Fremdsprachliches Lernen und Gestalten nach dem Storyline Approach in Schule und Hochschule

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1.6 Lebenslanges Lernen: Welche Kompetenzen soll die Schule vermitteln?

Imagination is more important than knowledge (Albert Einstein)

Das Aufwachsen in einer Gesellschaft, die sich vor allem durch Schnelllebigkeit, Leistung, Wettbewerb und Globalisierung auszeichnet, stellt auf vielen Ebenen neue Anforderungen an die Kinder und Jugendlichen, aber auch an die Erwachsenen jeden Alters. Da die Verteilung von Informationen immer schneller und leichter erfolgt und das erlangte Wissen immer schneller veraltet, benötigen sie Fähigkeiten und Fertigkeiten, um in der Gesellschaft zurechtzukommen und um ihr Wissen ständig zu aktualisieren. Es geht dabei jedoch nicht mehr so sehr um die Ansammlung von (Fakten-)Wissen im Sinne eines Vorratsspeichers, sondern um die Ordnung und Bewertung von eindringenden Informationsmassen nach Prioritäten, Aktualität und Verwertbarkeit. „Lebenslanges Lernen“ – so heißt das allgegenwärtige Schlagwort und neue Bildungskonzept – scheint der Schlüssel zum Erfolg zu sein, um den Herausforderungen der heutigen Zeit konstruktiv begegnen und nicht zuletzt auch, um die EU-Erweiterung realisieren (Bachmann 2004) und stabilisieren zu können. Wer aus „der vernetzten Gesellschaft der Zukunft“ (Dewe/Weber 2007, 9) nicht ausgeschlossen werden möchte, denn Wissen erzeugt gleichzeitig auch Nichtwissen, darf sich der „Norm zur Flexibilität – sichergestellt durch lebenslanges Lernen“ (Ebd., 9) nicht entziehen, warnt man.

Nachfolgend wird das Konzept des lebenslangen Lernens näher erläutert und begründet. Anschließend werden einige allgemeine sowie fachliche Kompetenzen aufgeführt, die die Schule vermitteln soll(te), um den Lernenden den Weg in die Zukunft zu ebnen. Zum Schluss werden einige Problemfelder näher beleuchtet, die sich in diesem Zusammenhang auftun und gelöst werden müssen, wenn sich unsere Gesellschaft und unser Bildungssystem inklusive Fremdsprachenunterricht weiterentwickeln möchten.

1.6.1 Lebenslanges Lernen: Lernen für das Leben

Die Europäische Union soll laut Europarat „zum wettbewerbfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt [werden] – einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erreichen“ (Bachmann 2004, 157, im Original Kursivschrift). Diesem hehren Anspruch steht die Tatsache gegenüber, dass heute eine beträchtliche Anzahl von Jugendlichen die Schule ohne Abschluss verlässt (vgl. Kapitel 1.3) und angeblich rund 20 % der Schulabgängerinnen bzw. -abgänger „gerade mal auf Grundschulniveau lesen, schreiben und rechnen“1 können – so Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, im Juni 2008 – und das zu einer Zeit, in der der Begriff „lebenslanges Lernen“ intensiv die öffentliche Rhetorik bestimmt und an jeder Ecke damit geworben wird, dass Bildung die beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit sei und die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft bestimme. Die Diskrepanz zwischen Vision und Status quo ist deutlich und muss an dieser Stelle nicht näher erläutert werden.

Unter lebenslangem Lernen versteht man „die Gesamtheit allen formalen, nicht-formalen und informellen Lernens über den gesamten Lebenszyklus eines Menschen hinweg“ (Luther 2004, 219). Eine etwas konkretere Definition liefert Günther Dohmen (2001, 186, Zit. nach Lenz 2004a, 31f.): „Lebenslanges Lernen meint das Aufnehmen, Erschließen, Deuten und Einordnen von Informationen, Eindrücken, Erfahrungen während der ganzen Lebenszeit“. Lernen ist also nicht mehr auf die Kindheit oder Jugend bzw. die Schule beschränkt, wie das früher üblich war, sondern es wird zur eigenverantwortlichen Lebensaufgabe und langfristigen Kapitalanlage jedes und jeder Einzelnen. Lebenslanges Lernen, von Chott (2001, 57) als “learning-just-in-time“ bzw. “learning-on-demand“ bezeichnet, gewinnt sowohl im Privat- als auch im Berufsleben immer mehr an Bedeutung, wobei das Verlernen genauso wichtig wird wie das Lernen selbst – sprich: „Ein Aneignen und Wegwerfen von temporär zu gebrauchendem Werkzeug“ (Scrubar 2006, 152). Werner Lenz (2004a), Erziehungswissenschaftler aus Graz, nennt eine Reihe von Argumenten und Positionen, welche die Bedeutung und Notwendigkeit des lebenslangen Lernens begründen sollen:

 Ökonomische Komponente: Anpassung an sich rasch ändernde Arbeitsanforderungen und zunehmende Konkurrenz.

