Ein kunterbunter Streifzug durch den Jahreskreis

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FEBRUAR

DER HORNUNG, DER „BASTARD“ UNTER DEN MONATEN

Februar! Taumond oder Schmelzmond nannten ihn unsere Vorfahren. Ob es wirklich der letzte Wintermonat ist? Ab und zu hört man schon die Meisen, die ihre Stimmen für den erwarteten Frühling üben. Noch ist die Kälte die dominierende Kraft in der Natur: An einigen Tagen tragen die Zweige der Bäume und Sträucher, ja auch die Drähte der Zäune, dicke Eismäntel. Schwer hängen Birkenäste dem Boden entgegen, noch voll bepudert mit Schnee – der leichte Wind bewegt die zarten kalten Äste mächtig-gemächlich, jeden Moment denkt man ans Abbrechen – aber die Birke weicht aus, federt zurück, ist geübt und auserwählt, derartigen Belastungen zu widerstehen. Und unter dem Schnee und Eis wissen wir die kleinen grünen Blätter, die sich bald, hoffentlich bald entfalten.

Der Februar hat vier verschiedene Gesichter. Es ist rein Monat der Wende von der Dunkelheit zum Licht, die Scheidung von Nacht und Kälte, die Hinwendung und Erwartung der Wärme in der Freude auf den Vorfrühling. Im Schnee aber versilbert noch die Welt. Der Februar ist der kürzeste Monat, kann der kälteste und schneereichste sein, ebensogut aber auch frühsommerlich warme und lichte Tage bringen. Bis ins 16. Jahrhundert hieß der Februar „Hornung“. Dieser alte deutsche Name hat wahrscheinlich nichts damit zu tun, dass sich in diesem Monat das Vieh „hörnt“, wie das Wort gelegentlich gedeutet wird. Eher hängt der Ausdruck mit den wenigen Tagen zusammen, die der „Lichtmessmonat“ im Vergleich zu den anderen Monaten besitzt: „Hornung“ ist eigentlich ein anderes Wort für „Bastard“. Im übertragenen Sinne bedeutet das für den Februar so viel wie „der an Tagen zu kurz Gekommene“.

In allen Jahren, die ohne Rest durch die Zahl vier teilbar sind, taucht der 29. Februar als Schalttag im Kalender auf. Wer an diesem Tag geboren ist, kann sich scherzhaft als Zehnjähriger ausgeben, wenn er eben vierzig Jahre alt wird. Schließlich feiert er seinen wirklichen Geburtstag nur alle vier Jahre. Behörden und Standesämter stören jedoch diesen privaten Jungbrunnen. Und so wird eben amtlicherseits keineswegs akzeptiert, dass ein achtzigjähriges Geburtstagskind sich noch als zwanzigjährig ausgibt.

Mit dem Februar verbunden ist die Freude am Trubel, an der Heiterkeit und Ausgelassenheit, ja am Mummenschanz, mit denen früher die dämonischen Mächte der Dunkelheit vertrieben wurden. Damit soll sowohl der Gedanke der Unsterblichkeit, respektive der Wiedergeburt, ausgedrückt werden, wie auch die Idee, dass das Materiell-Körperliche und das Geistig-Seelische zwar miteinander verbunden sind, dass dieser Zusammenhang aber nur lose vist.

Schließlich ist der Februar auch der Monat der Blumen, die Sinnbilder der Wertschätzung und der Bewunderung für einen lieben Menschen sind. So deuteten einst Nelken auf Anhänglichkeit, Tulpen verkörperten die innere lautere Schönheit und waren Sinnbilder der Verehrung, Wertschätzung und der grenzenlosen Bewunderung. Rosen waren immer Zeichen der Liebe und der Dankbarkeit. Strohblumen deuteten auf Unwandelbarkeit, Efeu auf eheliche Treue und Einigkeit, Flieder auf bevorstehende Hochzeit, Narzissen und Kaiserkronen auf glühende Sehnsucht, Veilchen auf Sittsamkeit und Bescheidenheit und Vergissmeinnicht auf unerfüllte Liebe und brennenden Liebesschmerz.

