NEW PASSION

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Mit Sicherheit ist er jetzt überfordert, weil ich ihn mit seinen Gefühlen zu mir konfrontiert habe.

Aber er soll mal darüber nachdenken, ob ich ihm etwas bedeute oder ob ich bloß ein Spielzeug für ihn bin. Vielleicht lässt er mich dann frei und hört auf mit mir zu spielen, weil er erkennt, dass das scheiße ist.

Eigentlich bin ich es leid, wieder diejenige zu sein, die für Klarheit sorgen muss. Warum können Männer mit unklaren Verhältnissen leben? Gut, es ist möglich, dass für ihn alles super eindeutig ist und ich nur keine Ahnung habe, woran ich bei ihm bin. Warum halten Männer Händchen mit mir, wenn sie gar nicht mit mir zusammen sein wollen? Der Tindertyp hat das auch getan. Schon beim zweiten Date. Grinste mich dabei an und fragte, ob sich das gut anfühlt. Natürlich tat es das! Mein verdammter Ex-Freund hat ja nicht mal in der Öffentlichkeit meine Hand gehalten! Diese Geste verliert langsam an Bedeutung für mich …

Vermutlich interpretiere ich zu viel in Worte und Taten der Männer hinein. Für sie geht es in dem Moment nur um ihr Ego, das sich gut fühlt. Da steckt keinerlei Aufrichtigkeit hinter. Wenn ihr Ego genügend von einer Frau gestreichelt worden ist und sie anfängt, langweilig und lästig zu werden, wird sie fallen gelassen. Und sie selbst steht dann da und versteht die Welt nicht mehr.

Ich weiß, dass ich meine Werte, die mir wichtig sind, selbst nach außen hin leben muss. Ich kann nicht von den anderen erwarten, dass sie es tun. Aber die Angst vor Ablehnung steckt mir aus der Zeit mit David noch tief in den Knochen. Daher mag ich andere ebenso wenig ablehnen. Daher kann ich Liam nicht sagen, er soll meine Hand nicht ergreifen, weil wir nicht zusammen sind. Das wäre jedoch richtig gewesen. Ich bin selbst Schuld an dieser Situation.

Die Verantwortung liegt bei mir allein. Immerhin bin ich auch diejenige gewesen, die Liam in ihr Leben gelassen hat. Und ich war es auch, die gesagt hat, dass sie keine Beziehung will. Was ich auch immer noch nicht will. Nur irgendein Teil von mir will es irgendwie doch …

Ein Konflikt zwischen meinem Bedürfnis nach Freiheit und meinem Bedürfnis nach einer festen Bindung und Sicherheit. Ambivalenter geht es kaum. Und dann existiert da noch die Uneinigkeit zwischen meiner Dominanz und meiner Unterwürfigkeit. Am Sonntag habe ich beides gespürt. Es wird darauf hinaus laufen, dass ich eine Switcherin bin … Nur sollte es nicht so sein, dass man entweder das eine oder das andere ist? Beides bei ein und derselben Person zu fühlen, scheint ungewöhnlich zu sein.

Was mir noch mehr Kopfzerbrechen bereitet, ist die Tatsache, dass ich mir bei der Selbstbefriedigung Schmerzen zugefügt habe. Ein klein wenig masochistisch bin ich anscheinend doch …

Es fällt mir schwer, mich damit zu identifizieren, da ich solche Praktiken damals abgelehnt habe und nicht nachvollziehen konnte, wie man so etwas überhaupt toll finden kann.

Ich bin gespannt, wie ich mich weiterentwickeln werde, was weiterhin über mich und meine Sexualität herauszufinden ist. Die Reise ist noch lange nicht zu Ende.

Den restlichen Tag ruhe ich mich aus; verwende regelmäßig die neuen Wundermittel meiner Mom, die tatsächlich dafür sorgen, dass meine Blase zumindest nicht schlimmer wird. Hoffnung keimt in mir auf, dass ich nicht zum Arzt gehen muss.

Ein paar Stunden später bekomme ich eine Antwort von Liam, mit der ich mich zufriedengebe. Natürlich ist sie kurz gehalten …

Mach dir keine Sorgen. Ich manipuliere dich nicht. Halt nur im Spiel.

Okay, dann ist ja gut.

Und damit ist das Thema erst mal durch. Wenn ich ehrlich bin, habe ich Angst vor der Wahrheit, was es mit diesem Herz auf sich hat. Dementsprechend verschiebe ich diese Frage auf einen späteren Zeitpunkt.

