Polizeigesetz für Baden-Württemberg

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5. Verantwortlichkeit für fremdes Verhalten (Abs. 2 und 3)

14

Mit den Abs. 2 und 3 macht das Gesetz bestimmte Personen, die sich selbst nicht polizeiwidrig verhalten, zu Störern, und zwar aufgrund ihrer Beziehung zu einem Verhaltensverantwortlichen nach Abs. 1. Diese Verantwortlichkeit für fremdes Verhalten ist also eine Zusatzverantwortlichkeit („auch“). Sofern allerdings der Verantwortliche nach Absatz 1 eine unvertretbare Handlung (z. B. eine Vorladung) zu erbringen hat, können von dem nach den Absätzen 2 oder 3 Verantwortlichen – im Rahmen des tatsächlich und rechtlich Möglichen – nur solche Maßnahmen verlangt werden, welche die „geschuldete“ Handlung fördern. Zur Frage der Störerauswahl s. u. RN 21.

a) Verantwortlichkeit des Sorgeberechtigten (Abs. 2)

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Sorgeberechtigt für und verantwortlich neben Personen, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind:

– die verheirateten Eltern, § 1626 Abs. 1 BGB oder

– die bei der Geburt der Kinder nicht verheirateten Eltern nach Maßgabe des § 1626 a Abs. 1 BGB, ansonsten

– die unverheiratete Mutter, § 1626 a Abs. 3 BGB oder

– der überlebende Elternteil, wenn ein Elternteil gestorben ist, § 1680 Abs. 1 BGB oder

– der Vormund, wenn der Minderjährige unter Vormundschaft steht, § 1773 ff. BGB oder

– der Ergänzungspfleger bei Ergänzungspflegschaft, § 1906 ff. BGB.

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Sorgeberechtigt für und verantwortlich neben Volljährigen, die aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen können, ist der Betreuer im Rahmen seines Aufgabenbereichs, §§ 1896 ff. BGB.

b) Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn (Abs. 3)

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Nach Abs. 3 ist für Gefahren, die vom Verhalten eines Verrichtungsgehilfen ausgehen, neben diesem auch der Geschäftsherr verantwortlich. Als Verrichtungsgehilfe kann derjenige angesehen werden, der den Weisungen des Geschäftsherrn unterworfen ist, wie dies z. B. bei einem Arbeitsverhältnis der Fall ist. Außerdem muss der Verrichtungsgehilfe die Gefahr im Zusammenhang mit der Ausführung der Verrichtung verursachen, was selbst dann anzunehmen ist, wenn er fehlerhaft und in Abweichung vom erteilten Auftrag handelt. Nur ein Handeln bei Gelegenheit der Verrichtung, das keinen inneren Zusammenhang mit dem Auftrag aufweist, kann dem Geschäftsherrn nicht zugerechnet werden.

Beispiel: Nach Arbeitsende „leiht“ sich Malerlehrling X Gerätschaften und Farbe seines Meisters aus, um Betonbrücken mit Graffiti zu „verschönern“. Hier besteht kein innerer Zusammenhang mit einer aufgetragenen Tätigkeit; der Meister ist nicht nach Abs. 3 verantwortlich.

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Ist in Ausführung der Verrichtung gehandelt worden, besteht für den Geschäftsherrn keine Möglichkeit, sich entsprechend § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB zu entlasten, da subjektive Momente, wie z. B. Verschulden – anders als im Zivilrecht – für die polizeiliche Verantwortlichkeit ohne Belang sind (s. o. RN 4).

6. Rechtsnachfolge

18a

Strittig ist die Frage, ob die Verantwortlichkeit des Störers auf seinen Rechtsnachfolger übergehen kann. Unabdingbare Voraussetzung für eine Rechtsnachfolge in die abstrakte oder in die durch Verfügung konkretisierte Polizeipflicht ist – sowohl bei der Einzel- wie bei der Gesamtrechtsnachfolge – dass der Rechtsvorgänger überhaupt (abstrakt oder konkret) polizeipflichtig war (VGH BW, NVwZ-RR 2002, 16).

