Sky-Troopers 5 - Die Wirbelwelt

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From the series: Sky-Troopers #5
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Kapitel 5

Mining Facility 12, Gebäude 12-02, Abbaustollen Nord der untersten Ebene

Man hatte zwei Stollen vorangetrieben. Im südlichen war der fremde Tunnel versiegelt worden und es gab die strikte Anweisung, ihn zu meiden, aber wahrscheinlich hätte auch ein weiterer Scheck keinen der Minenarbeiter dazu bewegen können, ihn nochmals aufzusuchen. Stattdessen gingen nun die Arbeiten im nördlichen Stollen voran.

Der begehbare Teil war gut ausgebaut. Probebohrungen hatten gezeigt, in welcher Tiefe die Adern mit dem begehrten Erz lagen und man hatte den Stollen entsprechend angelegt. Die Umgebung bestand aus einer Mischung aus Sand, Fels und fruchtbarer Erde. Eine höchst gefährliche und instabile Mischung, die es allerdings erleichterte, sich durch sie hindurchzuarbeiten. Sicherheit hatte dabei, wenigstens für jene, die in den Stollen arbeiteten, die höchste Priorität.

Der drei Meter durchmessender Stollen wurde zunächst mit einer Tunnelfräse gebohrt. Ihre rotierenden Bohrköpfe arbeiteten sich langsam voran. Wasser wurde genutzt, um den entstehenden Staub zu binden. Es wurde mit Saugschläuchen in Behälter gepumpt, dort gefiltert, gereinigt und erneut verwendet. Jeder Krümel Erz wurde dabei entnommen und zur Aufbereitung befördert. Der nicht verwertbare Aushub, der Abraum, bildete ein Stück hinter der Minenanlage eine stetig wachsende Halde.

Die Tunnelfräse war mit ihren drei Metern Durchmesser und einer Länge von fünfzehn Metern ein beeindruckendes Gerät, welches sich, einer Schlange nicht unähnlich, durch den Untergrund arbeitete. Sie bestand aus mehreren Segmenten, die man in Einzelteilen nach Suffren-12 transportiert, in der Hauptbasis montiert und dann mit einem der Panzerzüge an ihren Bestimmungsort gebracht hatte.

Das Gerät bohrte, wusch und sortierte nicht nur, sondern sorgte auch für die erforderliche Sicherheit im Stollen. Spritzdüsen und austauschbare Behälter mit Bauschaum wurden von einer kleinen Tetronik und einem Arbeiter gesteuert. Sie sorgten dafür, dass die Wände sofort mit einem dünnen Gespinst besprüht wurden, das rasch aushärtete. Die Beschichtung verhinderte einen Einsturz und war zudem transparent. So konnte man erkennen, ob sich hinter ihr eine Ader aus Erz befand. Wurde ein grünlicher Schimmer bemerkt, ließ der Schichtführer diesen Bereich mit Scannern abtasten, die speziell auf das begehrte Metall programmiert waren. An vielversprechenden Stellen trieb man seitliche Stollen ins Innere des Planeten. Diese waren deutlich enger als der Hauptstollen und hier arbeiteten die Minenarbeiter mit ihrem klassischen Gerät. Laserbohrer frästen, Hämmer schlugen und Hände prüften jeden gelösten Brocken.

Der Boden des Hauptstollens war ebenfalls mit Bauschaum ausgesprüht worden, so dass er eine ebene Fläche bot. Hier war die Schiene einer kleinen Mono-Rail verlegt, mit deren offenen Wagen Material und Arbeiter bewegt wurden.

Ingenieur Farnton und Vorarbeiter Jeffries hatten den nördlichen Stollen aufgesucht. Jeffries aus Sorge um seine Kumpel, Farnton mit der Absicht, die Arbeiter zu motivieren. Die Versiegelung des südlichen Stollens lag nun anderthalb Tage zurück, doch die Stimmung unter der Belegschaft war schlecht. Es gab noch immer keine Information den überfälligen Zug betreffend und der Hoch-Manager in der Hauptbasis im Auge drängte darauf, die Arbeiten fortzusetzen.