Am darauffolgenden Tag fragt Liam, ob ich Lust habe, mich mit ihm im Schweinske zu treffen, da er soeben den Arbeitsvertrag im Krankenhaus unterschrieben hat. Nur sind Sophias Eltern zu Besuch und mit meiner Blasenentzündung möchte ich mich lieber ausruhen. Sie ist besser geworden – bilde ich mir zumindest ein. Es ist schon krass, dass ich nicht alle fünf Minuten zum Klo muss, sondern nur alle paar Stunden. Beinahe normal.

Er hat Verständnis für meine Absage und schreibt, dass er ab nächster Woche von Dienstag bis Freitag immer vormittags arbeitet und wir uns danach treffen könnten.

Eigentlich kann da keine andere Frau zwischen uns stehen, wenn er mich so oft sehen möchte … Dennoch bleibe ich skeptisch und antworte, dass wenn es mir passt, wir uns gerne treffen können. Fest zusagen tue ich da nichts.

Heute, am 27.08.15, schreibt Liam mir wieder und fragt nach einem Treffen. Da ich befürchte, dass er mich bald nicht mehr fragen wird, wenn ich ihn erneut versetze, sage ich zu.

Dann sei um 17 Uhr am Dammtor. Da sammle ich dich ein.

Alles klar.

Ich freu mich! Bis später.

Ich mich auch!

Ich gebe Toni Bescheid. Nicht, dass sie unsere Freundschaft irgendwann infrage stellt, wenn ich ihr immer erst hinterher schreibe, was bei mir so los war.

Sie wünscht mir viel Spaß. Ein wenig aufgeregt bin ich, weil ich überhaupt keine Ahnung habe, was ich heute mit ihm erleben werde.

Beim Parkplatz hinter dem Bahnhof, wartet er bereits auf mich. Ich brauche nur zusteigen.

„Hey, Kleine. Alles gut?“

„Hi, ja, alles ok. Bisschen habe ich noch mit meiner Blase zu kämpfen. Ich hoffe, ich muss gleich nicht plötzlich aufs Klo“, bereite ich ihn darauf vor, dass das definitiv passieren kann. Ich habe aber extra wenig getrunken.

„Haha. Wäre auch kein Ding. Dann würde ich eben irgendwo ranfahren. Ich hab eine gute und eine schlechte Nachricht.“

Ich schlucke schwer.

„Ok …“

„Welche willst du zuerst hören?“, überlässt er mir die Entscheidung.

„Die schlechte“, wähle ich.

Geht er doch bald wieder nach Österreich? Oder ganz woanders hin?

„Ich habe eben spontan einen Job reinbekommen. Wollte dir aber nicht absagen, weil du mit Sicherheit schon auf dem Weg warst. Habe jetzt nur so 45 Minuten Zeit und muss noch etwas in einem Baumarkt besorgen. Da es sich um einen Gefallen für einen Freund handelt, kann ich dich leider nicht mitnehmen. Hoffe, bist jetzt nicht zu sehr traurig …“ Er streichelt mir über meinen Kopf.

„Oh. Das ist schade. Aber lässt sich nun mal nicht ändern“, sage ich trocken, ohne mir meine kleine Enttäuschung anmerken zu lassen, die schnell verfliegt. Es ärgert mich eher, dass ich den langen Weg auf mich genommen habe und diesen gleich wieder antreten darf. Welche Zeitverschwendung! Aber nun gut. Jetzt bin ich hier. Ich könnte natürlich direkt aussteigen und zurückfahren, aber das finde ich unhöflich.

Außerdem hat Liam den Motor gestartet und fährt los.

„Nächstes Mal habe ich dann wieder mehr Zeit für dich“, beschwichtigt er mich.

„Alles gut. Und die andere Nachricht wäre dann?“

Immerhin geht er nicht wieder ins Ausland …

„Ich habe eine Wohnung! Ein WG Zimmer in einer leerstehenden Wohnung. Ab September. Nur für zwei Monate, aber in der Zeit kann ich mir was Eigenes suchen. Mit Lars geht das nicht mehr klar. Der terrorisiert mich auf WhatsApp. Schreibt mir ständig, dabei sehen wir uns ja jeden Tag.“

„Das ist klasse! Haha. Der markiert dich auch ziemlich oft auf Facebook in irgendwelchen Beiträgen.“

„Ja. Ich freue mich auch. Das stimmt … Schon krass, wie abhängig er von mir ist.“

„Na, das hat dann bald hoffentlich ein Ende“, lache ich.

