TARZAN, DER UNBESIEGBARE

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TARZAN, DER UNBESIEGBARE
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EDGAR RICE BURROUGHS

Tarzan, der Unbesiegbare

Elfter Band des TARZAN-Zyklus

Roman

Apex-Verlag

Impressum

Copyright 1922 © by Edgar Rice Burroughs.

Der Roman Tarzan The Invincible ist gemeinfrei.

Copyright dieser Ausgabe © by Apex-Verlag.

Übersetzung: Helmut H. Lundberg.

(OT: Tarzan The Invincible).

Lektorat: Mina Dörge.

Cover: N. N./Christian Dörge/Apex-Graphixx.

Satz: Apex-Verlag.

Verlag: Apex-Verlag, Winthirstraße 11, 80639 München.

Verlags-Homepage: www.apex-verlag.de

E-Mail: webmaster@apex-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten.

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Das Buch

Der Autor

TARZAN, DER UNBESIEGBARE

Erstes Kapitel: Der kleine Nkima

Zweites Kapitel: Der Hindu

Drittes Kapitel: Unheimliches Spiel

Viertes Kapitel: In der Löwengrube

Fünftes Kapitel: Vor den Mauern von Opar

Sechstes Kapitel: Verrat

Siebtes Kapitel: Vergebliche Suche

Achtes Kapitel: Der Verrat des Abu Batn

Neuntes Kapitel: In der Todeszelle von Opar

Zehntes Kapitel: Rettung in letzter Minute

Elftes Kapitel: Im Dschungel verirrt

Zwölftes Kapitel: Auf gefährlichem Weg

Dreizehntes Kapitel: Der Löwenmensch

Vierzehntes Kapitel: Abgeschossen

Fünfzehntes Kapitel: Tantor greift ein

Sechzehntes Kapitel: Rufe aus dem Dschungel

Siebzehntes Kapitel: Späte Rache

Das Buch


La befindet sich in Schwierigkeiten: Die Hohepriesterin des Flammengottes in der antiken Stadt Opar, des vergessenen Vorpostens von Atlantis, wurde von ihrem Volk verraten und in den von der Ewigkeit verwunschenen Verliesen eingesperrt, bis Tarzan kommt, um sie zu retten. La liebt Tarzan noch immer. Nun liegt La, zusammen mit einer fremden Frau von der Rasse Tarzans, gefesselt im Zelt eines arabischen Sklavenhändlers und fürchtet sich vor dem ihr bestimmten Schicksal. Inzwischen verfolgt Tarzan eine Schar fremder Männer, die in sein Land eingedrungen sind, angeführt von einem Wahnsinnigen, der einen gemeinen Umsturz im Sinne hat...

Der Roman Tarzan, der Unbesiegbare erschien erstmals ab Oktober 1930 (unter dem Titel Tarzan, Guard Of The Jungle) im Blue-Book-Magazin. Eine erste Buchveröffentlichung folgte 1931.

Der Apex-Verlag veröffentlicht Tarzan, der Unbesiegbare in der deutschen Übersetzung von Helmut H. Lundberg.

Der Autor


Edgar Rice Burroughs - * 01. September 1875, † 19. März 1950.

Edgar Rice Burroughs war ein US-amerikanischer Schriftsteller, der bekannt wurde als Erzähler diverser Abenteuergeschichten, die sich vor allem dem frühen Fantasy- und Science-Fiction-Genre zuordnen lassen. Die bekanntesten von ihm eingeführten - und in der Folge von anderen in zahlreichen Filmen und Comics etablierten - Heldencharaktere sind Tarzan, John Carter, Carson Napier.

Der Sohn des Fabrikanten und Bürgerkriegsveteranen Major George Tyler Burroughs (1833–1913) und der Lehrerin Mary Evaline Zieger (1840–1920) verlebte nach dem Besuch mehrerer Privatschulen den Großteil seiner Jugend auf der Ranch seiner Brüder in Idaho.

Nach seinem Abschluss auf der Michigan Military Academy im Jahr 1895 trat Burroughs in die 7. US-Kavallerie ein. Als ein Armeearzt bei ihm einen Herzfehler diagnostizierte und er deshalb nicht Offizier werden konnte, verließ Burroughs die Armee vorzeitig im Jahr 1897 und arbeitete bis 1899 wieder auf der Ranch seines Bruders. Danach ging er zurück nach Chicago und arbeitete in der Firma seines Vaters.

