WEG - WEISE - R Spiritualität

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WEG - WEISE - R Spiritualität
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Vorwort

Wieso, weshalb, warum – die zentralen Fragen unseres Lebens

Lernen und Erkennen

Vom höchsten Berg in die tiefste Tiefe

Spiegel

Vom Suchen und Finden

Das Uhrwerk aus Erfahrung und Zeit

Demut

Wo der Schmerz ist, ist der Weg

Lernen durch leiden

Krisen und Extremsituationen

Dein Problem - dein Freund und Helfer

Form ist Leere, Leere ist Form

Umsetzung

Das Neue tun

Lassen

Den Boden bestellen

Warum „um-zu“ nicht funktioniert

Lösungsprozesse

Kommunikation

Rationale und emotionale Kommunikation

Schweigen

Mangelnde Wertschätzung

Liebe

Ewige Liebe

Liebe zwischen Seelenverwandten

Liebe und Projektion

Die Liebe zur Natur

Zweifel

Beziehung und Partnerschaft

Lebendige Beziehungen

Unterschiedliche Seelenalter in Partnerschaft und Freundschaft

Zwangsmissionierung

Hilfe und Helfen

Vertrauen

Gottvertrauen, Urvertrauen, Selbstvertrauen

Geistige Führung über Intuition

Geistige Führung erkennen

Festhalten verhindert geistige Führung

Hoffnung

Leben

Lebenszyklen

Lebenswille

Lebendigkeit

Schönheit

Der Einfluss der Kirche auf den Reinkarnationsglauben

Epilog

Glossar

Was Sie sonst noch für sich tun können…

Kerstin Reichl

WEG - WEISE - R

Spiritualität

Von der Erkenntnis

zur Eigenverantwortung

Vorwort

Die Zeiten, in denen das Wort Spiritualität befremdlich oder exotisch klang, sind vorbei. Während die Spiritualität früher gern in einem Atemzug mit „Esoterik“ genannt wurde, gilt sie heute als „emanzipiert“. Sie ist gesellschaftsfähig geworden, hat sich von pastellfarbenen Engelbildern, dem Klischee „Om“- hauchender Jünger, vegan lebender Weltverbesserer und nach Indien trampenden Hippies getrennt.

Spiritualität ist keine Überzeugung, sie ist eine Lebenshaltung, die es sich anzueignen und eine Herausforderung, die es anzunehmen gilt. Wer die Welt aus dem Blickwinkel der Spiritualität betrachtet, kann sich selbst als lernfähig und sein Leben als veränderbar wahrnehmen. Spirituell zu sein bedeutet, sich selbst erkennen, Eigenliebe lernen und Eigenverantwortung übernehmen zu wollen.

Ein wahrhaft spiritueller Mensch zeichnet sich durch Bodenhaftung aus. Er hat erkannt, dass Achtsamkeit, Präsenz für den Augenblick, Widerstandslosigkeit und Einverstandensein die Werkzeuge sind, mit denen er seine Realität „bearbeiten“ und in seinem Sinne formen kann. Er ist sich bewusst, dass es ein Prozess und ein gutes Stück Arbeit ist, die ihm innewohnenden Herzqualitäten wie Liebesfähigkeit, Toleranz, Mitgefühl und Mut von ihrem Ballast aus Ängsten, Mustern und Blockaden zu befreien, damit er sich als authentisches, wahrhaft menschliches Wesen erfahren kann.