Farnton und Jeffries standen an einem der kleinen Wagen der Mono-Rail. Farnton hatte ein handlanges Stück grünlichen Metalls in den Händen und untersuchte es gründlich. „Das ist nahezu reines Metall, fast ohne Verunreinigungen.“

Jeffries nickte. „Stammt aus einer der Adern, die sich hier wohl überall durch den Planeten ziehen. Das Ganze ist ziemlich ungewöhnlich.“

„Ah, inwiefern?“

„Na ja, es gibt diese Metallstränge, die sich in fast reiner Form unter der Oberfläche entlangziehen. Ansonsten findet man lediglich Krümel. Ich war schon bei etlichen Abbauunternehmungen dabei und normalerweise findet man nur selten so reines Zeug. Meist ist es Erz, durchsetzt mit Gestein und anderen Fremdstoffen, und man muss es sorgfältig voneinander trennen, das Erz dann schmelzen, damit man schließlich reines Metall erhält. Das hier, Farnton, ist eher ungewöhnlich. Direkt das reine Metall und nur wenige kleine Brocken außerhalb der Stränge.“

Farnton nickte lächelnd. „Auf dieser Welt ist so manches ungewöhnlich.“ Er hielt das unregelmäßige Metallstück vor das Gesicht des Vorarbeiters. „Das da rechtfertigt jeden Aufwand, den die Corporation hier betreibt. Zwar haben wir nur erste Versuchsergebnisse, doch die sind beeindruckend. Dieses Metall ist für die Verstärkung von Nullzeit-Antrieben geeignet und unser Forschungszentrum hat einen Hiromata-Sender konstruiert, der es als Impulsverstärker nutzt.“

„Ich weiß, verdammt“, knurrte der Vorarbeiter griesgrämig. „Sie und Vosbergh werden ja nicht müde, uns das unter die Nasen zu reiben. Der Sender war in der Lage, Nullzeit-Impulse abzugeben, obwohl die Hiromata-Menge deutlich reduziert worden war. Herrje, Farnton, wir sind Kumpel und deswegen nicht begriffsstutzig. Jeder von uns kann sich ausmalen, was das für das Direktorat bedeutet. Hiromata-Kristallen werden sehr selten gefunden und wenn man deren Wirkung durch das grüne Metall verstärken kann, dann ergibt dieselbe Menge Hiromata wesentlich mehr Antriebe und Kommunikationsgeräte. Dieses Metall kann bedeuten, dass es künftig viel mehr Nullzeit-Antriebe gibt und damit viel mehr interstellaren Verkehr.“

„Vollkommen richtig“, stimmte der Ingenieur zu. „Wenn dieses Hiromet die Erwartungen erfüllt und Nundagai den exklusiven Abbau betreibt, dann wird die Corporation sagenhafte Gewinne einstreichen. Sie wissen, was das bedeutet, Jeffries?“

„Klar, die Corporation wird noch reicher, als sie es ohnehin schon ist.“

Farnton grinste. „Und wir, jeder Einzelne von uns, bekommt eine fette Bonuszahlung. Ich rede hier von richtig dicken Schecks, Jeffries. So dick, dass man sich eigentlich zur Ruhe setzen kann.“

Jeffries nahm den Brocken aus Farntons Händen. „Nundagai hat sich noch nie lumpen lassen. Vor allem dann nicht, wenn etwas so hohe Gewinne verspricht und vor der Konkurrenz geheim gehalten werden soll.“

Der Leiter der Schicht, der sogenannte Schlagmeister, kam von der Fräse zu ihnen. „Wir kommen jetzt auf härteres Gestein“, meldete er. „Scheinbar besteht der Boden dieses Planeten doch nicht aus so viel Sand, wie wir bislang geglaubt haben.“

„Schwierigkeiten?“, fragte Farnton besorgt.

„Nein, keine Probleme“, beruhigt ihn der Schlagmeister. „Es wird nur ein wenig länger dauern, sich durch den Felsen zu graben.“ Er zögerte kurz. „Mich würde einmal interessieren, ob man dieses grüne Zeug auch in den anderen Minen entdeckt hat.“

Farnton nickte. „Soweit mir bekannt ist, schürft man es auch in den Anlage Sieben und Drei. Manager Vosbergh hat mir aber mitgeteilt, dass wir wohl die ergiebigste Mine sind.“

Jeffries warf einen Blick auf sein transportables Analysegerät, mit dem er Temperatur, Luftdichte und die Zusammensetzung der Luft im Stollen kontrollierte. Der Anteil der Staubteilchen war ein wenig hoch, aber das war nicht anders zu erwarten, solange die Bohrfräse aktiv war und die Kumpel in den Nebenstollen arbeiteten. Die anderen Werte waren alle im grünen Bereich.

Ingenieur Farnton legte den Metallbrocken in den kleinen Wagen zurück. „Die Konzentration ist ungewöhnlich“, wiederholte er nachdenklich.

