Fremdsprachliches Lernen und Gestalten nach dem Storyline Approach in Schule und Hochschule

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2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach
2.1 Einleitung

The teacher’s view of me was a very simple one. I was an empty sack waiting to be filled with the potatoes of knowledge (Steve Bell)

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Kritik an den offensichtlich unbefriedigenden Ergebnissen der Unterrichtspraxis in der Sekundarstufe I soll nun der Storyline Approach als alternatives Lernkonzept vorgestellt werden. Storyline ist ein multifunktionales Modell, das aktuellen Forderungen der Fachdidaktik, Pädagogik und Schulpolitik und gleichzeitig den vielschichtigen Zielsetzungen des Bildungskonzepts „Lebenslanges Lernen“, aber auch den divergierenden Bedürfnissen einer zunehmend heterogenen Lerngruppe mit ihren individuellen Wissenskonstruktionen und Vorerfahrungen gerecht werden kann.

Wie sich zeigen wird, ist Storyline sowohl der Weg als auch das Ziel für ein engagiertes und effizientes Lernen auf kognitiver, emotionaler, sozialer, methodischer sowie psycho-motorischer Ebene. Das Storyline-Modell erfüllt somit zahlreiche in der Literatur aufgeführte Desiderate für nachhaltiges, ganzheitliches und sinnerfülltes schulisches Lernen. Ob es sich dabei um eine Pädagogik, eine Philosophie, eine Spracherwerbstheorie, eine Methode oder um einen Ansatz handelt, soll hier nicht weiter diskutiert werden, denn hinsichtlich der Begrifflichkeiten sind sich selbst die einschlägigen Expertinnen und Experten nicht einig.1 Fest steht allerdings, dass es sich um ein gewinnbringendes Konzept handelt, das in vielerlei Hinsicht dazu beiträgt, dass Schülerinnen und Schüler “good learners“ (Bell 1995a, 18) werden.

In den folgenden Kapiteln soll das Storyline-Modell mit seinen grundlegenden Prinzipien, charakteristischen Merkmalen und seinen Qualitäten für den Unterricht im Allgemeinen sowie den Fremdsprachenunterricht im Besonderen dargestellt werden. Zuvor werden Ursprung, Weiterentwicklung und Verbreitung im internationalen Kontext erläutert, um somit anschaulich zu illustrieren, wie flexibel und individuell der komplexe Ansatz gehandhabt werden kann. Zum Schluss werden Bezüge zwischen dem Storyline Approach und dem Ansatz des aufgabenorientierten Lernens (Task-based Language Learning), der im weiteren Sinne auch als übergeordneter Forschungskontext betrachtet werden kann, aufgezeigt sowie einige aktuelle Fragestellungen aus der Aufgabenforschung herausgearbeitet.

2.2 Entwicklung und Verbreitung des Storyline Approach
2.2.1 Einleitung

Teaching should be more than the passing out of books (Bell 2001, 5)

Der Storyline Approach ist nicht – wie häufig vermutet – ein völlig neu entwickeltes Konzept für das Fremdsprachenlernen, sondern hat in manchen Regionen bereits eine jahrzehntelange Tradition. Der Weg zum Erfolg ist auch nicht immer geradlinig verlaufen, sondern kennzeichnet sich durch Phasen von ups and downs, die auf die jeweils gültigen curricularen Bedingungen und administrativen Vorschriften zurückzuführen sind. Auf den folgenden Seiten werden zunächst in Grobzügen die historischen Ursprünge des Storyline-Modells erläutert, um anschließend die daraus resultierenden Ausprägungen des Konzeptes darzustellen, die trotz aller Unterschiede stets auf den später in Kapitel 2.3 erörterten Prinzipien und Merkmalen basieren, wenn auch in ganz unterschiedlichem Maße.