Der Titel eines Buches von Karlfried Graf Dürckheim (deutscher Diplomat, Psychotherapeut und Zen-Lehrer) lautet „Der Alltag als Übung“. Diesem Motto folgend beschreibt das vorliegende Buch die spirituellen Gesetzmäßigkeiten und Hintergründe alltäglicher Situationen, in denen sich der Leser selbst wiederfinden kann. Es zeigt auf, wie die Bereitschaft, das eigene Verhalten selbstkritisch zu reflektieren und aus Erfahrungen zu lernen, zu innerem Frieden und äußerer Freiheit führt. Beschäftigt Sie die Frage, wie bedingungslose Liebe Ihre Beziehungen positiv verändern kann, werden Sie in diesem Buch Antworten finden. Durch die Auseinandersetzung mit den Themen Leid, Schmerz, Krisen und Extremsituationen wird offensichtlich, dass diese keineswegs sinnlos sind, sondern die notwendige Grundlage für Charakterveredelung und seelisches Wachstum bilden. Sie erfahren, warum das Vertrauen in Menschen, ins Göttliche und in die eigenen Fähigkeiten elementar wichtig ist und warum klare Kommunikation den Schlüssel zum Glück darstellt.

Das Buch besteht aus kurzen, klar strukturierten Texten. Jeder Text gehört zu einem übergeordneten Themenkomplex (z. B. Kommunikation), steht aber für sich allein und kann unabhängig von den anderen gelesen werden. Neben theoretischen Erklärungen bietet es auch ganz praktische Tipps wie das Erkannte erfolgreich umgesetzt und in den Alltag integriert werden kann.

Wenn Sie selbst erfahren möchten, wie freudvoll und nährend ein selbstbestimmtes Leben ist und neugierig darauf sind, mehr über sich selbst und das Thema Spiritualität zu erfahren, dann freuen Sie sich auf interessante Lesestunden!

Sollten Sie „Praktische Spiritualität für Ungeduldige“ und „Praktische Spiritualität für Fortgeschrittene“ - meine ersten beiden Bücher - bereits gelesen haben, können Sie getrost Kapitel 1 dieses Buches überspringen (Erklärungen zu spirituellen Fachbegriffen finden Sie im Glossar).

Für „Neueinsteiger“ ist das einführende Kapital allerdings sehr hilfreich zum besseren Verständnis der folgenden Texte

Wieso, weshalb, warum – die zentralen Fragen unseres Lebens

Fragen begleiten uns in jeder Lebenslage und bilden einen festen Bestandteil unseres Denkens. Wir richten sie nicht nur an andere, um Informationen zu erhalten, sondern stellen sie uns auch selbst, in der Hoffnung, durch eine schlüssige Antwort zu mentaler oder emotionaler Erkenntnis zu gelangen. Der Macht der „inneren“ Fragen können wir uns nicht entziehen, sie holen uns immer wieder ein. Dabei ist es unerheblich, ob wir uns gezielt mit bestimmten Fragen auseinandersetzen oder sie lieber verdrängen wollen.

Gewiss hat sich jeder schon einmal die Frage nach dem Sinn des Lebens gestellt, hat sich gefragt, warum eine aktuelle Lebenssituation gerade so ist und nicht anders; weshalb ausgerechnet jener Mitbewerber den Job bekam, den doch wir so sehr begehrt haben; warum der geliebte Partner sich abgewendet hat. All diese Fragen bleiben solange unbeantwortet, wie wir unsere Existenz und das, was uns widerfährt, als zufällig und willkürlich verstehen. Sie lassen sich jedoch dann eindeutig beantworten, wenn wir bereit sind, unser Leben aus einem erweiterten Blickwinkel heraus, also mit Abstand, aus einer „Metaposition“ heraus zu betrachten.

Sehen wir nur das eine Leben, welches wir jetzt, hier und heute führen, ist es so, als wenn wir mit dem Gesicht vor der Wand stünden. Unser Blickwinkel ist eingeschränkt, die Wahrnehmung ist begrenzt, Zusammenhänge und Kausalitäten sind schwer erkennbar. Treten wir jedoch zurück und nehmen Abstand, so erkennen wir, dass unsere Realität nur ein kleiner Ausschnitt dessen ist, was wir bereits in einer Vielzahl von Erdenleben erfahren und erkannt haben. Wir begreifen, dass in unserem physischen Körper eine unsterbliche Seele wohnt, die sich in einer Vielzahl von Inkarnationen immer wieder aufs Neue erfährt. Dabei durchläuft sie in einem „Seelenzyklus“ von ca. 10.000 Jahren verschiedene Entwicklungsstufen, ganz ähnlich, wie ein Mensch von der Geburt bis zum Greisenalter unterschiedliche Lebensalter durchlebt. Jedes Seelenalter - beginnend mit der Babyseele, über die Kinder- und die Reife Seele, bis hin zur Alten Seele - bietet unterschiedliche Herausforderungen, die gemeistert und verarbeitet werden wollen, damit sich seelisches Wachstum entfalten kann (weiterführende Informationen dazu finden Sie unter dem Stichwort „Seelenzyklus“ im Glossar oder in meinen schon erwähnen ersten beiden Büchern).

