Kampf der Ehre

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From the series: Ring der Zauberei #4
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KAPITEL DREI

Thor galoppierte über das staubige Gelände der äußeren Bereiche von King’s Court, Reece, O’Connor, Elden und die Zwillinge an seiner Seite. Krohn, Kendrick, Kolk, Brom und Truppen der Legion und der Silver ritten ebenfalls mit ihm. Eine große Armee, die bereit war, sich den McClouds entgegenzustellen. Sie ritten zusammen, bereit die Stadt zu verteidigen. Der Klang der Hufe war ohrenbetäubend – wie das Grollen des Donners.

Sie waren den ganzen Tag schon geritten, und die zweite Sonne stand bereits lange am Himmel. Thor konnte kaum glauben, dass er mit diesen großen Kriegern seiner ersten großen militärischen Mission entgegen ritt. Er spürte, dass sie ihn als einen der ihren akzeptiert hatten.

Tatsächlich waren alle Einheiten der Reserve zum Dienst gerufen worden, und seine Waffenbrüder ritten neben ihm. Die Zahl der Mitglieder der Legion wurden von den tausenden von Soldaten der Armee des Königs in den Schatten gestellt, doch Thor fühlte sich zum ersten Mal in seinem Leben als Teil von etwas, das weit grösser war, als er selbst.

Thor spürte ein Gefühl des Zielbewusstseins, das ihn antrieb. Er fühlte sich gebraucht. Seine Landsleute wurden von den McClouds belagert, und es fiel seiner Armee zu, sie zu befreien, sein Volk vor einem schrecklichen Schicksal zu bewahren. Die Bedeutung von dem, was sie im Begriff waren zu tun, lastete schwer auf seinen Schultern – doch er fühlte sich lebendig wie nie zuvor.

Thor fühlte sich sicher in Gegenwart all dieser Männer, doch er konnte sich eines Gefühls der Angst nicht entledigen: dies war eine Armee echter Männer, doch das hieß auch, dass sie sich echten Männern im Kampf stellen würden. Echten, abgehärteten Kriegern. Dieses Mal ging es um Leben und Tod, und es stand mehr auf dem Spiel als jemals zuvor. Während er ritt, griff er instinktiv nach seiner alten und vertrauten Schleuder und dem neuen Schwert. Das beruhigte ihn.

Er fragte sich, ob es am Ende dieses Tages mit Blut befleckt sein würde. Oder ob er vielleicht selbst verletzt sein würde.

Als sie um eine Biegung ritten, und am Horizont zum ersten Mal die belagerte Stadt in den Blick kam, stießen die Männer plötzlich einen lauten Schrei aus, lauter noch als das Schlagen der Hufe der Pferde. Schwarzer Rauch stieg in dichten Wolken von der Stadt auf, und die Armee der MacGils gab den Pferden die Sporen, damit sie sie noch schneller zur Stadt trugen. Auch Thor gab seinem Pferd die Sporen und versuchte mit den anderen mitzuhalten, während alle ihre Schwerter zogen und mit erhobenen Waffen und tödlicher Absicht auf die Stadt zuritten.

Die Gewaltige Armee teilte sich in kleinere Gruppen auf, und in Thors Gruppe ritten zehn Soldaten. Angehörige der Legion und seine Freunde, und einige Jungen, die er nicht kannte. An ihrer Spitze ritt ein hochrangiger Offizier der Armee des Königs, ein Soldat den die anderen Forg nannten. Ein großer, drahtiger Mann von schlanker Statur, mit pockennarbiger Haut, kurzen, grauen Haaren und dunklen Augen, die in tiefen Höhlen lagen. Die einzelnen Gruppen schwärmten nun in alle Richtungen aus.

„Ihr da, folgt mir!“, befahl er, und bedeutete mit seinem Stab Thor und den anderen ihm zu folgen.

Thors Gruppe folgte dem Befehl und ritt Forg hinterher. Sie entfernten sich von der Masse der Armee und folgten ihm. Thor blickte zurück und bemerkte, dass sich seine Gruppe weiter von den Anderen entfernt hatte, als die übrigen Gruppen, und gerade als sich Thor fragte, wo Forg sie hinführen würde, rief dieser:

„Wir werden eine Position an der Flanke der McClouds einnehmen!“

Thor und die anderen wechselten nervöse und aufgeregte Blicke, während sie sich weiter aus der Sichtweite der übrigen Armee entfernten.