2.2.2 Ursprünge und geschichtlicher Hintergrund

Als in Schottland im Jahr 1965 ein neues Schulgesetz für die Primary Schools1 diskutiert und 1966 der Primary Education Report mit den Richtlinien für die kommenden 25 Schuljahre verabschiedet wurde (Harkness 1997, xiii), waren die schottischen Grundschulen vor eine komplett neue Situation gestellt: Um den Problemen der Stofffülle, des fragmentierten Schulalltags und der Trennung von Schule und Lebenswirklichkeit entgegenzuwirken, sollten die Fächer Geographie, Geschichte, Mathematik und Naturwissenschaften fortan unter der Bezeichnung Environmental Studies, die Fächer Musik, Kunst/Werken und Bewegung unter dem Namen Aesthetic Subjects zusammengefasst, der Unterricht insgesamt schülerorientiert, ganzheitlich und integrativ gestaltet und die Klassen möglichst nur von einer einzigen Lehrkraft unterrichtet werden. Diese Neuerungen verursachten einige Unsicherheiten an den Schulen:

In many schools these recommendations created the need for a radical change of approach. Hitherto teachers had based their curriculum on the use of textbook series for the different subjects. Pupils recorded their progress by moving from page to page and chapter to chapter. When these outdated texts were removed, some teachers did not know what to put in their place (Ebd., xiv).

Laut Harkness (1997) basierte das Primary Memorandum ’65 (Primary Education in Scotland) zwar auf guten Prinzipien, war aber als praktischer Leitfaden zu abstrakt und daher für viele Lehrkräfte eher unbrauchbar: “By definition environmental studies could not be a subject, since it was made up of subjects. It had to be a way of teaching, in other words a methodology. Teachers needed help in re-structuring their curriculum planning. Process was beginning to be emphasised as well as content“ (Bell 1995a, 6). Um die curriculare Neuorientierung in die Praxis umsetzen zu können, wurde 1967 am damaligen Jordanhill College of Education in Glasgow (jetzt Teil der Strathclyde University) ein Inservice Staff Tutor Team gegründet, zu dessen drei Mitgliedern Sallie Harkness, Fred Rendell sowie Steve Bell zählten, über den auch der Kontakt mit der Pädagogischen Hochschule Freiburg in den 1980er Jahren geknüpft wurde. Diese Arbeitsgruppe wurde von der Lehrtätigkeit in der Lehrerausbildung (preservice) befreit und hatte nun die kreative und herausfordernde Aufgabe, in Kooperation mit Lehrerinnen und Lehrern (inservice) die neuen Richtlinien für den muttersprachlichen Grundschulunterricht zu konkretisieren, nämlich im Bereich der Environmental Studies eine ganzheitliche und fächerübergreifende Lehr-/Lernmethode, die aktives, entdeckendes, gruppenorientiertes und differenzierendes Lernen zum Ziel hatte, zu entwickeln. Diese wurde in Schottland zunächst als Staff Tutor Topic Approach oder Topic Work bezeichnet und erst Jahre später im Rahmen der European Association for Educational Design (EED) auf internationaler Ebene unter dem Namen Storyline Approach bekannt gemacht.2

Viele Lehrkräfte und Mitglieder der Schulverwaltung wirkten über Jahre hinweg kooperativ und kollaborativ an der Entwicklung und Realisierung des Topic Work-Konzepts mit. Zahlreiche Themen und Unterrichtsentwürfe wurden in gemeinsamen dreitägigen Workshops, die ab circa 1970 regelmäßig stattfanden, entwickelt, danach im Sinne von learning by doing ausprobiert und innerhalb der Gruppen ausgetauscht, was wiederum demonstriert, wie flexibel der Ansatz für alle Altersklassen und Zielsetzungen genutzt werden kann. Darüber hinaus wurden die Lehrerinnen und Lehrer von Mitgliedern des Staff Tutor Team im Unterricht besucht, betreut und beraten. Harkness (1997) hebt hervor, dass damals vor allem die Arbeit mit buchbasierten Themen beliebt war, da die Lehrkräfte darin Sicherheit verspürten.

Im Laufe der Zeit wechselten ehemalige Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer in die Schulleitung, stellten den Topic Approach im Rahmen von Fortbildungen an ihren Schulen vor und sorgten somit für Kontinuität und Weiterentwicklung des Modells. Viele Schulen wurden auf diese Weise zu so genannten “Storyline schools“ (Bell 2007, 30). Theoretische Ansätze blieben jedoch während der ganzen Entwicklungsphase eher im Hintergrund, denn es handelte sich eindeutig um ein Konzept aus der Praxis für die Praxis, welches gemeinsam mit praktizierenden Lehrkräften entwickelt und mit deren Unterstützung verbreitet wurde. Das Motto lautete also vielmehr: “Practice, reflection, theory“ (Ebd., 28).