„Inwiefern?“ Jeffries hakte das Analysegerät wieder an den Gurt seines Overalls. „Ist doch gut, wenn die Konzentration hoch ist. Je reiner das Zeug, desto weniger Arbeit haben wir damit.“

„Ja, natürlich. Sagen Sie, Jeffries, ist Ihnen an den Adern etwas aufgefallen?“

Der Vorarbeiter zuckte mit den Schultern. „Was soll mir daran auffallen?“

Farnton kratzte sich im Nacken. „Na ja, diese Adern sind ebenfalls merkwürdig. Im Vergleich zu anderen Erzadern sind sie sehr gleichmäßig. Sehen Sie, wir haben jetzt ein paar hundert Meter von dem Zeug herausgelöst. Dort, wo der Reinheitsgehalt etwas geringer ist, ist die Ader ein wenig dicker, wo er höher ist, dünner. Das bedeutet, egal, was für ein Stück wir herausnehmen, es hat eine nahezu identische Konzentration mit allen anderen.“

Jetzt runzelte der Vorarbeiter die Stirn. „So, wie Sie das sagen, Mister Farnton, klingt das tatsächlich ungewöhnlich.“ Er senkte die Stimme ein wenig. „Offen gesagt, gleichgültig wie hoch die Schecks der Corporation auch ausfallen … Ich bin froh, wenn ich diesem Planeten den Rücken kehren kann. Ich war schon auf ein paar Asteroiden und Welten, doch dieser hier ist mir unheimlich.“

„Ja, er hat seine Eigenheiten“, stimmte der Ingenieur zu. „Allein dieser ewige Wirbelsturm …“

„Haben Sie schon einmal erlebt, wie er sich entlädt?“

„Ich habe Aufnahmen davon gesehen.“

„Ist nicht dasselbe. Ich war mal mit einem Geologenteam draußen, als es gekracht hat. Waagrechte und senkrechte Blitze von enormer Stärke. Alles war elektrisch aufgeladen, das konnte man trotz der geschlossenen Anzüge spüren. Ich sage Ihnen, wir hatten echtes Glück, da lebend herauszukommen, obwohl dieser Gewittersturm ein paar Kilometer entfernt war.“ Jeffries wurde nachdenklich. „Wenn ich genau darüber nachdenke … Ich erinnere mich, dass der Boden während dieser Entladungen an einigen Stellen geglüht hat. Nun, vielleicht nicht geglüht, aber da war ein grünliches Leuchten im Boden.“

Farnton blickte zur Decke des Stollens empor. „Das hängt vielleicht mit den Metalladern zusammen. Wir wissen ja inzwischen, dass dieses Metall elektrische Spannungen hervorragend transportiert. Es gibt praktisch keinen Widerstand darin. Im Gegenteil, im Labor von Nundagai hat man sogar festgestellt, dass die Spannung von elektrischem Strom in diesem Hiromet erhöht und damit der Durchfluss beschleunigt wird. So kam man ja auch auf die Idee, zu prüfen, ob es sich als Nullzeit-Verstärker für Krachfunksender nutzen lässt.“

 

In einem der Nebenstollen war ein leises Poltern zu hören. Die beiden Männer reagierten nicht darauf, denn solche Geräusche waren vollkommen normal, solange die Kumpel mit ihren Werkzeugen dabei waren, die Stollen weiter ins Innere zu treiben.

Dann waren undeutliche Schreie zu vernehmen.

Jeffries zuckte zusammen. „Verdammt, was ist da los? Hört sich nach einem Unfall an! Vielleicht ein Einsturz und jemand wurde verschüttet.“

Aus einem der Nebenstollen quoll Staub hervor, was tatsächlich auf einen möglichen Einsturz hindeutete. Jeffries eilte zum Eingang, legte die Hände an den Mund und rief hinein, doch er erhielt keine Antwort. Der Vorarbeiter langte an sein Headset. „Achtung, 12-02“, warnte er die Angehörigen der Schicht, „möglicher Unfall in einem der Seitenstollen. Arbeiten einstellen und auf Rettung vorbereiten.“

Farnton hingegen schaltete sein Funkgerät auf den Kanal der Zentrale. „Farnton an Zentrale, wir haben einen möglichen Unfall in einem Seitenstollen. Die Medizinische soll sich auf Notfallversorgung einstellen. Schickt ein paar zusätzliche Kumpels, die sich an der Rettung beteiligen. Vermutlich …“

Der Ingenieur verstummte, denn Jeffries wandte sich ihm zu. Das Gesicht des Vorarbeiters war kreidebleich. „Raus hier“, ächzte er, um die Aufforderung dann, so laut er nur konnte, zu wiederholen: „Alle raus!“

Die Arbeiten waren bereits eingestellt und die Männer und Frauen der Schicht begannen sich in der Nähe des Vorarbeiters zu versammeln, um sich für die Hilfeleistung im betroffenen Nebenstollen auszurüsten. Die meisten sahen Jeffries überrascht an, der sich nun in Bewegung setzte und in Richtung des Fahrstuhlschachtes rannte. Dabei rempelte er den verwirrten Farnton an, der gegen einen der kleinen Wagen taumelte und sich nur mühsam abfing.