 

Baby-Seelen haben noch sehr wenig Erfahrung, weil sie erst wenige Male inkarniert sind. Sie bleiben unselbstständig und abhängig und sammeln so im Schutze der sie leitenden Personen erste Erfahrungen in der Dreidimensionalität. Freiheitliches Denken und Entscheiden ist ihnen noch nicht möglich, die Vorstellungen von Autonomie und Unabhängigkeit ängstigen sie.

Kinder-Seelen wagen schon, erstmals eigenständig zu handeln, so wie sich ein Kind von der Hand der Mutter losreißt. Und doch suchen sie immer noch die Geborgenheit der Familie und der Gesellschaft, in die sie sich einfügen und anpassen, um ihre Erfahrungen spielerisch in einem möglichst gesicherten Rahmen machen zu können. Auch die Kinder-Seele tut sich noch schwer mit Eigenverantwortung und der Entwicklung einer tragfähigen Eigenliebe.

Baby- und Kinderseelen sind in Deutschland kaum anzutreffen, mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung hat sich bereits in einer Vielzahl von Inkarnationen hin zur Jungen Seele entwickelt.

Die Junge Seele, von der das Bewusstsein unserer derzeitigen Gesellschaft vornehmlich bestimmt wird, hat bereits alle Erfahrungen des Seelenzyklusses der Baby- und der Kinderseele bearbeitet. Sie ist einem Teenager vergleichbar, der wild darauf ist, sich zu erfahren und zu erkennen, und dessen Verhalten ganz vom Ego bestimmt wird. Da sie sich ihrer selbst noch nicht sicher ist, entwickelt die Junge Seele - statt eines von Eigenliebe getragenen Selbstwertes - ein Selbstbild, dem sie zu entsprechen sucht. Die Spiegelungen der Umwelt bestätigen das Selbstbild oder stellen es in Frage, was zu erheblichen Reibungen und entsprechenden Erfahrungsmöglichkeiten führt. Geld, Macht, Kontrolle und Materie sind die in diesem Seelenalter vordringlich zu bearbeitenden Themen.

Die Reife Seele baut bereits auf die Erfahrungen auf, die sie im Seelenzyklus der Jungen Seele gemacht hat und möchte das, was sie bisher gelernt und erkannt hat, weitergeben. Das Bedürfnis, gesellschaftlich Einfluss zu nehmen und zu lehren, wächst. Sie erprobt sich in verschiedenen Beziehungen innerhalb von Familie und Gesellschaft. Das Ego tritt nun ein Stück in den Hintergrund und macht erstmals Platz für ein holistisches Weltbild, in dem die Reife Seele nach ihrem Platz in der Gesellschaft sucht. Macht und Ohnmacht sind die vordringlichen Themen, die es in diesem Seelenalter zu bearbeiten gilt. Die in früheren Inkarnationen mit anderen eingekörperten Seelen entstandenen Ungleichgewichte werden bevorzugt im reifen Seelenalter bearbeitet. Hierzu werden über den „Seelenplan“ sog. „karmische Verabredungen“ getroffen, so dass man gezielt jenen ebenfalls eingekörperten Seelen wieder begegnet, mit denen es noch einen Ausgleich zu leben gilt. Auf Grundlage des Wissens, dass wir gerade jenen Menschen, die uns besonders nähren oder schaden, bereits in verschiedenen Leben, unter anderen Bedingungen, begegnet sind, wird erklärlich, warum unsere zwischenmenschlichen Beziehungen so unterschiedlich sind und weshalb wir uns einigen Menschen in ganz besonderer Art und Weise verbunden fühlen.