2.2.3 Verbreitung und Weiterentwicklungen

In den 1980er Jahren wurde das Storyline-Konzept regelrecht populär. Interessierte aus dem Ausland begannen in zunehmender Zahl nach Glasgow zu pilgern, um zu sehen und vor allem zu erleben, wie Storyline in den schottischen Schulen umgesetzt wird. Gleichzeitig wurden Mitglieder des Staff Tutor Team ins Ausland eingeladen, um Kurse und Fortbildungen durchzuführen. Auf diese Weise fanden sich immer mehr Personen, auch aus der Schulverwaltung und Schulaufsicht, die Interesse an dem Konzept zeigten.

1986 fand in Island ein erstes Treffen mit internationalen Repräsentanten, die sich mit Storyline bereits intensiv auseinandergesetzt hatten, statt. Dort beschlossen Steve Bell, Gudmundur Kristmundsson und Jos Letschert, sich in regelmäßigen Abständen zu treffen, um den Storyline Approach gemeinsam zu fördern und sich bei dieser Gelegenheit auch über die internationale Bildungslandschaft auszutauschen. In diesem Zusammenhang wurde als Gesprächsforum die Gesellschaft European Association for Educational Design (EED) gegründet.

1988 fand im National Institute for Curriculum Development (SLO) in Enschede, Niederlande unter der Schirmherrschaft von Steve Bell die erste Konferenz der EED (1st Golden Circle Seminar) statt (Harkness/Håkonsson 2001), deren internationale Mitglieder mittlerweile aus den verschiedensten Bereichen der pädagogischen Arbeit kommen: aus Ministerien, Lehrplanentwicklungskommissionen, Hochschulen, Fortbildungseinrichtungen, Schulen, Kindergärten, Verlagen, Managementkreisen, Umwelt- und Hilfsorganisationen sowie zahlreichen weiteren Institutionen. Sie alle haben sich zum Ziel gesetzt, den Storyline Approach in ihren jeweiligen Arbeitskontexten weiterzuentwickeln und zu verbreiten: durch Unterrichtsprojekte, Fortbildungen, Seminare, Publikationen, Vorträge, Gastdozenturen, Forschungsprojekte oder Diskussionen in diversen Foren und Gremien.

 

Im Abstand von etwa 1 ½ Jahren trifft sich die internationale Gruppe, der ich seit 1994 ebenfalls angehöre, im Rahmen des Golden Circle Seminar an wechselnden Tagungsorten, um sich über die aktuelle Arbeit auszutauschen und neue Entwicklungsimpulse zu setzen. Mittlerweile konnten auch mehrere internationale Konferenzen, die International Storyline Conferences, durchgeführt werden: in Aalborg (2000), Helsingør, Dänemark (2003), Glasgow (2006), Portland, Oregon (2009), Reykjavik (2012) sowie Glasgow (2015). In einigen Ländern wurden mittlerweile so genannte Silver Circles gegründet, die sich zum Austausch und zur Kooperation auf Länderebene treffen. Im Frühjahr 2005 wurde in Tønsberg, Norwegen die von der Vestfold Universität organisierte erste Nordic Storyline Conference durchgeführt, auf der sich circa 150-180 Vertreterinnen und Vertreter aus den skandinavischen Ländern trafen. Im April 2008 fand die zweite Nordic Storyline Conference in Göteborg, Schweden statt. Dort wurde zum ersten Mal eine Storyline Conference zu einem spezifischen Rahmenthema (Learning for sustainable development) veranstaltet, was viele interessante Gespräche auslöste.

Insbesondere Steve Bell und Sallie Harkness ist es durch ihren unermüdlichen Einsatz zu verdanken, dass Storyline heute in zahlreichen Ländern praktiziert wird, dabei jedoch nie als strenges Rezept befolgt, sondern immer den lokalen Gegebenheiten und individuellen Zielsetzungen angepasst wird. In all den Jahren ist ein eng gespanntes Netzwerk aus persönlichen Kontakten entstanden und somit ein idealer Nährboden, um Storyline weiter zu verbreiten. Bell beschreibt diesen Entwicklungsprozess in einem Interview mit mir wie folgt: “First Storyline was adopted in the mother tongue, then it was adapted to special needs“ (Kocher 1997).