„Verdammt, Jeffries!“, brüllte der erboste Ingenieur. „Was soll das?“

Die Antwort kam aus dem Nebenstollen. In Gestalt von menschengroßen Lebewesen, die zugleich keinerlei Ähnlichkeit mit einem Menschen aufwiesen. Rund ein Dutzend der unheimlichen Kreaturen stürzten aus dem Stollen hervor und warfen sich auf die entsetzten Arbeiter.

Farnton sah bräunliche Leiber mit harten Chitin-Panzern, lange Glieder, welche die flachen Körper unglaublich schnell voran bewegten. Er sah Menschen, die vor seinen Augen förmlich zerrissen wurden. Blut spritzte, gellende Schreie waren zu hören.

Für einen Augenblick war der Ingenieur wie gelähmt, dann stieß er einen wilden Schrei aus und folgte Jeffries. Einer der anderen Schreie schien ihm zu folgen. Er blickte kurz über die Schulter zurück. Ein Stück hinter ihm rannte eine junge Frau, mit entsetzt aufgerissenen Augen, in denen die nackte Angst stand. Sie lief um ihr Leben, während sie unentwegt schrie.

Jeffries erreichte den Fahrstuhl und hieb auf die Steuerung. Quälend langsam schoben sich die Gitterhälften vor dem Fahrkorb auseinander. Gerade als sich der Vorarbeiter zwischen ihnen hindurchzwängte, erreichte auch Farnton den Schacht. Der Korb war jetzt zugänglich und Jeffries schien nicht zu beabsichtigen, auf den Ingenieur zu warten, denn er betätigte mehrmals den Fahrschalter.

Farnton stieß einen wütenden Ruf aus und holte das Letzte aus sich heraus. Er konnte sich gerade noch in die Kabine quetschen, kurz bevor sich das Gitter wieder schloss.

„Sie verdammtes Arschloch!“, fuhr er Jeffries an.

Der sah an ihm vorbei. Farnton fuhr herum und sah gerade noch, wie die junge Frau von zwei Kreaturen getötet wurde. Eine hetzte auf den Fahrkorb zu.

„Grundgütiger“, ächzte Farnton, der daran dachte, wie leicht es einer solchen Kreatur gefallen war, einen menschlichen Körper zu zerfetzen. Sie würde wohl kein Problem damit haben, die Gittertüren des Fahrkorbs aus den Verankerungen zu reißen.

„Verfluchtes Drecksding!“ Erneut schlug Jeffries auf den Fahrschalter.

Dann, endlich, ruckte der Korb an.

Die Kreatur erreichte den Fahrstuhl und konnte ihn gerade noch mit einer Klaue packen. Für einen Moment befürchteten die beiden Männer, das Wesen könnte sich hochziehen, doch dann ließ es los und stürzte auf den Boden zurück, während sich der Korb immer weiter in die Höhe bewegte.

„Grundgütiger“, ächzte Farnton erneut. „Was war das?“

„Wenn Sie mich fragen, so würde ich glatt behaupten, das waren übergroße Kakerlaken“, antwortete Jeffries mit zitternder Stimme.

„Kakerlaken?“

„Was auch immer“, zischte der Vorarbeiter. „Ich werde jedenfalls nicht nochmals dort hinuntergehen, um festzustellen, was das für Viecher sind.“

„Ich auch nicht“, stimmte Farnton zu. „Ich ganz gewiss auch nicht. Außerdem bin ich Ingenieur und kein Exobiologe.“

Der Fahrkorb erreichte die Bodenebene von 12-02, wo sich gerade eine Rettungsmannschaft einfand. Sie wurde von Sicherheitschef Carmody und zwei Mitgliedern seiner Security-Einheit begleitet. Mit hastigen Worten berichteten Farnton und Jeffries, was sich gute zweihundert Meter unter ihnen ereignet hatte.