Die Japaner in besonderer Weise Verehrer der Blüten und des Blumensteckens kundig, haben in ihrem Ikebana den höchsten Ausdruck der Sinndeutung der Blumen und Pflanzen gefunden.

„Keine Rose, keine Nelke kann blühen so schön, als wenn zwei verliebte Herzen beieinander tun stehn“, so heißt es in einem unserer schönsten Volkslieder. Und Heinrich Heine betet seine Geliebte an: „Du bist wie eine Blume, so schön, so hold, so rein. Ich schau dich an, und Sehnsucht steigt mir ins Herz hinein.“ Die „Blaue Blume“ der deutschen Romantik hat nie jemand gefunden. Es ist die Sehnsucht, die nie gestillt wird.

Ein Strauß voll Blüten ist immer ein Kompliment. Komplimente öffnen Herzen, wenn sie dem richtigen Menschen zur rechten Zeit zu Füßen gelegt werden: Rosen auf den Weg gestreut! Komplimente werden nicht nur an Worten gemessen, Blumen nicht nur an Farbe und Schönheit. Komplimente und Blumen sind immer Geschenke, wenn sie von Herzen komme n und zu Herzen gehen. Es kann auch „von Apfelblüten ein Zweig“ oder ein Kranz sein, dazu ein Blick, ein Händedruck. Herz und Blumen sind Symbole des Valentinstages, der seit dem späten Mittelalter das eigentliche Fest der Jugend und der Liebe ist. Der Ursprung ist nicht ganz geklärt: Vermutlich geht die Sitte auf ein altes römisches Fest zurück, bei dem die jungen Männer ein Los mit dem Namen des Mädchens zogen, mit dem sie ein Frühlingsfest feierten.

„Durch die Blume sprechen“ sollte man nicht am Valentinstag, wohl aber „Blumen sprechen lassen“, und nicht nur an diesem Tag, sondern an allen Tagen, an denen wir das Bedürfnis haben, einem lieben Menschen unsere Dankbarkeit zu beweisen. Valentinstag kann alle Tage sein.

EINE SCHWINGENDE SYMPHONIE IN WEISS

„Schneeflöckchen, Weißröckchen, wann kommst du geschneit? Du wohnst in den Wolken, dein Weg ist so weit.“

Jetzt in diesen kalten ersten Februartagen erinnern wir uns an das Lied unserer Kindheit. Nicht das bloße Auge, erst die Vergrößerung durch die Lupe offenbart auf einer Entdeckungsreise ins Reich der gefrorenen Edelsteine eine faszinierende Wunderwelt. Schneeflocken sind aus zahlreichen Sternchen zusammengefügt zu einer schwingenden Symphonie in Weiß. Kein Künstler kann die vielfältigen Formen je nachvollziehen. Sie gehören zu den schönsten Kunstformen der Natur, geheimnisvollen Blüten gleich, doch vergänglicher als diese und unberührbar durch die Wärme der Hand. Schon ein leichter Atemhauch lässt sie in Sekundenschnelle vergehen. Immer sind sie sechsstrahlig, gezaubert nach einem geheimnisvollen Grundmuster, doch keines unter Milliarden von Sternchen ist einem anderen vollkommen gleich. Jeder Schneekristall ist ist für sich einzigartig.

Die Stätte ihrer Geburt liegt viele Kilometer über der Erde, in sehr kalten Wolken, im „Reich der Frau Holle“, der winterlichen Märchenfee der Deutschen. Um winzige Staubpartikelchen lagern sich zarte Eisschichten. Während die Körnchen im Wind auf und ab tanzen, scheidet sich immer mehr Feuchtigkeit daran ab – der Eiskristall wächst und sinkt schließlich als Schneeflocke zur Erde hinab.