Der Storyline Approach wurde jahrelang insbesondere in Skandinavien favorisiert, wo die Schulsysteme, Lehrpläne und Stundenpläne offener sind und die Notengebung bis Klasse 8 meist keine oder zumindest keine große Rolle spielt. Gerade in der Grundschule, die in skandinavischen Ländern in der Regel bis Klasse 8 oder gar 10 dauert, hat Storyline im muttersprachlichen Unterricht gut Fuß gefasst; zwar nie komplett flächendeckend oder gar ausschließlich, was dem Ansatz ohnehin widersprechen würde, aber entschieden mehr als nur punktuell. Da die Lehrkräfte meist mehrere Fächer in einer Klasse unterrichten, können organisatorische Fragen hinsichtlich eines interdisziplinären Unterrichts reduziert werden. Des Weiteren herrscht in Skandinavien im Vergleich zu vielen anderen Ländern viel mehr Flexibilität im Schulalltag und weniger Druck hinsichtlich Leistungsmessung und Prüfungen. Ein ganz wesentlicher Grund für die weite Verbreitung des Storyline-Modells in Skandinavien liegt jedoch in der Tatsache, dass gerade in Skandinavien sehr viel Wert auf Lehrerfortbildung gelegt wird und diese auch gute finanzielle Unterstützung findet. Außerdem ist es in den so genannten teaching teams sehr viel leichter, neue Konzepte auszuprobieren und zu reflektieren. Mit Sorge teilten im Frühjahr 2008 allerdings einige Kolleginnen und Kollegen auf der Nordic Storyline Conference in Göteborg mit, dass die neuen Bildungspläne (auch als Folge der PISA-Studien) zunehmend konservativ ausgerichtet sind und verstärkt wieder traditionelle Vorgehensweisen verlangt werden. Dieser Trend hält offenbar an – nicht nur in Skandinavien – und wurde auch im Rahmen des Golden Circle Seminar 2016 diskutiert.

Es stellt sich die Frage, welche Metamorphosen der Storyline Approach im Laufe der Zeit vollzogen hat. Leider liegen bis zum heutigen Tag außer Erfahrungswerten, Schätzungen und Beobachtungen keine großräumigen empirischen Forschungsergebnisse vor, die anhand von Zahlen und zielgerichteten Untersuchungen belegen könnten, wie und wo sich der Storyline-Ansatz in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt und verbreitet hat und welche Bedingungen förderlich oder hemmend sind. Hier müssten umfassende Studien durchgeführt werden, die neben fachspezifischen Aspekten auch die jeweiligen länderspezifischen Hintergründe (im Sinne der Bildungskultur) beleuchten. Nichtsdestotrotz werden von einzelnen Storyline International1-Mitgliedern immer wieder kleinere Untersuchungen durchgeführt, wissenschaftlich begleitet und dokumentiert. Interessant und aufschlussreich wäre allerdings, diese im Kontext der internationalen Bildungslandschaft zusammenzutragen, zu systematisieren und miteinander zu vergleichen, um entsprechende Schlussfolgerungen formulieren zu können.

Nachfolgend sollen einige Beispiele ausführlicher erwähnt werden, die belegen, dass Storyline ein vielseitiges und flexibles Konzept darstellt, welches in alle möglichen (und zunächst auch unmöglichen) Bereiche übertragen werden kann und somit der Heterogenität von Lerngruppen jeglicher Art bestens Rechnung trägt. Wo nicht anders angemerkt, wurden die Informationen im Rahmen von diversen Storyline-Tagungen gewonnen, insbesondere aber durch den jahrelangen persönlichen Austausch mit den Mitgliedern von Storyline International.2

