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II. Die Optionsgeschäfte

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Von den Festgeschäften sind die Optionsgeschäfte zu unterscheiden. Der Handel mit Warenterminoptionen ist dem Direktgeschäft quasi „aufgepfropft“[32]. Bei der auch als bedingtes Termingeschäft bezeichneten Variante erhält der Anleger (Wähler oder Optionsberechtigter), wenn das Basisobjekt (Underlying Asset) ein Terminkontrakt ist, nur ein Anrecht (keine Pflicht) zu (europäische Optionsform)[33] oder bis zu (amerikanische Optionsform)[34] einem bestimmten Zeitpunkt (Verfallsdatum = Expiration Date) zu festgelegten Konditionen (Basispreis oder Strike Price) einen Verkauf- (dann Put-Option) oder Kaufvertrag (dann Call-Option) mit dem Verkäufer (Stillhalter) abzuschließen (primäres Optionsgeschäft[35] ).[36] Demgegenüber sind Sekundärgeschäfte der Verkauf, der Rückkauf oder die Aufhebung eines bereits begründeten Optionsrechts.[37] In diesem Sekundärmarkt, bei dem im Rahmen des Optionshandels das Optionsrecht selbst einziges Handelsobjekt ist, kann der Optionsrechtsinhaber sein Engagement durch Veräußerung des Optionsrechts und der Stillhalter seine Position durch Rückkauf des Optionsrechtrechts glattstellen.[38]

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Optionen können nach dem zugrunde liegenden Markt der Basiswerte unterschieden werden. Bei einer Terminmarktposition handelt es sich um eine Option auf Futures, bei einer Kassamarktposition hingegen um eine Kassaoption.[39] Untergliedert man Kassaoptionen wiederum nach deren zugrunde liegenden Basiswert, so gibt es Warenoptionen zum Beispiel auf Getreide oder Edelmetalle und Finanzoptionen zum Beispiel auf Aktien, Devisen oder Aktienindizes.[40]

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Für das Recht aus dem primären Optionsgeschäft zahlt der Anleger einen Preis, der Prämie oder auch Bindungsgeld[41] genannt wird und mit deren Zahlung verloren ist.[42] Die Optionsprämie setzt sich zusammen aus dem inneren und dem Zeitwert.[43] Der innere Wert ist der Unterschied zwischen dem Basispreis der Option und dem aktuellen Kurs. Der Zeitwert entspricht dem Betrag, um den der Kurs einer Option ihren inneren Wert übersteigt.[44] Die Option lässt sich auf nächster Stufe nochmals anhand des inneren Wertes aufgliedern. So ist die Option „In-the-Money“, wenn der aktuelle Kurs des Basiswerts über dem Basispreis, „Out-of-Money“, wenn der Basiswert unter („Call“) respektive über („Put“) dem vereinbarten Basispreis liegt und „At-the-Money“, wenn der Basispreis dem aktuellen Kurs des Basiswertes entspricht, wobei die letzteren Beiden keinen inneren Wert mehr besitzen.[45] Die üblicherweise sofort bei Vertragsschluss zu zahlende Optionsprämie stellt für den Käufer von Optionen die obere Grenze des Verlustes bei einer Option dar.[46] Unüberschaubar ist demgegenüber allerdings das Verlustrisiko des Verkäufers einer Option, da er im Falle der Glattstellung den Basiswert kaufen respektive verkaufen muss.[47] Eine Nachschusspflicht besteht hier nicht.[48] Ein Optionsgeschäft kann entweder durch physische Lieferung des Basiswerts durch einen Barausgleich erfüllt werden.[49]

