Macht der tiefen Gefühle - Auf der Suche nach dir Gesamtsausgabe Band 1 - 3

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Macht der tiefen Gefühle - Auf der Suche nach dir Gesamtsausgabe Band 1 - 3
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Macht der tiefen Gefühle - Auf der Suche nach dir

Gesamtausgabe

Roman

Manuela Dehnert

Erstausgabe im 052017

Alle Rechte beim Verleger

Copyright © 2017

by Manuela Dehnert

Covergestaltung: Azraels Coverwelten

Druck: epubli, ein Service der Neopubli GmbH Berlin

Korrektorat/Lektorat: SKS-Heinen

Erstausgabe im 052017

Manuela Dehnert

c/o Papyrus Autorenclub

Pettenkofer Str. 16 - 18 in 10247 Berlin

http://www.facebook.com/ManuelaDehnertAutorin

http://manueladehnert.wordpress.com

Dieses eBook ist für Ihr persönliches Lesevergnügen lizenziert. Verkaufen Sie es nicht und geben Sie es nicht weiter. Wenn Sie dieses eBook mit anderen Leuten teilen möchten, kaufen Sie bitte eine weitere Kopie für jeden Betroffenen. Wenn Sie dieses eBook lesen und es nicht gekauft haben, dann kaufen Sie bitte Ihre eigene Kopie. Um es leicht möglich zu machen, hat das Werk einen moderaten Preis. Wir danken Ihnen, dass Sie die umfangreiche Arbeit von Autor und Verlag respektieren.

Inhalt

  Wie vor sechs Jahren alles begann

  Kapitel 1

  Kapitel 2

  Kapitel 3

  Kapitel 4

  Kapitel 5

  Kapitel 6

  Kapitel 7

  Kapitel 8

  Kapitel 9

  Kapitel 10

  Kapitel 11

  Kapitel 12

  Kapitel 13

  Kapitel 14

  Kapitel 15

  Kapitel 16

  Kapitel 17

  Kapitel 18

  Kapitel 19

  Kapitel 20

  Kapitel 21

  Kapitel 22

  Kapitel 23

  Kapitel 24

  Kapitel 25

  Kapitel 26

  Kapitel 27

  Kapitel 28

  Kapitel 29

  Kapitel 30

  Kapitel 31

  Kapitel 32

  Kapitel 33

  Kapitel 34

  Kapitel 35

  Kapitel 36

  Kapitel 37

  Kapitel 38

  Kapitel 39

  Kapitel 40

  Kapitel 41

  Kapitel 42

  Kapitel 43

  Kapitel 44

  Kapitel 45

  Kapitel 46

  Kapitel 47

  Kapitel 48

  Kapitel 49

  Kapitel 50

  Kapitel 51

  Kapitel 52

  Kapitel 53

  Epilog

  Widmung

  Anmerkung

  Über die Autorin

  Impressum

  Bereits erschienen Band 1

  Bereits erschienen Band 2

  Bereits erschienen Band 3

Wie vor sechs Jahren alles begann

Stundenlang lag sie da und ließ das Leben an sich vorbeirauschen. Sie verstand die Welt nicht mehr und konnte sich nicht erklären, wohin Stefano verschwunden war.

Er konnte doch nicht einfach so vom Erdboden verschwunden sein. Irgendjemand musste doch wissen, wo er war. Wieso konnte sie ihn nirgendwo finden? Wenn ihm nun etwas zugestoßen war?

Sie kam nur noch zu den wichtigsten Mahlzeiten aus ihrem Zimmer und auch sonst hatte sie keinen Spaß mehr an ihrem Leben. Die Welt war über ihr zusammengebrochen.

Jeden Stein hatte sie hier in der Gegend umgedreht, um ihn zu finden. Sie hatte ihre Familie gebeten, ihr auf der Suche behilflich zu sein, doch auch sie konnten ihn nicht finden. Es schien aussichtslos. Er war einfach weg – wie vom Erdboden verschwunden. Ohne ein Wort, ohne ein paar Zeilen – einfach so von jetzt auf gleich.

Für Sophia brach eine Welt zusammen. Es musste etwas Schreckliches passiert sein. Er hätte sie doch niemals so zurückgelassen. Dafür hatten sie sich viel zu sehr geliebt. Sophia war verzweifelt. In wenigen Wochen würde ihr Studium in Mailand beginnen und ihr stand ganz und gar nicht der Sinn nach Studieren.