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Eine Gesamtrechtsnachfolge (z. B. durch Erbfolge, § 1922 BGB; Firmenübernahme, § 25 HGB; Verschmelzung, § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG – vgl. VGH BW, NVwZ-RR 2002, 16, 17; Vermögensübernahme, § 419 BGB) in die Verhaltensverantwortlichkeit ist ausgeschlossen, wenn die in Frage stehende Pflicht höchstpersönlich, d. h. an die Person des Rechtsvorgängers gebunden ist.

Beispiel: Die Pflicht des Erblassers (Fahrzeughalter) zur Führung eines Fahrtenbuches (§ 31 a StVZO) geht nicht auf die Erben über.

Bei nichthöchstpersönlichen Pflichten ist hingegen eine Gesamtrechtsnachfolge in die Polizeipflicht zulässig (str.).

Beispiel: Eine Reinigungsfirma hat jahrelang Lösungsmittel auf dem Firmengrundstück versickern lassen. Der Erwerber der Firma ist für die hierdurch entstandene Grundwasserverunreinigung auch als Verhaltensstörer verantwortlich (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG).

Zur Nachfolge in die Polizeipflicht der früheren Deutschen Bundesbahn, BVerwG, DÖV 2001, 1001 ff.

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Eine Einzelrechtsnachfolge in die Verhaltensverantwortlichkeit ist bei höchstpersönlichen Pflichten mangels Nachfolgefähigkeit ausgeschlossen (VGH BW, NVwZ-RR 1996, 387, 389). Aus Gründen einer effektiven Gefahrenabwehr gilt das auch für nichthöchstpersönliche Pflichten, wohl aber kann die Erfüllung der Pflicht auf einen Dritten übertragen werden.

Beispiel: Wird eine öffentliche Straße durch die Abfuhr von Erdreich übermäßig verschmutzt, so kann die verantwortliche Baufirma ein Reinigungsunternehmen mit der Säuberung beauftragen. Dennoch bleibt die Baufirma polizeipflichtig.

7. Mehrere Verantwortliche

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Sind mehrere Verhaltensstörer für ein- und dieselbe Gefahr verantwortlich und stehen ihrer Inanspruchnahme keine sonstigen rechtlichen Hindernisse entgegen, so liegt die Entscheidung, wen die Polizei tatsächlich heranzieht – alle oder nur einzelne – in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Die entscheidende Frage ist hierbei, welche Ermessenserwägungen die Polizei im Hinblick auf § 40 LVwfG anstellen darf (allgemein: s. o. § 3, RN 28 ff.). Zulässig ist es jedenfalls, wenn sie sich von dem Zweck einer möglichst effektiven Gefahrenabwehr leiten lässt und deshalb aus Ex-ante-Sicht den Störer in Anspruch nimmt, der die Gefahr voraussichtlich am schnellsten und wirkungsvollsten beseitigen kann (VGH BW, VBlBW 1984, 380; 1995, 281; 1996, 351, 354; 2000, 154, 155; VGH BW, Urt. v. 24.1.2012 – 10 S 1467/11). Lässt sich das bei allen Störern bejahen, so kann eine Rolle spielen, wer die letzte Ursache für die Gefahr gesetzt oder wer sie verschuldet hat (VGH BW, DVBl. 1950, 475, 477). Zulässige Gesichtspunkte sind auch das Maß der Verursachung, die finanzielle Leistungsfähigkeit und evtl. zwischen den Störern bestehende bürgerlich-rechtliche Beziehungen (VGH BW, VBlBW 1993, 298, 301; 1996, 351, 354; 2002, 431, 434; 2008, 137, 138; BayVGH, NVwZ 2001, 458). Zu den zulässigen Ermessenserwägungen bei Vorhandensein eines Zustandsverantwortlichen neben einem Verhaltensverantwortlichen, s. u. § 7, RN 15.