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Rechnet der Anleger mit einem Kursanstieg, erwirbt er eine Kaufoption.[50] Mit ihr bekommt er das Recht, innerhalb der Optionslaufzeit einen entsprechenden Warenterminkontrakt („Long“) zum Basispreis zu erwerben. Bei steigendem Kurs kann der Spekulant nun eine entsprechende Verkaufsverpflichtung („Short“) zum höheren Tageskurs eingehen und seine dadurch entstehende Lieferverpflichtung durch Ausübung der „Call-Option“, das heißt Erwerb des Kaufkontraktes zum niedrigeren Basispreis, erfüllen.[51] Spiegelverkehrt funktioniert dies bei der „Put-Option“, bei der der Anleger mit einem Kursverfall rechnet, aber das Recht erwirbt, zu dem hohen Basiswert zu verkaufen und seine Lieferverpflichtung durch einen entsprechenden Kauf zum niedrigeren Tageskurs glattzustellen.[52]

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Ein tatsächlicher Gewinn ist dabei erst dann zu verbuchen, wenn die jeweilige Preisdifferenz als Folge der Kursbewegungen mehr als die für den Optionserwerb aufgewandten Kosten ausmacht. Diese Spanne wird als Options- oder Prämienzone und der Punkt, ab dem ein tatsächlicher Gewinn erwirtschaftet wird, als Break-Even-Point bezeichnet. Die der Option innewohnende Gewinnchance wird dementsprechend umso kleiner, je höher die Optionsprämie ist.[53] In der Regel werden sowohl Fest- als auch Optionsgeschäfte tatsächlich nicht ausgeführt, es wird also nicht wirklich zum Beispiel die Ware geliefert.[54] Vielmehr wird die Differenz des vereinbarten Preises (Festpreis respektive Optionsausübungspreis) zu dem Preis des Basiswertes in Geld ausgeglichen.[55] Im Unterschied[56] zum Festgeschäft muss beim Optionsgeschäft die gezahlte und von Anfang an verfallene Optionsprämie zuerst durch Kurssteigerungen zurückverdient werden.[57] Nicht zurückverdient wird die Optionsprämie, wenn eine entsprechende Kurssteigerung ausbleibt oder der Kurs am Deklarationstag dem Einstiegskurs entspricht. Bei Festgeschäften tritt hingegen bei entsprechendem Kursverlauf kein Totalverlust ein, da dem Spekulant hier zumindest der Einschuss erhalten bleibt.[58]

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Über die Rechtsnatur der Option als solche, also ob es sich um ein Finanztermin- oder doch um ein Kassageschäft handelt, bestand lange Zeit Uneinigkeit. Allen Ansichten war jedoch gemein, dass bei den Optionen zwischen dem Begründungsgeschäft, welches den Kauf des Optionsrechts beinhaltet und dem Ausübungsgeschäft, welches die Parteien des Optionskauf- respektive Optionsverkaufsvertrages aus dem Terminkauf- respektive Terminverkaufsvertrag verpflichtet, differenziert wurde.[59] Einige Stimmen gingen jedoch davon aus, dass der Kaufvertrag über das Optionsrecht kein Finanztermingeschäft darstellte, weil die synallagmatischen Ansprüche, Gewährung des Optionsrechts einerseits und Zahlung der Optionsprämie andererseits, nicht an einen Termin gebunden, sondern sofort fällig seien.[60] Vielmehr wäre das Begründungsgeschäft ein reines Kassageschäft, da die Optionsprämie zum Beispiel gemäß § 4 Abs. 2 der Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse[61] binnen zwei Börsentagen zu zahlen ist und die Pflicht des Stillhalters zur Einräumung des Optionsrechtes bei Abschluss des Optionskaufvertrages erfüllt wird.[62] Mithin wäre das Begründungsgeschäft des deutschen Wertpapieroptionsgeschäfts kein Finanztermingeschäft (sogenannte Doppelvertragstheorie[63]). Das Nämliche gelte nach dieser Auffassung auch für das Ausübungsgeschäft in- und ausländischer Wertpapieroptionsgeschäfte, da auch diese nach Optionsausübung wie ein Kassageschäft abgewickelt würden.[64] Befänden sich die Parteien allerdings nach Optionsausübung in einem Direktgeschäft, wie dies bei den amerikanischen und englischen Warenterminoptionsgeschäften der Fall ist, handele es sich – nur bei diesem Ausübungsgeschäft[65] – um ein Finanztermingeschäft im Sinne des § 37e S. 2 WpHG. Die überwiegende Auffassung kam aber zu Recht zu dem Ergebnis, dass sowohl das Begründungs- als auch das spätere Ausübungsgeschäft als einheitliches Rechtsgeschäft zu betrachten und entweder jeweils für sich genommen oder zumindest in dieser Einheit als Finanztermingeschäfte zu qualifizieren sind (sogenannte Einheitstheorie[66]).[67] Allerdings wurde dieser Streit durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz[68] und der ausdrücklichen Nennung des Optionsgeschäfts als Finanztermingeschäft zugunsten der Einheitstheorie entschieden und der Doppelvertragstheorie der Boden entzogen.[69]