 Subjektive Komponente: Flexibilität und Erhöhung des Freiheitsgrads in Beruf und Lebenswelt, aber auch erhöhte Abhängigkeit von entsprechenden Berufspositionen und erhöhte Intensität der Arbeitsleistungen.

 Humane Komponente: Lebenslanges Lernen im Sinne „einer humanen pädagogischen Tradition“ (Ebd., 32) zur Stillung der Wissbegierde und zur Menschenbildung.

 Demokratische Komponente: Positionierung in der Gesellschaft und deren Verteidigung oder Verbesserung. Im Rahmen der europäischen Integrationsprozesse wird das Konzept des lebenslangen Lernens insbesondere deshalb propagiert, um „aktive Staatsbürgerschaft“ (Ebd., 33) zu erreichen.

 Demographische Komponente: Durch die längeren Lebenserwartungen der Menschen müssen sich ältere Menschen länger in einer sich rasch verändernden Welt zurechtfinden, was entsprechende Anforderungen an sie und die Gesellschaft stellt.

 Situative Komponente: Der Umgang mit bzw. die Bewältigung von neuen gesellschaftlichen Situationen und den eigenen offenen Lebensverläufen erfordert situatives Lernen: „Der Einzelne wird zum Schöpfer seiner Biographie und dadurch zum ständig Lernenden“ (Ebd., 34).

Lenz (2004a, 35) bezeichnet das Bildungskonzept „Lebenslanges Lernen“ zutreffend als komplexe unabgeschlossene Antwort auf eine komplexe unabgeschlossene Entwicklung unserer Gesellschaft und Lebenswelt und fordert „Institutionen, Anlässe und Gelegenheiten, die die Selbstlernfähigkeit fördern und pflegen. Wir brauchen Lehrpersonal, das nicht überwiegend belehrt[,] sondern Lernen und Weiterlernen anregt“ (Ebd.). Wie die vorherigen Kapitel jedoch gezeigt haben, sind unsere Schulen davon noch ein weites Stück entfernt. Allerdings könnte der Storyline-Ansatz meines Erachtens dazu beitragen, um diesem Ziel näherzukommen. Wie Kurse konzipiert werden können, um Lehrkräften die entsprechenden Kompetenzen zu vermitteln, sollen meine Untersuchungen in Kapitel 7 zeigen.

1.6.2 Kompetenzen: Der Weg zum Ziel?

Der Begriff „Kompetenz“ ist heute in aller Munde, doch was bedeutet er genau und welche Kompetenzen sind konkret erforderlich, um den zuvor beschriebenen Entwicklungen positiv begegnen zu können? In der wissenschaftlichen Literatur findet man dazu eine verwirrende Vielfalt von Vorstellungen und Definitionen (Svecnik 2004), was nicht unbedingt erhellend ist.1 Eine meines Erachtens umfassende und schlüssige Definition des Kompetenzbegriffs im Hinblick auf das Bildungswesen liefert Lersch (2007):

Kompetenzen sind erlernbare, kognitiv verankerte (weil wissensbasierte) Fähigkeiten und Fertigkeiten, die eine erfolgreiche Bewältigung bestimmter Anforderungssituationen ermöglichen. Im Kompetenzbegriff fallen Wissen und Können zusammen; er umfasst auch Interessen, Motivationen, Werthaltungen und soziale Bereitschaften. Kompetenzen sind demnach kognitive Dispositionen für erfolgreiche und verantwortliche Denkoperationen oder Handlungen (Ebd., 36).

Ein wesentlicher Unterschied im Gegensatz zu Wissen und Fertigkeiten besteht darin, dass das Konzept der Kompetenz „weniger das Anhäufen und Reproduzieren von deklarativem Wissen umfasst, sondern vor allem dessen erfolgreiche Anwendung“ (Svecnik 2004, 191). In der Regel unterscheidet man im schulischen Zusammenhang zwischen fachlichen und überfachlichen Kompetenzen, wobei die letzteren auch als Schlüsselqualifikationen verstanden werden und im Rahmen des Fachunterrichts erworben werden sollten.

