Jack London – Gesammelte Werke

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»Ein to­ter Pio­ni­er«, brach Fro­na das Schwei­gen, als un­ter Win­seln, Ru­fen und Knal­len der Sarg in der Fer­ne ver­schwun­den war, ei­ner Art von To­ten­kam­mer ent­ge­gen, die man ir­gend­wo vor der Stadt in das Eis ge­hau­en hat­te.

Cor­liss’ Ge­dan­ken gin­gen in glei­cher Rich­tung wie die Fro­nas.

»Gold­su­cher«, sag­te er, »aber Pio­nie­re, da ha­ben Sie recht. Sie kämp­fen wie Sol­da­ten im Krieg ge­gen Käl­te und Hun­ger, ihre Waf­fen sind Zä­hig­keit und die Kraft, zu lei­den. Ich kann ver­ste­hen, dass alle sieg­rei­chen Ras­sen aus dem Nor­den ge­kom­men sind, um zu herr­schen. Stark im Wa­gen, stark im Dul­den, mit un­end­li­chem Glau­ben und un­end­li­chem Mut aus­ge­rüs­tet, muss­ten sie sich die Welt un­ter­wer­fen.«

Ein al­tes nor­di­sches Lied fiel ihm ein: »Wir schwan­gen un­se­re Schwer­ter im Kampf«, sang er. »Da loh­te mein Herz, als läge mei­ne wei­ße Braut bei mir auf dem Ru­he­bett. Ich schritt den Ge­fähr­ten vor­an mit dem blu­ti­gen Stahl; uns folg­ten die Ra­ben. Feu­er fraß die Häu­ser der Men­schen! Wir schlie­fen im Blu­te de­rer, die die Tore be­wacht!«

»Füh­len Sie das wirk­lich?« frag­te sie, die Hand in sei­nem Arm.

»Frü­her war mir all das nur Schul­weis­heit, un­se­re gan­ze Wi­king-Ver­gan­gen­heit hat mir nie et­was ge­sagt, Fro­na! Ich war ein klei­ner Stu­dent, ich hat­te For­meln und Lo­ga­rith­men­ta­feln im Kopf, und von wem ich ab­stam­me, da­nach habe ich kaum ge­fragt. Das heißt, wis­sen Sie, mein Blut hat nicht da­nach ge­fragt, nicht ein­mal ein Traum hat mir da­von er­zählt.«

»Und jetzt?«

»Hier oben im Nor­den ist mir das al­les plötz­lich be­wusst ge­wor­den.«

Er sah Fro­na mit be­wun­dern­den Au­gen an, ihre Sil­hou­et­te zeich­ne­te sich scharf von der flam­men­den Luft ab. Der Reif in ih­ren Brau­en und Wim­pern schim­mer­te wie Ju­we­len. Ihr Ge­sicht stand ganz in die­sen Strah­len. Wie ein Ge­ni­us der nor­di­schen Ras­se er­schi­en sie ihm, bei ih­rem An­blick stan­den längst ver­gan­ge­ne Ge­ne­ra­tio­nen in sei­ner See­le auf. Er emp­fand, wie sei­ne Vä­ter in Sturm­ge­tö­se und Wo­gen­prall kampf­tüch­ti­ge Schif­fe mit schar­fem Bug aus die­sen Brei­ten hin­un­ter in den Mit­tag ge­steu­ert hat­ten, rings­her­um um Eu­ro­pa. Wi­kin­ger hat­te man sie ge­hei­ßen, die mit ei­ser­nen Mus­keln und ge­wal­ti­gen Brust­käs­ten aus dem Ele­ment selbst ent­stan­den wa­ren, um plün­dernd wie Herr­gotts­gei­ßeln über die war­men Süd­lan­de hin­zu­fah­ren. Lei­den­schaft­lich griff er nach Fro­nas Hand.

»Die wei­ße Braut auf mei­nem Ru­he­bet­te! Fro­na! Hier un­ter den Ster­nen, im Nord­licht …«

Er brach ab; der Schwung sei­nes Her­zens woll­te sich ihm nicht zu Wor­ten ge­stal­ten. Das Nord­licht zer­fla­cker­te mit ei­nem letz­ten, un­si­che­ren, blass­gel­ben Schein. Jetzt glit­zer­ten nur noch die Ster­ne, und jetzt erst war wirk­lich Nacht. Ganz von fern hör­te man die Hun­de des Lei­chen­schlit­tens kla­gend heu­len.

»Wer­den Sie mei­ne Braut, Fro­na!«

Eine Mi­nu­te lang wur­de kein Wort ge­spro­chen. Eine Mi­nu­te lang be­ob­ach­te­te Cor­liss, wie aus Fro­nas Ge­stalt das Sie­ges­ge­wis­se ver­schwand, ihre Ge­stalt klein wur­de und zu­sam­mensank. Er las auf ih­rem Ge­sicht die bit­te­re Not­wen­dig­keit, ein Wort spre­chen zu müs­sen, das ihm weh tat.