Wechselnde Temperatur- und Feuchtigkeitsbedingungen führen nicht nur zu unterschiedlichen Formen, sondern auch zu unterschiedlichen Flockengrößen. Je kälter die Luft ist, um so kleiner sind die Flocken. Bei strenger Kälte fallen keine Schneeflocken, sondern feine Eisnadeln aus heiterem Himmel zu Boden. Große, weiche, lockere Flocken kommen nur nahe null Grad vor.

Was aber hat nun Frau Holle mit dem Schneefall zu tun? In ihr begegnet uns die altgermanische Naturgöttin Hulda, die ursprünglich als „Erdmutter“ die Kinder zur Welt bringt, diese beschützt und die verstorbenen Seelen wieder in ihr Reich zurückholt. Brunnen und Höhlen sind im Volksglauben unserer Vorfahren Eingänge in ihre Welt. Auch im Märchen kommt das fleißige Mädchen durch einen Brunnen zu Frau Holle, einer schönen, weißen Frau mit langen, goldenen Haaren. Das Mädchen schüttelt ihre Betten aus und die weißen Flaumfedern verwandeln sich auf der Erde in Schnee.

Frau Holle war auch die Anführerin der Wilden Jagd Wotans, die in der Zeit des Mittwinters durch die Wolken braust, wobei durch das Lärmen und Poltern die bösen Mächte der Dunkelheit verscheucht werden. Der herabfallende Schnee ist Reinigungs- und Fruchtbarkeitssymbol, wodurch die nackte Erde vor der todbringenden Kälte geschützt wird.

DIE JUWELEN DES WINTERS HABEN VIELE GESICHTER

Abertausend Wattebällchen tanzen um die Wette. Welch schönes Gefühl beim ersten Schneefall kurz innezuhalten: die Nase gen Himmel strecken, die fliegenden, eisigen Kristalle im Gesicht spüren. Doch die weiße Pracht kann auch brennen wie Feuer im kalten Wintersturm. Schnee hat viele Gesichter.

Die funkelnden Kristalle sind winzig klein, tragen in der Meteorologie so poetische Namen wie „Dornröschen“, „Diamantstaub“, „Schneerose“ oder „Lüsterkristall“ und ihre Schönheit ist nur von kurzer Dauer. Schneeflocken sind einzigartig in der Wunderwelt der Natur. Die Ästhetik der Symmetrie fasziniert: So regelmäßig sind die Kristalle aufgebaut, so sehr unterscheiden sie sich voneinander – keine Flocke gleicht der anderen. Es entstehen sechsarmige Sterne, hexagonale Prismen und Dreieckskristallen, schneeweißen Blüten gleich: Sternenblumen des Winters. Erst unter dem Mikroskop kann man ihre Schönheit erblicken.

Die Kristallisation um ein winziges Staubkorn ist ein entscheidender Vorgang in einer Schneewolke. Nur an so genannten Kristallisationskernen können die kleinen Wassertropfen gefrieren und sich anschließend zu winzigen Vorstufen der Schneeflocken entwickeln. Dieser Vorgang kann Stunden oder sogar Tage dauern. Ist so ein kleines Tröpfchen einmal gefroren, wächst es, weil weiter Wasserdampf an ihm kondensiert. So wird das Flöckchen immer größer, bis es so schwer ist, dass es schließlich zu Boden sinkt. „Schnee unter Null ist für Engel, über Null ist für Dämonen.“

Ein Schneekristall kann während seiner Entwicklung eine Größe von 1 bis etwa 5 mm erreichen. Hat er den Erdboden erreicht, so muss sein Wachstum noch lange nicht zu Ende sein. So kann man insbesondere bei hoher Luftfeuchte z. B. neben einem schäumenden Gewässer oder einem nicht gefrorenen Wasserfall Schneekristalle mit einem Durchmesser von mehr als 10 cm Durchmesser finden.

Ob sich Prismen oder Plättchen oder eine andere der Grundformen bilden, hängt von Luftfeuchtigkeit und Temperatur ab – ebenso wie ihre perfekte Symmetrie. Da die Schneekristalle alle verschiedenen Wege durch die Wolke verfolgen, besitzt jedes einzelne Kristall ein individuelles Aussehen. Es entstehen sechs Eisnadeln, die sich allmählich miteinander zu filigranen Gittern verzweigen.