 Schottland: In Schottland wird der Storyline Approach immer noch fast ausschließlich im muttersprachlichen Unterricht der Grundschulen praktiziert, da dort durch das Klassenlehrerprinzip (im Vergleich zur Sekundarschule) flexiblere Lern- und Lehrbedingungen herrschen. Erstaunlich ist jedoch hinsichtlich des Interesses an Storyline eine immer wiederkehrende Wellenbewegung. Vor einigen Jahren zeichnete sich in schottischen Grundschulen (durch neue gesetzliche Vorgaben der National Guidelines 5 to 14) eine neue Entwicklung ab: Von Seiten der Schulverwaltung wurde wieder mehr Wert auf traditionelle Lernergebnisse gelegt, folglich sollten Rechtschreibung und Rechnen verstärkt trainiert werden. Der Storyline Approach bzw. ganzheitliche Lernmethoden generell schienen zu jenem Zeitpunkt für die offizielle Seite wieder an Bedeutung zu verlieren. Steve Bell (2008) illustriert diesen Prozess in seinem so genannten Process-Contents Fork Model, bei dem sich die beiden Extrempunkte „Lerninhalte“ und „Lernprozesse“ – je nach schulpolitischer Situation und curricularer Zielsetzung – einander nähern oder sich voneinander entfernen. Ziel sollte laut Bell sein, dass sich beide Aspekte in Balance befinden.Während in Schottland also zunehmend eine back to the basics-Haltung zu beobachten und das integrative Storyline-Konzept weitgehend aus dem Rampenlicht verdrängt worden war, kann seit etwa 2003/2004, und zwar wieder als Folge von neuen Lehrplanempfehlungen (Curriculum for Excellence), ein neues und zunehmendes Interesse an Storyline festgestellt werden. Der Grund für die „Neuentdeckung“ des Storyline Approach liegt offenbar in der Tatsache, dass die National Guidelines 5 to 14 vor allem in den naturwissenschaftlichen und sozialkundlichen Fächern vollkommen überfrachtet waren, viele Lehrkräfte mehr Autonomie verlangten und mittlerweile auch in der Lehrplanentwicklung wieder ein stärkerer Fokus auf Kreativität, Phantasie und Interdisziplinarität gelegt wird. Das neue Motto heißt: “enterprise education“ (vgl. Brownlow 2007).John MacBeath (2007), Director of Leadership for Learning (The Cambridge Network) an der Universität Cambridge, begründet “the homecoming of Storyline“ (Ebd., 17) wie folgt:It had not merely survived but been immeasurably enriched, with a new vitality that comes from exposure to other cultures, differing conventions and lifeworlds. (...) Storyline has survived the vagaries of political ideology, not only because you can’t keep a good idea down, but perhaps because it had to go away in order to come back. Perhaps (...) it had to re-invent itself, be tested for its adaptability, resilience and sustainability in other climes (Ebd., 17f.).Im Frühjahr 2015 fand die 6th International Storyline Conference ebenfalls in Glasgow statt, und zwar zu dem Rahmenthema One world many stories. Im Jahr 2006 veröffentlichten Bell und Harkness ihr erstes gemeinsames Buch über Storyline und mittlerweile gibt es auch diverse Praxismaterialien. All die Jahre zuvor hatten die beiden ganz bewusst auf die praxisbezogene und handlungsorientierte Vermittlung des Konzepts in Kursen und Seminaren (learning by doing) Wert gelegt und Publikationen als hinderlich befunden.Steve Bells Tochter Pamela hat 2007 in der Nähe von Glasgow eine Storyline-Schule eröffnet, die 2012 bei einer Schulinspektion durch HMIe sehr gute Bewertungen erhielt (vgl. Adamson 2016). Ich selbst besuchte die Schule 2015 und war sehr beeindruckt. Sallie Harkness (2016) konzipiert in Kooperation mit dem Vogelschutzbund auch spezifische Storyline-Projekte zum Thema „Naturschutz“ (outdoor learning).

