Sky-Troopers 5 - Die Wirbelwelt

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Sky-Troopers 5 - Die Wirbelwelt
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Michael Schenk

Sky-Troopers 5 - Die Wirbelwelt

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65 Hinweis auf weitere Abenteuer der Sky-Trooper

Kapitel 66 Hinweis auf Homepage

Impressum neobooks

Kapitel 1

Sky-Troopers 5 ‒ Die Wirbelwelt

Science Fiction Roman

von

Michael H. Schenk

© M. Schenk 2016/2020

Mono-Rail, Panzerzug 09, Richtung Nord, auf der Fahrt vom Auge zu den nördlichen Minen

Die Fahrt war eintönig und das machte sie gefährlich. Wenn man Stunde um Stunde um sich herum nur Sand und Fels sah, über sich die blauvioletten Schlieren des nächtlichen Wirbelhimmels und vor sich das schier endlose grauweiße Band der Mono-Rail, dann hatte das eine einschläfernde Wirkung. Vor allem, wenn man voll konzentriert sein musste und den Blick kaum von der Strecke abwenden konnte, obwohl der Panzerzug im Grunde auch mit Automatik hätte fahren können. Aber bei einer Mono-Rail auf der Wirbel-Welt, die auf den Sternenkarten als Suffren-12 katalogisiert war, verließ man sich nicht auf Automatik. Man konnte sich ja nicht einmal auf Radar und Scanner verlassen, da diese vom elektromagnetischen Feld des Wirbels immer wieder gestört wurden.

Heiser war ein guter Lokomotivführer und er versuchte, wach zu bleiben. Er traute den Muntermachern nicht, die mancher der Minenarbeiter schluckte, um seine Schicht zu bewältigen. Gelegentlich kniff Heiser sich in die Wange und vertraute auf den starken Kaffee, den er sich auf der kleinen Maschine im Führerstand brühte. Echter Kaffee aus echten Bohnen! Für diesen persönlichen Luxus opferte er einen nicht unerheblichen Teil seines Gehalts.

Er saß in dem bequemen Polstersitz des engen Führerstandes, gute fünf Meter über dem Boden und seine Blicke galten vornehmlich dem Strang der Mono-Rail, aber auch allem anderen, was sich in seinem Sichtbereich befand. Der Wirbel war unberechenbar. Er raste mit Orkanstärke in ungefähr fünfzig Metern Höhe rund um den ganzen verdammten Planeten, mit Ausnahme jener Stelle, die man „das Auge“ nannte. Dabei führte der merkwürdige Sturm Unmengen von Staub, Sand und Steinen mit sich, manchmal auch größere Brocken, und es kam vor, dass einer von ihnen aus dem Wirbel geschleudert wurde. Vor zwei Jahren hatte ein solcher Brocken einen der gepanzerten Versorgungszüge getroffen, diesen in Schrott und alle Personen an Bord in Leichen verwandelt. Heiser hatte vor, später seinen Ruhestand zu genießen, daher kämpfte er gegen die Müdigkeit an und achtete auf das, was um ihn herum geschah.

Bei einem normalen nächtlichen Himmel hätte man die Sterne sehen können, doch nicht auf dieser eigenartigen Welt. Das von blauvioletten Schlieren herrührende nächtliche Dämmerlicht stammte von Entladungen, die überall im Wirbel stattfanden und gelegentlich den Boden erreichten. Am Tage war es nicht viel besser. Das Dämmerlicht war dann nur ein wenig heller, denn das Sonnenlicht durchdrang diesen ewigen Sturm, oder was auch immer es sein mochte, nicht.

