Mit der Kamera als Waffe - das kurze Leben der Gerda Taro

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Mit der Kamera als Waffe - das kurze Leben der Gerda Taro
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Monika Lange-Tetzlaff, Robert Tetzlaff

Mit der Kamera als Waffe - das kurze Leben der Gerda Taro

Das Porträt einer mutigen Frau

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Das Begräbnis

Spurensuche

Leipzig 1929 – 1933: Eine neue Stadt - und neue Freunde

Das Pariser Exil

Im Spanischen Bürgerkrieg

Die Erinnerung an Gerda Taro

Impressum neobooks

Das Begräbnis

Paris am 1. August 1937. Ein riesiger Trauerzug mit ca. 100.000 Teilnehmenden zog zu den Klängen des Trauermarsches von Chopin vom Zentrum der Stadt zum Ehrenfriedhof Friedhof Père Lachaise. Auf diesem Friedhof sind neben vielen anderen Prominenten Persönlichkeiten auch die am 28. Mai 1871 erschossenen Kommunarden der Pariser Commune von 1871 beerdigt. Aber die Tote, die am 1. August so feierlich zu Grabe getragen wurde, war keine Aufständische, sondern eine junge Frau, die nie mit einem Gewehr gekämpft hatte. Sie hatte eine ganz andere Waffe.

Zu Grabe getragen wurde die junge Fotojournalistin Gerda Taro. Sie hatte seit Monaten vom Spanischen Bürgerkrieg berichtet, oft direkt von der Front. Ihre Bilder vom Mut der Verteidiger der Republik, vom Leiden der Zivilbevölkerung unter den Luftangriffen der Legion Condor, vom Trotz und Durchhaltewillen der Milizionäre, die die Losung „No paseran“ - sie kommen nicht durch - umsetzten, waren in vielen Zeitschiften und Magazinen außerhalb Spaniens erschienen. Am 25.Juli war sie an der Brunete-Front in einen Luftangriff geraten. Ein außer Kontrolle geratener Panzer der Regierungskräfte überrollte sie. Ihre Verletzungen waren so schwer, dass sie einen Tag später in einem Lazarett starb.

An ihrem Grab hielt der französische Schriftsteller Louis Aragon die Trauerrede. Grußadressen von Anna Seghers, Egon Erwin Kisch, Pablo Neruda, der Komintern, des ZK der französischen Kommunistischen Partei wurden verlesen. Die französische KP beauftragte den Künstler Alberto Giacometti mit der Gestaltung ihres Grabmals. Das Begräbnis von Gerda Taro war nicht nur ihr persönliches Begräbnis, sondern zugleich auch eine Demonstration gegen den Faschismus und für die Demokratie.

Wer war diese Frau, deutsche Emigrantin, Jüdin, Tochter aus besserem Hause, engagierte Antifaschistin, die nie Mitglied einer Partei war (auch nicht einer kommunistischen Partei wie oft angenommen wurde), die da so geehrt wurde?

Spurensuche

Machen wir uns auf die Spurensuche: sie war mit Sicherheit eine der ersten Frauen, die den noch jungen Beruf der Fotoreporterin ausübten und vermutlich die erste, die als Kriegsberichterstatterin arbeitete. Und sie war die erste, die ihren Einsatz mit dem Leben bezahlte. Und sie starb jung, der Tag ihrer Beisetzung war ihr 27. Geburtstag. Ihr Lebensweg führte sie aus dem Stuttgarter Süden bis in die Schützengräben des Spanischen Bürgerkrieges.

Geboren wurde Gerda Taro als Gerta Prohylle am 1. August 1910 als Tochter einer aus Galizien (KuK-Österreich) ins Deutsche Reich eingewanderten jüdischen Unternehmerfamilie. Man darf sich jedoch durch den Begriff „Unternehmerfamilie“ nicht täuschen lassen: die Familie war keineswegs reich, im Gegenteil.


ehemaliges Wohnhaus der Familie in der Alexanderstraße in Stuttgart

Ihr Vater war im landwirtschaftlichen Großhandel aktiv, vor allem im Eierhandel. Zunächst lebten die Porohylles in der Liststraße, später in der Alexanderstraße 170a. Leider war der Vater - anders als sein Bruder - kein guter Kaufmann, weshalb die Familie in ärmlichen Verhältnissen lebte.