Nachfolgend werden einige Kompetenzbereiche aufgeführt, die den Begriff „lebenslanges Lernen“ unterfüttern und das Leben in der „Zukunftsgesellschaft“ erleichtern sollen. Bevor sich der Fokus auf das fremdsprachliche Lernen verengt, wird zunächst eine Auswahl an allgemeinen Kompetenzen vorgestellt, denn die Schule „muss für die Lebensführung und Lebensbewältigung insgesamt qualifizieren: für die Teilhabe an Arbeit, Politik, Kunst und Kultur, Wissenschaft, Religion und Alltag. Genau das heißt: ‘Leben lernen’“ (Liebau 2005, 55).

1.6.2.1 Allgemeine und überfachliche Kompetenzen

Im Übergang von Industriegesellschaften zu wissensbasierten und wissenschaftsorientierten „Großgesellschaften“ sollten sich laut Lenz (2004b, 120f.) die einzelnen Gesellschaftsmitglieder mit den folgenden Themenfeldern auseinandersetzen:

 Historische Kompetenz: Zum Verständnis der Geschichte und deren Einfluss auf Gegenwart und Zukunft.

 Wissenschaftliche-technologische Kompetenz: Tiefere Einblicke in Bereiche wie Technologie, Natur- und Sozialwissenschaften sind für Mitglieder einer wissenschaftsorientierten und -gelenkten Gesellschaft unabdingbar.

 Politische und soziale Kompetenz: Zur Ausübung von Gerechtigkeit auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft(en).

 Emotionale Kompetenz: Zum Umgang mit positiven und negativen Veränderungen, den eigenen (positiven und negativen) Gefühlen und Trieben; Respekt und Toleranz für Menschen jeglicher Herkunft sowie Lebewesen allgemein.

 Interkulturelle und religiöse Kompetenz: Kenntnisse und Erfahrungen hinsichtlich kultureller Unterschiede in Verhaltensweisen und religiöser Auffassungen über den Sinn des Lebens.

 

 Organisationale Kompetenz: Zum Leben in diversen Gruppen (Intimität in Familie, Partnerschaft usw.) und Organisationen (Anonymität in Großorganisationen usw.).

 Kommunikative und kritische Kompetenz: „Informationen bewerten, Wissen aneignen, Erkenntnisse und Einsichten gewinnen, Urteilskraft stärken, eigene Entscheidungen treffen und beurteilen“ (Ebd., 121).

Lenz (2004b) ergänzt die genannten Themenfelder um weitere aus seiner Sicht wünschenswerte Kompetenzen „für die Gestaltung sinnvollen Lebens und Arbeitens“ (Ebd., 121):

 Selbstvertrauen: Sich und andere Lebewesen achten; achtsam sein; Grenzen erkennen und einhalten; Erfolg und Misserfolg meistern usw.

 Wissen: Sprachen und Fachkenntnisse erwerben; Informationen filtern, bewerten, strukturieren und eingliedern usw.

 Interkulturalität: „Die eigene Kultur als ein Teil vieler Kulturen schätzen; interkulturelle Freundschaften haben; flexibel und offen aber mit eigenem Standpunkt; Vorurteile erkennen und benennen; Entwicklungen einschätzen können; Konflikte historisch verstehen“ (Ebd., 121).

 Individualität: Sich als (einmaliger) Teil verschiedener sozialer Gefüge empfinden; positive Beziehungen zu sich, zu anderen, zur Umwelt aufbauen und gestalten usw.

 Zuneigung: Beziehungs- und liebesfähig sein; Kontaktpflege; Kommunikation auf verschiedenen Ebenen realisieren usw.

 Mitleid: „Abhängigkeit menschlicher Existenz in Stärken und Schwächen ertragen; (...) Widersprüche und Unsicherheiten des Daseins aushalten; sich mit anderen freuen können; das Leid Fremder respektieren; Glaubensformen und Religiosität achten“ (Ebd., 122).