Im Grunde musste Heiser doppelt achtgeben, denn auf dieser Fahrt hatte er keinen Ingenieur an Bord, der normalerweise von der Maschine heraufkam, neben ihm im Notsitz Platz nahm und ihn mit einem Schwätzchen wachhalten konnte. Selbst den Bremser im letzten Wagen hatte man für diese Fahrt gestrichen. Das war höchst ungewöhnlich. Kein Lokomotivführer sollte alleine auf Fahrt gehen, und doch hatte das Management genau dies für diese Tour angeordnet. Stattdessen saßen fünfzig Mitglieder eines Rettungstrupps im ersten Wagen. Männer und Frauen, die auf Heiser einen unheimlichen Eindruck machten. Sicher, sie trugen auf den leichten Druckanzügen der Nundagai Corporation das blaue Dreieck auf orangefarbenem Feld, welches sie als Rettungs- und Katastrophenschutzeinheit kenntlich machte, aber Heiser hatte in seinem Leben schon einige Rettungsteams gefahren und die Leute im ersten Wagen erschienen ihm ungewöhnlich. Als er, vor Beginn der Fahrt, kurz mit ihrem Teamleiter gesprochen hatte, da waren alle Gespräche ringsum verstummt und die Blicke der Männer und Frauen hatten ihn auf beunruhigende Weise frösteln lassen. und dann die vielen Kisten! Sicher, Rettungsteams führten immer eine Menge Kisten mit sich, aber wo war die schwere Ausrüstung? Bei einem Minenunglück benötigte man schweres Bergungsgerät und nicht nur klassische Hacken und Schaufeln. Ein Rettungsteam mit Bergungsauftrag hoffte nie auf Werkzeug, welches es vor Ort vorfand, sondern brachte stets das eigene mit.

 

Es hieß, es habe einen Unfall in Mining Facility 12 gegeben. Mehr hatte man Heiser nicht gesagt und wenn er den Lokalsender der Corporation einschaltete, dann kamen nur die üblichen Nachrichten oder Musik, aber kein Hinweis auf diesen ominösen Unfall. Nein, Heiser konnte nicht behaupten, dass ihm diese Fahrt gefiel. Sonst verbreiteten die planetaren Sender von Nundagai jeden trivialen Klatsch und ausgerechnet bei einem ernsten Zwischenfall sollten sie sich ausschweigen?

Er hörte ein Hüsteln hinter sich und blickte die kurze Treppe hinab, die zum Maschinenraum der Lok führte. Dort unten, im Mittelgang, stand Finnegan, der Leiter des Rettungsteams und sah lächelnd zu ihm herauf. „Ist es gestattet, Lokführer?“

„Sicher. Etwas Gesellschaft kann man hier oben immer gebrauchen“, stimmte Heiser zu. „Allerdings gibt es hier oben nur einen Notsitz als Mitfahrgelegenheit. Wenn Sie damit zufrieden sind?“

Finnegan kam die steile Leiter herauf. „Ist sicher auch nicht unbequemer, als auf einer Transportkiste zu sitzen, oder?“

„Im Wagen Eins gibt es genügend bequeme Polstersitze, in denen man sogar prima schlafen kann. Habe das schon selber ausprobiert“, meinte Heiser. „Jetzt behaupten Sie bloß nicht, Sie würden da hinten auf Kisten hocken.“

Der Teamleiter lachte ungezwungen. „Natürlich nicht. Aber bei Einsätzen sind wir es gewohnt, nicht verwöhnt zu werden.“ Finnegan klappte den Notsitz herunter und nahm Platz. Er hatte den Folienhelm des leichten Druckanzuges auf den Rücken geklappt und schnüffelte. „Hey, Mann, rieche ich hier etwa Kaffee?“

Das ließ sich schlecht leugnen und obwohl Heiser sein Gebräu nur ungern teilte, wollte er nicht unhöflich sein. „Da rechts ist die Maschine. Darunter, in der Schublade, finden Sie auch einen zweiten Becher. Benutzt sonst immer der Ingenieur.“

„Herzlichen Dank.“ Finnegan bediente sich und sah durch die schrägen Frontscheiben hinaus. „Ziemlich lebhaft da draußen“, meinte er mit Blick in den Himmel. „Kann man sich an so einen Anblick gewöhnen?“