Bald schon erreichten sie neues Terrain und verloren die Stadt völlig aus den Augen. Thor war auf der Hut, doch es gab nirgends ein Zeichen von McClouds Armee. Schließlich hielt Forg sein Pferd in einem kleinen Hain im Schatten eines kleinen Hügels an. Die anderen blieben dicht hinter ihm stehen.

Thor und seine Freunde blickten Forg an und fragten sich, warum er angehalten hatte.

„Diesen Hügel hier zu halten ist unsere Mission.“, erklärte Forg. „Ihr seid alle noch junge Krieger, und wir wollen euch die Hitze des Gefechts ersparen. Ihr werdet diese Position hier halten, während der Hauptteil unserer Armee die Stadt durchkämmt und McClouds Armee konfrontiert. Es ist unwahrscheinlich, dass McClouds Krieger hierher kommen, und ihr werdet hier weitestgehend sicher sein. Nehmt eure Positionen um den Hügel ein und bleibt hier, bis ihr neue Befehle erhaltet. Bewegt euch!“

Forg gab seinem Pferd die Sporen und stürmte den Hügel hinauf; Thor und die anderen taten es ihm nach. Die kleine Gruppe ritt über die staubige Ebene und hinterließ eine Wolke. Thor konnte niemanden ausmachen, soweit sein Auge reichte. Er war zutiefst enttäuscht, dass er nicht an der Schlacht teilnehmen sollte. Warum nur wurden sie so geschützt?

Je weiter sie ritten, desto Stärker wurde Thors Gefühl des Unbehagens. Er konnte es nicht einordnen, doch sein sechster Sinn sagte ihm, dass etwas nicht stimmte.

Als sie sich der Spitze des Hügels näherten, auf dem ein kleiner alter Wachturm stand, ein kleines Türmchen, das aussah als hätte man es schon vor langer Zeit aufgegeben, befahl im seine innere Stimme sich umzudrehen. Als er es tat, sah er Forg.

Thor war überrascht zu sehen, dass Forg allmählich hinter die Gruppe zurückgefallen war, und immer mehr Abstand zwischen sich und der Gruppe ließ. Und während Thor ihn beobachtete, drehte Forg sein Pferd herum, gab ihm ohne Vorwarnung die Sporen und ritt in entgegengesetzte Richtung davon.

Thor verstand nicht, was geschah. Warum hatte Forg sie so plötzlich verlassen?

Neben ihm winselte Krohn.

Gerade als Thor anfing zu verarbeiten, was geschah, erreichten Sie die Spitze des Hügels und den alten Wachturm, in der Erwartung, nichts als Ödland vor sich zu sehen. Doch die kleine Gruppe brachte ihre Pferde zu einem abrupten Halt. Sie saßen da, starr vor Schreck angesichts dessen, was sich vor ihnen auftat.

Dort vor ihnen wartete die gesamte Armee der McClouds.

Sie waren in eine Falle geführt worden.

KAPITEL VIER

Gwendolyn eilte durch die verwinkelten Gassen von King’s Court. Akorth und Fulton trugen Godfrey hinter ihr her, während sie sich einen Weg durch das gemeine Volk bahnte. Sie war fest entschlossen, die Heilerin so schnell wie nur irgendwie möglich zu erreichen.

Godfrey durfte nicht sterben. Nicht nach allem was sie gemeinsam durchgemacht hatten. Und schon gar nicht so! Sie konnte Gareths selbstzufriedenes Grinsen fast vor sich sehen, wenn er die Nachricht von Godfreys Tod erhalten würde. Sie war fest entschlossen, den Ausgang dieser Geschichte zu ändern. Sie wünschte nur, dass sie ihn früher gefunden hätte.

Als Gwen um die Ecke bog, und quer über den Hauptplatz lief, wurden die Menschenmassen besonders dicht. Sie blickte auf und sah Firth, wie er noch immer am Galgen hing, die Schlinge um seinen Hals, damit das gemeine Volk etwas zu gaffen hatte. Instinktiv wandte sie den Blick ab. Es war ein grauenvoller Anblick. Eine Erinnerung an die Bosheit ihres Bruders. Sie hatte das Gefühl, ihm nicht entkommen zu können, egal wohin sie sich wandte.