»Ich war ein Narr … sa­gen Sie nichts … Ich weiß mei­ne Ant­wort …«

Fro­na bat: »Las­sen Sie uns ge­hen.«

Erst als sie den Berg hin­ter sich ge­las­sen, die Ebe­ne durch­schrit­ten hat­ten und bei der Sä­ge­müh­le am Fluss an­ka­men, als ge­schäf­ti­ge Men­schen rings um sie wa­ren, konn­ten sie ein Ge­spräch wie­der auf­neh­men.

»Es tut mir so leid«, stam­mel­te sie. Und dann, un­be­wusst sich selbst ver­tei­di­gend, »und es war al­les so schön vor­her … so schön … Aber das hat­te ich nicht er­war­tet …«

»Sonst hät­ten Sie mei­ne Fra­ge ver­hin­dert?«

»Ja, ich glau­be. Ich woll­te Ih­nen ja nicht wehe tun.«

»So ha­ben Sie es also er­war­tet?«

»Vi­el­leicht ge­fürch­tet. Aber zu­gleich hat­te ich ge­hofft … Se­hen Sie, Van­ce, ich bin nicht nach Klon­di­ke ge­kom­men, um mich zu ver­lie­ben. Und erst recht nicht, um zu hei­ra­ten. Ge­fal­len ha­ben Sie mir vom ers­ten Au­gen­blick an, ei­gent­lich ge­fal­len Sie mir im­mer bes­ser. Und nie ha­ben Sie mir bes­ser ge­fal­len als ge­ra­de heu­te. Aber …«

»Aber mei­ne Frau zu wer­den, dar­an ha­ben Sie nie ge­dacht. Das wol­len Sie doch sa­gen?«

Er sah sie von der Sei­te an, scharf und for­schend, und in die­sem Au­gen­blick mach­te ihn der Ge­dan­ke, sie zu ver­lie­ren, ra­send.

»Ich habe so­gar dar­an ge­dacht«, ant­wor­te­te sie. »Ich habe dar­an ge­dacht, aber der Ge­dan­ke hat kei­ne Ge­walt be­kom­men. Sie ha­ben so vie­le große Ei­gen­schaf­ten, Van­ce, so vie­les, Herz­lich­keit und Güte und Kraft …«

Er ver­such­te mit ei­ner Hand­be­we­gung, sie zum Schwei­gen zu brin­gen, aber jetzt woll­te sie spre­chen.

»Ein wun­der­vol­ler Ka­me­rad sind Sie. Das größ­te, was ein Mensch dem an­de­ren ge­ben kann, ist eine Freund­schaft, wie Sie sie zu ge­ben ha­ben. Wenn das ge­kom­men wäre, was Sie glau­ben, ach, ich wäre sehr glück­lich ge­we­sen. Ist es mei­ne Schuld, dass es nicht kam?«

Er ver­such­te es mit ei­nem Scherz, so bit­ter, dass er ihm selbst weh tat.

»Sie hät­ten gern den un­will­kom­me­nen Gast will­kom­men ge­hei­ßen?«

»Wa­rum ma­chen Sie mir al­les noch schwe­rer, als es ist, Van­ce? Wa­rum hel­fen Sie mir nicht lie­ber? ›Nein‹ hö­ren müs­sen ist furcht­bar hart, aber ›Nein‹ sa­gen müs­sen ist noch viel schreck­li­cher. Ich habe einen lie­ben, lie­ben Freund, den will ich nicht ver­lie­ren.«

»Ein Freund geht ver­lo­ren, wenn er ein Lie­ben­der wird, Fro­na. Ich hät­te nie den Mund auf­tun dür­fen. Jetzt ist al­les so klar und so furcht­bar hoff­nungs­los. Aber wenn ich ge­schwie­gen hät­te, es wäre doch das­sel­be ge­we­sen.«

In die­sem Au­gen­blick wur­de ihm be­wusst, dass er wohl vor we­ni­gen Wo­chen noch auf sei­ne Schick­sals­fra­ge eine ganz an­de­re Ant­wort be­kom­men hät­te. Das mach­te bit­ter.

»Sie sind ein Mäd­chen wie die meis­ten. Je­der Tag ver­wischt den ver­gan­ge­nen. Da er­schei­nen neue Ge­dan­ken und Ge­sich­ter, Män­ner mit wun­der­ba­ren Aben­teu­ern, ne­ben de­nen ein nüch­ter­ner klei­ner Berg­werk­s­in­ge­nieur nichts zu be­deu­ten hat.«

Jetzt war sein gan­zes Herz voll Wut. Er woll­te sie in Wor­ten aus­schüt­ten und fühl­te, wie die­se Wor­te sich zu Un­flat in ihm ball­ten. Die gan­ze Wahr­heit über die­sen Bur­schen St. Vin­cent soll­te sie hö­ren, der ihm mit Lüge und Schaum­schlä­ge­rei sein herr­li­ches Mäd­chen ge­stoh­len hat­te. Aber sie un­ter­brach ihn.

»Spre­chen Sie nicht, Van­ce. Was Sie jetzt sa­gen wol­len, will ich nicht hö­ren. Ich ver­ste­he, was Sie füh­len, strei­ten will ich nicht mit Ih­nen, des­halb ist es bes­ser, Sie schwei­gen.«

»Wenn Sie mich für streit­süch­tig hal­ten, will ich Sie lie­ber ver­las­sen.«

Er blieb plötz­lich ste­hen, und sie stand ne­ben ihm.