 England: Abgesehen von Schottland scheint der Storyline Approach innerhalb Großbritanniens eher ein Nischendasein zu führen. Mit ein Grund dafür sind die spezifischen curricularen Bedingungen (National Curriculum). Dennoch sind auch in England einige Schulen bekannt (vor allem in London, Surrey und North Yorkshire), in denen der Ansatz im muttersprachlichen Unterricht3 eingesetzt wird, wohingegen er auch in ganz anderen Bereichen der sozialen Arbeit erfolgreich realisiert wird: beispielsweise in einem durch Pip Tench geleiteten Projekt (Bridging the Gap) in North Tyneside, das Begegnungen zwischen Kindergartenkindern und Menschen in Altersheimen fördert (Tench/Stanton 2001). Mittlerweile wurden von Tench und Stanton auch generationsübergreifende Storyline-Projekte für die Sekundarschule entwickelt (z.B. The Town of the Future oder Trench Warfare). 2006 erhielten sie für ihre generationsübergreifende Storyline-Arbeit von The British Charity den NOJO (Not Older Just Old) Award.4Zum Einsatz von Storyline im Fremdsprachenunterricht liegen keine detaillierten Informationen vor, allerdings begann 2010 in North Yorkshire ein Projekt (Links into Languages), in das drei Sekundar- und fünf Primarschulen im Rahmen des Französischunterrichts involviert sind, um den Übergang zwischen den Schularten zu erleichtern.5

 Island: Da Flexibilität, Autonomie und Kreativität in Island die Säulen der Schulkultur bilden, erfreut sich der Storyline Approach dort großer Beliebtheit und genießt vor allem in den Grundschulen6 einen hohen Bekanntheitsgrad. Insbesondere über Gudmundur Kristmundsson, Professor an der Universität in Reykjavik und Mitbegründer der EED, wurde Storyline zu Beginn der 1980er Jahre über Fortbildungen schnell verbreitet. Nicht wenige Lehrkräfte sind in den vergangenen Jahren nach Glasgow oder zu den International Storyline Conferences gereist, um sich professionell weiterzubilden.7Björg Eiriksdóttir, Maria Steingrimsdóttir und Rosa Eggertsdóttir verbrachten in den 1980er und 1990er Jahren jeweils längere Studienaufenthalte in Glasgow, um Steve Bell bei seiner Arbeit zu begleiten. Anschließend leiteten sie Lehrerfortbildungen im Raum Reykjavik (Eiriksdóttir) und Seminare an der Universität in Akureyri (Steingrimsdóttir und Eggertsdóttir).8 Im Rahmen ihrer Magisterarbeiten führten sie diverse Forschungsprojekte durch, um ihre Arbeit mit Storyline wissenschaftlich zu fundieren und voranzutreiben. 2005 fand an der Universität in Akureyri die erste Icelandic Storyline Conference statt, an der 10 % der etwa 3.400 isländischen Lehrkräfte teilnahmen.9 Laut Eiriksdóttir führen zwischen 25 und 50 % der Lehrkräfte regelmäßig Storyline-Projekte durch, allerdings eher mit jüngeren Klassen. Sie unterrichtet Storyline heute auch an der Universität in Reykjavik.

 Dänemark: Im Jahr 1983 projektierte die Firma LEGO ein neues Pädagogisches Zentrum und lud Steve Bell als Berater ein, der Begleitmaterialien zu den neu entwickelten Konzepten und Bausteinen verfassen sollte und darüber hinaus auch in die Produktion des preisgekrönten Lehrfilms Space Abduction (LEGO Dacta, Hrsg. 1986) involviert wurde. Seit etwa 1988 wurden in Dänemark zahlreiche Storyline-Fortbildungen durchgeführt und teilweise auch mit study tours nach Glasgow verbunden. Cecilie Falkenberg und Erik Håkonsson (2000) publizierten das erste umfassende Buch über Storyline und von verschiedenen Seiten wurden Praxismaterialien veröffentlicht.10Den größten Einfluss auf die Verbreitung des Storyline-Ansatzes in Dänemark hatte die Einführung des neuen Schulgesetzes im Jahr 1991. Dieses bewirkte, dass Projektarbeit verpflichtend und somit examensrelevant wurde. Als Folge wurde der Storyline Approach in das Schulcurriculum explizit aufgenommen, so dass Dänemark jahrelang als Storyline-Zentrum innerhalb Europas galt. Mittlerweile wird Storyline in vielen Vorschulen, jedoch schwerpunktmäßig im fächerübergreifenden, muttersprachlichen Unterricht in den unteren Klassen an der Folkeskole eingesetzt.11 Finn Mosegaard hat in den 1990er Jahren Storyline für das Fach Informationstechnologie adaptiert, um mit Hilfe von Storyline-Projekten auch den sinnvollen Gebrauch des Computers zu vermitteln.Auch wenn die Storyline-Euphorie in den letzten Jahren auf Grund neuer Schulgesetze etwas nachgelassen hat, wird das Konzept – auch außerhalb der Folkeskole – noch immer in vielen Bereichen realisiert: in Kindergärten, in Managementkursen, in der Lehrerausbildung, in der Gesundheitserziehung im Rahmen von Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen (vgl. Mark 2007), im Konfirmationsunterricht oder in der Ausbildung von Lehrkräften am Königlichen Dänischen Ballett in Kopenhagen (vgl. Falkenberg 2016, 233ff.). Der Einsatz von fremdsprachlichen Storyline-Projekten im Deutsch- oder Englischunterricht scheint allerdings regional ganz unterschiedlich ausgeprägt zu sein.12