Zur Alten Seele gereift verspürt der Mensch das zwingende Bedürfnis, sich seinem eigentlichen Wesenskern anzunähern und dabei seine Ängste, Muster und Prägungen zu erkennen und loszulassen. Er erfährt sich nun als Teil eines größeren Ganzen, als von höheren Mächten geführt und geleitet und arbeitet an der Überwindung aller Zweifel, die sein Vertrauen in die eigenen Potentiale, die ihn umgebenden Menschen oder in das Göttliche behindern könnten. Das Sicherheitsbedürfnis und der Hang zu Materie lassen deutlich nach und werden nun durch eine erweiterte Liebesfähigkeit, Einverstandensein und Widerstandslosigkeit ersetzt. Der Tod verliert in diesem Seelenalter seinen Schrecken und kann nunmehr als Transformationsprozess in eine neue Erfahrungsebene verstanden werden.

Von der Überzeugung ausgehend, dass es gilt, viele Leben zu leben und sich innerhalb dieser zu erfahren und seelisch zu wachsen, erklärt sich, warum auch in diesem Leben eine Vielzahl polarer Erfahrungen gemacht werden muss. Nun wird verständlich, weshalb nicht alles Geschehen den Vorstellungen unseres Egos entspricht, warum Menschen uns begegnen oder verlassen und wo der Sinn unserer Existenz liegt.

Auf Grundlage des Vorgenannten erschließen sich vor allem den Reifen und Alten Seelen unter den Lesern die in diesem Buch gesammelten Texte. Denn gerade sie benötigen für die in diesen Seelenaltern geplanten seelischen Entwicklungsschritte das Wissen um spirituelle Zusammenhänge und Hintergründe. Das Vertrauen in die eigene Intuition - also das Wissen aus vergangenen Leben - ist dabei von größter Wichtigkeit, um zu erkennen, welche Aussagen eine unzweifelhafte innere Bestätigung erzeugen. Denn intellektuelles Verstehen in Verbindung mit emotionaler Bejahung bildet die tragfähige Grundlage für Gedanken, Gefühle und Handlungen, auf denen neue Erfahrungen gemacht und Einstellungen verändert werden können. Das Leben wird nun als selbstgestalterisch verstanden, so dass Eigenliebe und Eigenverantwortung wachsen und gedeihen.

Klarheit, Schönheit und Leichtigkeit sind der Lohn für die nicht immer einfache Arbeit an uns selbst.

Lernen und Erkennen

Leben ist Wachstum und Fortschritt, und so besteht auch der Sinn unserer Existenz darin, seelisch zu Reifen und an unserer Charakterveredelung zu arbeiten. Lebensfreude und Genussfähigkeit dürfen auf diesem Weg keinesfalls vernachlässigt werden, doch zumeist sind es gerade die unerfreulichen oder schmerzlichen Situationen, die unsere Wachstumsprozesse beschleunigen. Mit der Frage, warum das so ist und worin der tiefere Sinn all dieser Erfahrungen besteht, befassen sich die nachfolgenden Texte.

Vom höchsten Berg in die tiefste Tiefe

Jeder, der schon einmal eine Bergwanderung gemacht hat, weiß, wie beglückend es ist, auf dem Gipfel zu stehen und die Aussicht zu genießen, in dem Bewusstsein, dass man selbst über die Kraft, den Mut, die Ausdauer und den Willen verfügt, die einen bis auf die Spitze des Berges geführt haben.