»Dort kommt Dave Har­ney«, sag­te er. »Er kann Sie nach Hau­se be­glei­ten. Es sind ja nur ein paar Schrit­te.«

»Sie be­neh­men sich schlecht ge­gen mich und ab­scheu­lich ge­gen sich selbst.« Sie sprach wei­ter mit Ent­schie­den­heit, aber aus ih­rer Stim­me klang es wie ein ganz lei­ses, un­ter­drück­tes Wei­nen. »Ich leh­ne es ab, Van­ce, dies als ein Ende zu be­trach­ten. Wir ha­ben noch kei­nen Ab­stand dazu. In die­sem Au­gen­blick ver­ste­hen wir uns selbst nicht. Aber wenn wir bei­de ru­hig ge­wor­den sind, müs­sen Sie wie­der zu mir kom­men.«

Als er den Kopf schüt­tel­te, fuhr sie auf: »So las­se ich mich nicht be­han­deln! Das ist kin­disch von Ih­nen, das habe ich nicht ver­dient! Sie sol­len mein Freund blei­ben! So, wie es bis­her war, soll al­les blei­ben.«

Dave Har­ney kam her­an­ge­schlen­dert; er rief »Hal­lo!« und griff an sei­ne Müt­ze.

»Hab’ ich auf Sie ein­ge­re­det wie auf einen lah­men Schim­mel, Cor­liss, dass Sie Hun­de kau­fen sol­len, oder nicht? Die Lip­pen habe ich mir fus­se­lig ge­schwatzt, aber Sie ha­ben nicht ge­hört. Ges­tern sind die Hun­de um einen Dol­lar das Pfund ge­stie­gen, und ich wet­te mei­nen Kopf ge­gen einen al­ten Hut, dass sie noch wei­ter in die Höhe ge­hen, bis ins Asch­graue, sage ich Ih­nen! Gu­ten Tag, Fräu­lein Fro­na, wol­len wir alle drei zu­sam­men wei­ter­ge­hen?«

»Ich habe eine Verab­re­dung, mich müs­sen Sie schon ent­schul­di­gen«, log Cor­liss und griff an sei­ne Müt­ze.

»Am Mitt­woch! Am Mitt­woch nach­mit­tag, Van­ce!« rief Fro­na ihm nach, die Stim­me voll Angst.

»Ich fürch­te, dass ich kei­ne Zeit dazu fin­de. Le­ben Sie wohl! Auf Wie­der­se­hen, Herr Har­ney!«

»Das ist ein Ar­beit­s­tier!« be­merk­te, ihm nach­schau­end, Dave. »Mit Klei­nig­kei­ten gibt er sich nicht ab. Und da­bei denkt er nur an sei­ne Ge­sell­schaft; der Kerl hat über­haupt kei­nen Selbs­t­er­hal­tungs­trieb. Kann ein ge­sun­der Mensch so ein Narr sein, bei die­ser Kon­junk­tur kei­ne Hun­de zu kau­fen?«

*

Cor­liss stürz­te sich aufs neue in sei­ne Ar­beit, um al­les zu ver­ges­sen, was er »Pri­vat­le­ben« nann­te. Er ver­hetz­te sei­ne Tage auf Schlit­ten­fahr­ten, mar­schier­te sich müde, dass er abends steif und be­sin­nungs­los ins Bett fiel, ver­maß und zeich­ne­te, als soll­te er das Pro­gramm ei­nes Jah­res in Wo­chen er­fül­len. Aber nur wenn er wach­te, blieb er Herr über sei­ne Ge­dan­ken. Wehr­los war er, wenn er schlief. Del Bi­shop, der fast im­mer mit ihm zu­sam­men war, sah die­se Rat­lo­sig­keit, sah, dass sein Chef we­nig aß und un­ru­hig schlief, und härm­te sich mit ihm zu­sam­men ab.

 

Der Gold­su­cher hat­te aus ver­schie­de­nen An­zei­chen, die den meis­ten völ­lig ent­gan­gen wa­ren, einen ab­so­lut rich­ti­gen Schluss ge­zo­gen. Wie ein Jagd­hund den Schweiß des Wil­des, hat­te er die Wit­te­rung von großen Gold­fun­den in die Nase be­kom­men; zum ers­ten Mal in sei­ner Pra­xis glaub­te er sich mit Si­cher­heit dem Ziel ganz nahe. Dazu brauch­te er einen tüch­ti­gen und tat­kräf­ti­gen Cor­liss, der mit ihm am glei­chen Stran­ge zog. Er dach­te nicht dar­an, al­lein reich zu wer­den. Sei­ne Man­nen­treue war zu ei­ner Art sen­ti­men­ta­ler Lie­be ge­wor­den. Er woll­te, dass auch sein Chef das große Glück von Alas­ka mach­te. Wenn »das Stink­tier« da­bei im Wege war – denn es war ja kein Zwei­fel, wor­an Cor­liss litt, dass ihm das Fleisch von den ar­men Rip­pen fiel –, dann muss­te er den Kerl aus dem Wege schaf­fen, und er wür­de sich nicht lan­ge über­le­gen, auf wel­che Art. Vo­rerst aber durf­te selbst sei­ne Rach­gier die große Chan­ce nicht ver­ei­teln. Es kam ja nicht nur dar­auf an, zu wis­sen, wo Gold lag, son­dern man muss­te der ers­te sein, der sei­ne Rech­te in die Lis­ten ein­tra­gen ließ. Gold­su­chen ist eine Art Wett­ren­nen, bei dem es meist nur einen Sie­ger gibt.