 

 Norwegen: Der erste Storyline-Kurs in Norwegen fand im Jahr 1997 mit Steve Bell in Oslo statt. Mittlerweile wurden zahlreiche Kurse und study tours nach Schottland durchgeführt sowie einige Artikel und Bücher publiziert.13 Die Vestfold Universität in Tønsberg galt lange als Storyline-Zentrum innerhalb Norwegens. Dort wurden nach Angaben von Knut-Rune Olsen bis Mitte 2005 einige Tausend Lehrkräfte aus Primar- und Sekundarschulen in Storyline-Kursen fortgebildet.Eine ähnliche Wellenbewegung wie in Schottland wurde auch in Norwegen beobachtet. Dewey und Kerschensteiner hatten seit 1939 einen großen Einfluss auf die Curriculumentwicklung in Norwegen gehabt, doch auf Grund aktueller EU-Reglementierungen im Bildungsbereich und einer eher konservativen Regierung scheinen diese traditionellen Strömungen derzeit eher in den Hintergrund zu treten und ein teaching for the test syndrome zu evozieren. Åse Paulsen Skiftun dagegen behauptet, dass der Storyline-Ansatz in der Oberstufe der Sekundarschule seit einigen Jahren einen Boom erlebt und deshalb zahlreiche Kurse angeboten werden. Sie selbst verwendet Storyline nicht nur in der Oberstufe, sondern auch in der Erwachsenenbildung/Berufsschule im Fach IT. Mit dem Computerprogramm Linux schreibt sie interaktive Storyline-Projekte, die für die jeweils eigenen Bedürfnisse adaptiert werden können.Storyline wird in Norwegen zwar ebenfalls vorrangig im muttersprachlichen Unterricht realisiert, es sind jedoch zahlreiche Schulen bekannt, wo das Konzept auch im Fremdsprachenunterricht (Deutsch bzw. Englisch) eingesetzt wird. Mittlerweile wurde es sogar in das Englischlehrwerk Talking English integriert, was eine begrüßenswerte Neuentwicklung für die Verbreitung des Storyline Approach darstellt und vor allem im Rahmen des Fremdsprachenlernens bisher einzigartig ist.14 Blair (2016) hat so genannte Wiki-English-Storylines konzipiert, um simultan digitale und fremdsprachliche Kompetenzen zu fördern.