Und wer schon einmal eine Höhlentour unternommen hat, die über eine Touristenführung hinausging, weiß, wie hart man es sich erarbeiten muss, bis zu den schönsten Stellen der Höhle vorzudringen. Wie man sich durch enge Schlitze und Schlufe quetschen und dabei kletternd oder sich abseilend felsige Hindernisse überwinden muss - und auch die eigene Angst! Und wie dankbar und erleichtert man schließlich ist, wenn der Ausgang der Höhle sichtbar wird. Wie farbenprächtig und geräuschvoll die Natur plötzlich erscheint.

Einen Berg auf dem Rundwanderweg zu umkreisen erscheint dagegen langweilig. Erstaunlicherweise entscheiden sich die meisten Menschen jedoch genau dafür. Ein Rundwanderweg, auf der Karte eingezeichnet und im Gelände markiert, bietet keine besondere Herausforderung. Die Länge des Weges und der für seine Beschreitung benötigte Zeitaufwand sind kalkulierbar, der Schwierigkeitsgrad steht bereits fest. Um diesen Weg gehen zu können bedarf es keiner speziellen Ausrüstung und auch keines vorbereitenden Trainings. Jedoch wird er kaum Gelegenheit bieten, sich selbst besser kennen zu lernen, denn der Wanderer kommt auf ihm höchstwahrscheinlich weder mit seiner Angst noch mit den in ihm angelegten Fähigkeiten und Potentialen in Berührung. Und wenn er die Augen schließt und ihn ein Mitwandernder an die Hand nimmt, kann er sich sogar frei von jeder Verantwortung führen lassen, ohne dass ihm Gefahr droht.

Entscheiden Sie sich für den mühevollen, vielleicht sogar gefährlichen Aufstieg zum Gipfel, dann werden Sie für Ihre Strapazen mit einem Gipfelrausch, der Erkenntnis über ihre eigenen Fähigkeiten und im besten Falle auch mit einer beeindruckenden Fernsicht belohnt. Allerdings müssen Sie zwangsläufig vom Gipfel über den steinigen Rückweg wieder ins Tal zurückkehren.

Wagen Sie sich bei einer anstrengenden, riskanten Höhlentour in dunkle Tiefen, so werden Sie dort vielleicht mit dem Anblick von wunderschönen, uralten Tropfsteinen belohnt. Bei Ihrer Rückkehr ins Tageslicht verspüren Sie gewiss Freude über die Schönheit der Natur.

Beschreiten Sie hingegen den Rundwanderweg, werden Sie ihre Kräfte geschont, aber wahrscheinlich auch nichts Außergewöhnliches erlebt haben, wovon Sie noch Ihren Enkeln berichten könnten.

Die hier aufgezeigten Bilder stellen eine gute Analogie für unser Leben dar: Wenn wir uns erst einmal in die Höhen von Freude und Glückseligkeit begeben haben, ist der unabdingbare Abstieg oftmals schwierig. Vielleicht finden wir uns nach geglücktem Aufstieg sogar im Tal unserer Ängste und unserer Unbewusstheit wieder. Wagen wir uns in die dunklen Abgründe unseres Unterbewusstseins hinab, so können wir erfahren, was uns bislang verborgen blieb. Und wir werden nach unserer Rückkehr in die Realität des Alltags das uns umgebende, nährende Licht mit anderen Augen betrachten. Denn gerade die Kontraste zwischen hoch und tief, hell und dunkel, heiß und kalt, zwischen oben und unten regen unser seelisches Wachstum an. Wählen wir den Weg des Extremen, so bewirkt das ein erhebliches Wachstum durch Erfahrung. Dieser Weg ist nicht immer leicht, und wir könnten uns verletzen oder vielleicht sogar scheitern. Doch gerade die Herausforderung, die er zu bieten hat, erfüllt und bereichert unser Leben durch Freude und Lebendigkeit.

Der Rundwanderweg hingegen lässt sich in gleichförmiger Routine beschreiten. Kein Schritt kostet mehr Kraft als der andere, keine Abgründe müssen überwunden werden, kein Hindernis versperrt den Weg. Aber die Möglichkeiten, das eigene seelische Wachstum voranzutreiben, Lebensfreude zu empfinden, Herausforderungen zu meistern und sich dabei selbst kennen zu lernen, sind auf diesem Weg sehr begrenzt.