An ei­ner Fluss­ga­bel, da, wo der Bo­nan­za sich vom El­do­ra­do ab­zweigt, ver­lang­te er ei­nes Ta­ges in vol­lem Marsch, dass sie halt­mach­ten.

»Hab’ ich Sie je um et­was ge­be­ten, Cor­liss? Nein! Heu­te bit­te ich Sie, da kön­nen Sie nicht nein sa­gen. Wis­sen Sie, dass hier, kei­ne fünf Mi­nu­ten von die­ser Stel­le, mei­ne Obst­farm ver­gra­ben liegt? Wenn Sie eine Nase hät­ten wie ich sie habe, könn­ten Sie die rei­fen Ap­fel­si­nen schon rie­chen.«

»Dann blei­ben Sie eben hier, Bi­shop, und ich fah­re wei­ter. Sie kom­men mir nach, wenn Sie mit Ih­rer Pri­vat­ar­beit fer­tig sind.«

»Ich will Sie aber auch da­bei­ha­ben. Das könn­ten Sie doch ei­gent­lich be­grei­fen? Schließ­lich spre­che ich ja nicht In­dia­nisch, son­dern eine Spra­che, die Sie so ziem­lich ver­ste­hen soll­ten. Wenn es sich um Che­mie und um sol­ches Zeug han­delt, was man aus den Bü­chern lernt, wenn man die Ge­duld hat, sich die Ho­sen durch­zu­rut­schen, dann sind Sie ein gan­zer Kerl. Nein, Sie sind auch sonst ein gan­zer Kerl, sonst wür­de ich nicht so mit Ih­nen spre­chen. Aber wenn es dar­auf an­kommt, mit den Fin­ger­spit­zen zu le­sen und mit der Nase zu mes­sen, dann braucht man so einen Kerl, wie ich bin, und schließ­lich soll­te man Gott dan­ken, wenn man ihn hat. Dies­mal hö­ren Sie zu, für heu­te bin ich der be­lieb­te Er­zäh­ler.«

Cor­liss lach­te, und Bi­shop wur­de wü­tend.

»Da gib­t’s gar nichts zu grin­sen! Was ich be­haup­te, das baut sich auf Ih­rer ei­ge­nen Lieb­lings­theo­rie auf, das mit den Über­schwem­mun­gen und ver­än­der­ten Fluss­bet­ten und all die­sem Kram. Aber ich habe auch nicht um­sonst zwei Jah­re lang bei den Me­xi­ka­nern Gold ge­sucht. Aus Ge­sund­heits­rück­sich­ten al­lein bin ich nicht nach Alas­ka ge­gan­gen. Ich kann euch ver­dammt klu­gen Mi­ne­n­in­ge­nieu­ren in ei­ner Mi­nu­te mehr von El­do­ra­do er­zäh­len, als ihr mit all eu­ern Bril­len in ei­nem gan­zen Mo­nat her­aus­rech­nen könnt. Ich wür­de Sie zum Teu­fel ja­gen, wenn ich nicht Ihr er­ge­bens­ter Die­ner und Ihr Freund wäre. Aber weil ich das bin, be­feh­le ich Ih­nen ein­fach, hier­zu­blei­ben. Heu­te Nacht schla­fen Sie hier, und nächs­tes Jahr kön­nen Sie sich eine Obst­farm ne­ben mei­ner kau­fen, und dann sind wir Nach­barn, wenn auch von Ihrem Haus zu mei­nem zwan­zig Mei­len Reit­weg ist. Der geht aber nur über ei­ge­nes Land, Ihres und mei­nes!«

»In Got­tes Na­men. Dann blei­ben wir hier. Ich ma­che mei­ne Auf­zeich­nun­gen, und Sie kön­nen her­um­schnüf­feln.«

»Ich will Sie aber da­bei ha­ben!«

»Ich blei­be ja. Was wol­len Sie noch mehr?«

»Mit der Nase will ich Sie auf den Gold­schatz sto­ßen, das will ich. Sie sol­len mit mir zu­sam­men Ent­de­cker sein.«

Jetzt riss Cor­liss die Ge­duld.