Anmerkungen

[1]

So jetzt ausdrücklich § 2 Abs. 2 WpHG.

[2]

Aus der Legaldefinition in § 2 Abs. 2 WpHG ergibt sich, dass Termingeschäfte zeitlich verzögert zu erfüllen sind und keine Kassageschäfte darstellen dürfen, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG i.V.m. Artikel 38 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 innerhalb zwei Handelstagen zu erfüllen sind.

[3]

Paus S. 163 f.

[4]

BGH NJW 2004, 2969 (2970); 2002, 892 (893 f.); 1988, 1592 (1592 f.).

[5]

BGHZ 150, 164 (168); 149, 294 (301); 142, 345 (350); 114, 177 (179); 92, 317 (320); BGH NJW 2004, 2969 (2970).

[6]

Fuchs-Jung Vor §§ 37e und 37g Rn. 43.

[7]

Lenenbach Rn. 1.63, 9.100.

[8]

Wach Rn. 3.

[9]

Sonnen wistra 1982, 123.

[10]

Näher dazu Steiner-Beckmann S. 183 m.w.N.; Häuselmann/Wiesenbar DB 1990, 641; Häuselmann DB 1987, 1745; Menninger RIW 1994, 43 (44).

[11]

BGHZ 150, 164 (169); 149, 294 (301).

[12]

BGHZ 139, 1 (6 f.); Fuchs-Jung Vor §§ 37e und 37g Rn. 28; BGH ZIP 2002, 748 (749); Wohlfarth/Brause WM 1998, 1859 (1864 f.); Caspar WM 2003, 161 (163).

[13]

 

BGHZ 150, 164 (169); Fuchs-Jung Vor §§ 37e und 37g Rn. 29; Schäfer bezeichnet das Verlustrisiko als „unüberschaubar“, Assmann/Schütze-Schäfer § 19 Rn. 24.

[14]

BGH NJW 2004, 2969 (2970); Fuchs-Jung Vor §§ 37e und 37g Rn. 31.

[15]

Lenenbach Rn. 1.61.

[16]

Imo Rn. 224.

[17]

Zu den Unterschieden gegenüber dem Forward siehe nur Schmeisser S. 150.

[18]

BGHZ 103, 84 (87); Schmeisser S. 146; Fuchs-Jung Vor §§ 37e und 37g Rn. 36; Lenenbach Rn. 9.107; KölnKomm-WpHG-Roth §§ 37d, f a.F. Rn. 54; Schwintowski/Schäfer-Schäfer § 20 Rn. 14; KMRK-Kumpan § 2 WpHG Rn. 35, 37.

[19]

KölnKomm-WpHG-Roth §§ 37d, f a.F. Rn. 51.

[20]

Imo Rn. 224; Lenenbach Rn. 9.108.

[21]

Dornseifer S. 7.

[22]

Willnow S. 81; Dornseifer S. 7.

[23]

Imo Rn. 595.

[24]

Sonnen wistra 1982, 123; Schmidt Kriminalistik 1981, 18 (20); Imo Rn. 558; Schmeisser S. 147.

[25]

MK-HGB-Ekkenga Bd. 5, Effektengeschäft, Rn. 40; Lenenbach Rn. 9.248; Claussen-Ekkenga § 7 Rn. 76.