„Wenn die Bezahlung stimmt … Nundagai stellt beachtliche Schecks aus, Mister Finnegan.“

„Ja, das stimmt wohl.“

„Bevor Sie mich jetzt fragen … Wenigstens noch sechs Stunden Fahrt, bis wir Mining Facility 12 erreichen“, kam Heiser der Frage seines Besuchers zuvor. „Und auch nur, wenn uns keiner dieser verfluchten elektrischen Stürme dazwischenkommt. Nein, ich meine nicht den ewigen Sturm am Himmel, Mister. Ich meine lokale Entladungen, die es wirklich in sich haben.“

Finnegan stieß einen missmutigen Laut aus. „Sind wir auf Höchstfahrt?“

Heiser schnaubte empört. „Dreihundertzwanzig Kilometer in der Stunde. Mehr ist nicht drin. Nicht bei der netten Gegend, durch die wir gerade fahren, Mister Finnegan.“

„Normalerweise fliegen wir zum Einsatzort.“ Finnegan legte den Kopf ein wenig schief, um näher an die Scheibe zu gelangen und in den Wirbel hinauf zu blicken. „Nette Gegend? Ist wohl ziemlich relativ, was?“

Das endlos erscheinende Band der Mono-Rail verlief nahezu schnurgerade nach Norden. Es gab nur dort leichte Kurven, wo man massiven Felsformationen ausweichen musste, deren Beseitigung Nundagai zu aufwendig erschienen war. Rechts und links der einspurigen Schiene aus grauweißem Plas-Beton erstreckte sich die eintönige Landschaft. Da der planetenumspannende blauviolette Wirbel nur wenig Sonnenlicht zur Oberfläche durchließ, wirkte alles dämmerig und verfremdet. Finnegan wusste aus der Einweisung, dass die hügelige Landschaft aus gewöhnlichem Sand und Fels bestand. Es gab nur wenig Vegetation und diese beschränkte sich auf Moose und Flechten. Einige der Felsen wirkten beeindruckend, da sie nahezu fünfzig Meter emporragten, doch es gab keine Erhebung, die höher war.

„Merkwürdige Sache, dieser Wirbel“, meinte Finnegan. „Als hätte man in fünfzig Metern Höhe eine Decke über den Planeten gespannt.“

Heiser nippte an seinem Becher. „Aber eine gefährliche Decke, Mister. Rund vierzig Meter über dem Boden geraten Sie schon in den Sog des Wirbels und in fünfzig Metern Höhe sind Sie tot. Der Wirbel reißt Sie mit sich. Falls Ihnen nicht gleich die Lungen platzen, dann wird Ihnen Ihr hübscher Anzug in kürzester Zeit vom Leib geschmirgelt. Der Wirbel führt jede Menge Sand mit sich. Das ist besser als jedes Schleifpapier, das können Sie mir glauben.“

Am Radarschirm blinkte plötzlich ein Licht auf. Heiser stieß einen Laut aus, der einem Grunzen ähnelte. „Und da kommt Ihre Antwort auf Ihre Bemerkung, dass Sie üblicherweise zum Ziel fliegen und keinen lahmen Zug benutzen müssen.“

„Wie meinen?“ Finnegan sah stirnrunzelnd auf den Radarschirm. „Was ist das?“

„Sehen Sie nach rechts aus dem Fenster“, antwortete der Lokführer. „So schnell wir auch sind … Sie müssten es erkennen können. Liegt nur fünfzig Meter neben der Schiene.“

Finnegan starrte hinaus. Ein deformiertes Etwas geriet in sein Blickfeld. Nur für Augenblicke, dann war es wieder verschwunden. Doch das Objekt war fraglos aus Metall gewesen. „Was war das?“