»Las­sen Sie mich mit Ih­rer gott­ver­fluch­ten Obst­farm in Ruh, Sie al­ter Esel! Ich bin sau­mü­de und ver­flucht schlech­ter Lau­ne. Wenn Sie wirk­lich eine Nase hät­ten, hät­ten Sie das längst ge­merkt. Trei­ben Sie Ihren Mum­pitz, bis Ih­nen der Zin­ken ab­friert, ich blei­be im La­ger. Ver­stan­den?«

»Sie un­dank­ba­rer Hund, der Sie sind, Cor­liss! Nacht um Nacht lie­ge ich wach und quä­le mir das Hirn aus­ein­an­der mit mei­nen Theo­ri­en und rech­ne, dass mei­ne zehn Fin­ger kaum aus­rei­chen, und will Sie be­tei­li­gen, und was tun Sie? Schnar­chen tun Sie und ›Fro­na!‹ ›Fro­na!‹ wim­mern.«

»Wol­len Sie Ihre gott­ver­fluch­te Schnau­ze hal­ten?«

»Den Teu­fel will ich hal­ten. Wenn ich bei den Gold­mi­nen so drei­fach ver­na­gelt wäre, wie Sie bei den Wei­bern …«

Jetzt fuhr Cor­liss mit ge­ball­ten Fäus­ten auf Del Bi­shop los, jetzt gab es nichts mehr als die Fäus­te. Aber ge­ra­de das hat­te Bi­shop bezweckt. Er bück­te sich blitz­schnell, wich rechts und links aus, und im­mer stie­ßen Cor­liss’ Fäus­te ins Lee­re.

»Ei­nen Au­gen­blick, jun­ger Herr!« lach­te er bei Cor­liss’ drit­tem wü­ten­dem An­griff. »Nur eine Se­kun­de, um einen Pakt zu schlie­ßen. Wenn Sie mich ver­dre­schen, kön­nen Sie mich her­aus­schmei­ßen. Neh­men Sie das an?«

»Ja.«

»Und wenn ich Ih­nen das Le­der ger­be, wol­len Sie dann mit auf den Berg kom­men?«

»Ja.«

»Also los!«

Bi­shop wuss­te, dass Cor­liss nicht die ge­rings­te Aus­sicht hat­te; zu sie­gen. Er tanz­te um den hilflo­sen Geg­ner her­um, block­te und fin­tier­te, ließ sich zum Schein tref­fen, bis Cor­liss der Atem aus­ging. Der fühl­te, dass sei­ne Mus­keln nicht mehr ge­horch­ten; sein Hirn sand­te Be­feh­le aus, die sie nicht aus­füh­ren woll­ten; er dampf­te von Schweiß in den ei­si­gen Tag hin­ein … dann auf ein­mal wuss­te er gar nichts mehr.

Eine Mi­nu­te spä­ter be­merk­te Cor­liss, dass er aus­ge­streckt im Schnee lag, dass Bi­shop ihn mit Eis­was­ser ab­rieb und ihm da­zwi­schen zärt­lich die Ba­cken klopf­te. Sein Kopf lag auf Dels Kni­en. Wäh­rend lang­sam das Be­wusst­sein zu­rück­kehr­te, fühl­te er sich un­be­schreib­lich wohl.

»Wie ha­ben Sie das nur ge­macht?« stot­ter­te er.

»Oh, Sie wer­den noch mal ganz gut«, lach­te Del Bi­shop und half ihm auf die Bei­ne. »Sie ha­ben noch kei­nen Punch, aber den brin­ge ich Ih­nen schon noch bei. Neu­lich in der Schen­ke, mit ei­nem or­dent­li­chen Whis­ky auf der Lam­pe, ha­ben Sie sich ei­gent­lich bes­ser ge­schla­gen. Aber die An­la­ge ist nicht schlecht, und wenn wir Zeit ha­ben, brin­ge ich Ih­nen noch so ei­ni­ges bei, was auch nicht in den Bü­chern steht. Jetzt wird’s aber Zeit, dass wir ein La­ger auf­schla­gen, und dann ge­hen Sie mit mir in die Ber­ge.«

Als er das Feu­er im ei­ser­nen Öf­chen in Gang ge­bracht hat­te, ki­cher­te er:

»Bo­xen ist doch ein ganz nütz­li­ches Ge­wer­be, was? Ei­gent­lich ha­ben Sie nie so recht ge­wusst, wo der er­ge­benst Un­ter­zeich­ne­te ei­gent­lich war. Wenn Sie mit Ihrem ge­ball­ten Händ­chen an­ka­men, dann war die ver­sof­fe­ne Fres­se von Del Bi­shop im­mer ganz wo­an­ders, hihi. Aber den­ken Sie, wenn Sie erst was ge­lernt ha­ben, und Sie lan­den dann mal so rich­tig in mei­ne Back­zäh­ne hin­ein? Da wird Ih­nen das Herz­chen la­chen?«

Dann kom­man­dier­te er streng: »Jetzt neh­men Sie eine Axt und kom­men mit!«

Sie be­waff­ne­ten sich mit Ha­cke, Schau­fel und der Gold­grä­ber­pfan­ne; Bi­shop mar­schier­te vor­aus und bahn­te den Weg über die Ter­ras­sen. Cor­liss, dem alle Kno­chen weh ta­ten, mar­schier­te hin­ter drein. Er muss­te über sich selbst und die gan­ze Si­tua­ti­on la­chen. Del Bi­shop freu­te sich über den Ge­hor­sam des Man­nes, in des­sen Brot er stand. Ab und zu wand­te er sich um und grins­te sei­nen Chef an:

»Nur Mut, jun­ger Mann! Aus Ih­nen ma­che ich noch was; Sie ha­ben das Zeug dazu!«

Dann ka­men sie an die Stel­le, die Del Bi­shop aus­for­schen woll­te. Er warf das Gerät nie­der und un­ter­such­te sorg­fäl­tig den schnee­be­deck­ten Bo­den.