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Noch nicht endgültig geklärt ist die Frage, ob bei einer Störermehrheit der in Anspruch genommene Störer von dem oder den anderen Störern einen anteiligen Ersatz seiner Aufwendungen in analoger Anwendung des § 426 BGB verlangen kann. Die Rechtsprechung hat eine derartige Ausgleichspflicht bisher verneint (BGH, NJW 1981, 2457; BGHZ 110, 313, 318; kritisch VGH BW, VBlBW 2008, 137, 138). Im Anwendungsbereich des BBodSchG findet sich jedoch hierfür eine gesetzliche Regelung (§ 24 Abs. 2).

§ 7 Maßnahmen gegenüber dem Eigentümer oder dem Inhaber der tatsächlichen Gewalt

Wird die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch den Zustand einer Sache bedroht oder gestört, so hat die Polizei ihre Maßnahmen gegenüber dem Eigentümer oder gegenüber demjenigen zu treffen, der die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt.

Literatur: Hummel, Zur Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers im Gefahrenabwehrrecht, Die Verwaltung, 2010, 521: Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit, 2002; Kugelmann/Alberts, Kosten der Gefahrenabwehr und ihre Erstattung, Jura 2013, 898; Müggenborg, Zur Begrenzung der Zustandshaftung bei Altlasten, NVwZ 2001, 39; Möstl, Die dogmatische Gestalt des Polizeirechts, DVBl. 2007, 122; Pischel, Dereliktion und Haftung des Zustandsstörers, VBlBW 1999, 166; Rudisile, Altlasten in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, insbesondere des VGH BW, VBlBW 1993, 321; Sanden, Altlastenverantwortlichkeit trotz Dereliktion, NVwZ 2014, 1329; Schoch, Störermehrheit im Polizei- und Ordnungsrecht, Jura 2012, 685; Wallerath/Strätker, Zustandshaftung von Hoheitsträgern und zivilrechtlicher Eigentumsbegriff im Ordnungsrecht, JuS 1999, 127 und die Literatur vor § 6.

Inhaltsübersicht

1. Allgemeines

 

2. Sachen, Tiere

3. Verursachung

4. Verantwortlichkeit des Eigentümers

5. Verantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Gewalt

6. Rechtsnachfolge

7. Mehrere Verantwortliche

8. Verhältnis von Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit in einer Person

1. Allgemeines

1

Die Vorschrift regelt, wer für Gefahren verantwortlich ist, die von Sachen und Tieren ausgehen (Zustandsverantwortlichkeit). Zum Charakter dieser Regelung, zu ihrer Anwendbarkeit und zur Frage, wer zustandsverantwortlich (polizeipflichtig) sein kann, s. o. § 6, RN 1.

2. Sachen, Tiere

2

Die Gefahrenquelle muss eine Sache oder ein Tier sein. Was Sachen sind, bestimmt § 90 BGB, nämlich körperliche Gegenstände, seien sie beweglich (z. B. Kfz) oder unbeweglich (Grundstücke und deren Bestandteile). Keine Sachen in diesem Sinne sind z. B. das Grundwasser oder das fließende Wasser (VGH BW, VBlBW 1982, 407, 408; vgl. aber auch OVG Hamburg, NVwZ 2001, 215, 218).

3

Die Gefahr kann entweder aus der Beschaffenheit der Sache selbst entstehen (z. B. das Grundstück ist verunreinigt, die Anlage lärmt, der Fisch ist verfault), sie kann sich auch aus ihrer Lage im Raum ergeben (z. B. das den Verkehr behindernde Kfz).

4

Tiere sind keine Sachen, allerdings gilt für sie § 7 entsprechend (vgl. § 90 a BGB).

3. Verursachung

5

Obwohl § 7 – anders als § 6 – die Verursachung nicht anspricht, ist unbestritten, dass nur der als Zustandsstörer herangezogen werden kann, dessen Sache ursächlich für die Gefahr ist. Zur Definition des Ursachenzusammenhangs gilt, ebenso wie bei der Verhaltensverantwortlichkeit, die Theorie der unmittelbaren Verursachung Diese liegt auch vor, wenn eine Person durch ihr per se ordnungsgemäßes Handeln, andere dazu veranlasst sich ordnungswidrig zu verhalten. (Einzelheiten § 6, RN 11 ff.).

