. Vor allem für die gesamtgesellschaftlich relevanten und das aktuelle Tagesgeschehen übergreifende Sozialisations- und Orientierungsfunktionen fällt es äußerst schwer, die jeweiligen Leistungsstärken der verschiedenen Medien exakt auszuloten und zu benennen. Aber auch im Hinblick auf Information, Meinungsbildung und Unterhaltung lassen sich die Funktionen der Massenmedien nicht exklusiv entweder den Print- oder den Funkmedien oder digitalen Medien zuordnen: Zu verschieden sind innerhalb der Mediengruppen (Zeitung, Zeitschrift, Radio, Fernsehen, Internet) die einzelnen Typen, die seitens ihrer Leser, Hörer, Zuschauer und User auch aus unterschiedlichen Motiven heraus genutzt werden. Allenfalls kann man darauf verweisen, dass die klassische Tageszeitung und die Wochenzeitungen bzw. politischen Magazine eher als Hörfunk und Fernsehen in der Lage sind, Information (welcher Art auch immer) differenzierter aufzubereiten und mit Hintergrund auszustatten. Unbestritten ist wohl auch, dass die Stärke von Radio und Fernsehen (neben der aktuellen Information) in der Unterhaltung liegt. So verfügen die einzelnen Medien zwar über je unterschiedliche Leistungsstärken; aus ihnen jedoch exklusive Funktionen herleiten zu wollen, ist schwer möglich. Dies gilt in besonderer Weise auch für das Internet mit seinen längst unüberschaubaren, zahlreichen Angeboten.