»Neh­men Sie die Axt, ge­hen Sie da hin­auf, und brin­gen Sie mir gu­tes, trock­nes Brenn­holz!«

Als Cor­liss mit dem Arm voll Brenn­holz zu­rück­kam, hat­te Bi­shop schon Schnee und Moos fort­ge­kratzt und et­was in den Bo­den ge­zeich­net, das wie ein ge­wal­ti­ges Kreuz aus­sah.

»Ich will nach bei­den Rich­tun­gen hin­ein­krat­zen«, er­klär­te er; »ent­we­der liegt die Gold­ta­sche hier oder dort drü­ben. Aber wenn ich recht habe, dann muss es ge­nau hier sein, wo die bei­den Li­ni­en sich schnei­den. Der Grund­fel­sen ist oben ein­ge­buch­tet. Dort ist es tief und ver­mut­lich rei­cher als hier, aber das macht so­viel Mühe. Hier ist der Ter­ras­sen­rand. Es kann nur ein paar Fuß sein. Wir brau­chen nichts zu tun als die Stel­le zu be­zeich­nen, dann kön­nen wir von der Sei­te an­boh­ren.«

Bei die­sen Wor­ten zün­de­te er hier und da auf dem kah­len Fle­cken klei­ne Feu­er an.

»Jetzt spit­zen Sie die Ohren, Cor­liss. Glau­ben Sie nicht, dass dies schon et­was ist – nein, das ist noch ganz ge­wöhn­li­che Lehr­lings­ar­beit. Aber« – er rich­te­te sich auf und sprach plötz­lich mit tie­fem, ehr­fürch­ti­gem Ernst: »Gold­su­chen ist die höchs­te Wis­sen­schaft und die größ­te Kunst auf Er­den. Es ist eine so fei­ne Ar­beit, dass man nicht um ein Haar breit fehl­grei­fen darf; Hän­de und Au­gen müs­sen so zu­ver­läs­sig sein wie Stahl­werk­zeu­ge. Wenn man sich das Ge­sicht zwei­mal täg­lich blauschwarz an­bren­nen lässt und eine gan­ze Schau­fel voll Kies aus­ge­wa­schen hat, ehe man auch nur ein ein­zi­ges Körn­chen rei­nes Gold fin­det, dann erst hat man ge­wa­schen. Dass Sie es wis­sen. Heu­te zum Bei­spiel wird noch lan­ge nichts ge­ges­sen, und wenn Ih­nen der Ma­gen noch so sehr knurrt. Einst­wei­len wird ge­sucht.«

Er trat ei­nes von den Feu­ern aus. Da nahm er die Ha­cke, der Stahl drang in die Erde ein, und da­bei gab es einen me­tal­li­schen Klang, als wäre er auf eine Ze­ment­schicht ge­sto­ßen.

»Noch kei­ne zwei Zoll tief auf­ge­taut«, mur­mel­te Bi­shop, in­dem er sich bück­te und mit den Fin­gern durch den nas­sen Schlamm wühl­te. Die Gras­hal­me wa­ren ab­ge­brannt, aber er be­kam eine Hand­voll Wur­zeln zu fas­sen. Er setz­te sich breit und be­quem in den Schnee und starr­te wie ver­zau­bert die­se arm­se­li­ge Hand voll schlam­mi­ger Gras­wur­zeln an.

»Zum Sa­tan, zum Sa­tan!«

»Was ist los?«

»O hei­li­ger Sa­tan!«

Bi­shop wie­der­hol­te im­mer wie­der ›Hei­li­ger Sa­tan‹ und schlug sich mit den schmut­zi­gen Wur­zeln vor die Stirn. Cor­liss trat zu ihm und beug­te sich über die Pfan­ne.

»Ma­chen Sie die Au­gen auf!« rief Bi­shop, nahm einen Klum­pen schmut­zi­ge, fet­te Erde zwi­schen die Fin­ger, rieb sie lan­ge und an­däch­tig. Dann schim­mer­te es gelb.

»Es fängt bei den Gras­wur­zeln an und geht bis ganz hin­un­ter.«

Mit ge­schlos­se­nen Au­gen und zit­tern­den Na­sen­flü­geln stand er end­lich auf, at­me­te tief, schnüf­fel­te in die Luft und sah aus, als hät­te er eine Vi­si­on.

»Kön­nen Sie die Ap­fel­si­nen noch im­mer nicht rie­chen?«

*

Cor­liss und Bi­shop hat­ten den Bo­den un­ter­sucht, ehe sie ihre Claims ab­steck­ten, dann weih­ten sie ein paar gute Freun­de in das Ge­heim­nis ein. Wel­se, Har­ney, Tretha­way und ein paar alte Ka­me­ra­den von Del Bi­shop, mit de­nen er viel Hun­ger und Stra­pa­zen ge­teilt hat­te, durf­ten sich ein Stück des neu­en Gold­lan­des si­che­ren, so­lan­ge der gan­ze Fund noch Ge­heim­nis war.