6

Keine unmittelbare Verursachung im Rahmen des § 7 liegt vor, wenn eine ordnungsmäßig beschaffene Sache – ohne dass gesetzliche Eigensicherungspflichten bestehen – von einem Dritten missbraucht wird (BVerwG, NJW 1986, 1626, 1627; OLG Stuttgart, NJW 1992, 1396).

Beispiele: Eine Sparkasse ist nicht für eine Geißelnahme in ihren Schalterräumen verantwortlich.

Andererseits kann der Betreiber eines Kernkraftwerks für Störmaßnahmen Dritter verantwortlich sein, wenn er nicht die geeigneten, nach § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG erforderlichen Sicherungsmaßnahmen getroffen hat (vgl. BVerwG, NVwZ 1989, 864). Zu den Eigensicherungspflichten nach dem LuftSiG vgl. OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2006, 33.

4. Verantwortlichkeit des Eigentümers

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Der polizeirechtliche und der zivilrechtliche Eigentumsbegriff sind identisch. Deshalb beginnt die Verantwortlichkeit mit dem Erwerb des Eigentums aufgrund zivilrechtlicher Vorschriften (z. B. §§ 929, 946 ff., 958, 873 I, 925 BGB – VGH BW, VBlBW 1996, 351, 352). Auf subjektive Momente, wie z. B. Verschulden, kommt es daneben nicht an. Nach überwiegender Auffassung entsteht die Verantwortlichkeit auch dann, wenn Dritte, höhere Gewalt oder Naturereignisse den gefahrbringenden Zustand der Sache herbeigeführt haben (VGH BW, NVwZ 1986, 325; VBlBW 2002, 491; BVerfGE 102, 1).

Beispiele: Stürzen von einem Grundstück verwitterte Felsen auf unterhalb gelegene Flächen, so ist hierfür ausschließlich der Grundstückseigentümer des Felsgrundstückes als Zustandsstörer verantwortlich (BVerwG, NJW 1999, 231; BayVGH, BayVBl. 1996, 473; OVG Koblenz, DVBl. 1998, 103).

Für die Suche nach und die Bergung von Kampfmitteln aus den Kriegen ist der Grundstückseigentümer verantwortlich (vgl. VwV-Kampfmittelbeseitigungsdienst, GABl. 2007, 16).

Bei einem Grundstück, das z. B. über einem einsturzgefährdeten Bergbaustollen liegt, besteht jedoch keine Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers, weil die Gefahr von dem Eigentum darunter ausgeht und nicht vom Zustand der Sache selbst. Auch liegt keine unmittelbare Verantwortung vor, da der einzige Verursachungsbeitrag in der bloßen Existenz des Grundstücks zu sehen ist. (VGH BW, VBlBW. 2013, 178).

Hierbei eventuell auftretende Unbilligkeiten können allenfalls auf der Rechtsfolgeseite, z. B. im Rahmen der Störerauswahl Berücksichtigung finden. Nach BVerwG (NJW 1998, 1004, 1006) kommt aber eine Eingrenzung der Verantwortlichkeit dann in Betracht, wenn die Gefahrbeseitigung mit so hohen Kosten verbunden ist, dass hierdurch die von Art. 14 Abs. 1 GG garantierte Möglichkeit der privatnützigen Verwendung des Eigentums entfiele. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (NJW 2000, 2573, 2575) sind nur solche Belastungen gerechtfertigt, die dem Eigentümer zumutbar sind, wobei die Grenze der Zumutbarkeit vom Einzelfall abhängt. So kann etwa dem Eigentümer, der das Risiko der entstandenen Gefahr bewusst in Kauf genommen hat, eine höhere Belastung zugemutet werden (VGH BW, VBlBW 2002, 491).