Heiser grinste breit. „Ein Fast Landing Vehicle, Mister. Als Nundagai hier mit dem Aufbau begann, da hat man doch tatsächlich versucht, die Ferntransporte mit niedrig fliegenden FLVs durchzuführen. Es gab eine ganze Reihe unschöner Abstürze und etliche Tote. Seitdem setzt das Management auf unsere guten und zuverlässigen Rails und die Panzerzüge.“

„Warum sind die Züge eigentlich so stark gepanzert? Führt dieser Wirbel Brocken mit sich, die einem Zug gefährlich werden können?“

„Es ist schon vorgekommen“, gestand Heiser. „Manchmal zeigt das Radar solche Brocken im Wirbel an, aber leider funktioniert das nur eingeschränkt. Gilt für alle Scanner und Sensoren.“

„Ja, darüber wurden wir informiert. Es hängt wohl mit den elektromagnetischen Feldern zusammen, die sich überraschend in diesem Wirbel bilden können.“

„Der ganze verdammte Wirbel ist ein einziges elektromagnetisches Feld. Der Ausfall tetronischer Geräte findet aber vor allem dann statt, wenn es zu kleinen Entladungen kommt. Entladungen, die einen Menschen oder ein Bodenfahrzeug in Augenblicken verschmoren können. Nur ein Panzerzug ist groß genug, dem standzuhalten.“ Der Lokführer lachte gutmütig. „Vielleicht schmeißt der Wirbel deshalb bei seinen Entladungen gelegentlich mit Felsbrocken um sich. Weil er keine Züge mag“, scherzte er. „Ich sage Ihnen, diese verdammte Welt ist das Tor zur Hölle und wenn Nundagai nicht so prächtig zahlen würde, dann wäre ich längst von hier verschwunden. Der einzige Ort, an dem es sich halbwegs leben lässt, ist das Auge.“ Heiser schenkte sich nach, ohne Finnegan ebenfalls anzubieten. „Sagen Sie mal, Mister, was ist da oben im Norden, in Mining Facility 12, eigentlich los? Sie leiten ein ziemlich starkes Rettungsteam, also muss es sich um etwas Ernsthaftes handeln. In den Nachrichten ist nichts zu hören oder zu lesen. Aber umsonst holt sich Nundagai doch sicher kein so starkes Rettungsteam nach Suffren-12.“

„Tja, wir wissen auch nichts Genaues“, gestand Finnegan und ließ sich wieder in den Sitz sinken. „Aber wir sind Profis und auf alle Eventualitäten vorbereitet.“

„Na ja, genug Gepäck haben Sie ja dabei.“ Heiser zögerte kurz. „Ein paar der Kisten sehen mir ziemlich ungewöhnlich aus. Kodierte Verschlüsse kenne ich nur von Waffenbehältern oder Werttransporten.“

„Als Rettungseinheit führen wir keine Waffen, Mister. Dafür allerdings ein paar wertvolle Geräte. Selbst in Katastrophengebieten ist man vor Dieben nicht sicher.“ Finnegan zuckte mit den Achseln. „Es sind miese Zeiten, Heiser. Seitdem sich die Menschheit so über den Weltraum ausdehnt, geht der innere Zusammenhalt verloren.“

Heiser hatte ein merkwürdiges Gefühl, doch er begriff, dass es besser war, nicht weiter nachzufragen. Es ging ihn eigentlich auch nichts an. Er wurde als Zugführer bezahlt und was dieser Finnegan und seine Leute auch immer auf Mining Facility 12 treiben mochten, das war eine Sache des Managements. Heiser würde die Leute hinbringen, dann in die Wendeschleife einkurven und zum Auge zurückfahren. Damit war sein Job erledigt. Eigentlich merkwürdig … Warum sollte er sofort umkehren, statt abzuwarten, ob man Verletzte mit seinem Zug transportieren musste?