Bleiche Gesichter starrten sie an, als sie geendet hatten. Carmody aktivierte sein Funkgerät. „Zentrale, verständigen Sie Manager Vosbergh, dass wir in 12-02 von insektenartigen Kreaturen angegriffen werden. Ich lasse den Schacht räumen und mache hier dicht. Ah, und der Manager soll der Hauptbasis Dampf machen. Wird Zeit, dass wir endlich Hilfe bekommen.“

Der Sicherheitschef wandte sich den anderen zu. „Alle zurück ins Hauptgebäude. Farnton und Jeffries … Sie erstatten Mister Vosbergh in der Zentrale Bericht. Lanning, holen Sie Ihr Schweißgerät. Wir räumen Gebäude 12-02 und versiegeln die Türen. Wenn hier wieder jemand hineingeht, dann sind das gut bewaffnete Truppen der Corporation. Und jetzt Bewegung, Leute.“

Carmody ging gründlich vor. Er ließ die Türen des Verbindungsganges zwischen 12-02 und dem Hauptgebäude verriegeln und zusätzlich zuschweißen. Dann folgte er Farnton und Jeffries in die Zentrale in der oberen Ebene.

Die beiden Männer standen mit Manager Vosbergh an einer der großen Sichtscheiben, von denen aus man Gebäude 12-02 sehen konnte. Inzwischen hatten sie sich ein wenig beruhigt und ihren Bericht erstattet.

Vosbergh wirkte sichtlich betroffen, als er sich an Carmody wandte. „Ich teile Ihren Entschluss, 02 zu versiegeln. Mister Farnton, konnten Sie bei den Angreifern irgendwelche Waffen feststellen?“

„Jede Menge Zähne, Klauen, Krallen … Was immer Sie wollen“, antwortete der Ingenieur.

„Das meine ich nicht“, brummte Vosbergh. „Konnten Sie künstliche Waffen erkennen? Gleichgültig wie primitiv, aber Waffen, die man mit handwerklichem Geschick herstellen muss?“

Farnton überlegte. „Nein. Keine Waffen, keine Kleidungsstücke oder angefertigte Körperpanzer. Verdammt, Vosbergh, das brauchen die Biester auch nicht. Die sind gepanzert und haben unsere Leute in Stücke gerissen.“

„Das habe ich durchaus verstanden, Mister Farnton. Bitte, beruhigen Sie sich. Hier im Hauptgebäude sind Sie in Sicherheit. Ich muss nur wissen, ob wir es mit einer intelligenten Lebensform oder mit Tieren zu tun haben, die nur ihrem Instinkt folgen.“

„So oder so, die wollen uns ans Leben“, stieß Jeffries hervor. „Meine Güte … Wir müssen uns bewaffnen, sonst schlachten die uns alle ab.“

„Hier werden sie nicht so schnell hereinkommen“, meinte Carmody beruhigend. Er räusperte sich. „Dennoch kann es sicher nicht schaden, wenn wir zusammensuchen, was wir an Waffen oder kampftauglichen Gegenständen hier haben.“ Jeffries begriff, dass der Sicherheitschef ein Eindringen der Fremden nicht ausschloss und wurde erneut bleich.

Carmody sah den Manager an. „Haben Sie die Hauptbasis erreicht, Sir?“

Vosbergh nickte. „Ich habe die Hauptbasis angefunkt und die neue Situation geschildert. Ich konnte mit Hoch-Manager Adanaki persönlich sprechen. Er hat mir versichert, dass man uns bald Hilfe senden wird. Eine private Rettungseinheit sei bereits in der Basis eingetroffen, aber man warte noch auf Verstärkung durch eine zweite Gruppe.“

„Zweite Gruppe?“, hakte Carmody nach.

Der Manager nickte. „Einen Navy-Kreuzer mit einem Einsatzkommando der Sky-Cavalry.“

„Die erste gute Nachricht seit Langem“, seufzte Carmody. „Die Troopers von der Cav werden mit allem fertig. Ich hoffe nur, sie beeilen sich.“

„Hoch-Manager Adanaki meint, dass das Rettungskommando in spätestens zwölf Stunden abfahren wird.“

„Verdammt, dann dauert es rund zwei Tage, bis die hier eintreffen“, stellte Farnton fest. „Da kann ich nur hoffen, dass die Biester bis dahin nicht die Türen aufgebrochen haben.“