8

Besteht an einer Sache Miteigentum, ist jeder Miteigentümer voll verantwortlich. Wird, z. B. im Rahmen der Ermessensausübung, nur ein Eigentümer herangezogen, ist zu beachten, dass diesem in Bezug auf den oder die anderen Eigentümer nichts rechtlich Unmögliches aufgegeben werden darf (s. o. § 5, RN 4).

9

Die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers gründet sich auf dessen rechtlicher Sachherrschaft. Insofern bleibt er – weil einwirkungsbefugt – verantwortlich, wenn er anderen Personen die tatsächliche Sachherrschaft, z. B. durch Vermietung, Leihe oder Pacht, einräumt. Wird ihm jedoch gegen oder ohne seinen Willen die Sachherrschaft entzogen (z. B. durch Diebstahl oder Inbesitznahme durch einen Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren – BVerwG, DVBl. 2004, 1564), so ist allein der Inhaber der tatsächlichen Gewalt verantwortlich. Nach Ende dessen angemaßter Sachherrschaft lebt die Verantwortlichkeit des Eigentümers ohne Weiteres wieder auf (str.).

Beispiel: Lässt der Dieb eines Kfz dieses verkehrsbehindernd stehen, ist der Eigentümer nach Ende der Sachherrschaft des Diebes allein verantwortlich.

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Die Verantwortlichkeit des Eigentümers endet mit dem Verlust des Eigentums (z. B. §§ 929, 946 ff. BGB). Hierzu gehört auch die Aufgabe des Eigentums gem. §§ 928, 959 BGB (Dereliktion).

Beispiel: Für die von einem ausgesetzten bissigen Hund ausgehenden Gefahren kann der frühere Eigentümer nicht mehr als Zustandsverantwortlicher herangezogen werden.

Die in anderen Polizeigesetzen aufgenommene Regelung, wonach Maßnahmen auch noch gegen denjenigen gerichtet werden können, der das Eigentum an der Sache aufgegeben hat, existiert in Baden-Württemberg im allgemeinen Polizeirecht (anders z. B. §§ 4 Abs. 3 Satz 4, 4 Abs. 6 Satz 1 BBodSchG, § 69 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 28 Abs. 3 KrWG, §§ 1 Abs. 2, 32 Abs. 1 i. V. m. §§ 49 Abs. 1 Nr. 1, 27 StVO) nicht (keine „nachwirkende“ Zustandsverantwortlichkeit – VGH BW, NVwZ-RR 1991, 27; VBlBW 1995, 487, 488; 2003, 68; NJW 1997, 3259). Allerdings ist zu prüfen, ob die Aufgabe des Eigentums als sittenwidrig und damit als nichtig zu qualifizieren ist (VGH BW, NJW 1993, 2953; 1997, 3259; NVwZ 1996, 1036, 1037 f.; BVerfG, NVwZ 2001, 65, 66) oder diese selbst ein polizeiwidriges Verhalten darstellt, sodass zumindest eine Verantwortlichkeit nach § 6 Abs. 1 bestehen kann (VGH BW, VBlBW 2003, 68).

Beispiel: Im obigen Beispielsfall ist der frühere Eigentümer Verhaltensstörer, da er mit dem Aussetzen des Hundes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 3 Nr. 3 TierSchG) verstoßen hat.

Derelinquiert der Eigentümer die Sache erst nach Erlass einer Verfügung und deren Vollstreckung, lässt dieses die Verpflichtung zur Tragung der Vollstreckungskosten unberührt (VGH BW, NJW 1997, 3259).

10a

Nicht Eigentümer ist der Erbbauberechtigte. Dieser kann nach § 7 nur dann verantwortlich sein, wenn er Inhaber der tatsächlichen Gewalt über die störende Sache ist (VGH BW, VBlBW 1997, 463). Gleiches gilt z. B. für Berechtigte aus einer Grunddienstbarkeit (§ 1018 ff. BGB) und einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§§ 1090 ff. BGB), für Nießbraucher (§§ 1030 ff., 1085 ff. BGB) und Pfandgläubiger (§ 1204 ff. BGB) und ebenso für den Zwangsverwalter (§§ 150 ff. ZVG) und den Insolvenzverwalter (§§ 56 ff. InsO).

5. Verantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Gewalt

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Die tatsächliche Sachherrschaft kann auf dinglicher (z. B. Pfandrecht) oder schuldrechtlicher (z. B. Miete, Pacht, Verwahrung, Leihe) Besitzberechtigung beruhen. Inhaber der tatsächlichen Gewalt sind aber auch der unberechtigte Besitzer (z. B. der Dieb) oder der Besitzdiener (§ 855 BGB). Die Verantwortlichkeit beginnt mit der Begründung und sie endet mit der Aufgabe der tatsächlichen Gewalt. Aus früherer Sachherrschaft kann niemand nach § 7 pflichtig gemacht werden (VGH BW, NVwZ-RR 1991, 27; VBlBW 1995, 487, 488).

11a

Um Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu sein, muss ein Mindestmaß an Sachherrschaft über die Sache gegeben sein. Daran fehlt es, wenn z. B. der Besitzer eines Grundstücks dieses rechtlich und tatsächlich dem Zutritt der Allgemeinheit nicht entziehen kann, etwa aufgrund bestehender wald- oder naturschutzrechtlicher Betretungsrechte (vgl. § 14 BWaldG, § 37 WaldG; § 59 BNatSchG).

Beispiel: Werden tierische Abfälle in einen frei zugänglichen Wald verbracht, so ist der Eigentümer des Waldes weder Eigentümer des Abfalls, da kein Eigentumserwerb vorliegt (s. o., RN 7), noch ist er Inhaber der tatsächlichen Gewalt, da er nicht über das Mindestmaß an Sachherrschaft verfügt (OVG NW, NWVBl. 2007, 26, 29).

11b

Auch bei der Verantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Gewalt kommt es – wie bei der Verantwortlichkeit des Eigentümers – (s. o. RN 7) – auf subjektive Momente, wie z. B. Verschulden, nicht an.

Beispiel: Gelangen Abfälle durch Naturvorgänge (z. B. Überschwemmung) durch höhere Gewalt oder durch Dritte auf nicht frei zugängliche Grundstücke, so ist der Grundstückseigentümer und/oder besitzer als Inhaber der tatsächlichen Gewalt des „aufgedrängten“ Abfalls grundsätzlich für dessen Beseitigung verantwortlich (BVerwG, NJW 1998, 1004, 1005).

6. Rechtsnachfolge

11c

Vgl. hier zunächst § 6, RN 18a.

Eine Gesamtrechtsnachfolge (z. B. durch Erbfolge, § 1922 BGB; Firmenübernahme, § 25 HGB; Vermögensübernahme, § 419 BGB) in die allgemein bestehende, abstrakte Polizeipflicht ist nach h. M. nicht möglich, da die Zustandsverantwortlichkeit beim alten Eigentümer endet und beim neuen erstmalig entsteht.

Beispiel: Beim Tod des Eigentümers eines kontaminierten Grundstücks geht dessen Verantwortlichkeit nicht auf die Erben über, sondern entsteht im Erbfall bei diesen neu.

 

12

Wurde bereits eine Verfügung an den Rechtsvorgänger gerichtet (Rechtsnachfolge in die aktualisierte Polizeipflicht), so geht diese aufgrund ihrer Sachbezogenheit (Dinglichkeit) auf den Rechtsnachfolger über (VGH BW, NJW 1977, 661).

Beispiel: Die an den Erblasser gerichtete Nutzungsuntersagung (§ 65 LBO) gilt auch für die Erben.

13

Für die Einzelrechtsnachfolge, z. B. durch Erwerb oder Schenkung, gelten nach h. M. die Ausführungen zur Gesamtrechtsnachfolge entsprechend (VGH BW, NVwZ 1992, 392).