Finnegan starrte erneut durch die schrägen Panzerscheiben hinaus. Auf der gesamten Oberfläche dieser Welt herrschte ewige Dämmerung. An der Lokomotive waren die starken Scheinwerfer eingeschaltet. Ihr Licht entsprach dem Spektrum der irdischen Sonne und so bot sich Finnegan ein faszinierendes Schauspiel, sobald die Landschaft diesem Licht ausgesetzt war. Denn nur dann wechselte sie die Farben zu jenen, mit denen man bei Fels und Sand rechnete.

„Ist ziemlich einsam auf so einer Lok, nicht wahr?“

Heiser runzelte die Stirn und nickte zögernd. „Normalerweise habe ich einen Ingenieur und einen Bremser an Bord. Beide hat man für diese Fahrt gestrichen.“

Er betonte das Wort „diese“ und machte Finnegan somit deutlich, dass Heiser die Vermutung hatte, bei der gegenwärtigen Fahrt wäre so einiges ungewöhnlich.

Finnegan lächelte sanft. „Nun ja, immerhin stimmt die Bezahlung, nicht wahr? Okay, ich denke, es ist an der Zeit, mich wieder um mein Team zu kümmern. Danke für den Kaffee.“

Heiser stieß ein leises Brummen aus und sah zu, wie der Besucher sich erhob und dann die Leiter hinunterstieg, um im Bauch der Lokomotive zu verschwinden. „Ich will verdammt sein, wenn du und deine Leute ein gewöhnliches Rettungsteam seid.“

Finnegan ging den schmalen Gang entlang, der längs durch die große Lokomotive führte. Rechts und links brummten die mächtigen Maschinen, die den Zug vorantrieben und seine Passagiere in den luftdicht abgeschirmten Wagen mit Atemluft und dem richtigen Luftdruck versorgten.

Er erreichte die kleine Druckschleuse, welche die Lok vom ersten Wagon trennte. Er passierte sie, vergewisserte sich sorgfältig, dass sie korrekt geschlossen war, und betrat dann den Innenraum. Dieser war nicht in einzelne Abteile gegliedert, sondern von vorne bis hinten offen. Rechts und links, entlang der Wände, befanden sich die bequemen Sitze, die auch als Schlafliegen genutzt werden konnten. Der freie Raum dazwischen war zur Aufnahme von Transportgut bestimmt. Zahlreiche Haken und Ösen verrieten, wo Gurte und Leinen festgezurrt werden konnten. Etliche der Halterungen waren nun durch Kisten und Transportbehälter belegt, welche die Zusatzausrüstung von Finnegans Team enthielten.

Heiser hatte absolut recht mit der Vermutung, dass Finnegan kein gewöhnliches Rettungsteam leitete. Die Männer und Frauen, die sich hier im ersten Wagen befanden, gehörten allesamt der geheimen paramilitärischen Organisation Black COBRA an. Finnegan konnte daher auf die Verwendung seiner speziellen Kontaktlinse verzichten, die ihm normalerweise geholfen hätte, die ansonsten unsichtbare Tätowierung einer COBRA sichtbar zu machen, die jedes aktive Mitglied an der Stirn trug.

First-Sergeant Petrovich sah seinen Vorgesetzten fragend an. „Und?“

„Er ist nicht eingeweiht“, meinte Sub-Chief Finnegan. „Damit war auch nicht zu rechnen.“

„Schlecht für ihn“, stellte COBRA Riley fest. „Sollen wir ihn neutralisieren, Chief?“

„Nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt“, antwortete dieser und lächelte. „Ich möchte den Zug nicht unbedingt selbst zurückfahren.“