Kapitel 6

Nundagai Mainbase Helldoor

Suffren-12, inoffiziell als Wirbel-Welt oder Helldoor bezeichnet, war ein Phänomen, da der um den gesamten Planeten reichende Wirbelsturm nur an einer einzigen Stelle eine Landung erlaubte: im Auge. Wie bei einem Tornado handelte es sich um eine Zone absoluter Ruhe, die von den äußersten atmosphärischen Schichten bis zum Boden reichte. Dieses trichterförmige Areal besaß an seiner engsten Stelle, am Boden, einen Durchmesser von knapp zwanzig Kilometern. Das machte es für größere Raumschiffe sehr schwierig, dort zu landen, da sie beim langsamen Absteigen den relativ großen Kurven einer Landespirale folgen mussten und damit gefährlich nahe an den Rand des Auges gerieten. Die kleinen Fast Landing Vehicles verfügten hingegen über die Manövrierfähigkeit und die leistungsstarken Atmosphäretriebwerke, um eine risikofreie Landung durchzuführen.

Als die Nundagai Corporation die erste kleine Basis am Boden des Auges errichtet hatte und Geologenteams auf die überraschende Eigenschaft des grünen Hiromet stießen, bekam der Abbau auf der Wirbel-Welt höchste Priorität. Große Mengen an Material und das entsprechende Personal mussten auf den Planeten gebracht werden. Ein Pendelverkehr mit den FLVs erwies sich als aufwändig und wenig effektiv, so dass sich die Corporation zum Bau eines Sky-Hook entschloss.

Der Sky-Hook war, vereinfacht formuliert, ein großer Lasten- und Personenaufzug, der vom Boden des Planeten bis in den hohen Orbit hinaufführte, wo er in einer Raumstation endete. Dabei bestand der Sky-Hook aus einer massiven Verankerung im Planetenboden, einer motorbetriebenen und druckfesten Fahrkabine sowie einem zig Kilometer langen, nur armstarken Seil aus bruchfestem Spinnenstahl, der nicht nur eine gewisse Flexibilität aufwies, sondern mit Naniten durchsetzt war, welche entstehende Schäden sofort reparierten. Die Raumstation am oberen Ende war der entgegengesetzte Ankerpunkt. Rotation und Zentrifugalkraft von Suffren-12 sorgten dafür, dass der Sky-Hook stabil blieb. Nun legten die Schiffe der Corporation an der Station an, wurden dort ent- oder beladen und die Kabine des Sky-Hook sorgte für den Transport zwischen ihr und der Hauptbasis am Boden.

Die anfänglich kleine Basis war innerhalb eines einzigen Jahres auf beachtliche Weise gewachsen. Mehr als drei Dutzend Gebäude waren über eine Fläche von knapp zwanzig Quadratkilometern verteilt. Einige von ihnen wiesen eine Höhe von vier oder sogar fünf Stockwerken auf. In ihnen waren überwiegend Depots und Fabrikationsanlagen sowie die Energieerzeugung untergebracht. Alle wurden von einer durchsichtigen Kuppel überspannt und waren über dem Boden mit Hilfe transparenter Röhrengänge miteinander verbunden. Die Bauten besaßen Flachdächer, welche man zur Bepflanzung nutzte. Diese diente nicht nur der Versorgung mit natürlicher Atemluft, sondern war vor allem ein wesentlicher psychologischer Faktor für das Wohlbefinden der Menschen, denen die Nähe zum Wirbel kaum behagte. Kuppeln und Verbindungsgänge waren hell erleuchtet.

Zwischen den Kuppeln befanden sich Areale mit Stellflächen für Container und die Landefelder für die FLVs, die noch immer für den Transport größerer Güter verwendet wurden.

Im Zentrum der Anlage befand sich das sechsgeschossige Hauptgebäude. Auf ihm ragte ein gedrungener Turm auf, der die Druckkuppel zu durchstoßen schien. Er wurde von einer sechsseitigen Konstruktion gekrönt, in der sich das Kommunikationszentrum, die Zentrale der Hauptbasis und die Räume des Hoch-Managers befanden.

Hakiro Adanaki war ein Neffe von Hiro Yagatana und besaß dessen uneingeschränktes Vertrauen. Adanaki war sich seiner Verantwortung als Hoch-Manager von Suffren-12 bewusst und ebenso der Tatsache, dass sein Onkel nicht nur Produktivität und Gewinn erwartete, sondern vor allem Sicherheit und Verschwiegenheit. Adanaki sorgte mit hohen Gehaltszahlungen für zufriedene und schweigsame Angestellte und stützte sich zusätzlich auf die Männer und Frauen der Security.

 

Vor einer knappen halben Stunde war ein privates FLV gelandet und hatte einen einzelnen Passagier auf Helldoor abgesetzt. Einen Passagier, der sofort zu Adanaki geleitet wurde, da er ein beglaubigtes Schreiben des General-Managers vorwies.