Es waren auch schwierige Zeiten, der ausbrechende Erste Weltkrieg machte das Leben nicht leichter. Es war ein kärgliches Leben, wäre da nicht eine vermögende Tante Terra, die immer wieder hilfreich unter die Arme greift.

1917 wurde Gerta eingeschult, sie kam in die Königin-Charlotten-Realschule für Mädchen in der Zellerstraße. (heutige Kaufmännische Berufsschule Süd).

Die Schule hatte den Anspruch, Mädchen eine den Jungen gleichwertige Schulbildung zu vermitteln, ein Anliegen, das für die damalige Zeit keineswegs selbstverständlich war. Auf Grund der Kriegssituation musste der Unterricht z. Teil in Ausweichräumen stattfinden, wie z. B. in der Römerschule oder der Fangelsbachschule. Im Winter besonders ungeliebt war der Unterricht in einer Baracke am Marienplatz, da sie nicht geheizt werden konnte und die Mädchen dort natürlich froren.

Die Kriegsjahre waren für alle hart, die Ernährungslage verschlechterte sich ständig. Nicht umsonst ging der Winter 1917 ging als „Steckrübenwinter“ in die Geschichte ein. Ohne Tante Terra, die vor allem mit guter Kinderkleidung aushalf, wäre allen Klassenkameradinnen, die in der Regel aus gutsituierten Familien stammten, sofort die ärmliche Lage der Porohylles klar geworden.

Das kam erst ans Tageslicht, als Gerta einmal Freundinnen nach Hause einlud. Die Eindrücke ihrer Freundinnen führten in der Schule zu Hänseleien, unter denen Gerta stark litt. Sie brachte während ihrer Schulzeit nie mehr wieder jemand nach Hause mit.

Eine Rolle spielte natürlich auch der überall vorhandene Antisemitismus. Gertas Freundinnen war sicherlich nicht bewusst, dass sie mit ihren Sticheleien Gerta kränkten. Gerta ging am Samstag, dem Schabbat, zwar wie alle anderen zur Schule, beteiligte sich aber nicht am Unterricht und fasste kein Geld an, was ebenfalls Hänseleien nach sich zog. Gertas Familie war zwar jüdischer Abstammung, aber nicht religiös geprägt.

Die Niederlage 1918 verstärkte den Antisemitismus noch. Für viele war klar, die Linken, die Pazifisten und natürlich die Juden waren an der Niederlage Schuld. Das Ende des Krieges und seine Nachwirkungen brachten für die Porohylles eine wichtige Veränderung mit sich: Aus Untertanen der KuK-Monarchie wurden polnische Staatsbürger. Die alte galizische Heimat, in der noch viele Angehörige und Freunde lebten, wurde Schauplatz von Pogromen und Bürgerkriegswirren, eine zusätzliche Sorge für die Familie. Wirtschaftlich ging es den Porohylles einigermaßen - viele andere verloren in der Inflation alles. Ab 1924 stabilisierte sich die allgemeine Situation und auch bei Gertas Eltern keimte wieder Hoffnung auf.

Auch in der Schule gab es Veränderungen: Durch Zusammenlegung von Klassen bekam Gerta neue Mitschülerinnen. Mit einer von ihnen - Meta Schwarz - freundete sie sich an. Bald wurden beide unzertrennlich. Meta stammte aus einem reichen Elternhaus, ihre Eltern betrieben in der Tübinger Straße einen gut florierenden Büro- und Schreibwarengroßhandel. Meta hatte bereits als Jugendliche eine eigene Schneiderin sowie eine Klavierlehrerin und ihre jüngeren Geschwister wurden von einem Kindermädchen betreut. Gertas jüdische Abstammung störte in dieser Familie niemand, und so wurde der Haushalt Schwarz schnell Gertas zweites Zuhause. Metas reiche Familie verkörperte das, was Gerta gerne gehabt bzw. erreicht hätte.

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