Vor etlichen Jahren hatte die Menschheit in einer unglaublichen Kraftanstrengung eine humanitäre Rettungsaktion für das intelligente Volk der Hanari in die Wege geleitet, dessen Sonne sich bald darauf in eine Supernova verwandelt hatte. Nicht alle waren damals mit der Rettung einverstanden gewesen und hatten Sabotageakte durchgeführt, um diese zu erschweren oder unmöglich zu machen. Als Konsequenz davon war eine Forschungsmission sabotiert worden, welche eine sprachliche Verständigung mit den Aliens ermöglichen sollte, . Da diese scheiterte und der Zeitpunkt der Sonnenexplosion näherrückte, blieb den Menschen des Direktorats nur eine Möglichkeit, die Rettungspläne doch noch in die Tat umzusetzen: mittels einer Invasion auf der Hanari-Welt, bei welcher die Aliens mit Spezialwaffen betäubt, eingesammelt und praktisch auf ihre neue Welt entführt wurden. Vieles war dabei schiefgegangen und hatte auf beiden Seiten zu tragischen Verlusten geführt. Inzwischen wussten die Hanari um die Vorgänge und ihre Dankbarkeit zeigte sich in vielerlei Hinsicht.

 

Zur Bewältigung der Rettungsmission waren Bodentruppen erforderlich gewesen. Die Streitkräfte des Direktorats verfügten jedoch regulär nur über zehn Regimenter der Sky-Cavalry. Zwanzigtausend Raumkavalleristen waren nicht ausreichend, um die geplante Evakuierung in der Kürze der Zeit zu bewältigen. So stellte das Direktorat für den Zeitraum der Rettungsmission zusätzlich nahezu dreißig Freiwilligen-Regimenter auf, die nach erfolgreichem Ende des Einsatzes wieder aus dem Dienst entlassen wurden.

Etliche dieser Veteranen gründeten daraufhin die „COBRA“, einen Verband, der sie betreute und ihnen eine Plattform zur gegenseitigen Unterstützung bot. Bei der „Corporated Brotherhood of Retired Members of Arms“ erinnerte man sich an den geleisteten Dienst und half einander, ein ausreichendes Auskommen zu haben oder eine sinnvolle Beschäftigung zu finden. Gerade die neu besiedelten Welten boten hier viele Möglichkeiten. Einige COBRAs verdingten sich als angemietete Ordnungsmacht, bis die jeweilige Kolonie ihre eigene Polizei in Form der „Constables“ etablieren konnte. Andere schlossen sich zu Rettungsteams zusammen, die sich auf riskante Missionen auf fremden Welten oder im Weltraum spezialisierten. Ihre „Search and Rescue“-Teams genossen einen ausgezeichneten Ruf. COBRA war zunächst ein Veteranenverband, der sich dem Allgemeinwohl verschrieben hatte. Doch bald war einigen Mitgliedern bewusst geworden, dass sich ihre militärische Ausbildung auf besondere Weise auszahlen könnte.

Große Konzerne, wie die Nundagai Corporation, United Mining Industries und andere, standen in hartem Konkurrenzkampf um lohnende Ressourcen. Obwohl es eine immense Anzahl von Asteroiden oder Planeten gab, auf denen sich der Abbau lohnte, und es eigentlich keinen Grund gab, um deren Ausbeutung zu kämpfen, blieben Fairness und auch das Gesetz im unbarmherzigen Konkurrenzkampf auf der Strecke. Oft wurde dieser mit illegalen Mitteln ausgetragen, bei denen die Gewalt dazu führte, dass man gelegentlich, hinter vorgehaltener Hand, von einem „Schattenkrieg“ sprach. Ein Krieg, der im Geheimen geführt wurde und von dem die Öffentlichkeit oder offizielle Stellen nichts erfahren durften.

Eine Reihe von COBRAs, die in der Anwendung von Gewalt jenen Adrenalinstoß fanden, den sie zuvor vermisst hatten, schlossen sich daher zu einer Geheimorganisation zusammen und bezeichneten sich als „Black COBRAs“.