Ihre Gedanken kreisten viel zu sehr um Stefano. Wo zum Teufel war er nur? Sie lag die meiste Zeit auf dem Sofa in ihrem Zimmer und weinte sich die Augen aus. Auch ihre beiden Brüder vermochten sie nicht zu trösten. Sophia vergrub sich und zog sich von den Geschehnissen um sie herum zurück.

Sie verbrachte fast ihre komplette Zeit mit der Suche nach Anhaltspunkten. Immer und immer wieder klammerte sie sich an einen Funken Hoffnung und wollte nicht erkennen, dass es aussichtslos war, ihn zu finden. Alles sah danach aus, als hätte er sein Verschwinden minuziös geplant und wollte nicht gefunden werden.

Nach ihrem Umzug nach Mailand war Sophia ein wenig abgelenkt. Sie war die meiste Zeit damit beschäftigt, sich über das Chaos und die Unordentlichkeit ihres Schrankpartners Alessandro an der Universität aufzuregen, was sie auf andere Gedanken brachte. Nach und nach kam sie mit ihm ins Gespräch. Sie hatte das eigenartige Gefühl, ihm ihr Herz ausschütten zu können, und nach und nach kamen sich die beiden näher.

Er hörte ihr zu und war immer für sie da. Sie gefiel ihm sehr und er empfand sehr viel für die hübsche Sophia, doch noch saß ihr Schmerz über den Verlust ihrer großen Liebe viel zu tief, als dass er sich ihr anvertrauen konnte.

Ihre Wege kreuzten sich immer öfter und irgendwann nahm er sich ein Herz und lud sie ins Theater oder ins Kino ein, spendierte ihr ein Eis oder fuhr mit ihr mal raus aufs Land und machte einen Ausflug als Ausgleich zum stressigen Studium.

 

Nach und nach öffnete Sophia ihm ihr Herz und es kam vor, dass sie ihre Suche nicht mehr so intensiv ausführte. Sie gab irgendwann resigniert auf und widmete sich mehr und mehr ihrem Studium und ihrem eigenen Leben.

Eines Tages stellte sie fest, dass sie sich in Alessandro verliebt hatte. Sie konnte es selbst kaum glauben, aber es war tatsächlich geschehen. Durch seine aufmerksame, rücksichtsvolle und charmante Art war es ihm über die Monate hinweg gelungen, ihr Herz zu erobern.

Einen letzten Versuch startete Sophia noch, um nach Stefano zu suchen. Als auch dieser Versuch zu keinem Ergebnis führte, gab sie resigniert auf und schenkte all ihre Aufmerksamkeit Alessandro. Er machte ihr Komplimente, war aufmerksam und immer für sie da, wenn sie ihn brauchte. Er war wie eine beste Freundin für sie, mit der sie über alles reden konnte.

So vergingen die Jahre des Studiums. Nur hin und wieder an besonderen Festtagen, an Weihnachten oder Geburtstagen dachte sie noch an Stefano und sein plötzliches Verschwinden.

Doch was sollte sie tun, sie hatte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um ihn zu finden, doch alles blieb erfolglos. Sie hatte viele Monate mit der Trauer über seinen Verlust verbracht.

Fast ein Jahr hatte es gedauert, bis sie Alessandro ihr Herz öffnen konnte und anfing, ihm ihr Vertrauen zu schenken. Sie glaubte, sie könnte sich nie wieder in jemanden verlieben. Viel zu groß war der Schmerz.

Doch nun war es einfach so geschehen und sie war immer noch unsicher und skeptisch, ob sie tatsächlich das Richtige tat.

Das Ende ihres gemeinsamen Studiums rückte näher und Alessandro bekam ein Angebot, in Venedig am Theater zu arbeiten. Er wollte Sophia gerne in seiner Nähe haben und wagte einen großen Schritt. Also fasste er sich ein Herz und fragte sie, ob sie mit ihm kommen wollte. Er wollte gerne mit ihr gemeinsam in eine Wohnung ziehen und sich mit ihr eine gemeinsame Zukunft aufbauen.