Hakiro Adanaki empfing den Mann in seinem Büro. Es ähnelte dem seines Onkels auf dem Mars, auch wenn es kleiner und bescheidener eingerichtet war. Statt einer vollständigen Samurai-Rüstung beschränkte sich Adanaki auf einen einzelnen Helm, doch die Schwerter eines Kriegers fehlten nicht. Der Hoch-Manager gehörte zum Kreis jener, welche die Kunst des traditionellen Schwertkampfes beherrschten.

Hakiro war im mittleren Alter, schlank und in einen schlichten sandfarbenen Anzug gekleidet. Am kurzen Stehkragen schimmerte rötlich das Logo von Nundagai. Sein Besucher wirkte wesentlich auffälliger, da er die neueste Mode des Mars trug. Eine weiße Pluderhose zu türkisfarbenen Sandalen und ein türkisfarbenes Sakko, bei dem allerdings der kurze Stehkragen und der rechte Ärmel in kräftigem Rot schimmerten. Der Mann trug mehrere Fingerringe, eine massive Halskette und einen Ohrring, der, je nach Lichteinfall, die Farbe wechselte. Hätte er nicht die Beglaubigung seines Onkels besessen und über die geheimen Koordinaten der Basis verfügt, so hätte Adanaki ihn für einen überheblichen Dandy gehalten. Doch so übte er sich in höflicher Vorsicht und bot dem Gast Tee an.

„Kaffee wäre mir lieber“, gestand dieser. „Ich bin Chief Brandon von der Black COBRA. Wie Sie sicherlich schon wissen, hat Ihr Onkel unsere Organisation zu einer, äh, Rettungsmission verpflichtet. Ich bin vorausgeflogen, damit Sie mich in die örtlichen Gegebenheiten und aktuellen Ereignisse einweisen können. Mein Team dürfte in einer weiteren halben Stunde mit dem Sky-Hook eintreffen.“

Adanaki tippte an sein Implant. „Chief, kommen Sie bitte umgehend in mein Büro.“ Er wartete, bis ein schweigender Bediensteter dem Gast Kaffee gereicht hatte und nahm dann eine Schale Tee entgegen. „Chief Dellmann ist auf dem neuesten Stand“, erklärte er Brandon.

Brandon nickte lächelnd, wusste aber, dass dies nur ein Vorwand war. Adanaki wäre ein schlechter Hoch-Manager gewesen, wäre er nicht selbst über die aktuelle Sachlage informiert.

„Sie sind über das grundsätzliche Problem unterrichtet?“, erkundigte sich Adanaki.

„Durchaus. Immerhin wird in dieser Angelegenheit einer unserer Trupps vermisst. Ich kenne Sub-Chief Finnegan persönlich. Ein guter Mann, der umsichtig und vorsichtig ist. Da er und seine COBRAs nun ebenfalls vermisst werden, ist unsere Organisation selbst daran interessiert, diese Sache aufzuklären.“

In einer Geschäftsverhandlung hätte das Eingeständnis des eigenen Interesses zu einer Reduzierung der Vertragssumme führen können, doch dies brauchte Brandon nicht zu befürchten. Der Vertrag war bereits unterzeichnet.

„Darf ich fragen, was Sie von Sub-Chief Finnegan und seiner Gruppe unterscheidet?“

„Wir sind die wirklich harten Jungs“, behauptete Brandon und lächelte. „Oh, lassen Sie sich durch mein Äußeres nicht blenden. Im Einsatz trage ich eine andere Montur. Doch für den Aufenthalt auf dem Mars und den Flug hierher erschien mir ein modisches Erscheinungsbild unauffälliger. Niemand vermutet in so einem Outfit einen knallharten Kämpfer, nicht wahr?“

Adanaki lächelte sanft und fragte sich, ob das Eigenlob des Mannes wohl angemessen war. Immerhin würde die Black COBRA fähige Männer und Frauen entsenden, denn sie hatte Verluste erlitten. Wenn dies herauskam, und das würde es, war das nicht gut für die Aktiva der geheimen Organisation und nicht gut für den Ruf bei ihren speziellen Kunden. Irgendjemand musste sich irgendwann fragen, warum Finnegan und sein Team nirgends mehr in Erscheinung traten.