Am 1. Januar 1900 heiratete Burroughs seine Jugendliebe Emma Centennia Hulbert. Das Paar bekam drei Kinder: Joan Burroughs Pierce (1908–1972), Hulbert Burroughs (1909–1991) und John Coleman Burroughs (1913–1979). Da die tägliche Routine in der Fabrik seines Vaters Burroughs nicht zufriedenstellte, verließ das Ehepaar 1904 Chicago, um abermals in Idaho zu leben. Mit seinen Brüdern, die inzwischen ihre Ranch aufgegeben hatten, versuchte er sich erfolglos als Goldgräber. Kurze Zeit später arbeitete er als Eisenbahnpolizist in Salt Lake City. Auch diesen Job gab Burroughs auf und zog mit seiner Frau wieder zurück nach Chicago, wo er eine Reihe Jobs annahm, unter anderem als Vertreter. 1911 investierte er sein letztes Geld in einer Handelsagentur für Bleistiftanspitzer und scheiterte.

Burroughs, der zu dieser Zeit an schweren Depressionen litt und, nach einigen seiner Biographen, an Selbstmord dachte, kam auf die Idee, eine Geschichte für ein Magazin zu schreiben, in dem er zuvor Anzeigen für seine Bleistiftanspitzer geschaltet hatte. Seine erste Erzählung Dejah Thoris, Princess of Mars (unter dem Pseudonym Normal Bean für das All-Story-Magazin von Thomas Metcalf geschrieben) wurde zwischen Februar und Juli 1912 als Fortsetzung veröffentlicht.

Metcalf hatte sein Pseudonym in Norman Bean geändert, und auch der Titel seiner Geschichte wurde zu Under the Moon of Mars abgewandelt. Auf Burroughs Beschwerde bezüglich der Änderungen, lenkte Metcalf ein und bot an, Burroughs nächste Geschichte unter seinem richtigen Namen zu drucken. Eine weitere Beschwerde Burroughs betraf den Zusatz For all Rights auf seinem Honorarscheck. Nach längerem Briefwechsel erreichte er, dass die 400 Dollar nur für den Erstabdruck galten.

Burroughs zweite Geschichte, The Outlaw of Torn, wurde jedoch von All-Story abgelehnt. Der große Erfolg kam mit Burroughs drittem Anlauf, Tarzan of the Apes.

Die Geschichte von Tarzan wurde ebenfalls 1912 von All-Story veröffentlicht. Burroughs schrieb in der Folgezeit immer wieder neue Tarzan-Geschichten und konnte sich - kaum zehn Jahre nach der Veröffentlichung von Tarzan of the Apes - ein riesiges Stück Land in der Nähe von Los Angeles kaufen. Selbst nach Burroughs Tod im Jahr 1950 erschienen weitere Tarzan-Geschichten. Das Landstück bei Los Angeles ist heute die Gemeinde Tarzana.

In den frühen 1930er Jahren wurde sein schriftstellerischer Erfolg allerdings immer mehr von privaten Problemen überschattet. 1934 ließ er sich scheiden und heiratete ein Jahr später Florence Dearholt. Doch schon 1942 wurde auch diese Ehe geschieden. Nach der Bombardierung von Pearl Harbor begab sich Burroughs 1941 als Kriegsreporter nach Hawaii. Nach dem Krieg kehrte er nach Kalifornien zurück, wo er, nach vielen gesundheitlichen Problemen, 1950 einem Herzanfall erlag.

In Burroughs Werk vermischen sich Science Fiction und Fantasy. Er etablierte Geschichten vor einem planetarischen Hintergrund in der Science Fiction. Dabei war Burroughs bewusst, dass seine Literatur bei den Kritikern nicht ankam. Er machte auch nie ein Hehl daraus, dass er schrieb, um Geld zu verdienen.

Die Helden seiner Romane und Erzählungen haben keine Alltagsprobleme. Bei den Charakterzeichnungen schwach, sprudeln Burroughs Geschichten über vor Ideen und Action. Die Helden seiner Romane haben verschiedene Merkmale gemeinsam, beispielsweise das Geheimnis um ihre Herkunft. Entweder haben die Helden nie eine Kindheit erlebt, oder können sich nicht daran erinnern, oder aber sie sind wie Tarzan und The Cave Girl Waisen. Ein weiteres Merkmal von Burroughs Geschichten ist der, wie Brian W. Aldiss es nennt, ausgeprägte sexuelle Dimorphismus. Das jeweils dominante Geschlecht ist hässlich.