Sie boten Personenschutz, sicherten Einrichtungen und Raumschiffe und vertraten die Interessen ihres jeweiligen Auftraggebers auf „robuste“ Weise, bei der sie vor offener Gewalt und heimtückischem Mord nicht zurückschreckten. Black COBRA war das, was man ohne Zweifel als Söldnertruppe bezeichnen konnte. Innerhalb der Veteranenvereinigung COBRA existierte somit eine höchst illegale, aber auch äußerst effektive Organisation, die immer dann aktiv wurde, wenn es darum ging, Probleme unter größtem Stillschweigen zu lösen und dabei keine Spuren zu hinterlassen. Viele Konzerne und Privatleute hatten schon einmal auf die Hilfe der Black COBRAs zurückgegriffen, und die Effektivität dieser Gruppierung wurde allein daran ersichtlich, dass sie bislang den Sicherheitsorganen des Direktorats entgangen war.

Dieses Mal hatte die Nundagai Corporation die Hilfe der Black COBRAs in Anspruch genommen. Der Einsatz war legal, doch das Ergebnis konnte alle Aktivitäten von Nundagai auf dem Helldoor genannten Planeten zu einer illegalen Aktion machen. Daher lief er unter höchster Geheimhaltung ab und die Einsatztruppe der Black COBRA war als reguläre Rettungsmission getarnt.

Nun saß eine Halbkompanie im Panzerzug 09, der auf seiner Mono-Rail in Richtung Norden fuhr. Sub-Chief Finnegan befehligte die Abteilung und stützte sich dabei auf die Erfahrung von First-Sergeant Petrovich. Die Truppe saß im ersten Wagen des Zuges und Petrovich ließ zum wiederholten Male die Ausrüstung überprüfen. Nicht weil dies erforderlich gewesen wäre, sondern um der Truppe die Langeweile zu vertreiben.

In gewisser Weise hatte Finnegan den Lokführer nicht belogen. Die COBRAs verfügten tatsächlich nur über Anhaltspunkte, was sich in Mining Facility 12 ereignet hatte.

„Vielleicht ist das Ganze ja eine Luftnummer“, meldete sich eine der Black COBRAs zu Wort. „Immerhin sind die Angaben von Nundagai reichlich vage. Zwei Bodenfahrzeuge vom Typ Sandkatze sind nebst Besatzungen spurlos verschwunden, dazu die Belegschaft eines Abbaustollens.“ Die Frau zuckte mit den Schultern. „Man hört doch immer wieder, dass es in Abbaustollen unter Tage zu Unfällen kommt.“

„Rede keinen Blödsinn“, wies Petrovich sie zurecht. „Hier geht es nicht um einen Unfall, sondern um einen intakten Stollen, aus dem die komplette Schicht verschwunden ist. Zwölf Arbeiter … einfach weg. Stattdessen hat man diesen ominösen Tunnel entdeckt.“

Finnegan nickte. „Ihr habt alle die Einweisung erhalten und die Aufnahmen der Helmkameras des Such- und Rettungsteams von Nundagai gesehen. Ein Tunnel, der vom Abbaustollen in Mining Facility 12 ins Innere dieser netten Welt führt. Die Leute von der ‚Search and Rescue‘ sind einen Kilometer in den Tunnel vorgedrungen, dann hat man die Verbindung mit ihnen verloren. Danach ist keiner mehr in diesen Tunnel hineingegangen.“

Petrovich lächelte. „Kann ich nachvollziehen. Der Tunnel wurde höchstwahrscheinlich von einer nichtmenschlichen Lebensform angelegt und stammt sicher nicht von den Minenarbeitern. Irgendetwas lebt auf diesem Planeten, das was gegen die Leute von Nundagai hat, und wir haben den Job, es aufzuspüren.“

„Irgendetwas“, wiederholte Riley nachdenklich. „Ja, dieser Tunnel muss nicht von intelligenten Wesen stammen. Es können irgendwelche Würmer oder Kriechtiere sein, welche die Minenarbeiter als kleine Appetithäppchen angesehen haben. Aber was, wenn es sich um eine intelligente Lebensform handelt? Die Direktiven des Direktorats sagen klar aus, dass keine Welt ausgebeutet oder besiedelt werden darf, die bereits von einer intelligenten Spezies bewohnt wird.“