 Schweden: Zu Beginn der 1990er Jahre ermöglichte ein vom British Council unterstütztes Forschungsprojekt die Kooperation zwischen Steve Bell und der Universität Luleå. Gemeinsam wurden Storyline-Projekte zu Umweltthemen entwickelt und im Unterricht ausprobiert. Im Rahmen einer Konferenz in Stockholm wurden 1996 durch Bell erste Kontakte mit WWF Schweden und weiteren Institutionen geknüpft. Über Mait Adegård, damals Schulleiterin an einer Stockholmer Schule, wurden zahlreiche Storyline-Kurse und study tours nach Schottland sowie an Storyline-Schulen in Finnland und Schweden initiiert. 2001 begannen Mait Adegård und Ylva Lundin, eine Kollegin aus Göteborg, auch Kurse für Storyline-Ausbildungslehrkräfte durchzuführen. Darüber hinaus werden in Schweden Kurse für Fortgeschrittene angeboten.Zwischenzeitlich hat Storyline in Schweden in ganz unterschiedlichen Bereichen Eingang gefunden. Lundin bietet nicht nur Lehrerfortbildungen – auch im IT-Bereich (vgl. Lundin 2007) – an, sondern konzipiert Storyline-Projekte für Unternehmen (z.B. zu Verkehrssicherheit, Energiesparen oder Klimaschutz) und hat mit Hilfe des Storyline-Modells Präventionsmaßnahmen mit Jugendlichen gegen sexuellen Missbrauch durchgeführt, wohingegen Sanna Ranweg, Luleå – in Kooperation mit der Museumspädagogik (Norbotten Museum) – das Storyline-Projekt A Sami school in Jokkmukk gegen die Ausgrenzung von Lappen in Schweden entwickelt hat. Darüber hinaus wurden in den vergangenen Jahren diverse Lehrfilme, Zeitschriften, Artikel, Unterrichtsmaterialien und Bücher publiziert, was teilweise durch die Organisation WWF unterstützt wurde.15 Das Storyline-Projekt Children in a sustainable city wurde 2009 von der dänisch-schwedischen Kooperation Dogme 2000 sogar mit einem Umweltpreis ausgezeichnet.16Laut Ylva Lundin haben die meisten schwedischen Lehrkräfte von Storyline gehört und auch das Fach Englisch wird öfters in Storyline-Projekte integriert, wenn auch schwerpunktmäßig in der Grundschule, wo beispielsweise Sharon Ahlquist im Rahmen ihrer Dissertation eine Untersuchung durchgeführt hat: “The word most commonly used by the learners of all levels of proficiency to describe their Storyline experience is fun“ (Ahlquist 2011, 180). Bemerkenswertes Schülerzitat: “The more fun it is the more you learn“ (Ahlquist 2013, 97). Besonders zu erwähnen ist, dass in Schweden alle Lehrkräfte dazu verpflichtet sind, jedes Jahr 10 Tage an Fortbildungen teilzunehmen.Das schwedische Beispiel demonstriert eindrücklich, wie vielseitig und flexibel Storyline eingesetzt werden kann. Mit Skepsis wird allerdings der aktuelle, eher konservative Bildungsplan bewertet, der offene Ansätze wie das Storyline-Modell an den Rand drängt.

 Niederlande: In den Niederlanden wurde Storyline seit Beginn der 1980er Jahre vor allem durch Jos Letschert, ehemals Director of Primary Education am Staatlichen Lehrplan-Institut (SLO) in Enschede, gefördert und weiterentwickelt. Letschert hatte den Ansatz am Jordanhill College kennengelernt. Er war zudem einer der EED-Mitbegründer und organisierte 1988 das erste internationale Treffen in Enschede. Dort sind unter Jan Greven einige Storyline-Projekte zu historischen und geographischen Themen entstanden, die sich meines Erachtens auch gut für den bilingualen Unterricht eignen.17Hinsichtlich der Verbreitung und regelmäßigen Anwendung des Storyline-Modells im Unterricht werden eher vorsichtige Angaben gemacht. Fest steht, dass es am meisten im muttersprachlichen Grundschulunterricht eingesetzt wird, aber lange kein so nachhaltiges Echo wie in den skandinavischen Ländern findet.18 Storyline wird in den Niederlanden über Publikationen, Workshops und Vorträge in verschiedenen Institutionen vermittelt, ferner nahm Steve Bell beratend an Managementkursen für Schulleiterinnen bzw. -leitern teil.19 Inwiefern Storyline im Fremdsprachenunterricht eingesetzt wird, konnte nicht eruiert werden.

Abgesehen von den genannten Ländern, in denen der Storyline Approach zum Teil schon seit vielen Jahren bekannt ist und auf vielseitige Art und Weise implementiert wird, zeigen auch zahlreiche andere europäische Länder und Regionen immer wieder Interesse an dem Konzept bzw. nehmen Kontakt auf: z.B. Slowenien, Litauen, Finnland, Griechenland, Spanien, Portugal, Malta, Belgien, das Kosovo, die Slowakei oder die Faröer Inseln. Über diverse COMENIUS-Projekte wurden auch Kontakte mit Polen und Tschechien geknüpft. Im Rahmen der BOTA20 2013 in Stegen bei Freiburg, wo ich zwei Storyline-Workshops durchführte, entstanden Kontakte zu Österreich und der Schweiz.