[26]

BGHZ 160, 50 (54); 103, 84 (87).

[27]

KMRK-Kumpan § 2 WpHG Rn. 35.

[28]

Koch JZ 1980, 704 (706) bezeichnet die Nachschusspflicht als „gefährlich“.

[29]

S. http://www.deifin.de/fuwi007.htm (5.2.2015).

[30]

Bröker S. 80; Schimmelpfeng-Marktforschungs-Institut (Hrsg.), S. 70.

[31]

Bröker S. 80; Wach Rn. 464.

[32]

Koch JZ 1980, 704 (705); OLG München NJW 1980, S. 794; Schimmelpfeng-Marktforschungs-Institut (Hrsg.), S. 44, 81 bezeichnet den Handel mit Optionen als Variante des Warentermingeschäfts.

[33]

Fuchs-Jung Vor §§ 37e und 37g Rn. 38.

[34]

Fuchs-Jung Vor §§ 37e und 37g Rn. 38.

[35]

Fuchs-Jung Vor §§ 37e und 37g Rn. 38.

[36]

Schmeisser S. 168; Imo Rn. 234, 247; Schwintowski/Schäfer-Schäfer § 20 Rn. 53; Fuchs-Jung Vor §§ 37e und 37g Rn. 38; Lenenbach Rn. 1.62, 9.128 ff.; KölnKomm-WpHG-Roth §§ 37d, f a.F. Rn. 55; Schwintowski/Schäfer-Schäfer § 20 Rn. 14; Schröder Rn. 789; KMRK-Kumpan § 2 WpHG Rn. 37.

[37]

Fuchs-Jung Vor §§ 37e und 37g Rn. 41 m.w.N.

[38]

Fuchs-Jung Vor §§ 37e und 37g Rn. 40; Imo Rn. 446.

[39]

Schmeisser S. 171.

[40]

Schmeisser S. 172.

[41]

Wach Rn. 8; Imo Rn. 234.

[42]

Schmidt Kriminalistik 1981, 18 (19); Koch JZ 1980, 704 (706); Schwintowski/Schäfer-Schäfer § 20 Rn. 14; Schmeisser S. 173.

[43]

Schmeisser S. 173.

[44]

von Arnim SVG I, S. 68 f.; Schmeisser S. 175.

[45]

von Arnim SVG I, S. 68 f.

[46]

Koch JZ 1980, 704 (706); Willnow S. 81; von Arnim SVG I, S. 67.

[47]

Willnow S. 81; Lenenbach Rn. 9.131.

[48]

Otto Die strafrechtliche Bekämpfung unseriöser Geschäftstätigkeit, S. 35.

[49]

von Arnim SVG I, S. 67.

[50]

von Arnim SVG I, S. 70.

[51]

Sonnen wistra 1982, 123.

[52]

Sonnen wistra 1982, 123; ebenfalls zur „Long-Position“ und „Short-Position“ von Arnim SVG I, S. 69.

[53]

Schimmelpfeng-Marktforschungs-Institut (Hrsg.), S. 82 f.; Koch JZ 1980, 704 (706).

[54]

Tatsächlich werden nur etwa 5 % aller Warenterminkontrakte durch Lieferung der Ware erfüllt, Schimmelpfeng-Marktforschungs-Institut (Hrsg.), S. 70 f.; Imo Rn. 595 m.w.N.

[55]

Assmann/Schütze-Schäfer § 19 Rn. 22.

[56]

Zu den Disparitäten zwischen Fest- und Optionsgeschäften siehe auch Claussen-Ekkenga § 7 Rn. 82 ff.

[57]

Schimmelpfeng-Marktforschungs-Institut (Hrsg.), S. 81 f.

[58]

Schmidt Kriminalistik 1981, 18 (21).

[59]

Imo Rn. 234, 243; Fuchs-Jung Vor §§ 37e und 37g Rn. 40.

[60]

OLG Köln ZIP 1983, 924 = WM 1983, 1072; zust. BFH WM 1985, 621; Imo Rn. 262.