Wir alle wünschen uns, den „Gipfel“ mühelos erreichen zu können, ohne ins „Tal“ zurückkehren zu müssen. Wir hoffen, die Schönheiten einer Höhle entdecken zu können, ohne uns dabei in die Dunkelheit und Tiefe unseres Unterbewusstseins zu begeben. Dieses Wunschdenken widerspricht allerdings dem Gesetz der Harmonie, welches besagt, dass letztlich alles energetisch wieder ausgeglichen werden muss. Einer Sinuskurve gleich können wir den Gipfel von Freude und Lust nur erreichen, wenn wir auch bereit sind, den Abstieg zu meistern und uns in die Tiefe unseres Seins zu begeben.

Vermeiden wir aber jedes Risiko, planen all unsere Schritte und gehen jeglicher Herausforderung aus dem Weg, so wird die Sinuskurve zur Nulllinie der Leblosigkeit. Es gibt keinen Wellenberg und kein Wellental mehr, alles ist gleichförmig und einheitlich.

Entscheiden Sie nun, welchen Weg Sie zukünftig beschreiten möchten. Wägen Sie ab, welche Vor- und Nachteile er bietet. Prüfen Sie Ihr Herz, ob sie mutig genug sind, die ausgetretenen Pfade zu verlassen und ihr Abenteuer zu beginnen. Sie haben zu jedem Zeitpunkt die freie Wahl!

Spiegel

Es hat keinen Sinn, dem Spiegel die Schuld zu geben, wenn das Gesicht entstellt ist.

Nicolai Wassiljewitsch Gogol (1809 - 1852), russisch-ukrainischer Schriftsteller

Bewusste Menschen wissen längst, dass es sinnvoll und hilfreich ist, all das, was uns im Außen widerfährt, als Spiegel unserer selbst zu betrachten. Eigenliebe und Eigenverantwortung motivieren uns, in jeder Situation genau hinzusehen, um festzustellen, welches Bild uns gerade gespiegelt wird. Alles, was um uns herum passiert, steht mit uns in Resonanz, entspricht also in irgendeiner Form unserer eigenen Schwingung. Wir können viel über uns selbst und unsere Wirkung auf andere erfahren, wenn wir bereit sind, uns im Spiegel der aktuellen Geschehnisse zu erkennen. Beobachten wir kritisch, welche Menschen wir anziehen und von welchen wir angezogen werden, erkennen wir unsere eigenen Überzeugungen, Denkweisen und Verhaltensmuster im Anderen wieder. Denn gemäß dem Gesetz der Resonanz ziehen sich gleichartige Energien an. Haben wir ein weit geöffnetes Herz, werden uns bewusste, liebevolle und empathische Menschen begegnen, ganz gleich, wo wir uns gerade aufhalten. Empfinden wir Wut oder Groll, ziehen wir garantiert Erfüllungsgehilfen an, deren Verhalten unsere Wut noch steigert. Wenn uns Selbstzweifel und Sorgen umtreiben, sind unsere besten Freunde jene, die von denselben Ängsten geplagt werden. Wir können an dem, was uns im Außen gespiegelt wird, auch unser persönliches Wachstum oder die Erweiterung unserer Herzqualitäten ablesen, wenn wir zunehmend Menschen und Situationen anziehen, die Freude und Leichtigkeit in unser Leben bringen.

 

Ein Mensch, dem es an Selbstwert mangelt, erschafft in der Regel ein Selbstbild von sich, dem er bestmöglich zu entsprechen sucht. Ohne gut entwickelte Eigenliebe ist er nicht zur Selbstkritik fähig, denn diese würde seinen schwächlichen Selbstwert zusätzlich untergraben. So ist er unentwegt bemüht, sich in seinem Selbstbild als der zu erkennen, für den er sich hält oder als der er gern gesehen würde. Aus diesem Grund duldet und akzeptiert er in seinem direkten Umfeld nur jene, die ihm exakt das Bild spiegeln, das er von sich selbst entworfen hat. Kritiker und Zweifler werden abgewehrt, um das Selbstbild, das ja nicht die Tragfähigkeit in Form von Kritik- und Konfliktfähigkeit eines echten Selbstwertes besitzt, nicht ins Wanken zu bringen.