Ausgehend von der Frage, welche Kompetenzen für Gesellschaft und Individuen von höchster Bedeutung und durch Universalität und Multifunktionalität gekennzeichnet sind, nennt Erich Svecnik (2004), am Grazer Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung tätig, zunächst drei generische Schlüsselkompetenzen, „nämlich autonomes Agieren, interaktives Nutzen von Werkzeugen und Eingliedern und Mitwirken in heterogenen sozialen Gruppen“ (Ebd., 196) sowie acht konkrete Schlüsselkompetenzen, die am Ende der Schulpflicht erworben sein sollten. Diese im Rahmen des OECD-Projekts DeSeCo (Definition and Selection of Competencies) entwickelten Kompetenzen gelten als Mindesterfordernisse für europäische Bürgerinnen und Bürger und als Basis für weiteres lebenslanges Lernen.1 Sie dienen dem Individuum zur Bewältigung des persönlichen und beruflichen Lebens sowie zur Partizipation in der Gesellschaft. Da sich diese Schlüsselkompetenzen mit den oben erläuterten Kompetenzen teilweise decken oder selbsterklärend sind, werden sie hier lediglich aufgeführt, aber zum Teil nicht mehr weiter beschrieben (Ebd., 198f.):

 Muttersprachliche Kommunikation

 Grundlegende Kenntnisse und Verständnis der Mathematik und Naturwissenschaften

 Erwerb zweier Fremdsprachen

 Umgang mit Informations- und Telekommunikationstechnologien

 Lernbereitschaft und Lernfähigkeit als wesentliche Grundlage des lebenslangen Lernens, das heißt, die eigenen Lernprozesse organisieren, steuern, aufrecht erhalten: „Positives Selbstkonzept und Selbstwirksamkeitsüberzeugung, Wertschätzung für das Lernen und Initiative spielen dabei ebenso eine Rolle wie das Wissen um Lernangebote und Lernstrategien“ (Ebd., 199)

 Soziale Kompetenzen auf der Mikro- und Makroebene

 Entrepreneurship im Sinne von Selbstkompetenz wie Verantwortungsbewusstsein, Initiativgeist, Organisieren, Evaluieren von Handlungsschritten, Umgang mit Risiken usw.

 Kulturelles Bewusstsein, also Wissen und Verständnis für den kulturellen und historischen Hintergrund der Individuen sowie eigene kulturelle Betätigung.

Der Entwicklung dieser Schlüsselkompetenzen wird mittlerweile in den meisten europäischen Lehr- bzw. Bildungsplänen Priorität eingeräumt (Svecnik 2004). Sie dienen im Übrigen auch als Indikatoren für internationale Leistungsvergleichsstudien. Allerdings müssen Schülerinnen und Schüler nicht nur die zum lebenslangen Lernen erforderlichen Fähigkeiten erwerben, „sondern auch die Motivationen und Werthaltungen, die sie überhaupt erst in den weiteren Lernprozess einsteigen lassen, vermittelt bekommen“ (Ebd., 202). Wie die vorherigen Ausführungen gezeigt haben, scheint dies eine der größten Herausforderungen für unser Bildungssystem zu sein (vgl. Kapitel 1.5). Möglicherweise können Storyline-Projekte hier einen positiven Beitrag leisten (vgl. auch Teil B).

Bevor nun explizit Bezug zum Fremdsprachen- bzw. Englischunterricht genommen wird, soll noch – unabhängig von den Zielvorstellungen der OECD – ein weiterer überfachlicher bzw. fächerübergreifender Kompetenzbereich berücksichtigt werden, der nicht nur von großer gesellschaftlicher Relevanz ist, sondern auch in engem Zusammenhang mit dem fremdsprachlichen Lernen steht: Medienkompetenz2. Da dieser Begriff meines Erachtens (auch in der fachdidaktischen Diskussion) häufig inflationär3 verwendet wird, soll er hier näher erläutert werden, zumal Medienkompetenz erheblich dazu beitragen kann, die „fragmentierte Gesellschaft“ zu vereinen und somit mehr Gerechtigkeit zu erzeugen.

Obwohl unser Alltag in vielerlei Hinsicht durch Medien beeinflusst und bestimmt wird, und Medien mitunter sogar über Krieg und Frieden zu entscheiden scheinen (Krach/Mascolo 2000), stellt Faulstich (2004a) besorgt fest, dass die Mitglieder unserer medienbestimmten Gesellschaft eine erstaunliche Medienignoranz an den Tag legen. Er fordert deshalb eine umfassende Medienkompetenz für „die geistige und soziale Ökologie“ (Faulstich 2004b, 231) der Gesellschaft im 21. Jahrhundert und betont: „Ein fundiertes, breites Wissen über Medien und die Fähigkeit, sich ihrer souverän und funktional zu bedienen, sind Zielvorstellungen, die heute ebenso in den Überlebenskatalog gehören wie Frieden und saubere Umwelt“ (Faulstich 2004a, 8). Chomsky (2003) fordert – in weiser Voraussicht – so genannte Kurse für geistige Selbstverteidigung, um sich gegen Manipulation und Kontrolle der Medien wehren zu können. Faulstich (2004b, 230f.) beleuchtet insgesamt sieben Dimensionen von Medienkompetenz, die erforderlich sind, um das Problem der entstehenden Wissenskluft zwischen Medienkundigen und Medienunkundigen in Griff zu bekommen:4

 Medien und Realität: Zwischen Medienwirklichkeit und medialer Darstellung von realer Wirklichkeit unterscheiden.