Es war seltsam zu denken, dass sie erst gestern mit Firth gesprochen hatte – und nun hing er dort. Sie konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass sie vom Tod umringt war – und dass er auch sie holen würde.

So sehr sich Gwen auch abwenden und einen anderen Weg wählen wollte, wusste sie doch, dass der Weg quer über den Platz der kürzeste war. Und sie würde vor ihren Ängsten nicht klein beigeben! Sie zwang sich direkt am Galgen vorbeilaufen, direkt vorbei an Firth’ totem Körper. Als sie vorbeilaufen wollte, war sie überrascht, als sich der königliche Scharfrichter in seiner schwarzen Robe vor ihr aufbaute.

Zuerst dachte sie, dass er nun auch sie töten würde – bis er sich vor ihr verneigte.

„Mylady“, sagte er bescheiden, und senkte den Kopf in Ehrerbietung. „Es gibt noch keinen königlichen Befehl, was mit dem Leichnam geschehen soll. Ich habe noch keine Weisung erhalten, ob er ein ordentliches Begräbnis erhalten, oder ich ihn in ein Massengrab werfen soll.“

Gwen hielt inne, ärgerlich darüber, dass diese Entscheidung ihr aufgebürdet werden sollte; Akorth und Fulton blieben neben ihr stehen. Sie blickte nach oben, blinzelte der Sonne entgegen, und schaute zu Firth‘ Körper, den nur wenige Meter neben ihr vom Galgen hing.

Sie war im Begriff weiterzulaufen und den Scharfrichter zu ignorieren, als ihr etwas einfiel. Sie wollte Gerechtigkeit für ihren Vater.

“Wirf ihn in ein Massengrab.”, sagte sie. „Nicht markiert. Und gebt ihm keine Bestattungsriten. Ich will, dass sein Name von den Annalen der Geschichte vergessen wird.“

Er neigte seinen Kopf in Anerkennung, und sie spürte ein leises Gefühl der Bestätigung. Immerhin war Firth einer der Männer, die ihren Vater umgebracht hatten. Während sie die Demonstration von Gewalt verabscheute, vergoss sie nicht eine einzige Träne für Firth. Sie konnte den Geist ihres Vaters in sich spüren – stärker als jemals zuvor. Und spürte, wie ein Gefühl des Friedens von ihm ausging.

„Und noch etwas“, fügte sie hinzu und unterbrach den Henker. „Nimm den Leichnam jetzt vom Galgen.“

„Jetzt, Mylady?“, fragte der Scharfrichter. „Aber der König hat befohlen, ihn auf unbestimmte Zeit hier hängen zu lassen.“

 

Gwen schüttelte den Kopf.

„Jetzt“, wiederholte sie. “Das ist dein neuer Befehl.”, erklärte sie.

Der Henker verneigte sich vor ihr und eilte davon, um den Leichnam loszuschneiden.

Gwen spürte einen Anflug von Genugtuung. Sie hatte keinen Zweifel daran, dass Gareth im Laufe des Tages aus dem Fenster nach Firth Leichnam sehen würde. Seine Beseitigung würde ihn rasend machen vor Wut, und als kleine Erinnerung dienen, dass nicht immer alles nach Plan verläuft.

Sie war gerade im Begriff weiterzugehen, als sie einen markanten Schrei hörte. Sie blieb stehen, drehte sich um und sah hoch auf dem Galgen sitzend Estopheles, den Falken. Sie hob die Hand, um ihre Augen vor der Sonne zu schützen. Gwen wollte sich versichern, dass ihre Augen ihr nicht einen Streich spielten. Estopheles schrie wieder und schlug mit den Flügeln. Sie konnte spüren, dass der Vogel den Geist ihres Vaters in sich trug. Seine Seele, so rastlos, war dem Frieden ein Stückchen näher.

Gwen hatte plötzlich eine Idee; sie pfiff und streckte einen Arm aus, und Estopheles stürzte sich vom Balken herab und landete auf Gwens Handgelenk. Der Vogel war schwer und die Krallen gruben sich in Gwens Haut.

„Flieg zu Thor“, flüsterte sie dem Vogel zu. „Finde ihn auf dem Schlachtfeld, und beschütze ihn. FLIEG!“, rief sie und hob ihren Arm.