Auch Sophia konnte sich nach Wochen der Unsicherheit mittlerweile ganz gut vorstellen, diesen Schritt mit ihm zu wagen. Was hatte sie zu verlieren? Sie war froh, dass das Glück in ihr Leben zurückgekehrt war, und suchte auch für sich eine Anstellung in Venedig. Nach einigem Suchen fand sie auch einen guten Job in einem Reisebüro. Es war genau das, was sie sich vorgestellt hatte. Sie war glücklich.

Mittlerweile waren sie schon seit vier Jahren zusammen, wohnten zwar noch nicht in einer gemeinsamen Wohnung, aber verbrachten fast ihre komplette Freizeit miteinander.

Sie schlugen sich die Nächte mal in seiner Studentenbude, mal in ihrer um die Ohren, je nach Laune. Anfangs konnte sich Sophia nur schwer daran gewöhnen, dass Alessandro ständig von weiblichen Studentinnen umschwärmt und förmlich belagert wurde.

Sie fand es lästig und konnte sich nicht vorstellen, dass ein Schönling wie er sich tatsächlich ernsthaft für sie interessierte, wo sie doch so voller Zweifel und Trauer war und ihm die meiste Zeit die Ohren vollheulte wegen eines anderen. Doch irgendwie war es ihm gelungen, ihr Herz zu erobern und seine Ernsthaftigkeit zu beweisen. Abends lagen sie oft gemeinsam auf der Couch vor dem Fernseher und sahen sich irgendwelche kitschigen Filme an oder kochten gemeinsam oder gingen aus.

Der Umzug nach Venedig verlief ohne Probleme und ohne großen Aufwand. Sie zogen in ein kleines, wunderschönes Appartement und ihr Glück war perfekt. Sie sprachen sogar davon, in ein paar Jahren zu heiraten und eine Familie zu gründen.

Alessandro trat seine Anstellung am Theater an und Sophia bekam den Job im Reisebüro. Dort lernte sie Maria kennen und schon nach kurzer Zeit wurde diese ihre beste Freundin. Die beiden Frauen waren sich in vielen Dingen ähnlich und hatten auch noch ein paar andere Gemeinsamkeiten.

Maria unterstützte Sophia in den ersten Wochen sehr und zeigte ihr die wichtigsten Ecken in der Stadt und die angesagten Restaurants. Maria hatte für fast alles eine Lösung und auch Paolo, ihr Chef, war mit Sophia schon nach kurzer Zeit sehr zufrieden und übertrug ihr die Leitung des Reisebüros, damit er sich anderen Aufgaben widmen konnte.

So vergingen nunmehr zwei Jahre. Etwas mehr als fünf Jahre waren Sophia und Alessandro schon ein Paar. Gemeinsame Freizeit mit Alessandro war inzwischen für Sophia etwas sehr Kostbares geworden, denn sie war beruflich stark eingebunden.

Aber zurzeit ließ sich daran nicht viel ändern. Nun stand auch noch diese Weiterbildung an, an der sie unbedingt teilnehmen musste. So kam es, dass sie Alessandro für ein paar Tage alleine lassen musste.

Noch konnte sie nicht ahnen, dass sie ihre schlimmsten Befürchtungen und Ängste einholen würden. Alles schien sich zu wiederholen.

Kapitel 1

An einem so wunderschönen Tag wie heute spazierte Sophia mit einem Eis in der Hand durch die schmalen Gassen von Venedig. Die Sonne schien auf ihre Haut und eine leichte Brise wehte durch ihre langen braunen Haare, um die sie viele ihrer Freundinnen beneideten. Die dunklen Haare passten sehr gut zu ihren braunen Augen. Ihr immer leicht gebräunter Teint verlieh ihrer schlanken Erscheinung noch mehr Ausstrahlung.

Jetzt, in ihrer Mittagspause, wollte sie in aller Ruhe durch die Gassen Venedigs bummeln und sich ein wenig die Zeit vertreiben. Venedig, nach ihrem Studium war sie gemeinsam mit Alessandro hierhergezogen in ein kleines Appartement. Wie sehr hatte sie sich darüber gefreut. Sie liebte die Stadt mit dem besonderen Flair von Anfang an. Die engen Gassen und die große Piazza San Marco mit ihrer Weitläufigkeit mochte sie ganz besonders.