Obwohl es in den Romanen und Geschichten Burroughs von schönen, nackten Frauen nur so wimmelt, werden sexuelle Beziehungen weder angedeutet noch erwähnt. Burroughs Welt scheint eine präpubertäre zu sein. Doch ist die Jungfräulichkeit immer in Gefahr (vgl. Aldiss). Fast schon zwanghaft mutet an, dass es in den Geschichten Burroughs, die zwischen 1911 und 1915 geschrieben wurden, nicht weniger als 76 Mal zu Vergewaltigungsdrohungen kommt, die natürlich alle abgewendet werden können. Zu den Bedrohern der weiblichen Unschuld gehören verschiedene Marsianer, Sultane, Höhlenmenschen, japanische Kopfjäger und Affen.

 

E. F. Bleiler schreibt über Burroughs, seine Texte seien „Fantasien von Erotik und Macht.“

Der Apex-Verlag veröffentlicht Burroughs' Venus-Romane (in der deutschen Übersetzung von Thomas Schlück), Neu-Übersetzungen des Tarzan- und des John Carter-Zyklus sowie als deutsche Erstveröffentlichung die Pellucidar-Serie.

TARZAN, DER UNBESIEGBARE

Erstes Kapitel: Der kleine Nkima

Ich bin kein Historiker. Man darf mich auch nicht zu den Chronisten zählen, die einfach Tatsachen berichten. Überdies bin ich der festen Ansicht, dass ein Romanschriftsteller gewisse Dinge nicht in seinen Büchern berühren sollte. Dazu rechne ich vor allem Politik und Religion. Dennoch glaube ich nicht, gegen das berufliche Ethos zu verstoßen, wenn ich hin und wieder den Stoff zu einem Roman einem dieser Gebiete entnehme. Dabei kommt es nur darauf an, den Leser in der Illusion zu belassen, dass er einen Roman liest.

Wenn die Geschichte, die ich zu erzählen mich anschicke, in die Zeitungen zwei bestimmter ausländischer Mächte geraten wäre, hätte sie vielleicht einen weiteren und noch schrecklicheren Weltkrieg heraufbeschworen. Darüber wollen wir uns jedoch jetzt keine Gedanken machen. Mich interessiert bei dieser ganzen Affäre nur die Tatsache, dass sich gut darüber schreiben lässt und vor allem, dass Tarzan, der Affenmensch, darin eine wesentliche Rolle spielt.

Ich möchte meine Leser nicht mit trockenen, politischen Fragen langweilen. Versuchen Sie nicht, die Namen zu enträtseln, hinter denen sich die Mitwirkenden dieser Erzählung verbergen.

Nehmen Sie den Roman einfach hin als eine neue Tarzan-Geschichte, die jedem Leser, und das hoffe ich zuversichtlich, Unterhaltung und Entspannung bringen wird. Wenn dabei der eine oder andere etwas nachzudenken beginnt – umso besser.

Sicherlich gibt es nur wenige unter meinen Lesern, die jene kleine Nachricht gelesen haben, die vor einiger Zeit unauffällig durch verschiedene Zeitungen ging. Und wer die wenigen Zeilen etwa gelesen hat, muss sie inzwischen längst vergessen haben. Die Nachricht besagte, dass einem Gerücht zufolge schnelle Truppen eines aufständischen Stammes an der Nordostküste von Afrika in eine fremde Kolonie eingedrungen seien. Hinter dieser kurzen Zeitungsnotiz verbirgt sich ein Gespinst von Verrat, Intrige, Abenteuer und Liebe – eine Geschichte von Lumpen und Narren, tapferen Männern und schönen Frauen, eine Geschichte der wilden Tiere des Urwaldes und des Dschungels.

Kurz vor dem besagten Zwischenfall an der Nordostküste Afrikas trug sich landeinwärts ein anderes Ereignis zu. Wenn schon nur sehr wenige Leute von jener Zeitungsnotiz Kenntnis nahmen, so gibt es gewiss überhaupt keinen Menschen, der sich jenes anderen Ereignisses entsinnen könnte: es waren nämlich keine Menschen dabei. Man wird es kaum für möglich halten, dass zwischen jenem Vorfall im Inneren des Landes und dem Vorgang an der Grenze auch nur die geringste Verbindung bestehen könnte. Man wird auch nicht glauben, dass ein Zusammenhang zwischen einem unbedeutenden Abenteuer im Urwald und den internationalen Spannungen oder dem Schicksal der Nationen besteht. Die ganze Sache begann nämlich damit, dass ein ganz kleines Äffchen vor Schreck winselnd und wimmernd durch die Bäume flüchtete. Es war der kleine Nkima. Hinter ihm her jagte ein großer, grober Affe – der viel größer war als der kleine Nkima.