Brandon lehnte sich in den bequemen Lederpolstern zurück und nippte an seinem Kaffee. „Diese Niederlassung im Norden, Mining Facility 12, ist die einzige, auf der Leute verschwinden?“

„Sie verschwinden nicht nur“, kam es aus Richtung der Tür. Brandon wandte sich ihr zu und sah einen schlanken Mann mit schütterem Haar, der die Uniform der Nundagai-Security trug. „Sie werden angegriffen und getötet.“

„Security-Chief Dellmann, nehme ich an.“ Brandon nickte dem Mann zu. Adanaki deutete auf die Sitzgruppe und orderte eine Schale Tee für Dellmann. „Angegriffen und getötet? Ich dachte mir schon, dass es sich so verhält, aber Ihre Worte klingen ganz danach, als hätten Sie nun Beweise dafür.“

Dellmann schlug die Beine übereinander und faltete die Hände über dem Knie. „Der Manager von 12 hat sich gemeldet und erneut dringend um Hilfe gebeten. Eine Schicht seiner Kumpel wurde, wie er es sagte, von riesigen Kakerlaken attackiert und getötet.“

„Also eine Wanzenjagd“, brummte Brandon. „Haben die Angreifer Anzeichen von organisierter Intelligenz gezeigt? Werkzeuge? Waffen?“

„Nichts dergleichen. Sie drangen aus einem von ihnen gegrabenen Tunnel in einen Minenschacht ein, stürzten sich auf die Arbeiter und töteten sie. Der Manager von 12 berichtet, man hätte keinerlei Waffen beobachtet.“

Brandon sah Adanaki an. „Das nimmt Ihnen und Ihrem Onkel wohl eine erhebliche Sorge, nicht wahr? Der ehrenwerte Sensei Yagatana drückte seine Besorgnis aus, es könne sich um eine intelligente Lebensform handeln.“

Adanaki nickte bedächtig. „Was immer noch nicht ganz auszuschließen ist. Genau deshalb geht es bei Ihrem Einsatz nicht um eine schlichte Rettungsaktion oder ‚Wanzenjagd‘. Wir müssen ausschließen können, dass es sich um eine intelligente Lebensform handelt, die uns zur Räumung dieser Welt zwingen würde, sobald das Direktorat davon erfährt.“

„Das wird sich wohl nicht vermeiden lassen.“ Brandons Lächeln vertiefte sich. „Ihr Onkel eröffnete mir, dass Nundagai die Navy um Unterstützung gebeten hat.“

„Wir erwarten in Kürze einen Navy-Kreuzer und ein Kommando der Sky-Troopers“, bestätigte der Hoch-Manager.

„Die dem High-Command des Direktorats brühwarm berichten werden, wenn wir auf Intelligenzen stoßen.“ Brandon schüttelte missbilligend den Kopf. „Sie hätten die Sache uns COBRAs überlassen sollen, dann würde das Direktorat nichts erfahren.“

„Mein ehrenwerter Onkel entschied sich anders.“ Eigentlich war Adanaki Brandons Meinung, doch die Entscheidung des ehrenwerten Sensei in Zweifel zu ziehen, stand niemandem zu. „Wir müssen daher nach einer Lösung suchen, wie man verhindern kann, dass das Direktorat von fremden Intelligenzen erfährt, falls es sich um solche handelt.“

Security-Chief Dellmann legte die Arme auf die Rückenlehne seines Sitzes. „Wobei diese Lösung durchaus robust sein darf.“

Brandon wusste sehr genau, was man bei Nundagai unter „robust“ verstand. Gelegentlich hatten die COBRAs bereits selbst dafür gesorgt, dass ein Geheimnis auch ein Geheimnis blieb. „Wenn ich Sie richtig verstehe, dann wird meine Gruppe gemeinsam mit den Sky-Troopers eingesetzt.“ Er legte die Fingerspitzen der Hände aneinander. „Ich vermute, die Troopers sollen nach Möglichkeit nicht herausfinden, dass wir eine Kampftruppe sind oder täusche ich mich da?“

„Keineswegs. Es wäre wünschenswert, wenn Sie als Rettungsteam auftreten. Das ist ja auch die offizielle Begründung für Ihre Anwesenheit auf Suffren-12.“

„Meine Jungs und Mädels tragen alle die orangefarbenen leichten Druckanzüge mit dem blauen Dreieck der Katastrophenschutzeinheiten und sie sind natürlich auch in Bergungs- und Rettungsmaßnahmen ausgebildet. Dahingehend können wir die Troopers täuschen, zumal unsere Kampfausrüstung in den Transportbehältern verstaut ist. Schön, Mister Adanaki, reden wir nicht um den heißen Brei herum … Wie stellen Sie und Nundagai sich die Operation vor?“