[61]

http://deutsche-boerse.com/dbag/dispatch/de/binary/gdb_navigation/info_center/25_FWB_Information/20_FWB_Rules_Regulations?object_id=84XHQF782NSGDDE (2.5.2015).

[62]

Imo Rn. 260.

[63]

Fuchs-Jung Vor §§ 37e und 37g Rn. 40; Schwintowski/Schäfer-Schäfer § 20 Rn. 54 Fn. 103.

[64]

Imo Rn. 122.

[65]

Imo Rn. 262.

[66]

Fuchs-Jung Vor §§ 37e und 37g Rn. 40; Schwintowski/Schäfer-Schäfer § 20 Rn. 54.

[67]

BGHZ 92, 317 =BB 1985, 149 = WM 1984, 1598 = ZIP 1985, 153 = DB 1985, 272; WM 1991, 982; Fuchs-Jung Vor §§ 37e und 37g Rn. 40; Schwintowski/Schäfer-Schäfer § 20 Rn. 54; Küper WM 1982, 73; Küper WM 1982, Sonderbeilage 6, 1 (16); Häuser DB 1985, 1169 (1170); Rössner/Lachmair BB 1986, 1377 (1384); Bundschuh WM 1986, 725 (726); Koller WM 1985, 593 (594); Schwark Jura 1985, 403 (406); von Arnim AG 1993, 29 (40).

[68]

Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz), vom 21.6.2002, BGBl. I, S. 2010, in Kraft seit 1.7.2002. Siehe dazu Fleischer NJW 2002, 2977; Fenchel DStR 2002, 1355; Melzer BKR 2003, 366; Weber NJW 2003, 18; Schäfer/Lang BKR 2002, 197; Samtleben ZBB 2003, 69.

[69]

Fuchs-Jung Vor §§ 37e und 37g Rn. 40.

Teil 1 Der kapitalmarkt- und börsenrechtliche Hintergrund › B. Die Kassageschäfte

B. Die Kassageschäfte

22

Im Gegensatz zu Termingeschäften sind Kassa- respektive Lokogeschäfte[1] innerhalb kürzester Zeit zu erfüllen und bilden das Pendant der Termingeschäfte.[2]

Teil 1 Der kapitalmarkt- und börsenrechtliche Hintergrund › B. Die Kassageschäfte › I. Allgemeines

I. Allgemeines

23

Gemäß Artikel 38 Abs. 2 der EU-Verordnung[3] vom 10.8.2006 (1287/2006) ist ein Kassageschäft ein Verkaufsgeschäft für eine Ware, einen Vermögenswert oder ein Recht, dessen Bedingungen zufolge die Lieferung nach zwei Handelstagen oder der Frist erfolgt, die in der Regel vom Markt für diese Ware, diesen Vermögenswert oder dieses Recht als Standardlieferfrist akzeptiert wird.[4] Diese zeitliche Komponente stellt das maßgebliche Abgrenzungskriterium zu den Termingeschäften dar.[5] Zu den Kassageschäften gehören alle Wertpapiergeschäfte und im Gegensatz zu den Finanztermingeschäften ist ihr Ziel in der Regel das echte Umsatzgeschäft.[6] Auch Kassageschäfte können Börsenspekulationsgeschäfte sein.[7]

Teil 1 Der kapitalmarkt- und börsenrechtliche Hintergrund › B. Die Kassageschäfte › II. Die Optionsscheingeschäfte