Sie lief über den Markusplatz, vorbei an der Basilica bis hin zur Calle Laga San Marco, wo sich auch das kleine Reisebüro befand, in dem sie seit nunmehr fast zwei Jahren arbeitete. Der Ansturm im Laden war in den letzten Wochen groß gewesen, da die Ferien vor der Tür standen und alle noch einen schönen Platz in der Ferne oder unter Palmen in fremden Ländern haben wollten.

Sie liebte ihren Job im Reisebüro und war froh, dass sie hier gleich so viel Verantwortung übernehmen konnte. Weitestgehend war sie alleine für alle Vorgänge verantwortlich und musste nur hin und wieder Paolo, ihrem Chef, die Zahlen offen legen und ihm berichten, wie es lief und ob es Probleme gegeben hatte. Sie kam gut mit ihrer Kollegin Maria aus, die zwischenzeitlich ihre beste Freundin geworden war.

Sophia wusste noch nicht, ob und wohin es sie in diesem Jahr überhaupt verschlagen sollte. Die meiste Arbeit war im Reisebüro an ihr hängen geblieben und sie hatte sehr viele Überstunden gemacht, um alles im Griff zu behalten. Ihre Beziehung zu Alessandro war dabei auf der Strecke geblieben. Doch was sollte sie tun? Maria versuchte, so gut es ging, ihr zu helfen. Sie hatte ein paar zusätzliche Arbeiten im Büro übernommen.

Die gemeinsamen Abende, die die beiden hin und wieder verbrachten, waren in dieser Zeit immer seltener geworden. Sophia war froh, wenn sie es schaffte, mit Alessandro mal einen Abend gemeinsam zu verbringen, ohne vor Erschöpfung einzuschlafen. Ihr Gewissen hatte sie deswegen schon des Öfteren gequält, aber es ging zurzeit nicht anders.

Eines Abends, es war Ende April, als sie müde von der Arbeit nach einem langen Tag nach Hause gekommen war, fand sie einen Zettel von Alessandro auf dem Küchentisch. Sie hatte gerade diese anstrengende Weiterbildung hinter sich gebracht und traute nun ihren Augen nicht. Was hatte das zu bedeuten?

Das konnte unmöglich wahr sein. Wie gelähmt stand sie da und starrte auf das Blatt Papier. Tränen sammelten sich in ihren Augen und sie konnte nicht viel sehen. Ihr Herz schlug wie wild in ihrer Brust. Alessandro schrieb nie einen Brief. Wenn, dann rief er an oder schickte eine SMS. Nach einem kurzen Moment sammelte sie sich und versuchte, die Zeilen zu lesen.

Hallo Sophia,

mach dir keine Sorgen und warte nicht auf mich. Meine Sachen hole ich in ein paar Tagen.

Ich will dir nicht wehtun, aber ich habe mich in eine andere verliebt. Nein, es ist nicht nur ein Flirt. Ich mag dich sehr, aber ich liebe dich nicht mehr.

Ich weiß, das ist feige von mir, aber bitte versuch, mich zu verstehen. Wir hatten eine schöne Zeit.

Alles Gute, Alessandro

Zuerst dachte Sophia an einen schlechten Scherz, schließlich war sie seit mehr als fünf Jahren mit ihm zusammen und sie waren glücklich und harmonierten sehr miteinander.

Irgendwann wollten sie sogar heiraten. Sollte sie so blind gewesen sein und das alles vor lauter Arbeit nicht bemerkt haben? Oder hatte sie es nur verdrängt? Aber andererseits machte man mit so etwas keine Scherze.

Dann überkam sie die Wut und sie warf die Vase, es war das Erstbeste, was ihr in die Quere kam, mit voller Wucht auf den Boden und stieß einen wütenden Schrei aus. Sie sackte zusammen und setzte sich auf den Boden und weinte.

Sie waren das perfekte Paar, nur dass sie hin und wieder nicht genügend Zeit füreinander hatten, da beide beruflich sehr eingespannt waren. Alessandro arbeitete am Theater und war oft an den Abenden nicht da. Tagsüber waren Proben und Sophia hatte sich sehr im Laden engagiert. So sahen sie sich relativ selten.

Sophia hatte von Männern mit ihren Lügen und Liebesschwüren erst einmal die Nase voll und stürzte sich in ihre Arbeit.