„Mal sehen. Noch arbeiten wir zusammen …“

„Stimmt.“

Dann schweigen wir. Der nächste Baumarkt liegt nicht um die Ecke. Hauptsache, ich muss von dort nicht nach Hause fahren. Dann wäre ich echt sauer.

„Und sonst? Gibt es was Neues? Irgendwelche komischen Männer, die dir auf darkroom geschrieben haben?“, fängt er ein neues Gespräch an.

„Nein. Momentan hält es sich in Grenzen. Sind glücklicherweise auch Ausnahmen, was merkwürdige Nachrichten angeht.“

Was mich an eine wirklich unheimliche Unterhaltung mit einem Mann erinnert …

Er ist devot und hat bei mir ein offenes Ohr für seine Neigung und Wünsche gefunden. Wenn mir jemand höflich schreibt, dann kann ich nicht unfreundlich zu ihm sein. Vor allem nicht, wenn ich das Gefühl habe, derjenige fühlt sich einsam, weil er sich niemandem anvertrauen kann, ohne dass er direkt verurteilt wird. Natürlich ist das nicht mein Problem.

Aber es ist auch kein Beinbruch, mir die Geschichte eines anderen Menschen anzuhören und ihm ein paar interessierte Fragen zu stellen, ihm zu vermitteln, dass ich mich bemühe, ihn zu verstehen und ihn nicht bewerte.

Er war eine Herausforderung und hat mich an meine Grenzen gebracht. Als er anfing, sich zu wohl mit mir zu fühlen, sodass er mich treffen wollte, musste ich eine klare Grenze setzen. Ein Telefonat habe ich auch abgelehnt. Reicht man den kleinen Finger …

Ich wollte mich real auf keinen Fall mit seinen Energien umgeben. Sein Wunsch ist es, jemandem bis zum Tod zu dienen. Er möchte wie ein Haustier gehalten werden. Das allein ist schon sehr extrem. Aber es kommt noch krasser. Es gleicht beinahe einer Geschichte aus einem Horrorfilm.

Er wünscht sich jemanden, der ihm beide Arme und beide Beine amputiert, um jemandem völlig ausgeliefert zu sein. Er möchte wie Dreck behandelt werden. Erniedrigt, gedemütigt werden und elendig verrecken. Ich konnte nicht herausfinden, woher dieser Wunsch stammt. Er ist sich dessen selbst nicht bewusst.

Er meinte, dass er diese Sehnsucht einfach tief in sich trägt. Ich bin mir sicher, dass er etwas aus früheren Leben in dieses mitgebracht hat, was es aufzuarbeiten gilt. Nach einer gesunden Seele klang das für mich nicht. Mir läuft immer noch ein kalter Schauer den Rücken herunter, wenn ich daran denke. Mit BDSM hat das in meinen Augen überhaupt nichts mehr zu tun.

 

Und ich bin mir sicher, dass diese Sehnsucht unerfüllt bleiben wird. Ich hoffe es zumindest.

„Was gibt es bei dir sonst Neues? Oder weiß ich bereits alles?“, versuche ich, unser Gespräch am Laufen zu halten.

„Ach, nicht viel. Ab und zu treffe ich mich mit einer befreundeten Domina. Aber so interessant ist es auch nicht. War Anfang des Jahres bei ihr im Studio und hatte eine Session gebucht. Wir haben uns gut verstanden und sie vertraut mir. Ich durfte jetzt also auch zu ihr nach Hause. Aber Sex gibt es nicht. Ich räume nur auf, wasche ihre Wäsche … Fahr sie hin und wieder zu anderen Terminen. Dafür bekomme ich dann mal ein paar Schläge.“

Komischerweise lässt mich diese neue Information total kalt. Kein Fünkchen Eifersucht ist zu spüren. Hätte ich nun nicht erwartet. Vielleicht liegt es daran, dass sie eine Domina ist und keine Sub. Und sie auch keinen Sex haben …

Wahrscheinlich ist sie dann die Frau, der die funkelnde Gerte gut gefallen würde, von der Liam bei unserem Besuch in der Boutique sprach …

„Klingt, als seist du nicht sonderlich zufrieden …“, versuche ich, ihm mehr Informationen zu entlocken.

„Na ja. Ist jetzt nicht sonderlich erfüllend, ständig ihre Wäsche zu waschen“, lacht er.