„Wie dem auch sei … Nundagai hat uns engagiert, damit wir der Sache auf den Grund gehen und jede mögliche Gefahr beseitigen“, stellte Finnegan fest. „Und ihr alle wisst, warum die Sache unter Verschluss gehalten werden muss. Stellt sich tatsächlich heraus, dass dieser Tunnel von intelligenten Lebewesen und nicht von instinktgesteuerten Kreaturen angelegt wurde oder gar natürlich entstanden ist, dann droht dem Konzern die Räumung. Für Nundagai ist das keine Option. Diese Welt wirft einen verdammt hohen Gewinn ab. Das General-Management des Konzerns hat sich diesbezüglich sehr klar ausgedrückt.“

„Ja“, murmelte Riley, „alles, was den Gewinn gefährdet, ist zu beseitigen.“

Dass man hier eventuell vom Mord an intelligenten Wesen sprach, störte keinen der Black COBRAs. Wer zu ihrer Organisation stieß, empfand solche Skrupel nicht.

„Notfalls wird Nundagai einiges unternehmen müssen, um den Deckel auf der Sache zu halten“, stellte Petrovich fest. „Wenn wir es wirklich mit Intelligenz zu tun haben, dann darf das unter keinen Umständen nach außen dringen. Wenn das Direktorat davon erfährt, haben sowohl Nundagai als auch wir sonst jede Menge Ärger am Hals.“

„Es wird Sache des Nundagai-Managements sein, zu entscheiden, wie man Stillschweigen bewahrt und das gewährleistet.“

„Möglicherweise kommen da noch ein paar Nebenjobs heraus“, meinte Riley. „Unliebsame Zeugen und so. Typen, die ihre Klappe nicht halten können.“

„Wir werden sehen. Auf jeden Fall treten wir in Mining Facility 12 als Rettungsteam der Corporation auf. Was wir entdecken, das melden wir über den geheimen Kanal an den Hoch-Manager im Auge des Wirbels. Der wird entscheiden, was zu tun ist und wie wir diesen Job letztlich erledigen.“

Die Angehörigen der Black COBRA sahen sich als Soldaten und Patrioten. Ihre Organisation folgte einem Plan, zu dessen Erfüllung sie eine Menge finanzieller Mittel, Ressourcen und Verbindungen benötigten. Die Aufträge von Privatleuten und Konzernen half ihnen, diese zu beschaffen. Die meisten ihrer Dienste waren legal, doch das meiste Geld brachten verdeckte Missionen, wie sie nun auf Suffren-12 durchgeführt wurden.

„Es ist sinnlos, die Zeit mit fruchtlosen Spekulationen zu verbringen.“ Sub-Chief Finnegan deutete auf einen der bequemen Liegesitze. „Wir haben noch ein paar Stunden, bis wir unser Ziel erreichen. Wenn ihr eure Ausrüstung überprüft habt, dann solltet ihr noch eine Mütze voll Schlaf nehmen und …“

Ein spürbarer Ruck ging durch den Wagen. Etliche der COBRAs verloren den Halt und wurden in Richtung Lok geschleudert.

„Was zur Hölle …?“ Finnegan gelang es, sich an einer Armlehne festzuhalten.

„Das ist eine Notbremsung!“, brüllte First-Sergeant Petrovich. „Chief …!“

Der Unteroffizier wurde durch die hektische Stimme des Lokführers unterbrochen, die aus dem Lautsprecher ertönte. „Festhalten! Auf Aufprall vorbereiten! Da ist etwas auf …“

Vor was Heiser auch immer warnen wollte, es kam zu spät.

Ein erneuter Ruck ging durch den Wagen, der diesmal eher einem brutalen Hieb glich. Finnegan fühlte sich angehoben und mit unaufhaltsamer Gewalt durch die Luft gewirbelt. Dann prallte er mit großer Wucht gegen die Frontwand des Wagens und alles um ihn versank in Dunkelheit.