Nur schwer gewöhnte sie sich daran, dass die linke Seite des Bettes leer war. Immer, wenn sie morgens erwachte, blieb ihr Blick dort hängen. Doch Woche um Woche verging und nach und nach kam ihre Lebensfreude zurück, auch wenn sie Alessandro ab und zu vermisste. Um ehrlich zu sein, verging kein Tag, an dem sie nicht an ihn dachte. Alles in ihrer gemeinsamen Wohnung erinnerte sie an ihn. Warum hatte er ihr das nur angetan? Schließlich hatten sie sich einmal geliebt, aber DAS, was er sich jetzt geleistet hatte, konnte sie ihm auf keinen Fall verzeihen. Sie war viel zu verletzt. Sie könnte ihm nie wieder vertrauen. Es war so, als riss man ihr das Herz bei vollem Bewusstsein aus der Brust und trat darauf herum, um es dann achtlos wegzuwerfen.

Ihr Stolz hinderte sie wieder einmal daran über ihren Schatten zu springen und ihn anzurufen. Sie wollte ihn fragen, was er sich dabei gedacht hatte. Sie hatte anfangs bereits ein paar Mal versucht, ihn anzurufen, gab dann aber auf und war zu stolz, als sie bemerkte, dass er sie wegdrückte. Sie lauerte ihm am Theater auf, um ihm eine Szene zu machen. Doch dort hatte sie ihn nicht angetroffen.

Irgendwann gab sie frustriert auf. Doch jetzt, jetzt tat sie nichts – gar nichts. Sie litt still vor sich hin.

Sie hatte gehofft, dass er noch einmal das Gespräch mit ihr suchen würde. In den ersten Wochen hatte sie es versucht und ihm auch eine Nachricht geschickt. Er ignorierte sie. Sie wusste genau, sie hätte sich aufgeführt wie eine Furie, wenn sie ihn hätte zur Rede stellen können. Dann hätte sie sich mit Sicherheit nicht unter Kontrolle gehabt. Das wollte sie sich nicht antun. Sie fühlte sich einsam.

Anfangs war sie wütend. Wütend auf ihn, auf sich, wütend darüber, dass sie nichts bemerkt hatte und darüber, sich so in ihm getäuscht zu haben.

Ihrer Kollegin und besten Freundin Maria schüttete sie ihr Herz aus. Maria war im gleichen Alter wie Sophia, auch neunundzwanzig. Sie wohnten in derselben Gegend und verbrachten durch ihren Job sehr viel Zeit miteinander.

Sophia vertraute ihr. Maria war auch Single. Sie hatten viele Gemeinsamkeiten, daher verbrachten sie einen Teil ihrer Freizeit zusammen.

Paolo, ihr Chef, war vor geraumer Zeit sehr an ihr interessiert gewesen, aber darüber sprach sie nicht gerne. Einmal hatte sie erzählt, dass er ihr Avancen gemacht hätte. Doch mehr hatte sie nicht verraten.

Als Sophia damals ihren Job hier angetreten hatte, war es Maria gewesen, die ihr unter die Arme gegriffen und sie willkommen geheißen hatte. Sophia war neu in der Stadt gewesen und Maria hatte ihr verraten, wo sie vieles günstig bekommen konnte, und hatte ihr auch sonst bei allen Fragen geholfen, die sie so gehabt hatte.

In den Pausen oder nach Feierabend waren sie öfter zusammen essen gegangen und so hatte sich schnell eine Verbundenheit entwickelt. Die beiden fühlten sich von Anfang an wohl miteinander. Manchmal verstanden sie sich ohne viele Worte. Sie konnten über alles reden. Das hatte sie zusammengeschweißt.

 

Mittlerweile hatten sie sogar ein gemeinsames Lieblingsrestaurant. Am Abend wollten die Frauen dorthin gehen, in eine Osteria am Canal Grande. Dort konnten sie ausgiebig plaudern und bei einem guten Schluck Wein den Alltag vergessen.

Auf der Terrasse des Lokals hatte man eine herrliche Aussicht – man konnte einen Blick auf den Markt erhaschen und auf der einen Seite hatte man freie Sicht auf den Canal Grande.

Luigis Essen war umwerfend. Das Ambiente war ein Traum. Die in zartem Gelb, Weiß und Orange angeputzten Häuser fügten sich perfekt in die Landschaft ein.

Man konnte das bunte Treiben auf dem Markt beobachten, aber auch die Gondoliere sehen, die den Canal entlangfuhren.