„Willst du mehr? Ich dachte, um Sex geht es dir dabei gar nicht.“

„Sie ist wie die meisten Dominas privat devot im Bett. Also würden wir ein privates Verhältnis haben, müsste ich derjenige sein, der sie dominiert. Dabei will ich ja unterwürfig sein. Im Zusammenhang mit Sex ist es irgendwie nicht möglich. Die attraktiven Frauen sind alle unberührbare Herrinnen. Aber ich kann schon stolz sein, dass sie mich in ihre Wohnung lässt. Das zeigt, dass sie mich mag und mir vertraut.“

Er scheint sie ebenfalls sehr zu mögen … Wahrscheinlich, weil sie ihm durch den Zugang in ihre Privatsphäre das Gefühl gibt, etwas Besonderes zu sein. Nun sitze ich gerade also auf ihrem Platz. Oder sie saß auf meinem. Immerhin hab ich bereits mit meiner Körperflüssigkeit diesen Sitz markiert. Nur kennt er sie wohl länger als mich. Eigentlich komisch, dass er mir erst jetzt von ihr erzählt …

Wir fahren auf den leeren Parkplatz des Baumarkts.

„Ich kann eben im Auto warten“, schlage ich vor.

„Quatsch! Ich bin nicht David. Komm mit.“

„Okay“, sage ich leicht irritiert. Schön, dass er sich mit mir sehen lassen will. Dennoch ist es merkwürdig, dass er es derart betonen muss, dass er nicht wie mein Ex-Freund ist.

Er findet relativ schnell eine geeignete kleine Gartenschaufel. Ich frage mich, wofür er die braucht. Meinte er womöglich mit dem Freund seine befreundete Domina? Bestimmt muss er für sie einen Gefallen erledigen beziehungsweise eine Aufgabe erfüllen. Sieht ja beinahe nach Gartenarbeit aus. Oder es ist doch für einen Kumpel. Etwas Verbotenes.

Möglicherweise muss er Drogen oder etwas in der Art verstecken und vergräbt es irgendwo.

Logisch, dass er mich dann nicht mitnehmen kann. Ich wäre eine Augenzeugin. Er würde mich in Gefahr bringen.

Dieser Besuch im Baumarkt erinnert mich an eine Szene aus dem Film 50 Shades Of Grey. Hätte was, würde er neben der Schaufel noch Kabelbinder, Klebeband und Seile kaufen. Der Blick der Kassiererin wäre unbezahlbar.

Okay, ich gucke eindeutig zu viel Fernsehen …

Vor der Kasse steht eine Truhe mit Eis. Liam hat wieder seine Spendierhosen an. Ich nehme den Flutschfinger und er ein Magnum.

Als wir im Auto sitzen, essen wir in Ruhe unser Eis auf.

„Ich lasse dich dann am Hauptbahnhof raus. Ist das ok?“

„Ja, das ist super.“

„Wenn du willst, können wir ja nächste Woche nach der Arbeit immer was machen. Wir können ins Kino und zusammen essen gehen. Vielleicht kann ich ja auch ein oder zwei Nächte bei dir übernachten?“, schlägt er vor.

„Klar! Gerne“, antworte ich überrascht. Aus seinem Mund klingt es so selbstverständlich. Als sei es das Normalste der Welt, dass wir mehr Zeit miteinander verbringen und wie kommt er auf die Idee, bei mir zu übernachten? Will er doch mit mir zusammen sein beziehungsweise mich näher kennenlernen oder wieso macht er nun einen auf Beziehung? Mal sehen, was sich ergibt. Ich freue mich auf jeden Fall auf die nächste Woche! Das mit dem Übernachten muss ich allerdings mit meiner Familie abklären. Sollte aber kein Problem sein, denn immerhin durfte der fremde Tindertyp auch bei mir übernachten. Liam kenne ich wesentlich länger und für meine Eltern ist er kein Fremder.

Auf dem Rückweg schreibe ich Toni.

Du fährst schon nach Hause? Das war ja ein kurzes Treffen.

Ja, er hatte leider doch noch einen Termin. Ich vermute, dass er zu seiner Dominafreundin fährt, von der er mir heute erzählt hat.

Seiner was? Freundschaftlich oder geht da etwa mehr?

Er meint freundschaftlich. Sie hat ihm ihren Wohnungsschlüssel anvertraut. Er macht bei ihr sauber und wäscht ihre Wäsche. Und ab und an spielt er den Fahrservice …

Und im Gegenzug bekommt er Sex?