Sie beobachtete, wie Estopheles mit den Flügeln schlug und sich höher und immer höher in die Luft erhob. Sie betete, dass er funktionieren würde. Der Vogel hatte etwas Geheimnisvolles an sich, besonders in seiner Verbindung zu Thor, und Gwen wusste, dass alles möglich war.

Sie eilten weiter durch die verwinkelten Gassen in Richtung des Hauses der Heilerin. Sie kamen durch eines von mehreren Bogentoren auf dem Weg heraus aus der Stadt, und sie lief so schnell sie nur konnte, betend, dass Godfrey lange genug durchhalten würde, bis sie die Heilerin erreichten.

Die zweite Sonne hing tief am Himmel als sie den kleinen Hügel am Rande von King’s Court erklommen und das Häuschen der Heilerin in Sicht kam. Es war ein einfaches Haus mit nur einem Raum, weißen Wänden aus Lehm, einem kleinen Fenster auf jeder Seite und einer niedrigen oben abgerundeten Eichenholztüre an der Vorderseite. Vom Dach hingen Pflanzen in jeder nur erdenklichen Farbe und Sorte. Sie umrahmten das Häuschen, das von einem ausgedehnten Kräutergarten umgeben wurde. Pflanzen jeder Farbe und Größe erweckten den Eindruck, dass das Häuschen inmitten einer Gärtnerei erbaut worden war.

Gwen rannte zur Tür und schlug mehrere Male mit dem Klopfer dagegen.

Die Türe öffnete sich, und vor ihr erschien das erschrockene Gesicht der Heilerin Illepra. Sie war ihr Leben lang die Heilerin der königlichen Familie, und ein fester Bestandteil in Gwens Leben gewesen, solange sie denken konnte. Doch Illepra sah immer noch jung aus. In der Tat wirkte sie kaum älter als Gwen. Ihre Haut leuchtete, ihre gütigen grünen Augen strahlten, und sie wirkte kaum älter als 18 Jahre. Gwen wusste genau, dass ihr Aussehen täuschte und sie weitaus älter war als das. Und sie wusste auch, dass Illepra eine der intelligentesten und talentiertesten Menschen war, denen sie jemals begegnet ist.

Illepra’s Blick wanderte zu Godfrey, während sie die gesamte Szene auf einmal aufnahm. Sie ließ die Förmlichkeiten aus, und ihre Augen weiteten sich mit Besorgnis, als sie die Dringlichkeit der Situation erkannte. Sie eilte an Gwen vorbei an Godfrey’s Seite und legte die Hand auf seine Stirn. Ihre Miene verdunkelte sich.

„Bringt in hinein.“, wies sie die beiden anderen Männer hastig an. „Und macht schnell.“

Illepra ging wieder ins Haus und öffnete die Türe weiter. Akorth und Fulton folgten ihr auf dem Fuße. Gwen kam hinterher und schloss die Türe hinter sich.

Es war dämmerig im Haus, und ihre Augen brauchten einen Moment, um sich anzupassen. Als sie es taten, erschien das Häuschen genau so, wie sie es seit ihrer Kindheit in Erinnerung hatte: klein, hell, sauber und voll mit Pflanzen, Kräutern und Tränken jeder nur erdenklichen Sorte.

„Legt ihn bitte hier hin.“, wies Illepra die Männer an. So ernst hatte sie Gwen noch nie zuvor gehört. „Auf das Bett in der Ecke. Zieht ihm das Hemd und die Schuhe aus. Und dann verlasst uns.“

Akorth und Fulton taten, wie ihnen geheißen wurde. Als sie aus der Türe eilten, ergriff Gwen Akorth’s Arm.

„Steht Wache vor der Tür.“, befahl sie. „Wer auch immer letzte Nacht versucht hat Godfrey zu töten, wird vielleicht noch einmal versuchen in umzubringen. Oder mich.“

Akorth nickte und er und Fulton verließen das Haus und schlossen die Tür hinter sich.

„Wie lange ist er schon so?“, fragte Illepra ohne Gwen auch nur anzusehen während sie an Godfrey’s Seite kniete und begann, sein Handgelenk, seinen Bauch und seine Kehle abzutasten.