Draußen auf der Terrasse waren die weißen Tische und Stühle für maximal vier Personen liebevoll mit einer weinroten Tischdecke und frischen Blumen dekoriert worden.

Laternen umsäumten den Rand der Terrasse, sodass das Licht am Abend für eine romantische Stimmung sorgte. Sophia liebte es und Luigis italienische Spezialitäten.

Im Innenbereich der Osteria war alles in einem zarten Altrosa gehalten. Es harmonierte sehr schön mit den hellen Möbeln. Auch hier hatte man viel Wert auf das Ambiente gelegt. Das Lokal lud zum Verweilen ein. Alle Tische waren eingedeckt und warteten auf ihre Gäste.

Maria hatte in den letzten Wochen nur selten Zeit gehabt, wenn Sophia sie gefragt hatte, ob sie gemeinsam etwas unternehmen wollten. Das war schade. Wie sehr genoss sie die lustigen Abende, die sie miteinander verbrachten.

Zurück im Laden warf sie ihre Handtasche auf den Stuhl in der Ecke und nahm das Kleid, das sie sich nach dem Essen in einer kleinen Boutique gekauft hatte. Auf dem Weg zum Laden hatte sie es aus der Tüte geholt, um es Maria zu zeigen.

Es war ein wunderschönes, leichtes Sommerkleid – und das leuchtende Rot erinnerte sie an ihren ersten Kuss in der Grotte auf Sizilien.

»Daran konnte ich nicht vorbeigehen.«

»Zieh es mal an«, erwiderte Maria.

»Heute Abend, nicht jetzt«, lachte Sophia und nahm beschwingt wieder ihren Platz an dem kleinen Schreibtisch vor dem Fenster ein. Heute war sie gut gelaunt und sprühte nur so vor Energie. Es lag noch eine Menge Arbeit auf dem Tisch und sie machte sich gleich ans Werk.

»Oh, was zieh ich denn dann heute an? Ist irgendetwas passiert, das ich wissen sollte?«, fragte Maria erstaunt.

Sophia lachte und sagte: »Nein, nichts Besonderes. Alles wie immer. Ich habe heute nur Lust dazu, mich mal wieder richtig hübsch zu machen.«

»Ach so«, erwiderte Maria. »Aber du bist hübsch«, fügte sie entrüstet hinzu, denn sie konnte nicht verstehen, warum Sophia daran zweifelte.

»Vielleicht – vielleicht aber auch nicht genug«, setzte Sophia nach.

Sie erntete ein Stirnrunzeln von Maria und ein irritiertes Kopfschütteln. Sophia war sich da in den letzten Wochen gar nicht so sicher, ob sie überhaupt hübsch genug war.

Dann machten sich beide wieder an die Arbeit. Ein paar Stunden lagen noch vor ihnen, dann würden auch sie den Feierabend genießen können.

Die Zeit verging wie im Fluge und einige nette Kunden buchten ihre Traumreise bei Sophia. Kurz vor Feierabend hatte sie noch ein paar Minuten Zeit, sich die Reisen in den neuen Katalogen ein bisschen näher anzugucken.

»Vielleicht sollte ich eine Auszeit nehmen und ganz weit weg fliegen, um auf andere Gedanken zu kommen«, murmelte Sophia vor sich hin.

»Das ist eine gute Idee, aber ganz alleine? Meinst du nicht, das ist zu gefährlich?«, erwiderte Maria.

»Du könntest mitkommen. Wie wäre das?«

Völlig überrascht und ein wenig überfordert wimmelte Maria ab.

»Einer muss sich doch um den Laden kümmern, wenn du dir die Sonne auf den Bauch scheinen lässt. Das geht leider nicht«, erwiderte Maria kurz, aber entschlossen.

»Da hast du recht, schade«, antwortete sie leise.

Sophia hing schon wieder ihren Träumen nach. Sie fühlte sich gut bei dem Gedanken an einen schönen Urlaub und ihr Bauchgefühl täuschte sie selten.

Sie blätterte durch den großen druckfrischen Katalog und blieb auf Seite fünfzehn hängen. Dominikanische Republik stand in weißen Lettern am oberen Rand geschrieben und die Palmen, der schneeweiße Strand und das kristallklare Wasser weckten das Fernweh in ihr.

