MALUM-ARBOR, DER KLEINE BAUMGEIST

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MALUM-ARBOR, DER KLEINE BAUMGEIST
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Gloria Fröhlich

MALUM-ARBOR, DER KLEINE BAUMGEIST

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Inhaltsverzeichnis

Titel

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

Impressum neobooks

1. Kapitel

Malum-Arbor, der kleine Baumgeist

Gloria Fröhlich Als der Sommer vorbei war und die Vögel nicht mehr zwitscherten, kam der Herbst mit bunten und kühleren Tagen. Die Zeit der Ernte hatte längst begonnen, und die Bauern hatten das Getreide von den Feldern und das Gemüse von den Äckern geerntet. Nun hingen nur noch unzählige reife Äpfel und Birnen an den Bäumen in den großen Obstplantagen und Obstgärten. In dem Apfelbaumgarten von Bauer Pumpel waren sogar schon einige Äpfel heruntergefallen. Sie sind so reif gewesen, dass sie sich nicht mehr an den Zweigen halten konnten und lagen nun verstreut im Gras. Alle anderen Äpfel warteten darauf, endlich gepflückt zu werden, denn sie wollten auf keinen Fall Fallobst sein. Aus Fallobst wurde nämlich Apfelmus gekocht oder in einer Mosterei Apfelsaft hergestellt. Alle Äpfel wollten lieber in großen Körben liegen und auf dem Markt verkauft und dann von Kindern gegessen werden.


Als Bauer Pumpel an einem sonnigen Tag zwischen seinen alten, knorrigen Obstbäumen auf und ab schritt und gut gelaunt die vielen Äpfel anschaute, die dicht aneinander gedrängt zwischen den Blättern hingen, huschte vor Freude ein Lächeln über sein Gesicht, weil er eine üppige Ernte erwarten konnte.

Für den kleinen Baumgeist Malum-Arbor, der in den Apfelbäumen wohnte und dort für eine Apfelbaumordnung sorgte, war die Apfelernte jedoch eine schlimme Zeit, in der er nicht, wie an den anderen Tagen, sorglos in den Bäumen von Ast zu Ast klettern konnte.

Erst recht wagte er es nicht, sich in die Blätter zu kuscheln, um zu schlafen.

Am Tag der Apfelernte war er in großer Gefahr und musste aufpassen, dass ihm kein Leid geschah, denn dann kam ein Dutzend Männer in den großen Apfelbaumgarten, um die Äpfel zu pflücken.

Ein Dutzend sind immer Zwölf.

Jeder der zwölf Obstpflücker hängte sich dann einen Sack mit einem Riemen wie eine Brottasche über die Schulter und stieg die lange Leiter, die an den Baum gelehnt war, bis ganz nach oben in die Baumkrone, wo sonst nur die Vögel hinkamen. Den ganzen Tag lang reckten die Pflücker die Arme hoch über die Köpfe zu den Äpfeln und pflückten einen nach dem anderen von den Zweigen. Und während die Säcke immer voller wurden, war Malum-Arbor auf der Hut, um nicht von der riesigen Hand eines Pflückers ergriffen zu werden, denn er versteckte sich jetzt zwischen den Äpfeln und den dichten Blättern.

Einer der Pflücker wollte gerade den Baum ratzekahl pflücken, in dem Malum-Arbor ängstlich kauerte, als Bauer Pumpel mit strenger Stimme rief:

„Achtung, nicht alle Äpfel pflücken!

Ein Apfel muss für den Baumgeist hängen bleiben!“

Der Pflücker hielt sofort inne.

Auch die anderen Pflücker, die das gehört hatten, pflückten nicht weiter.

Sollten sie das wirklich glauben, was Bauer Pumpel erzählte?

Bevor Malum-Arbor entdeckt werden konnte, sprang er blitzschnell in den nächsten Baum. Er hörte, dass einer der Pflücker es ganz genau wissen wollte, denn er fragte: „Gibt es den wirklich?“

Und ob es mich gibt, dachte der kleine Baumgeist und machte sich noch kleiner, als er ohnehin schon war.

„Wen soll es denn nicht wirklich geben“, antwortete Bauer Pumpel dem Pflücker etwas ungehalten.

„Na, den Baumgeist, ob es den wirklich gibt, möchte ich wissen. Ich habe hier nämlich keinen gesehen“, rief er und grinste ungläubig über das ganze Gesicht.

„Ich auch nicht“, rief ein anderer Pflücker, rümpfte die Nase und kratzte sich am Kinn.

Und die anderen Apfelpflücker schüttelten die Köpfe, weil auch sie keinen Baumgeist gesehen hatten, der in den Apfelbäumen zuhause sein sollte.

Sie wussten ja nicht einmal, wie er aussah.