Es war ein Glück für den Frieden Europas und der Welt, dass der Verfolger keineswegs so schnell war, wie man es bei seiner Wut hätte annehmen können. Daher vermochte Nkima ihm zu entkommen. Aber noch lange nachdem der große Affe die Verfolgung aufgegeben hatte, jagte der kleine Nkima durch die Baumwipfel weiter. Dabei schrie er in höchsten Tönen. Angst und Flucht machten einen großen Teil seines Lebens aus, das er im Dschungel vor sich hatte.

Schließlich landete Nkima auf einem schwankenden Ast. Vielleicht blieb er dort vor Erschöpfung hängen. Wahrscheinlicher aber war es, dass er eine Raupe oder ein Vogelnest entdeckt hatte und bei diesem Anblick sofort Angst, Schrecken und Flucht vergaß. Jedenfalls saß das Äffchen schimpfend und schnatternd hoch oben im Wipfel eines Urwaldriesen.

Der kleine Nkima hatte den Eindruck, dass er in eine schreckliche Welt hineingeboren war. Die meiste Zeit brachte er damit zu, auf sie zu schimpfen und in dieser Hinsicht wirkte er beinahe menschlich. Für ihn sah es so aus, als wäre die ganze Erde mit schrecklich großen und wilden Wesen bevölkert, die alle Appetit auf sein Fleisch hatten. Im Urwald lebten Numa, der Löwe, und Sheeta, der Panther, und Histah, die Schlange – ein Dreigestirn, das für ein Äffchen wie Nkima auch zwischen den höchsten Baumwipfeln und dem Dschungelboden kein sicheres Plätzchen ließ. Außerdem gab es noch die großen und die mittleren Affen, die Paviane und die zahllosen anderen Affenarten, die Gott alle größer erschaffen hatte als ihn, den kleinen Nkima. Und wie sie auch hießen, alle schienen eine unerklärliche Wut auf ihn zu haben.

Man denke nur an den rohen Burschen, der ihn gerade durch die Bäume gejagt hatte. Dabei hatte Nkima gar nichts weiter getan als einen Stock auf die Nase des Großen geworfen, während der gerade in einer Astgabel lag und schlief. Und nur wegen dieses kleinen Scherzes hatte dieser Nkima in unverkennbar mörderischer Absicht gejagt. Es besteht kein Zweifel, dass der große Bursche mit Nkima kurzen Prozess gemacht haben würde, hätte er ihn erwischt. Nkima schien es noch nicht aufgegangen zu sein, dass ebenso wie auffällige Schönheit auch der übertriebene Sinn für Humor zu unglücklichen Komplikationen führen kann.

Traurig und müde dachte das Äffchen Nkima über die Ungerechtigkeiten dieses Lebens nach. Es gab aber noch einen anderen, viel wichtigeren Grund für die tiefe Trauer, die sein kleines Herz bedrückte. Vor vielen, vielen Monden war sein geliebter Herr und Meister fortgegangen. Nkima hatte daheim bleiben müssen. Gewiss. Nkima war in einem hübschen, bequemen Hause zurückgeblieben, wo freundliche Leute ihn fütterten. Aber er vermisste trotzdem den großen Tarmangani, dessen nackte, bronzene Schulter für ihn immer ein sicherer Zufluchtsort war, von wo aus er der bösen Welt die beleidigendsten Wahrheiten sagen durfte. Von Sehnsucht getrieben hatte Nkima sich kühn den Gefahren des Urwaldes entgegengestellt und suchte seit vielen Tagen im Dschungel nach seinem geliebten Tarzan.

Da man Herzen nicht nach Zentimetern, sondern nach dem Grad von Liebe und Treue, den sie erreichen, zu messen pflegt, war Nkimas Herz sehr groß. Es war so groß, dass ein Durchschnittsmensch sein eigenes Herz und sich selbst dahinter hätte verstecken können. Seit langer Zeit flammte ein bohrender Schmerz in der Brust des Äffchens. Seine Sehnsucht nach Tarzan wuchs ins Ungemessene. Zum Glück lässt sich ein Manuäffchen wie Nkima leicht von seinem großen Kummer ablenken. Ein Schmetterling oder eine fette Raupe können ganz plötzlich seine Aufmerksamkeit erwecken und ihn aus tiefstem Nachsinnen auffahren lassen. Und das war gut so. Denn sonst hätte sich Nkima gewiss zu Tode gegrämt.