Schwierig wird es auch dann, wenn das, was wir im Spiegel der anderen sehen, nicht mit unseren Gefühlen oder unserer Wahrnehmung übereinstimmt. Fühlen wir uns in Anwesenheit eines Menschen unbehaglich und spüren das Bedürfnis, uns ihm zu entziehen, dann irritiert es uns, wenn dieser Mensch offenbar freundliche Gefühle für uns hat und bemüht ist, sich uns verbal oder auch physisch zu nähern. Noch schwieriger wird es, wenn wir selbst für einen Menschen Sympathie oder gar Liebe empfinden, dieser aber in seinen Reaktionen die guten Gefühle nicht widerspiegelt. Die Diskrepanz dessen, was wir spüren und dem, was uns gespiegelt wird, erzeugt Reibung, die uns zwingt, uns mit uns selbst und auch mit der spiegelnden Person auseinanderzusetzen. Gerade darin aber steckt ein erhebliches Wachstumspotential für die seelische Entwicklung, selbst wenn die Reibung als schmerzlich oder unangenehm wahrgenommen wird.

Gehen wir der Frage nach, warum die Spiegelung im Außen nicht deckungsgleich mit unseren Empfindungen ist, müssen wir uns womöglich eingestehen, dass wir nicht authentisch sind. Durch eine Präsentation unserer selbst, die nicht im Einklang mit unserem wahren Denken und Fühlen ist, senden wir falsche Signale aus, die vom Gegenüber interpretiert werden und zu einer Reaktion führen, die uns unverständlich ist.

Vielleicht merken wir auch, dass wir uns selbst betrügen, weil unsere Gefühle weniger unserer Intuition als mehr unserem Wunschdenken entspringen. Es ängstigt oder frustriert uns, wenn uns nicht das Bild spiegelt wird, in dem wir uns gern sehen würden. Oder wir erkennen, dass wir unser Gegenüber nicht bedingungslos lieben, sondern es stattdessen mit Erwartungen überziehen. So zeigt sich im Spiegel des Anderen nicht, wie erhofft, die Liebe, sondern der von uns ausgeübte Erwartungsdruck. Auch unser Mangel- oder Minderwert kann dazu führen, dass wir uns die Spiegelung unserer eigenen liebevollen Gefühle nur deshalb so sehr wünschen, um nicht mit der Angst vor Zurückweisung oder Liebesentzug in Berührung zu kommen. Hier hilft uns die ablehnende Reaktion des Anderen, uns dieser Ängste bewusst zu werden.

Setzen wir uns jedoch mit unserem Gegenüber auseinander, so erkennen wir vielleicht auch dessen Ängste und Muster, die kein anderes Verhalten als das von ihm gezeigte zulassen. Dann können wir uns in Empathie und Einverstandensein üben. Stellen wir aber fest, dass wir auf unterschiedlichen Bewusstseins-„Frequenzen“ senden, wird klar, warum das Gegenüber die von uns ausgesandten emotionalen Signale nicht in der gewünschten Form interpretieren kann. Dann ist es Zeit, uns einzugestehen, dass wir den Anderen vielleicht überfordert haben.

Natürlich gibt es noch viele andere Lernmöglichkeiten, die sich aus der Diskrepanz unseres Gefühls und seiner Spiegelung ergeben. Wichtig ist nur, dass wir uns mit dieser Diskrepanz auseinandersetzen und entsprechende Schlüsse daraus ziehen, die unser Bewusstsein erweitern und ein verändertes, bewussteres Verhalten ermöglichen.