Nein, die beiden haben keinen Sex miteinander. Im Gegenzug bekommt er Schläge … Normalerweise müsste er sie bezahlen. Er darf ja schon die Vorzüge ihres tiefen Vertrauens zu ihm genießen.

Oh, da fühlt er sich bestimmt besonders. Was hat das in dir ausgelöst? Wie fühlst du dich? Auf das Herz hast du ihn nicht angesprochen, oder?

Nichts. Ich habe mich gefreut, dass er mir von ihr erzählt hat. Aber mehr habe ich nicht gefühlt. Es war etwas komisch, zu wissen, dass sie im Auto neben ihm saß … die Vorstellung ist einfach strange. Das mit dem Herzen spreche ich an, wenn ich ihn das nächste Mal nackt sehe.

Du stellst dir auch direkt alles bildlich vor … Aber freut mich, dass du nicht verletzt bist oder enttäuscht. Das zeigt, dass du definitiv nicht in ihn verknallt bist.

Schön, dass du es mir jetzt erst glaubst. :D

Na ja … er will nächste Woche viel Zeit mit mir verbringen nach seiner Arbeit. Und er möchte sogar bei mir übernachten … Schon komisch, oder?

Er scheint dich mehr zu mögen als sie, wenn er so viel Zeit für dich hat. Er hat dich in den letzten Tagen ja schon häufiger nach einem Treffen gefragt … Wollte mit dir auf diese Playparty gehen. Und jetzt will er zu dir nach Hause? Definitiv ist das merkwürdig.

Wahrscheinlich hat er die Nase voll vom Wäschewaschen. ;)

Mir schmeichelt es, dass er sich wohl an meiner Seite fühlt und ich verbringe gerne Zeit mit ihm.

Vielleicht werden wir sehr gute Freunde …

Freunde? Fickfreunde vielleicht, aber nur Freunde? Nein … Mel, das ist nicht möglich. Solltet ihr nicht fest zusammenkommen und er lernt – sollte ein Wunder geschehen – eine Frau kennen, bist du abgeschrieben. Glaube mir.

Ich weiß nicht … Kann gut möglich sein. Aber vielleicht bin ich ihm als Mensch wichtig geworden und es ist mehr als etwas Körperliches. Einen guten Kumpel würde ich mir mehr wünschen als einen Partner.

Wir warten mal die nächste Woche ab. Es bleibt spannend. Würdest du denn mit ihm zusammenkommen wollen, wenn er dich jetzt fragen sollte?

Ich glaube, ich würde nicht Nein sagen, obwohl ich nicht mehr verknallt in ihn bin und ich es mir auch nur schwer vorstellen kann, mit ihm fest zusammen zu sein.

Heißt, du würdest diese Erfahrung schlichtweg mitnehmen wollen?

Das heißt es. Ein „für immer“ gäbe es mit uns bestimmt nicht … Aber ich wüsste gerne, wie es sich anfühlt, mit ihm in einer Partnerschaft zu sein.

Jedes Wochenende bangen, dass er nicht fremdgeht. Klingt vielversprechend …

Ich dürfte ihn bestimmt oft begleiten. Das letzte Mal hat das total viel Spaß gemacht. War ein unvergesslicher Abend.

Ein paar coole Abenteuer würdest du mit ihm mit Sicherheit erleben, aber er würde dich nicht immer dabei haben wollen. Er ist ein Mann und selbst wenn er behauptet, nicht im Mittelpunkt stehen zu wollen … er will es. Er mag das Gefühl, begehrt zu werden. Und wenn du ihn dann siehst, wie er mit anderen flirtet, während du an der Seite stehst, in seinem Schatten, wird es dich triggern. Es wird dich an die Zeit mit David erinnern und du wirst dich scheiße fühlen.

Du bist ganz schön pessimistisch … aber du bist die Stimme, die mich davon abhält, mir alles wieder zu schön zu reden. Die Gefahr ist groß, dass ich manche Fehler erneut begehe. Ich handle in gewissen Momenten aus dem Gefühl heraus, ohne meinen Verstand zu benutzen …

Ich weiß. Obwohl ich dich noch nicht so lange kenne … Ich passe auf dich auf, aber letztendlich wirst du immer die für dich richtigen Entscheidungen treffen und egal, welche Konsequenzen das mit sich ziehen wird, ich bin für dich da!

Toni, ich hab dich verdammt lieb! Du weißt, dasselbe gilt auch für dich. Ich stehe immer hinter dir.

Ich weiß, Mel.