II. Die Optionsscheingeschäfte

24

Nicht zu verwechseln mit den Optionsgeschäften sind die Optionsscheingeschäfte (oder Warrants[8] ). Diese weisen eine ähnliche Struktur auf, sind aber gleichwohl ein aliud.[9] Ein Optionsschein verbrieft eine Option, ist demnach ein Wertpapier und damit eine Sache.[10] Er verbrieft das Recht, zu oder bis zu einem bestimmten Zeitpunkt für einen bestimmten Preis die Lieferung von Waren respektive Werten oder die Zahlung eines Geldbetrages von dem Emittenten des Optionsscheins verlangen zu können.[11] Die Wertpapiereigenschaft der Optionsscheingeschäfte ergibt sich seit dem Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz[12] und dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz[13] zudem aus der Erfassung durch § 2 Abs. 1 Nr. 3b WpHG als Wertpapiere, die zum Erwerb oder zur Veräußerung von Wertpapieren berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, die in Abhängigkeit von Wertpapieren, von Währungen, Zinssätzen oder anderen Erträgen, von Waren, Indizes oder Messgrößen bestimmt wird. Optionsscheine können jede Art von Optionsrecht verbriefen, zum Beispiel Index-, Devisen-, Bandbreiten- und Basketoptionen.[14] Das Recht der durch den Optionsschein verbrieften Option, also entweder das Kauf- oder Verkaufsrecht eines bestimmten Basiswertes, ist also identisch mit den bereits beschriebenen Optionsgeschäften.[15] Es gibt allerdings auch Kassageschäfte in Optionsscheinen, die sofort zu erfüllen sind.[16] Neben den klassischen Optionsscheinen, die maßgeblich der Fremdkapitalbeschaffung zur Unternehmensfinanzierung dienten, gibt es mittlerweile eine Vielzahl exotischer und hoch spekulativen Zwecken dienende.[17]

 

25

In Bezug auf Basiswert, Basispreis und die Zusammensetzung des Optionsscheinpreises aus innerem und Zeitwert sowie In-, At- und Out-of-Money-Optionsscheinen kann auf die obigen im Rahmen der Optionsgeschäfte gemachten Ausführungen verwiesen werden.

26

Zu unterscheiden sind die selbstständigen und die unselbstständigen (abgetrennten oder abtrennbaren) Optionsscheine. Selbstständige Optionsscheine werden unabhängig von einer Emission also Kapitalbeschaffungsmaßnahme begeben (Naked Warrants[18] ) und die Emittenten sind in der Regel Kreditinstitute.[19] Sind die zugrunde liegenden Basiswerte im Bestand des Emittenten (Underlying Securities), spricht man von gedeckten Optionsscheinen (Covered Warrants)[20] und von ungedeckten (Uncovered bzw. Naked Warrants)[21], wenn nicht. Sie dienen hauptsächlich der Kursspekulation und Kurssicherung.[22] Der unselbstständige Optionsschein ist ein Annexrecht zu einem festverzinslichen Wertpapier und berechtigt den Inhaber dazu, vom Emittenten während einer bestimmten Laufzeit, z. B. Aktien bei einem Aktienoptionsschein[23], zu einem bestimmten Preis zu erwerben.[24] Unselbstständige Optionsscheine dienen in erster Linie der Kapitalbeschaffung zu einem besonders günstigen Zinssatz i.S.d. § 221 AktG.[25] Sie werden zunächst im Zusammenhang mit einer Optionsanleihe begeben (sogenannte abtrennbare unselbstständige Optionsscheine) und können dann aber abgetrennt und separat gehandelt werden (sogenannte abgetrennte unselbstständige Optionsscheine).[26]

27

Über die Einordnung der Optionsscheine als Termin- oder Kassageschäft bestand lange Zeit Uneinigkeit. Bis 2002 wurde zum größten Teil auch bei der Frage, ob es sich bei einem Optionsscheingeschäft um ein Termin- oder ein Kassageschäft handelt, zwischen den unselbstständigen und den selbständigen Optionsscheinen differenziert. Die Rechtsprechung und der wohl überwiegende Teil der Literatur nahmen an, dass die selbstständigen Optionsscheine Finanztermingeschäfte sind.[27] Unselbstständige Optionsscheine wurden demgegenüber wegen fehlendem termingeschäftlichen Charakter den Kassageschäften zugeordnet.[28] Der BGH stütze seine Argumentation dabei zum einen maßgeblich auf den wirtschaftlichen Zweck, wonach selbstständige Optionsscheine vor allem der Kursspekulation sowie Kurssicherung dienen würden und unselbstständige der Beschaffung von Fremdmitteln zu einem besonders günstigen Zinssatz.[29] Zum anderen rekurrierte er auf den Schutzzweck des § 53 BörsG a.F. Instanzgerichtlich[30] und vereinzelt in der Literatur[31] wurde aber vertreten, dass auch die selbstständigen Optionsscheine Kassageschäfte sind. Wieder andere vertraten, dass Optionsscheine grundsätzlich als Finanztermingeschäfte zu qualifizieren seien[32] oder differenzierten nach der Restlaufzeit der Optionsscheine.[33]