Das Äffchen saß noch immer auf dem wippenden Ast und starrte, in traurige Gedanken verloren, in die grüne Hölle des Dschungels hinab. Plötzlich jedoch trug ihm der schwache Wind eine Witterung zu, die nicht zu den alltäglichen Dschungelgerüchen gehörte, die Nkima als ungefährlich vertraut waren. Sofort war er hellwach und spannte alle seine Sinne an. Seine scharfen Ohren vernahmen ein Geräusch, das nicht in den Alltag des Dschungels passte. Es war ein Misston. Und wer bringt schon Misstöne in den Dschungel oder dorthin, wo er gerade auftaucht? Nur der Mensch. Es waren Menschenstimmen, die Nkima aus seinem Nachsinnen geweckt hatten.

Ganz leise glitt der kleine Affe durch die Zweige und näherte sich der Gegend, aus der die Stimmen drangen. Schließlich wurde die Menschenwitterung immer stärker und brachte dem kleinen Jäger den letzten und sichersten Beweis, wen er vor sich hatte.

Man hat vielleicht schon einmal einen Hund beobachtet, der seinen Herrn auf große Entfernung gerade noch erkennt. Aber niemals ist ein Hund allein durch den Anblick davon überzeugt, seinen Herrn vor sich zu haben. Er muss immer hinlaufen und sich mit der Nase davon überzeugen, wen er vor sich hat.

Genau so war es mit Nkima. Seine Ohren hatten ihm die Nähe der Menschen verraten. Nun sagte ihm seine untrügliche Nase, dass die Menschen nicht mehr weit weg waren. Er betrachtete die zweibeinigen Wesen übrigens nicht als Menschen, sondern als große Affen. Es gab Gomangani, das waren große, schwarze Affen – nämlich Neger. Seine Nase verriet ihm, dass er Neger vor sich hatte und Tarmangani. Für Nkima waren dies große, weiße Affen, eine Einschätzung, über die ein Europäer sich gewiss nicht freuen würde.

Mit bebenden Nasenflügeln durchforschte Nkima die ihm von einem schwachen Wind zugetragene Witterung nach dem einen feinen Duft, den er liebte. Er suchte Tarzan. Aber sein großer Herr und Meister war nicht dabei. Das wusste das Äffchen schon, noch ehe es die Fremden erblickte.

Schließlich fand Nkima einen weit vorspringenden Ast, von dem aus er auf ein ziemlich großes und gut ausgestattetes Lager hinabblicken konnte. Dieses Lager war offensichtlich als fester Stützpunkt ausgebaut worden und für längere Benutzung eingerichtet. Es war keineswegs ein Camp, das nur für eine Nacht aufgeschlagen war. Man erblickte die Zelte der weißen Männer und die typischen Rundzelte der Araber. Das Lager war mit fast militärischer Ordnung angelegt. Hinter den Zeltreihen erhoben sich die Schutzhütten der Neger, die aus dem gerade vorhandenen Material des Busches und des Dschungels nur leicht und sorglos aufgeschlagen waren.

Mehrere Beduinen in weißen Burnussen saßen vor einem offenen Araberzelt und tranken ihren unvermeidlichen Kaffee. Im Schatten eines hohen Baumes saßen vier weiße Männer bei einem Kartenspiel. Auf einem Platz zwischen den Schutzhütten hatte sich eine Gruppe hochgewachsener Gallakrieger beim Minkalaspiel zusammengefunden. Außer diesen gab es noch Neger von verschiedenen anderen Stämmen im Lager. Nkima erkannte Männer von der Ostküste und aus Zentralafrika, und sogar vereinzelte Eingeborene von der Westküste.

Einen erfahrenen Afrikaforscher hätte diese seltsame Ansammlung verschiedener Rassen und Farben gewiss verwundert. Die Schwarzen waren so zahlreich, dass man sie keineswegs nur für Träger halten konnte. Die ganze Lagerausrüstung hätte für den einzelnen Neger kaum den Bruchteil einer normalen Trägerlast ausgemacht. Selbst wenn man einen größeren Teil der Neger zu den Askari zählen wollte, die keine Traglasten schleppen, sondern nur ihre Gewehre und die Munition tragen, wären es immer noch zu viele Schwarze gewesen.

Außerdem gab es in diesem Lager viel mehr Gewehre, als man zum Schutz einer größeren Jagdgruppe benötigt haben würde. Bei näherem Zusehen stellte man fest, dass es tatsächlich für jeden Mann ein Gewehr gab. Diese vielen Einzelheiten machten indessen auf Nkima keinen sonderlichen Eindruck. Was sein kleines Affengemüt mit Bestürzung erfüllte war die Tatsache, auf eine so große Anzahl fremder Tarmangani und Gomangani zu stoßen, mitten im Lande seines Herrn und Meisters. Und da für Nkima alle Fremden zugleich Feinde waren, war er verwirrt und ängstlich zugleich. Jetzt wünschte er sich noch sehnlicher, schnellstens Tarzans Spur ausfindig zu machen, um ihm zu erzählen, was in seinem Lande vorging.