<3

Es ist Freitagabend. Liam hat dank Lars ein Problem und ich fühle mich verantwortlich, ihm zu helfen.

„Papa?“, frage ich mit dem Unterton, dem man sofort anhört, dass ich etwas möchte, von dem ich befürchte, dass er es nicht erlauben könnte.

„Was gibt’s?“ Er schaut von seinem Bildschirm hoch und man sieht in seinem Gesicht, dass er nichts Gutes ahnt. Zu doof, dass Mom das Wochenende über weg ist … Das erste Mal seit Jahren, ist sie alleine unterwegs. Auf einem Seminar. Im Süden Deutschlands. Gerade jetzt, wo ich ihre Unterstützung gebrauchen könnte.

„Liam hat für die Nacht keinen Schlafplatz. Kann er heute bei mir schlafen?“ Ich kenne meinen Vater und weiß, dass wenn er nicht gut drauf ist, er gerne Nein sagt. Und momentan ist eine dieser Phasen.

„Nein. Ich will ihn nicht hier haben.“ Als hätte ich es angezogen …

„Aber damals durfte der Typ, den ihr gar nicht kanntet, doch auch hier schlafen. Warum darf Liam jetzt nicht hier übernachten? Er muss die Nacht sonst im Auto verbringen …“ Ich gebe mir große Mühe, mein Temperament zu zügeln und nicht zu zickig zu klingen.

„Weil ich es nicht will. Ich mag seine Energie nicht.“

„Ich kann mich noch daran erinnern, wie du gesagt hast, dass du ihn magst und ihr habt euch total lange unterhalten …“, gebe ich nicht auf.

„Dennoch will ich nicht, dass er in meiner Wohnung schläft, auf meine Toilette geht und mein Wasser verbraucht!“ Diese Argumentation lässt Wut in mir hochkochen.

„Das ist doch albern. Morgen früh würde er wieder gehen. Du würdest gar nicht mitbekommen, dass er hier war.“

„Nein heißt Nein“, bleibt er stur.

Ohne noch etwas zu sagen, stampfe ich die Treppenstufen hinunter und mache meine Zimmertür so zu, dass man hört, wie scheiße ich das alles gerade finde. Ich fühle mich zurück in meine Pubertät versetzt.

Tut mir leid. Mein Vater will nicht, dass du hier schläfst. Mich pisst das gerade total an. Wird Zeit, dass ich ausziehe!

Hey, kein Ding! Ich will nicht, dass du wegen mir mit deiner Familie streitest. Ich penne dann halt im Auto. Passt schon. Sei froh, dass du nicht alleine bist und keine Mietkosten zu tragen hast.

Ich ertrage diese Negativität aber nicht mehr. Und dass ich nicht entscheiden darf, wer in meinem Bett schläft … Mein Vater freut sich bestimmt darüber, seine Macht ausspielen zu können. Vor allem kann ich seine Argumentation nicht nachvollziehen. Er lässt nur seine schlechte Laune an mir aus. Ich überlege mir was. Du musst nicht im Auto schlafen …

Ich finde das echt süß von dir … Lars ist ein Arschloch. Er war neidisch auf mich, dass wir beide am Sonntag bei ihm waren und Spaß hatten und jetzt hat er sich auf Krampf eine hässliche Alte ans Bein genagelt und da sie heute ein Date bei ihm haben, kann ich jetzt sehen, wo ich bleibe.

Ein Freund, der mit dir in den Konkurrenzkampf geht, ist kein wahrer Freund …

 

Mich nervt der Typ eh nur ab … aber bald hat das ja ein Ende. In ein paar Tagen habe ich mein eigenes Zimmer.

Ich überlege, wie ich Liam helfen kann. Ich will heute nicht hier bleiben. Ich muss raus. Und sei es, dass wir beide zusammen in seinem Auto pennen. Kurz überlege ich, Toni zu fragen, aber mein Bauchgefühl rät mir davon ab. Plötzlich fällt mir die Lösung ein! Davids Wohnung! Er und Alina sind vor ein paar Tagen ins Ausland gefahren, um ihre Verwandten zu besuchen.

Und den Wohnungsschlüssel, den ich nach unserer Trennung für den Notfall, dass er Hilfe braucht oder er seinen Schlüssel verliert, behalten durfte, habe ich Josh gegeben. David weiß, dass er der neue Besitzer des Schlüssels ist. Nun werde ich ihn mir ausborgen müssen. Ich klopfe an seiner Zimmertür.

„Jaaa?“, dringt es durch das Holz.