28

Seit 2002 gestaltet sich die Situation aber anders. Durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz[34] wurden unter anderem § 53 BörsG a.F. aufgehoben und der § 2 Abs. 2a WpHG mit folgendem Inhalt eingefügt: „Finanztermingeschäfte im Sinne dieses Gesetzes sind Derivate im Sinne des Abs. 2 und Optionsscheine“. Dies geschah, weil Optionsscheine nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 WpHG unter den Wertpapierbegriff und nicht den der Derivate nach § 2 Abs. 2 WpHG fallen.[35] Diese Begründung lässt allerdings offen, ob sowohl die selbstständigen als auch die unselbstständigen Optionsscheine unter den Finanztermingeschäftsbegriff fallen sollen, also ob der Gesetzgeber den Streit um deren Eigenschaften überhaupt entscheiden wollte.[36] Die Gesetzesmaterialien geben diesbezüglich keine Hinweise.[37] Mit dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz[38] wurde der § 2 Abs. 2a WpHG wieder aufgehoben und in § 37e WpHG folgender Satz 2 eingefügt: „Finanztermingeschäfte […] sind Derivate im Sinne des § 2 Abs. 2 und Optionsscheine“. Damit müsste de lege lata gelten, dass sowohl die selbstständigen als auch die unselbstständigen Optionsscheingeschäfte als Finanztermingeschäfte zu behandeln sind.[39]