„Seit letzter Nacht.“, antwortete Gwen.

„Seit letzter Nacht!“, echote Illepra und schüttelte besorgt den Kopf. Sie untersuchte ihn lange stumm und ihr Gesichtsausdruck verdunkelte sich.

„Es steht nicht gut um ihn.“, sagte sie schließlich.

Sie legte eine Hand auf seine Stirn und dieses Mal schloss sie dabei die Augen, atmete langsam. Gwen kam es wie eine Ewigkeit vor. Eine tiefe Stille durchdrang den Raum, und Gwen begann, ihr Zeitgefühl zu verlieren.

„Gift“, flüsterte Illepra schließlich, die Augen noch immer geschlossen, als ob sie seinen Zustand alleine durch die Berührung ihrer Hand lesen könnte.

Gwen hatte schon immer ihre Fähigkeiten bestaunt; nicht ein einziges Mal war sie falsch gelegen, solange sich Gwen erinnern konnte.

Sie hatte mehr Leben gerettet, als manche Armee genommen hatte. Gwen fragte sich, ob sie die Fähigkeiten erlernt, oder in die Wiege gelegt bekommen hatte; Denn auch Illepra’s Mutter war eine Heilerin gewesen, genauso wie auch deren Mutter zuvor. Und dennoch hatte Illepra jede wache Minute ihres Lebens damit verbracht, die Heilkunst zu studieren.

„Ein sehr starkes Gift.“, fügte Illepra hinzu, selbstbewusster. „Eines, das mir nur selten begegnet. Es ist teuer. Wer versucht hat, ihn zu töten, wusste was er tat. Es ist fast unglaublich, dass er noch am Leben ist. Er muss viel stärker sein, als es den Anschein hat.“

„Das hat er von unserem Vater“, sagte Gwen. „Er hatte die Zähigkeit eines Stieres. Alle McGil Könige waren so.“

Illepra durchquerte den Raum und begann, verschiedene Kräuter auf einem Holzblock zu mischen. Sie zerkleinerte und mahlte sie und fügte eine Flüssigkeit hinzu. Das Ergebnis war eine zähe grüne Paste, die sie dick auf Godfrey’s Hals, unter seinen Armen und auf seiner Stirn auftrug. Als sie fertig war, ging sie wieder auf die andere Seite des Raumes und füllte mehrere farbige Flüssigkeiten in ein Trinkgefäß. Sie waren rot, braun und violett.

Als sie sich vermischten, zischte und blubberte der Trank. Sie rührte ihn mit einem langen hölzernen Löffel, dann eilte sie zurück zu Godfrey und tropfte etwas davon auf seine Lippen.

Godfrey rührte sich nicht; Illepra griff unter seinen Kopf und hob ihn mit ihrer Hand an, um die Flüssigkeit in seinen Mund zu träufeln. Das meiste davon lief seitlich heraus und über seine Wangen, doch er schluckte auch ein wenig.

Illepra tupfte die Flüssigkeit von seinem Gesicht, lehnte sich endlich zurück und seufzte.

„Wird er leben?“, fragte Gwen panisch.

„Vielleicht.“, antwortete Illepra düster. “Ich habe ihm alles verabreicht, was ich gegen das Gift habe. Aber das ist nicht genug. Sein Leben liegt in den Händen des Schicksals.“

“Was kann ich tun?”, fragte Gwen.

Sie wandte sich Gwen zu und blickte sie ernst an.

„Bete für ihn. Es wird eine lange Nacht werden.“

KAPITEL FÜNF

Kendrick hatte noch nie zuvor so sehr geschätzt was Freiheit – wahre Freiheit – bedeutete. Bis zu diesem Tag. Die Zeit, die er eingesperrt in einem Kerker verbracht hatte, hatte seine Sicht des Lebens verändert. Nun schätzte er jedes noch so kleine Ding – das Gefühl der Sonne, den Wind im Haar, einfach draußen zu sein. Auf seinem Pferd zu reiten, die Erde unter den Hufen vorbeischnellen zu spüren, wieder in einer Rüstung zu stecken, seine Waffen zurückzuhaben und mit seinen Waffenbrüdern zu reiten ließen ihn fühlen, als wäre er aus einer Kanone geschossen worden – sorglos wie nie zuvor.