Ein dunkelbrauner Ostinder mit hohem Turban saß auf untergeschlagenen Beinen am Erdboden vor einem Zelt. Offensichtlich war er in tiefes Nachsinnen versunken. Seine schwarzen, blitzenden Augen verrieten jedoch, dass er keineswegs tief innerlichen Gedanken nachhing. Vielmehr richtete sich seine ganze Aufmerksamkeit auf ein Zelt, das in einiger Entfernung von dem seinen stand. Aus diesem Zelt tauchte schließlich eine Frau auf. Raghunath Jafar, der Inder, erhob sich und schritt auf sie zu. Mit öligem Lächeln redete er sie an. Sein Lächeln wurde jedoch nicht erwidert. Er erhielt eine höfliche und unverbindliche Antwort. Dabei blieb jedoch die Frau nicht stehen, sondern ging zu den vier kartenspielenden Männern hinüber.

Die Kartenspieler blickten auf, als sie zu ihnen trat. Alle vier schauten plötzlich irgendwie vergnügter drein. Da jedoch die Menschen Masken tragen, lässt sich niemals mit Gewissheit sagen, ob die Gesichtszüge plötzliche Gedanken und Empfindungen widerspiegeln. Offensichtlich erfreute sich jedoch diese Frau einer allgemeinen Beliebtheit.

 

»Hallo, Zora!«, rief ein großer Mann mit angenehmen Gesichtszügen. »Hast du ein kleines Nickerchen gemacht?«

»Ja, Kamerad«, erwiderte die so Angesprochene. »Ich habe es aber satt, mir die Zeit mit Nickerchen zu vertreiben. Diese Untätigkeit zehrt langsam an meinen Nerven.«

»Mir geht es genauso«, warf einer der anderen Weißen ein.

»Wie lange willst du noch auf den Amerikaner warten, Kamerad Zveri?«, fragte Raghunath Jafar.

Der große Mann zuckte mit der Schulter. »Ich brauche ihn«, erwiderte er. »Wir könnten natürlich auch ohne ihn unser Vorhaben durchführen. Es macht aber gewiss auf die ganze Welt einen viel stärkeren Eindruck, wenn ein reicher Amerikaner aus den obersten Kreisen des Landes in unsere Angelegenheit verwickelt wird. Mir scheint es so, als könnte sich das Warten lohnen.«

»Bist du bei diesem Gringo absolut sicher, Zveri?«, warf ein dunkelhäutiger, junger Mexikaner ein, der offensichtlich der Anführer dieser Expedition war.

»Ich habe ihn in New York kennengelernt und ihn später in San Francisco wiedergetroffen«, gab Zveri zurück. »Man hat ihn sehr genau geprüft und danach dringend für unsere Zwecke empfohlen.«

»Mir erscheinen diese Burschen immer verdächtig, die alles, was sie besitzen, ihrer Geldgier verdanken«, erklärte Romero.

»Es liegt ihnen im Blut – im Herzen hassen sie uns arme Leute genauso wie wir sie hassen. Bei diesem Mann ist es etwas anderes, Miguel«, entgegnete Zveri. »Er ist so sehr für unsere Sache gewonnen worden, dass er seinen eigenen Vater hintergehen würde, um uns zu nützen, im Übrigen tut er es bereits.« Über die Lippen Zora Drinovs huschte ein leichtes, höhnisches Lächeln, das von den anderen nicht bemerkt wurde. Über diese Beschreibung des letzten Mitgliedes der Expedition, das noch nicht beim Treffpunkt angelangt war, konnte sie innerlich nur spotten. Miguel Romero, der Mexikaner, war noch nicht ganz überzeugt. »Ich kann mit Gringos nichts anfangen, mögen sie herkommen wo sie wollen«, sagte er.

Zveri hob abermals die breiten Schultern. »Unsere persönlichen Abneigungen haben nichts zu sagen«, verwies er den anderen. »Für uns geht es darum, unsere Interessen in aller Welt durchzusetzen. Wenn Colt ankommt, müssen wir ihn als einen der unseren behandeln. Außerdem dürfen wir niemals vergessen, dass wir ohne die Amerikaner und ihr dreckiges Geld nichts erreichen können, so sehr wir auch das Land und alle seine Leute verachten.«

»Ihr Wohlstand wächst aus dem Blut und dem Schweiß der Unterdrückten«, knurrte Romero.