29

Diese, allein an der (unbewussten?) Gesetzesänderung orientierte, einheitliche Einordnung von selbstständigen und unselbstständigen Optionsscheinen als Finanztermingeschäfte, ist allerdings berechtigten Zweifeln ausgesetzt. Diese werden maßgeblich dadurch getragen, dass der Gesetzgeber allem Anschein nach die Auswirkungen seiner Gesetzesänderung im Hinblick auf die Qualifizierung der selbstständigen und unselbstständigen Optionsscheine als Finanztermingeschäfte verkannt hatte. Vielmehr rührte die Gesetzesänderung ausschließlich daher, dass Rechtsprechung und Literatur bis dato keine einheitliche Definition für Finanztermingeschäfte liefern konnten,[40] nicht aber, dass der Gesetzgeber auch zum Beispiel die unselbstständigen Optionsscheine als Finanztermingeschäfte erfasst sehen wollte. Es fehlt jegliche Auseinandersetzung mit der Frage, warum der Handel mit unselbstständigen Optionsscheinen nun doch entgegen der herrschenden Meinung ein Finanztermingeschäft sein soll, obschon allgemein anerkannt war, dass ihnen der Charakter eines solchen fehlt.[41] Darüber hinaus wurde sogar der grundsätzlichen Ungleichbehandlung von selbstständigen und unselbstständigen Optionsscheinen durch das Vierten Finanzmarktförderungsgesetz[42] und der damit einhergehenden Aufhebung insbesondere der §§ 52, 53 BörsG a.F.[43], deren Schutzwirkung (Termineinwand) Anlass und tragender Grund der unterschiedlichen Zuordnung der selbstständigen Optionsscheinen zu den Termingeschäften und damit der Unterwerfung des Termineinwandes war, der Boden entzogen.[44] Die Abgrenzung von Termin- und Kassageschäften erfolgte nämlich weitestgehend nach dem zeitlichen Moment der vereinbarten Erfüllung. War das Geschäft von beiden Seiten sofort innerhalb der börsenmäßigen festgelegten und üblicherweise kurzen Frist zu erfüllen, handelte es sich um Kassa- und bei späterem, darüber hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkt, um ein Termingeschäft.[45] Optionsscheingeschäfte werden aber am Kassamarkt (nicht Terminmarkt) mit zweitägiger Erfüllungsfrist getätigt.[46] Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Optionsscheingeschäfte inhaltlich auf den Erwerb des Optionsrechts und damit einer Termingeschäftsoption gerichtet ist.[47] Durch das Konstrukt der Optionsscheine schimmern in der Tat sowohl Facetten der Termin- als auch Kassageschäfte.[48] Optionsscheine verbriefen die Rechte aus dem Optionsgeschäft schlussendlich aber in wertpapierrechtlicher Form.[49] Genau dies muss aber auch maßgebend für die Qualifizierung der Optionsscheingeschäfte sein. Es wird schließlich eine Einordnung der Optionsscheingeschäfte und nicht der verbrieften Optionen vorgenommen. Selbstständigen und unselbstständigen Optionsscheingeschäften mangelt es gemeinsam an der Erfüllung zu einem späteren Zeitpunkt und müssten demnach beide Kassageschäfte sein.[50] Hatte der BGH diese Ungleichbehandlung noch mit den anlegerschützenden Vorschriften der §§ 52, 53 BörsG a.F. zu rechtfertigen versucht, kann er diese Argumentation seit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz[51] nicht mehr ins Felde führen. Ein weiteres Argument für die Zuordnung der Optionsscheingeschäfte zu den Kassageschäften ist, dass sie börsenmäßig zum Beispiel an der EUWAX in Stuttgart und Scoach in Frankfurt als Kassabörsen gehandelt werden und nicht etwa an den Terminbörsen wie zum Beispiel der EUREX in Frankfurt.[52] Darüber hinaus hat man sich bislang weder zur alten noch zur neuen Gesetzeslage mit der Frage beschäftigt, ob es bei den selbständigen Optionsscheingeschäften einen Unterschied macht, ob diesen ein Wertpapier (zum Beispiel bei einem Aktienoptionsscheingeschäft) oder ein Termingeschäft zugrunde liegt. Die bislang gelieferten Argumentationen differenzierten unter diesem Aspekt ausschließlich in Bezug auf selbstständige und unselbstständige Optionsscheine, nicht aber nochmal innerhalb der selbstständigen. Konsequenterweise hätte hier aber dann wohl die übergeordnete Optionseigenschaft und die damit verbundene Hebelwirkung den Ausschlag für die Termineigenschaft der Optionsscheingeschäfte mit zugrunde liegenden Wertpapieren geben müssen. Gegen die Einordnung der Optionsscheingeschäfte als Termingeschäfte sprechen aber ferner eigentumsrechtliche Aspekte. Während der Anleger im Wertpapierbereich das volle Eigentum an den gekauften Wertpapieren erlangt, erwirbt derjenige, der einen Terminkontrakt kauft oder verkauft nicht das Eigentum an der zugrundeliegenden Ware, sondern nur das Recht, eine bestimmte Menge der Ware zu einem bestimmten Preis zu einem festgelegten Zeitpunkt zu kaufen oder zu verkaufen.[53]

30

Bereits an dieser Stelle sei zudem darauf hingewiesen, dass in den USA zur Qualifikation von Börsentransaktionen gefragt wird, welcher Börsenaufsichtsbehörde die Regulierungsaufsicht über die getätigte Transaktion obliegt.[54] Die Börsenaufsicht in den USA obliegt zum einen der SEC (Securities Exchange Commission) und zum anderen der CFTC (Commodity Futures Trading Commission). Der SEC unterfallen als Wertpapieraufsichtsbehörde alle Transaktionen, die an Kassabörsen gehandelt werden und der CFTC solche der Terminbörsen.[55] Optionsscheintransaktionen unterliegen aber der SEC und stellen damit in den USA Kassageschäfte dar.[56]