Es war üb­lich, dass man als so Be­vor­zug­ter dem Ent­de­cker die hal­b­en Ge­win­ne ab­gab. Aber Cor­liss woll­te nichts da­von hö­ren. Es wi­der­sprach sei­nem Emp­fin­den, aus der Ar­beit an­de­rer Men­schen Ge­win­ne zu zie­hen, und Bi­shop lehn­te aus an­de­ren Grün­den die Be­tei­li­gung ab.

»Jetzt kann ich mir eine Obst­farm kau­fen, dop­pelt so groß, wie ich be­rech­net hat­te. Da weiß ich noch, wo mein Geld bleibt. Wenn’s noch mehr wird, ist es ein­fach zu viel. Dann kom­me ich zu sehr ins Sau­fen, und zu­letzt ver­lu­de­re ich das Gan­ze. Also be­hal­tet ihr eure paar Krö­ten für euch selbst und da­mit bas­ta.«

Es schi­en Cor­liss jetzt selbst­ver­ständ­lich, dass er sich einen an­de­ren Ge­hil­fen such­te. Aber als er ei­nes Ta­ges einen Ka­li­for­nier mit schar­fem, durch­drin­gen­dem Blick ins La­ger brach­te, fing Bi­shop an, wü­tend zu flu­chen.

»Hei­li­ger Sa­tan! Nie in mei­nem Le­ben habe ich so was von Ge­mein­heit ge­hört!«

»Aber Sie sind doch jetzt reich!« gab Cor­liss zur Ant­wort. »Sie ha­ben’s doch nicht mehr nö­tig.«

 

»Zum Teu­fel mit mei­nem Reich­sein – was geht Sie das an? Kon­trakt ist Kon­trakt! Ich blei­be in mei­ner Stel­lung, so lan­ge Sie kei­nen Grund ha­ben, mich raus­zu­schmei­ßen. Ver­stan­den?«

An­fang der Weih­nachts­wo­che ging der Sturm auf »Van­ces Hü­gel«, wie Bi­shop das neue Land ge­tauft hat­te, los. Die ers­ten Claims wa­ren kaum ein­ge­tra­gen, als die Neu­ig­keit schon über das Land flog, und bin­nen ei­ner Vier­tel­stun­de wa­ren die ers­ten Wett­läu­fer un­ter­wegs. Eine hal­be Stun­de spä­ter mach­te sich in der gan­zen Stadt auf die Bei­ne, was lau­fen und krie­chen konn­te. Auch Cor­liss und Bi­shop durf­ten kei­ne Zeit un­ge­nützt ver­strei­chen las­sen. Jetzt han­del­te es sich dar­um, ihre ehr­lich er­wor­be­nen Rech­te zu ver­tei­di­gen. Ver­rücken von Pfäh­len, Abrei­ßen von Pla­ka­ten, Über­grif­fe in frem­de Claims … das ge­hör­te zu den äl­tes­ten Knif­fen der Gold­grä­ber, und wenn das Un­heil ein­mal ge­sche­hen war, war es trotz al­ler Be­glau­bi­gun­gen und Stem­pel furcht­bar müh­se­lig, die Ein­dring­lin­ge wie­der aus dem Nest zu wer­fen.

In ei­nem dich­ten Strom von Men­schen wan­der­ten die bei­den zur Stadt hin­aus, als Del Bi­shop zu­fäl­lig Gre­go­ry St. Vin­cent er­späh­te, der, das üb­li­che Gold­grä­ber­ge­rät auf dem Rücken, in höchs­ter Eile vor­an­marschier­te.

»Kla­bas­tern Sie drauf­los wie der Sa­tan!« kom­man­dier­te Bi­shop. »Fra­gen Sie nicht viel, es han­delt sich wie­der um et­was mit der Nase.«

Die Leu­te kann­ten Cor­liss und Bi­shop. Sie wuss­ten, dass die­se bei­den nicht im Wett­ren­nen wa­ren, son­dern ihre Claims längst ab­ge­steckt hat­ten. So lie­ßen sie sich kampf­los über­ho­len. Über die gan­ze Stre­cke hät­te ja doch kein Mensch ein so mör­de­ri­sches Tem­po aus­ge­hal­ten.

Sie er­reich­ten eine schar­fe Bie­gung des We­ges; vor ih­nen war kein Mensch zu se­hen; an ih­ren Fer­sen, mit ei­nem Ab­stand von kaum hun­dert Schrit­ten, ging nur der un­glück­li­che St. Vin­cent.

»So, jetzt spre­chen Sie kein Wort mit mir«, flüs­ter­te Bi­shop und schlug sei­nen Kra­gen hoch, dass sein Ge­sicht nicht mehr zu er­ken­nen war. »Tun Sie jetzt, als ob Sie mich nicht ken­nen. Da drü­ben ist ein Was­ser­loch. Dort ge­hen Sie hin, wer­fen sich auf den Bauch, als ob Sie vor Durst nicht wei­ter­könn­ten. Dann tip­peln Sie, in ei­ner Vier­tel­stun­de un­ge­fähr, al­lein wei­ter nach den Claims. Ich habe an­de­re Ge­schäf­te zu be­sor­gen. Auf kei­nen Fall spre­chen Sie ein Wort zu dem Stink­tier, das darf Ihr Ge­sicht nicht se­hen.«

Cor­liss war jetzt schon an Ge­hor­sam ge­wöhnt. Er trat von der ge­bahn­ten Stra­ße ab in den Schnee, leg­te sich nie­der und tauch­te eine lee­re Blech­do­se ins Was­ser.