»Das stimmt«, warf Raghunath Jafar ein. »Wie spaßig, dass gerade dieser Wohlstand benutzt wird, um die gleichen Länder zu unterwühlen und zum Einsturz zu bringen, sodass die Unterdrückten schließlich doch noch zu dem Ihren kommen.«

»Genau dieser Ansicht bin ich auch«, sagte Zveri. »Gerade amerikanisches Gold verwende ich am liebsten zur Förderung unserer guten Sache – und danach englisches Gold.«

»Was kann uns der Reichtum dieses einzelnen Amerikaners schon nützen?«, wollte Zora wissen. »Und mag er noch so reich sein – es ist ein Nichts, verglichen mit dem, was wir brauchen, um unser Ziel zu erreichen. Was bedeutet sein Verrat gegenüber dem, den andere vor ihm der Welt gegenüber begangen haben? So genommen ist der Mann winzig wie ein Tropfen in einem Eimer.«

»Du sprichst so, als täte dir diese Tatsache leid«, sagte eine ruhige Stimme über ihre Schulter.

Die Frau fuhr geschwind herum. »Oh, bist du das, Scheik Abu Batn?«, fragte sie, als sie den dunkelhäutigen Araber erkannte, der von seinem Zelt herübergekommen war.

»Und was sollten wir tun?«, warf Zveri gutgelaunt ein.

»Wir könnten den Versuch unternehmen, uns das Gold von Opar anzueignen«, schlug sie vor. »Wenn Kitembo recht behält, müsste man dort genügend Gold finden, um mindestens ein Dutzend solcher Unternehmungen zu finanzieren, wie du sie jetzt planst.«

»Ich habe mir ganz ähnliche Gedanken gemacht«, meinte Raghunath Jafar.

Zveri blickte finster vor sich hin. »Vielleicht wäre es besser, wenn einer von euch die Führung der Expedition übernähme«, meinte er barsch. »Ich weiß jedoch, was ich tue, und brauche meine Pläne mit niemandem durchzusprechen. Wenn ich es für richtig halte, Anordnungen zu treffen, werdet ihr es rechtzeitig erfahren. Kitembo hat seine Anweisungen bereits erhalten. Inzwischen sind die Vorbereitungen getroffen worden, um eine Expedition von mehreren Tagen nach Opar zu unternehmen. Die übrigen Mitglieder der Gruppe sind an diesen Vorgängen genauso interessiert und jeder von uns trägt das gleiche Risiko, Zveri, schnappte Romero ein. Wir müssen zusammenarbeiten – aber nicht als Herr und Sklaven.«

»Du wirst bald merken, wer hier der Herr ist«, höhnte Zveri in hässlichem Tonfall.

»Oh ja«, gab Romero im gleichen Ton zurück.

Zveri sprang auf und riss einen Revolver aus der Tasche. Er richtete die Waffe auf Romero. Sofort sprang Zora dazwischen und schlug ihm den Arm hoch.

»Bist du verrückt, Zveri?!«, schrie sie.

»Misch dich nicht ein, Zora. Das ist meine Angelegenheit. Ich will den Fall sofort erledigen. Ich bin hier der Chef und werde keine Verräter in meinem Lager dulden. Tritt beiseite.«

»Nein!«, sagte sie vehement. »Miguel hat ebenso unrecht gehandelt wie du. Wenn es jetzt zum Blutvergießen kommt – unser eigenes Blut! –, haben wir keine Möglichkeit mehr, unseren Auftrag erfolgreich durchzuführen. Ein Zusammenstoß zwischen euch beiden würde Furcht und Argwohn gebären. Die Schwarzen hätten keine Achtung mehr vor uns. Sie würden bald bemerken, dass wir untereinander uneinig sind. Außerdem ist Miguel nicht bewaffnet. Wenn du auf ihn schießt, kommt die Tat einem feigen Mord gleich. Damit ziehst du dir nur die Verachtung aller anständigen Mitglieder dieser Expedition zu.«

Sie hatte schnell und eindringlich in ihrer Muttersprache auf den Mann eingeredet. Diese Sprache verstanden nur Zveri und Zora selbst. Die anderen Mitglieder der Gruppe verstanden sie nicht. Danach wendete sich Zora wieder zu Miguel um und sprach auf Englisch mit ihm.

»Du hast nicht recht gehandelt, Miguel«, meinte sie begütigend. »Jede größere Gruppe muss einen verantwortlichen Kopf haben. Kamerad Zveri ist auserwählt worden, die Verantwortung zu übernehmen. Er bedauert gewiss, dass er sich vom Zorn hinreißen ließ. Sage ihm, dass du deine Worte bereust. Darin werdet ihr euch die Hände schütteln und die Angelegenheit vergessen.«

Romero zögerte einen Augenblick. Dann streckte er Zveri die Hand hin.