„Den könnt ihr auch nicht sehen, sagte Bauer Pumpel.

Er ist für die Menschen unsichtbar, wie alle Geister.

Nur die Tiere können sie sehen“.

Und dann flüsterte er so leise es ging, damit die Pflücker es nicht hörten: „Aber das weiß doch jedes Kind“.

Er konnte gar nicht glauben, dass die Pflücker von Geistern überhaupt keine Ahnung hatten.

Dann rief er mit gepresster Stimme, nach oben zu den Männern auf den Leitern:

„Es gibt den Baumgeist wirklich, ich weiß, wovon ich rede.

Und nur deshalb, weil ich jedes Jahr einen Apfel für ihn im Baum hängen lasse, sorgt er dafür, dass ich auch im nächsten Jahr wieder eine gute Ernte habe!“

Er nickte beschwörend und hoffte, dass sie ihm glaubten.

Als die Pflücker wieder an die Arbeit gingen, ließen sie einen von den ganz großen, knallroten Äpfeln ganz oben in dem höchsten Baum hängen, so, wie Bauer Pumpel es angeordnet hatte.

Und Bauer Pumpel war zufrieden, dass der Baumgeist seinen Lohn bekam.

Der kleine Baumgeist, der alles mit angehört hatte, war glücklich und ebenso zufrieden, wie Bauer Pumpel.


Nun musste Malum-Arbor aber wieder höllisch aufpassen!

Er sprang aufgeregt hin und her.

Manchmal rettete er sich im letzten Augenblick vor den Zugriffen der großen Hände der Obstpflücker.

Aber dann, dann passierte es doch!

Gerade als sich Malum-Arbor in den dichten Blättern neben den beiden dicksten Äpfeln, die in diesem Baum hingen, versteckt hatte, griff eine große Hand zwischen die Zweige und pflückte sie samt Malum-Arbor ab.

„Oh nein, bitte nicht“, schoss es dem kleinen Baumgeist wie ein Blitz durch den Kopf. Er konnte sich gerade noch zur Seite drehen, sonst wäre er von den groben Fingern des Pflückers zerquetscht worden. Die Hand des Pflückers bewegte sich hin und her und hoch und runter. Und der kleine Baumgeist fühlte den dicken Daumen des Mannes an seinem Rücken und krallte sich verzweifelt in dem Blatt fest, um nicht herunter zu fallen.

Aber dann verhielt er sich lieber ganz still und ahnte schon mit Grauen, was gleich geschehen würde.

Und dann ging alles ganz schnell!

Ehe sich Malum-Arbor versah, schob sich die große Hand mit ihm, den Äpfeln und den Blättern in den großen Sack.

Die Hand ließ sie los und schon kullerten sie kopfüber und kopfunter auf die anderen geernteten Äpfel, wo es für Malum-Arbor nun sehr, sehr unbequem wurde.

Der kleine Baumgeist war vor Schreck wie gelähmt!

Der Sack war beinahe voll und hing dem Pflücker schon schwer über der Schulter. Malum-Arbor und die Äpfel schaukelten darin gemächlich hin und her, als der Pflücker langsam die Leiter hinab stieg, den Sack von der Schulter nahm und ihn in das weiche Gras stellte.

Malum-Arbor schaute nun verzweifelt durch die schmale Öffnung des Sackes in den blassblauen Himmel, dieses schönen, sonnigen Herbsttages.

Er wollte wieder zurück in seine Apfelbäume, wo er hingehörte.

Da, wo er jetzt kauerte, war es stickig und dämmrig.

Er war sehr unglücklich, aber auch wütend auf sich, weil er nicht besser aufgepasst hatte.

Nicht so die reifen Äpfel!

Für sie war dieser Tag ein wunderbarer Tag.

Es war für sie sogar eine große Freude, endlich geerntet und in einen Sack gesteckt zu werden.

Malum-Arbor sah sich nach allen Seiten um.

Keiner der Äpfel war ihm fremd.

Schließlich war er ja dabei gewesen, als aus den zarten, weißen Blüten, in denen die Bienen im Frühling gesummt hatten, schon nach kurzer Zeit winzige grüne Äpfel wurden.

Und er hatte dabei zugesehen, wie sie den Sommer über wuchsen, größer und größer und schließlich reif wurden. Und von Anfang an hatte er sie vor Würmern, gierigen Wespen und anderen Schädlingen beschützt, die ihnen schaden wollten.

Das hätte für Bauer Pumpel eine miserable Ernte zur Folge gehabt, wenn der kleine Baumgeist nicht auf die Äpfel aufgepasst hätte.

Und wie viel Arbeit war es gewesen, die, die unter Blättern versteckt waren, so zu drehen, damit auch sie durch die warmen Sonnenstrahlen eine wunderschöne rote Schale bekamen.