Bi­shop ließ sich auf ein Knie fal­len und mach­te sich an sei­nen Mo­kass­ins zu schaf­fen. Er hat­te ge­ra­de den Kno­ten ge­bun­den, als St. Vin­cent ihn er­reich­te. In die­sem Au­gen­blick sprang Bi­shop auf und mar­schier­te mit fie­ber­haf­ter Eile wei­ter, wie ein Mann, der mit al­ler Ge­walt die ver­lo­re­ne Zeit wie­der ein­ho­len will.

»He, Sie, Mann, war­ten Sie eine Mi­nu­te!« rief der Geo­graf ihm nach.

Del Bi­shop warf einen has­ti­gen Blick zu­rück und spur­te­te noch schär­fer. St. Vin­cent setz­te sich in Lauf­schritt, bis er Sei­te an Sei­te mit ihm kam.

»Ist das der Weg …?«

»Nach den Ter­ras­sen von Van­ces Hü­gel?« knurr­te Bi­shop ge­reizt. »Da­rauf kön­nen Sie Gift neh­men, das ist näm­lich mein Weg. Auf Wie­der­se­hen!«

Er tob­te im­mer schär­fer drauf­los, der Geo­graf konn­te nur im Lauf­schritt die Ge­schwin­dig­keit ein­hal­ten; an Über­ho­len war nicht zu den­ken. Cor­liss ver­stand noch im­mer nichts von der gan­zen Ge­schich­te. Er setz­te sei­nen Feld­ste­cher an und folg­te den bei­den mit den Bli­cken. Da sah er, wie der Gold­grä­ber plötz­lich im rech­ten Win­kel von sei­ner Stra­ße ab­bog Und den Weg nach dem Adam­stüm­pel ein­schlug. Jetzt ging ihm ein Licht auf …

Spät abends er­reich­te Bi­shop das ge­mein­sa­me La­ger, er­schöpft, aber in glück­se­li­ger Lau­ne.

»Nicht ein Här­chen habe ich ihm ge­krümmt!« rief er, ehe er noch im Zelt war. »Ge­ben Sie mir was zu es­sen.«

Er griff nach der Tee­kan­ne und goss sich das hei­ße Ge­tränk in den Leib. »Heut fress’ ich Rat­ten­fett, Schmier­öl, ge­rös­te­te Mo­kass­ins, Ker­zen­stümp­fe mit Mayon­nai­se, was Sie ha­ben!«

Dann warf er sich auf die De­cke und be­gann, mit tie­fem La­chen sei­ne Bein­mus­keln zu mas­sie­ren, wäh­rend Cor­liss Speck briet und Boh­nen auf die Pfan­ne schüt­te­te.

»Das war ein Spaß!« er­zähl­te Bi­shop. »Der kommt nicht so­bald zu Van­ces Hü­gel. Da kön­nen Sie Gift drauf neh­men.«

Er ahm­te mit Ta­lent St. Vin­cents Ton nach, der an­fangs her­ab­las­send klang, aber bei ewi­ger Wie­der­ho­lung der­sel­ben Wor­te im­mer zah­mer und schwäch­li­cher wur­de.

»Wie weit ist es, al­ter Freund?«

»Wie weit ist es jetzt, al­ter Freund?«

Zu­letzt klang die Stim­me ganz ver­heult und grei­sen­haft zitt­rig: »Wie weit …? Ich fle­he Sie an, wie weit …?«

Der Gold­grä­ber schlug sich auf die Knie vor Ent­zücken und lach­te, dass eine hal­be Tas­se Tee, die er noch nicht ganz her­un­ter­ge­schluckt hat­te, im Sprüh­re­gen aus sei­ner Nase wie­der her­aus­kam.

»An der Was­ser­schei­de vom In­dia­ner­strom hab’ ich ihn schließ­lich lie­gen ge­las­sen. Er war so aus­ge­pumpt, dass er kei­nen Schritt mehr ge­hen konn­te, voll­kom­men er­le­digt. Vi­el­leicht hat er noch Kraft ge­nug, sich ins nächs­te La­ger zu schlep­pen. So, jetzt geh’ ich aber schla­fen. Kei­ne Angst, Sie brau­chen mich nicht erst ein­zu­sin­gen. Sech­zig Mei­len hab’ ich heut ge­macht, nur um das arme Stink­tier­chen ein biss­chen zu är­gern. Gute Nacht. Bit­te we­cken Sie mich über­mor­gen früh wie­der auf.«

Im Ein­schla­fen mur­mel­te er in sei­nem feins­ten Dis­kant: »Wie weit ist es, Freund­chen? Sa­gen Sie mir, wie weit es ist!«