Ein Seufzer entrann ihrer Brust und sie stellte sich vor, wie es sich anfühlte, den warmen Sand unter ihren Füßen zu spüren. Die Fotos versprachen ein Paradies. Sophia geriet ins Schwärmen.

Hier hatte sie als Kind immer schon einmal hingewollt, aber dafür hatte immer das Geld gefehlt.

Sophia hatte damals gemeinsam mit ihrer Familie in einem kleinen Fischerdorf auf Sizilien in normalen, bescheidenen Verhältnissen gelebt.

Früh hatte sie gelernt, das Geld zusammenzuhalten. Sie war nicht geizig, aber sie war sparsam und gab ihr Geld nicht unüberlegt aus.

Nach ihrem Schulabschluss arbeitete sie ein paar Jahre im Restaurant ihrer Eltern mit. Sie hatte sich Zeit lassen wollen, bis sie anfangen wollte zu studieren. Später war sie nach Mailand gegangen, wo sie Tourismus studierte. Sie hatte dort Alessandro kennen und lieben gelernt.

Sie hatte eine Schwäche für Künstler und hatte ihn schon damals faszinierend gefunden, obwohl er vier Jahre älter war als sie. Instinktiv hatte sie geahnt, dass sie sich an ihm die Finger verbrennen würde, doch das hatte sie nach all der düsteren Zeit, die sie verbracht hatte, beiseitegeschoben. Sie dachte nach all der Zeit darüber nicht mehr weiter nach.

Sie war endlich wieder verliebt gewesen. Sie war sich so sicher gewesen. Das musste Liebe sein. Sie hatte gedacht, sie könnte sich nie wieder verlieben. Hatte sie doch noch ein Jahr bevor sie Alessandro kennenlernte, den Glauben an die Liebe verloren. Es hatte ihr das Herz zerrissen und sie war ein ganzes Jahr lang am Boden zerstört gewesen, bis sie Alessandro traf und langsam das Glück in ihr Leben zurückkehrte.

Er, der braun gebrannte, gut aussehende Typ, der Schwarm vieler Studentinnen, hatte sich für sie interessiert. Er hatte so wunderschöne braune Augen, in denen man versinken konnte, wenn man nicht aufpasste.

Seine dunkelbraunen welligen Haare umrahmten sein makelloses Gesicht. Er war Kunststudent gewesen, als sie ihn kennengelernt hatte. Sie konnte sich ein Leben ohne ihn schon nach kurzer Zeit nicht mehr vorstellen. Er hatte ihr Komplimente gemacht und war auch so sehr aufmerksam gewesen. Nichts hatte darauf hingedeutet, dass etwas in ihrer Beziehung nicht stimmte.

Sophia sah sich die palmenumsäumten Sandstrände mit ihrem türkisblauen Wasser an und schaute spaßeshalber im Computer nach, ob in dem Hotel überhaupt ein Platz frei wäre und ob es noch Flüge gäbe.

Sie tippte das Reiseziel Karibik ein und den Namen des ausgesuchten Hotels auf der Halbinsel Samana. Der Computer arbeitete und sie traute ihren Augen kaum, als sie angezeigt bekam, dass es tatsächlich noch wenige freie Kapazitäten gab. Sie konnte in drei Wochen losfliegen.

Die Versuchung war groß. Da erinnerte sie sich an einen Satz, den ihre Großmutter oft gesagt hatte, und sie musste lachen.

Versuchungen sollte man nachgeben, wenn es sich lohnt, denn man weiß nie, ob sie wiederkommen.

Maria hatte zwischenzeitlich ihren Schreibtisch verlassen und so fasste Sophia einen Entschluss: Sie würde ihren Chef Paolo anrufen, der in Mailand noch ein Geschäft leitete, in dem er sich jetzt die meiste Zeit aufhielt, und ihn um ein paar freie Tage bitten.

Sie hörte das vertraute Tuten und hoffte, Paolo würde da sein. Bereits nach dem ersten Ton des Freizeichens nahm er den Hörer ab.

»Paolo Reisen hier, Buongiorno«, meldete er sich.

»Hi Paolo, hier ist Sophia aus Venedig.«

»Hi Sophia. Das ist eine Überraschung. Was gibt es denn?«

»Ich wollte fragen, ob du mich ein Weilchen entbehren kannst? Ich würde gerne, wenn es geht, im Juli eine Auszeit nehmen, etwas Urlaub machen und auch sehr gerne mal wieder meine Familie auf Sizilien besuchen«, sagte sie vorsichtig.