„Hey, Bruderherz. Ich hab da was vor …“, beginne ich, ihm mein Vorhaben durch den leicht geöffneten Türspalt zu erzählen.

„Das wäre?“, fragt er nach.

„Liam hat keinen Schlafplatz für die Nacht … und da David weg ist …“

„Das willst du nicht ernsthaft machen, Mel?“, unterbricht er mich mit einem großen Grinsen im Gesicht.

„Doch. Ich wollte dich fragen, ob du mir Davids Schlüssel geben kannst“, fahre ich fort.

„Du bist verrückt! Wenn er das herausfindet, hänge ich mit drin.“

„Quatsch! Die Verantwortung liegt bei mir. Außerdem wird er es nicht bemerken. Wenn man nicht davon ausgeht, dass jemand in der Zwischenzeit in der Wohnung ist, wird es auch nicht auffallen, wenn vielleicht ein wenig Klopapier fehlt. Ich sage sonst, dass ich ihn mir einfach genommen habe. Dann bist du aus dem Schneider.“

„Hm. Na gut. Ich finds irgendwie cool, dass du das machst! Er schuldet dir eh was. Von daher kann er dir unwissentlich diesen Gefallen tun.“

„Das sehe ich ganz genauso“, stimme ich meinem Bruder zu.

Joshi überreicht mir den Schlüssel und wünscht mir eine gute Nacht.

Ich habe einen Schlafplatz!

Ach, echt? Wo denn?

Bei David. Er und seine Freundin sind weg. Die Wohnung ist also leer.

Und du hast ihn gefragt?

Nein. Ich habe erst überlegt, ob ich ihn frage und vielleicht würde er sogar Ja sagen, aber er könnte es auch verbieten. Wenn wir es einfach tun, wird es definitiv nicht auffallen. Tun wir es, obwohl er es nicht will, fällt ihm vielleicht etwas auf, weil er davon weiß …

Da hast du wohl recht. Wie du magst. Also ich freue mich, wenn wir zusammen die Nacht verbringen und ich nicht im Smart schlafen muss. Wo muss ich denn hinfahren?

Ich nenne ihm die Adresse.

Prima. Und wie lautet die nächste Bahn Station? Ich sammle dich dort ein.

Lattenkamp. Ich packe ein paar Sachen zusammen und fahre dann direkt los.

Ich freue mich. Bis gleich.

Eigentlich hatte ich erwartet, dass er mich wenigstens abholt, wenn ich ihm schon einen Schlafplatz besorge …

Aber nun gut. Ich packe meine Zahnbürste und Zahnpasta ein, eine Haarbürste und die Produkte, die meine Blasenentzündung so gut wie weggezaubert haben. Noch fühle ich, dass sie nicht ganz weg ist, daher verwende ich sie weiter.

Das bedeutet, dass es heute leider keinen Sex im Bett meines Ex-Freundes mit einem dominant-devoten Stripper geben wird. Schade. Das wäre ein schöner Rachefeldzug. Vor allem hat er endlich ein großes Schlafsofa für zwei Personen, welches er sich besorgen wollte, als wir zusammen waren, es aber nie getan und deshalb immer bei mir übernachtet hat. Heißt, wir konnten selten ausgelassenen Sex haben. Gut, wäre eh nicht wesentlich besser gewesen. Scheiße kann man nicht polieren. Trotzdem hat es mich geärgert, dass wenn ich mal bei ihm übernachtet habe, auf einer harten, schmalen Matratze auf dem Boden schlafen durfte. In seinem Einzelbett war es zu zweit viel zu eng.

Als deren damaliger Sänger nach einer Partynacht mal bei ihm geschlafen hat, weil es zu ihm nach Hause keine gute Verbindung mehr gab, mussten wir uns in das kleine Bett zwängen, mit dem Resultat, keine ruhige Nacht gehabt zu haben. Man wachte ständig auf …

Es ist irgendwie ein Klischee, dass manche Dinge mit einem neuen Partner plötzlich möglich sind. Immerhin profitieren Liam und ich nun davon.

Als ich in der U-Bahn sitze, begleitet mich ein kleines schlechtes Gewissen. Mein Vater fand es gut, dass ich eine Lösung gefunden habe und hat mich nicht davon abhalten wollen, das durchzuziehen. Wenigstens haben wir uns nicht im Streit getrennt. Was ungünstig gewesen wäre, da ich morgen mit der Band meines Vaters unterwegs bin und wir somit den ganzen Tag zusammen verbringen werden.