Kendrick galoppierte, lehnte sich flach in den Wind, sein enger Freund Atme an seiner Seite. So dankbar, für seine Brüder kämpfen zu dürfen, nicht noch eine Schlacht zu verpassen, und begierig, seine Heimatstadt von den McClouds zu befreien und sie für die Invasion zur Rechenschaft zu ziehen. Er ritt mit einem kaum stillbaren Drang zum Blutvergießen, obwohl er genau wusste, dass das eigentliche Ziel seines Zorns nicht die McClouds waren, sondern sein Bruder Gareth.

Er würde ihm niemals verzeihen, dass er ihn dafür in den Kerker geworfen hatte, dass er ihn beschuldigt hatte, seinen Vater umgebracht zu haben. Dafür, dass er ihn vor allen seinen Männern hatte wegschleppen lassen – und dafür, dass er versucht hatte, ihn umzubringen. Kendrick wollte Rache an Gareth – aber da er die nicht haben konnte – zumindest nicht heute – würde er seinen Zorn an den McClouds auslassen.

Doch wenn Kendrick nach King’s Court zurückkehren würde, dann würde er sich der Dinge annehmen. Er würde tun was er konnte, um seinen Bruder abzusetzen und seine Schwester Gwendolyn als neue Herrscherin einzusetzen.

Sie näherten sich der geplünderten Stadt, und riesige schwarze Rauchschwaden, die Kendrick’s Lungen mit beißendem Rauch füllten, zogen ihnen entgegen.

Es schmerzte ihn, eine Stadt der MacGils so zu sehen. Wenn sein Vater noch am Leben gewesen wäre, und wenn Gareth nicht nach ihm den Thron bestiegen hätte, wäre das nie passiert.

Es war eine Schande, ein Fleck auf der Ehre der MacGils und der Silver. Kendrick betete, dass sie nicht zu spät kamen, um diese Menschen zu retten; dass die McClouds nicht schon zu lange da waren, und dass nicht zu viele Menschen verletzt oder getötet worden waren.

Er gab seinem Pferd die Sporen, ritt vor den anderen her, während sie alle einem Bienenschwarm gleich auf das offene Stadttor zuritten. Sie stürmten hindurch. Kendrick zog sein Schwert und bereitete sich darauf vor, einer Vielzahl von McCloud Kriegern zu begegnen, als sie in die Stadt ritten. Er stieß einen lauten Schrei aus, genauso wie alle anderen Männer um ihn herum, und wappnete sich für den Zusammenstoß.

Doch als er durch das Tor auf den staubigen Hauptplatz zuritt, war er ratlos über das, was er sah: Nichts.

Um ihn herum konnte er die Zeichen einer Invasion sehen – Zerstörung, Feuer, geplünderte Häuser, aufgetürmte Leichen, zusammengekauerte weinende Frauen. Er sah getötete Tiere und Blut an den Wanden der Häuser. Es muss ein Massaker gewesen sein. Die McClouds hatten diese unschuldige Stadt und ihre Bevölkerung verwüstet. Der Gedanke daran ließ Kendrick übel werden. Sie waren Feiglinge!

Doch was Kendrick sprachlos machte als er durch die Stadt ritt war, dass die McClouds nirgendwo zu sehen waren. Er konnte es nicht verstehen. Es war, als ob sich ihre ganze Armee bewusst zurückgezogen hätte. Als ob sie gewusst hatten, dass sie kommen würden. Die Feuer brannten noch und es war klar, dass sie nicht ohne einen Zweck angezündet worden waren.

Es begann Kendrick klar zu werden, dass das alles nur eine Ablenkung gewesen war. Dass die McClouds die Armee der MacGils ganz bewusst an diesen Ort gelockt hatten.

Doch warum?

Kendrick fuhr herum, blickte sich um, um zu sehen, ob einer seiner Männer fehlte. Ob jemand vielleicht woanders hin gelockt worden war. Sein Verstand wurde von einem neuen Gefühl überwältigt. Dem Gefühl, dass all das nur dem einen Zweck gedient hatte, eine Gruppe seiner Männer vom Rest abzuschneiden, und sie anzugreifen. Er sah sich überall um, und fragte sich, wer fehlte.

Und dann traf es ihn. Eine Person fehlte. Sein Knappe.

Thor.

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