 Medien und Erwartung: Medien nach eigenen Interessen, individuellen Umständen und Bedürfnissen rezipieren.

 Medien und Genuss: Medienangebote nach dem eigenen emotionalen Nutzen auswählen.

 Medien und Kritik: Medienangebote unterscheiden, analysieren und kritisch reflektieren.

 Medien und Orientierung: Medien gezielt auswählen und kombinieren, um in der komplexen Medienlandschaft handlungsfähig zu sein.

 Medien und Gestaltung: Medien aktiv nutzen, sich vielseitig an der Medienkommunikation beteiligen sowie Medien kreativ gestalterisch zur Identitätsbildung und Selbstverwirklichung einsetzen.

 Medien und Anschlusskommunikation: Sich über Medien in unterschiedlichen sozialen Kontexten und Kulturen austauschen und eigene Medienkommunikation flexibel regulieren.

Auch Tulodziecki (2008) hebt hervor, dass in einer stark von Medien mitgestalteten Welt ein Lernen mit Medien nicht ausreicht, sondern ergänzt werden muss, durch ein Lernen über Medien, wenn man von Medienkompetenz sprechen will. Als Leitlinie für die schulische Erziehungs- und Bildungsarbeit nennt er sachgerechtes, selbstbestimmtes, kreatives und sozial verantwortliches Handeln und erwähnt fünf medienbezogene Aufgabenbereiche, die nicht nur „im Rahmen geeigneter Unterrichtseinheiten oder Projekte umgesetzt“ (Ebd., 9), sondern auch in der gesamten Schulentwicklung berücksichtigt werden sollten:

 Auswählen und reflektiertes Nutzen von Medienangeboten unter Abwägung von Handlungsalternativen.

 Eigenes Gestalten und Präsentieren bzw. Verbreiten von Medienbeiträgen.

 Verstehen, Vergleichen und Bewerten von Mediengestaltungen.

 Erkennen und Aufarbeiten von Medieneinflüssen auf Gefühle, Realitätsvorstellungen, Verhaltens- und Wertorientierungen oder soziale Zusammenhänge.

 Durchschauen und kritisches Beurteilen von ökonomischen, rechtlichen, politischen, personalen, institutionellen, gesellschaftlichen und anderen Bedingungen der Medienproduktion und -verbreitung (Ebd., 8f.).

Medienerziehung heißt also nicht (nur) – wie irrtümlich oft angenommen – Kompetenzen bzw. Fertigkeiten im technischen Sinne zu vermitteln, etwa wie man einen Computer bedient, sondern verschiedene Medien insgesamt flexibel, souverän und kritisch zu nutzen sowie eigene Medien für diverse Zwecke und Interaktionssituationen kompetent selbst herzustellen und reflektiert einzusetzen – und zwar auch im Fremdsprachenunterricht. Darüber hinaus können Medien auch einen bedeutsamen Beitrag zur Entwicklung von interkultureller Kompetenz und zur aktiven Integrationsarbeit leisten. Geißler und Pöttker (2005) haben untersucht, in welchen Zusammenhängen Migrantinnen und Migranten in deutschen Massenmedien dargestellt werden bzw. wie Deutschland in ausländischen Medien präsentiert wird. Sie kamen zu dem Schluss, dass die deutschen Medien sowohl einen Beitrag zur „aktiven Akzeptanz“ der Migrantinnen und Migranten leisten können als auch möglichst viele der Bleibewilligen als Rezipientinnen bzw. Rezipienten gewinnen sollten, „um diese bei der interkulturellen Integration und bei der Wahrnehmung von Chancen in der deutschen Gesellschaft zu unterstützen“ (Ebd., 396). Aufgaben mit dem Ziel einer (kleinformatigen) vergleichenden Kulturstudie und/oder der kulturellen und sozialen Integration könnten mit entsprechenden Medien auch im fremdsprachlichen Klassenzimmer realisiert werden – beispielsweise im Rahmen eines Storyline-Projekts (vgl. Kocher 2008). Somit würde der Begriff „Medienkompetenz“ eine neue Dimension im Fremdsprachenunterricht erhalten und zugleich einen Bogen zu intercultural bzw. cross-cultural awareness schlagen.