Ich weiß, dass David kein schlechtes Herz hat und mir nie mit Absicht wehtun wollte, daher hat er es natürlich nicht verdient, dass ich ihn jetzt nicht um Erlaubnis frage, aber Liams Wohlbefinden ist mir gerade schlichtweg wichtiger.

Toni habe ich nichts erzählt, denn ich bin mir sicher, sie hätte mir davon abgeraten.

Nein, auf eine Moralpredigt kann ich getrost verzichten. David hat mich damals dermaßen angelogen … Dagegen ist diese Lüge, diese Aktion nichts. Es verletzt ihn nicht. Das Einzige, was er tun müsste, wäre sein Bett frisch zu beziehen. Ob er mir in Zukunft noch vertraut, wäre mir egal. Mein Vertrauen benötigt er nicht mehr und ich nicht seines.

Und würde er den Kontakt abbrechen, der eh kaum besteht, würde ich das definitiv verkraften können.

Kurz bevor ich meine Zielstation erreicht habe, macht sich ein wenig Aufregung in mir bemerkbar.

Auf meinen Handflächen bildet sich ein feuchter Film. Verstehen tue ich das nicht. Liam weiß, dass es keinen Sex geben wird. Wir übernachten bloß in der Wohnung meines Ex-Freundes.

Wieso bin ich jetzt nervös? Es ist noch nicht mal eine vorfreudige Aufregung. Ähnelt eher dem Gefühl, gleich einen Vortrag halten zu müssen, auf dem man schlecht vorbereitet ist.

Liam steht bereits am Ausgang und wartet auf mich. Schlagartig ist mein Lampenfieber verschwunden. Wirklich merkwürdig …

„Hey, Kleine“, begrüßt er mich mit einem Küsschen links und einem rechts.

Denkt er, dass eine Blasenentzündung ansteckend ist oder wieso bekomme ich keinen Kuss auf den Mund?!

„Hi“, antworte ich knapp.

„Mein Auto steht gleich da drüben.“

„Alles klar. Bis zu David ist es nicht weit. Müssen nur schauen, ob wir dort einen Parkplatz finden.“

„Mit einem Smart sollte das wohl möglich sein“, lacht er.

„Auch wieder wahr“, schließe ich mich seinem Lachen an.

Das erste Mal genieße ich den Vorteil eines Smartes. Normalerweise ärgere ich mich, wenn ich mit meiner Familie im Auto sitze und wir einen Parkplatz suchen … Immer kommt Freude auf, einen Parkplatz gefunden zu haben und im nächsten Moment folgt die Enttäuschung, weil ein Smart diesen belegt.

Wir haben Glück und finden fast vor der Haustür eine Parkgelegenheit. Es fühlt sich komisch an, als ich unten die Eingangstür öffne. Hoffentlich kommen uns keine Nachbarn entgegen …

Ungesehen huschen wir in Davids kleine Dachgeschosswohnung. Mir zieht ein gewohnter Geruch in die Nase. Muffige, verbrauchte Luft gemischt mit Männerdeo und Parfum.

„Als erstes sollten wir lüften“, schlage ich vor.

„Gute Idee!“ Liam schlüpft aus seinen Schuhen und geht in die Küche, als wäre er hier schon mal gewesen, um das Fenster zu öffnen. Ich widme mich dem Schlafzimmerfenster. Da es zu sehr zieht, schließt Liam das andere Fenster direkt und kommt zu mir. Mir fällt auf, dass er gar keine Sachen dabei hat …

Keine Zahnbürste, keine frische Unterwäsche. Hauptsache, er kommt nicht auf die Idee, Davids Zahnbürste zu missbrauchen, aber die sollte er wohl mitgenommen haben.

Ich lege eine einzelne Socke, die mitten auf dem Bett liegt, ans Bettende. Morgen früh muss ich daran denken, sie zurückzulegen. Obwohl ich ziemlich oft in dieser Wohnung war, fühle ich mich wie eine Einbrecherin.

Hier hat sich, bis auf das Schlafsofa, kaum etwas verändert. Selbst der Mülleimer hinter der Tür ist wie damals bis zum Rand mit verbrauchten Taschentüchern beziehungsweise Klopapier gefüllt. Auf seinen Wichstuchmülleimer habe ich ihn mal angesprochen, als wir mit der Band und ein paar weiteren Leuten Silvester bei ihm gefeiert haben. Der war selbst, als Besuch da war, bis oben hin voll.