Paolo hatte schon des Öfteren zu ihr gesagt, dass sie sich doch mal frei nehmen solle, um auf andere Gedanken zu kommen. Schließlich hatte sie im vergangenen Jahr nicht einen Tag Urlaub gemacht. Sie hatte ständig nur gearbeitet, um den Laden nach vorn zu bringen.

Alessandro hatte während der Spielzeit keinen Tag frei bekommen und alleine hatte sie nicht fahren wollen. Also war sie die ganze Zeit arbeiten gegangen. Sie hatte Spaß daran, doch jetzt brauchte sie eine Pause.

»Sophia, nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst. Du weißt, ich schätze dich sehr. Aber am nützlichsten bist du für uns, wenn es dir wieder gut geht. Sag mir nur Bescheid, wie lange du weg bist, damit ich alles organisieren kann für den Laden. Ich werde dich dann solange vertreten«, redete Paolo ihr zu.

»Vielen Dank, Paolo. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Das ist wirklich nett. Die Erholung habe ich bitternötig. Ich war lange nicht bei meiner Familie.«

»Die Familie ist wichtig, Sophia, aber vielleicht solltest du dich auch mal in einem schönen Hotel verwöhnen lassen. Bei der Familie kannst du mit Sicherheit nicht so gut entspannen. Was hältst du davon?«

»Daran habe ich auch schon gedacht, hätte es aber vermessen gefunden, danach zu fragen. Ich hab auch schon ein schönes Hotel in der Karibik gefunden.«

»Das ist völlig okay, also sagen wir einen Monat Erholung und eine Woche Familie. Dann sichere dir das. Du tust das für dich. Es ist völlig in Ordnung. Das wird dir guttun und du hast dir das verdient. Wir werden dich zwar vermissen, aber du hast den Laden sehr nach vorne gebracht. Sieh es als Dankeschön.«

»Ja, das wäre toll! Aber nur, wenn es keine Umstände bereitet. Ist das wirklich okay? Es ist mitten in der Saison«, fragte sie noch einmal nach.

»Ja, es ist wirklich kein Problem. Du hast auch noch deinen ganzen Urlaub vom vergangenen Jahr. Irgendwann musst du ihn nehmen. Ich kann ihn dir unmöglich komplett auszahlen. Du brauchst auch Erholung«, lachte Paolo am anderen Ende der Leitung.

»Oh Wahnsinn. Danke, danke, vielen Dank, Paolo. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue«, sagte Sophia aufgeregt. Sie war den Tränen nah.

»Na dann sichere dir den Platz und erhole dich gut. Ciao Sophia«, sagte Paolo noch zur Verabschiedung.

»Ja, das mach ich. Ciao Paolo.«

Sophia, die immer noch alleine im Laden war, legte den Hörer auf und stieß einen kurzen Freudenschrei aus.

Sie wandte sich ihrem Bildschirm zu und drückte auf BUCHEN. Jetzt war alles unter Dach und Fach. Jetzt gab es kein Zurück mehr.

Karibik, vier Wochen, ich muss total verrückt sein, dachte sie. Sie konnte es immer noch nicht fassen, dass sie es tatsächlich getan hatte.

Maria kam gerade von der Toilette zurück, als sie einen spitzen Schrei vernahm und aus Angst, es könnte etwas passiert sein, zurück in den Kundenbereich eilte.

»Was ist denn los? Hast du mich vielleicht erschreckt!«, sagte sie aufgebracht.

»Ha, du wirst es nicht glauben. Ich habe es tatsächlich getan«, freute sich Sophia.

»Was denn? Was hast du getan?«, wollte Maria nun ganz genau wissen, denn sie konnte noch immer nichts mit Sophias Bemerkungen anfangen.

»Ich habe endlich Urlaub gebucht und rate mal wohin«, erzählte sie aufgeregt.

»Ich weiß nicht. Mach es doch nicht so spannend. Erzähl schon!«

»Karibik – vier Wochen«, platzte es aus ihr heraus.

»Was? Vier Wochen?«, fragte Maria entsetzt und wurde blass.

»Allerdings.«

»Du kannst mich doch hier nicht alleine lassen und vor allem so lange«, jammerte Maria.