»Ich bedaure es«, sagte er.

Der andere ergriff die ihm dargebotene Hand und verbeugte sich steif.

»Wir wollen es vergessen, Kamerad«, sagte er. Der Missmut aber blieb auf seinem Gesicht. Und auch die Miene des Mexikaners hellte sich nicht auf.

Hoch oben in den Bäumen gähnte der kleine Nkima und schwang sich mit Hilfe des Schwanzes zu einem anderen Zweig hinüber. Seine Neugier war befriedigt. Er wusste alles über diese Feinde, was ihn betraf. Er brauchte sich nicht länger um sie zu kümmern. Indessen war ihm klar, dass sein Herr und Meister schnellstens von der Gegenwart dieser Menschen erfahren musste. Der Gedanke daran erinnerte das Äffchen an seinen Kummer und seine große Sehnsucht nach Tarzan. Mit neuem Entschluss machte sich Nkima auf den Weg, um ihn zu suchen. Für den Augenblick war ihm diese Absicht wie eine Lebensaufgabe. Das bedeutete indessen nicht, dass vielleicht in einer halben Stunde nicht schon irgendein kleines Vorkommnis seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen und ihn von der ursprünglichen Aufgabe wieder ablenken konnte.

Der Nachmittag ging zu Ende. In der Ferne brüllte ein Löwe. Ein Schauer rann Nkima über den Rücken. In Wirklichkeit fürchtete er sich kaum. Denn er wusste genau, dass ihn hier oben in den Baumwipfeln kein Löwe erreichen konnte.

Ein junger Mann, der gleich hinter den ersten Jägern an der Spitze einer Safari marschierte, hob den Kopf und lauschte.

»Der Löwe kann nicht weit entfernt sein, Tony«, meinte er.

»Nein, Herr, er ist verdammt nahe«, erwiderte der Philippino.

»Du wirst es dir abgewöhnen müssen, mich immer mit Herr anzureden, bevor wir die anderen treffen, Tony«, ermahnte ihn der junge Mann.

Der Philippino grinste. »Geht in Ordnung, Kamerad«, versicherte er. »Ich habe mich so sehr daran gewöhnt, jeden Mann mit Herr anzureden, dass mir die Umstellung schwerfällt.«

»Ich fürchte, dann bist du kein besonders guter Verfechter unserer Sache, Tony.«

»Oh, das bin ich gewiss«, versicherte der Philippino pathetisch. »Wozu wäre ich sonst hier? Glauben Sie vielleicht, ich bin gerne in dieses gottverdammte Land voller Löwen, Ameisen, Schlangen, Mücken und Moskitos gekommen?«

Hoch oben in den Bäumen kreuzte ein kleiner Affe den Weg der Safari. Das Tierchen verhielt einen Augenblick und schaute auf die Menschen herab. Dann nahm es seinen Weg in der entgegengesetzten Richtung auf.

Eine halbe Stunde später brüllte der Löwe abermals. Dieses Mal dröhnte seine donnernde Stimme so nahe und so unerwartet durch den stillen Dschungel, dass der kleine Nkima beinahe aus dem Baum gefallen wäre, durch den er gerade kletterte.

Ein riesiger Löwe mit prächtiger Mähne trat auf die kleine Lichtung, direkt unter den Baum, in dem der zitternde Nkima hing. Noch einmal ließ er seine machtvolle Stimme ertönen, dass die Erde unter seinem drohenden Ruf zu erzittern schien. Nkima schaute auf den Löwen hinunter und hörte plötzlich mit Schimpfen auf. Stattdessen hüpfte er aufgeregt auf seinem Ast herum, schnatterte und schnitt allerlei Grimassen. Numa, der Löwe, schaute zu ihm hinauf. Und dann geschah etwas Seltsames. Das Äffchen hörte auf zu schnattern und ließ einen leisen, ganz bestimmten Laut hören. Die Augen des Löwen, die bis dahin verächtlich dreingeblickt hatten, nahmen einen neuen und beinahe sanften Ausdruck an. Er machte einen krummen Buckel und rieb sich gemächlich an dem Stamm des Baumes. Dabei schnurrte er leise wie eine zärtliche Katze. Inzwischen hastete der kleine Nkima von Ast zu Ast immer tiefer herab. Mit einem letzten, raschen Sprung landete er auf dem Rücken des Königs der Tiere und klammerte sich an dessen dicker Mähne fest.