Und nun war er ausgerechnet zwischen diesen Äpfeln gefangen.

Und es blieb ihm keine Zeit mehr, zu überlegen, was er jetzt tun sollte, um aus dem Sack herauszukommen, damit er wieder in die Apfelbäume klettern konnte, denn nun schob sich die große Hand des Pflückers abermals in den Sack, packte erneut die beiden Äpfel, in deren Blätter sich Malum-Arbor immer noch versteckt hielt, zog sie heraus und legte sie flink in eine der vielen, braunen Holzkisten, die unter dem Apfelbaum standen.

Und dann wurde es schnell sehr eng in der Apfelkiste, denn der Pflücker legte noch eine ganze Menge Äpfel dazu.

Malum-Arbor stöhnte leise auf, weil er sich kaum noch bewegen konnte.

An Flucht war jetzt nicht mehr zu denken.

„Geht mit den Äpfeln sorgsam um, sonst bekommen sie Dellen und faulen schnell“, hörte Malum-Arbor Bauer Pumpel rufen.

 

Denn jetzt kamen nach und nach auch die anderen Pflücker von den Leitern.

Sie stellten ihre vollen Säcke zu den Kisten und füllten auch diese bis zum Rand mit dem geernteten Obst.

Dann luden sie die Kisten auf einen Ackerwagen, vor den ein braunes Pferd gespannt war und fuhren in die große Scheune von Bauer Pumpel. Dort wurden die Apfelkisten abgeladen und in einer Ecke sorgfältig zu einem riesigen Turm übereinander gestapelt.

Und die Kiste, in der Malum-Arbor gefangen war, stand nun ganz oben auf dem riesigen Stapel, ziemlich dicht unter der Holzdecke, auf der in der Scheune das Heu lagerte und noch wunderbar nach Sommer duftete.

Als der letzte Pflücker die Scheune verlassen hatte, wurde es still.

Malum-Arbor wagte erst nach einer ganzen Weile, sich ein wenig zu bewegen und versuchte, die Äpfel von sich weg zu schieben.

Aber die rührten sich nicht einen Millimeter von der Stelle.

Er verzog enttäuscht das Gesicht.

„Wie komme ich hier bloß wieder raus!

Ich bin nur ein kleiner Geist und habe nur Geisterkraft für kleine Geister.

Und die nützt mir außerhalb meiner Apfelbäume überhaupt nichts.

Wäre ich doch bloß ein großer Geist, dann hätte ich jetzt kein Problem.

Ich muss mir etwas einfallen lassen, aber was“, stöhnte er verzweifelt.

Und während er angestrengt nachdachte und hin und her überlegte, wie ihm seine Befreiung gelingen könnte, hatte er überhaupt keine brauchbare Idee, wurde dafür aber sehr, sehr müde.

Er wurde so müde, dass ihm schließlich die Augen zufielen und er fest einschlief.


Aber Bauer Pumpel hatte nicht nur die Äpfel ernten lassen und ohne es zu wissen, auch den kleinen Baumgeist, sondern während des Sommers auch das hohe Gras auf den Wiesen. Das wuchs rasch wieder nach, wurde zum zweiten Mal abgemäht und auch zu Heu getrocknet und auf dem riesigen Heuboden in der riesigen Scheune von Bauer Pumpel verstaut.

Das Heu brauchte Bauer Pumpel dringend, denn das fraßen im Winter seine sieben Kühe, die drei Pferde, zwei Schafe, und zwei Ziegen, vier Kaninchen und die beiden Meerschweinchen.

Manchmal wusste Bauer Pumpel nicht mehr, wie viele Tiere er eigentlich hatte.

Er konnte sich die Zahl einfach nicht merken.

Dann zählte er sie jedes Mal wieder an den Fingern ab.

Und weil er nur zehn Finger hatte, die aber zum Zählen seiner Tiere nicht ausreichten, musste er jedes Mal seine Schuhe und Strümpfe ausziehen und noch seine Zehen dazunehmen.

Und beim Zählen blieb kein Zeh übrig und Bauer Pumpel wusste dann endlich wieder, wie viele Tiere in seiner Scheune wohnten.


Und nun war nicht nur die Heuernte, sondern auch die Apfelernte vorbei.

Bauer Pumpel hielt sich noch eine Weile in der Scheune auf, stellte die Forke ordentlich an die Wand und auch die Schaufel daneben und schaute dann zufrieden auf die vollen Apfelkisten. Die Sonne wollte bald untergehen und stand schon purpurrot am Horizont, als er zu dem riesigen Tor ging, es mit dem großen, rostigen Riegel fest verschloss und zu sich selbst laut „Feierabend“ sagte.

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