 

DIE TAGE WERDEN WIEDER LÄNGER

Die Tage werden wieder sichtbar länger. Das Licht verklärt die Natur und erlöst sie langsam aus ihrem Winterschlaf. Auch die Gärten „spitzen langsam wieder ihre Ohren“, so wie es ein alter Bauernspruch sagt: „Mit Fabian und Sebastian (20. Februar) fängt der Saft zu steigen an.“

Ein Tag mit Tauwetter oder warmem Föhn lässt die Vögel pfeifen und zwitschern, das Wasser glucksend versickern: Jetzt heißt es hinausgehen! Ein erster Spaziergang durch den Park oder den Garten sollte ganz einfach dem Schauen dienen: Man muss die Augen nur ein wenig offenhalten, um an allen Ecken und Enden etwas zu entdecken, das schon eine deutliche Vorahnung von der kommenden Pracht des Frühlings vermittelt.

Krokusse! Kaum eine andere Blume verspricht uns manchmal schon Anfang Februar so charmant, dass der Lenz vor der Tür steht. Die da so mutig bunte Farbkleckse in den spätwinterlichen Garten malen, sind keine großblumigen Gartensorten, sondern „botanische“ oder „Wildkrokusse“: „Ein Krokus kommt selten allein!“ Die lustigen, blauen, weißen oder gestreiften Krokusse lassen fast vergessen, dass die Blütenkelche ihrer Vorfahren einst nur in leuchtend gelber Farbe prangten: „Safran macht den Kuchen gel“ heißt es in einem alten Kinderlied. Als der gelbe Krokus noch „Safran“ hieß, waren 100 000 Krokusblüten nötig, um daraus ein Kilogramm Safran zu gewinnen.

Der Haselstrauch entfaltet jetzt seine festen Walzen zu lockeren, gelblichen, bepuderten „Würstchen“, die im Wind stäuben. Die gelben Blütenbüschel der Kornelkirsche oder der Zaubernuss (Hamamelis) wirken auf den sonst kahlen Ästen richtig herausfordernd: Winter ade! Überhaupt scheint Gelb die Farbe zu sein, die den Frühling aus seinem winterlichen Versteck hervorlockt.

Denn Gelb heißt Licht! Mit diesem Monat zwischen Tod und Leben verknüpft sich der Gedanke und das Wissen um die Wiederkehr des Lichtes. Und unsere Ahnen nannten den Februar „Lichtmond“.

Ja, unsere Vorfahren richteten sich nach den Grundgesetzen des Lebens. Werden diese Grundgesetze missachtet, so rächt sich dies stets nach dem Gesetz von Säen und Ernten, wie Feuchtwanger es beschreibt: „Die Natur treibt ein unbarmherziges Gericht, langsam, aber unerbittlich. Und mancher Enkel fragt sich verzweifelt nach der Ursache seiner Leiden, die Generationen vor ihm hervorgerufen haben.“ Wenn wir krank werden, so hilft nur die Plage des neuen Säens und Kultivierens, nicht das radikale und primitive Unterpflügen dessen, was vorhanden ist, denn der Zweck heiligt nicht die Mittel; niemals! Es gibt kein Säen durch das Schwert.

Jesus wird das Wort zugeschrieben: „Nicht das, was in euren Mund hineingeht, wird Euch krank machen, sondern das, was aus ihm herauskommt.“ Dies legt jedem von uns eine ungeheure Verantwortung auf die Schultern. Aber wir werfen sie zu jeder Stunde mit einem Achselzucken ab, weil wir die Mühen scheuen, die mit der Verantwortung verknüpft sind.

Es gibt eine Stelle in uns, welche die Verknüpfung mit allem Existierenden besonders fühlt. Sie ist das Bindeglied, das „Bindegewebe“, welches uns an die Schöpfung, an den Gedanken und die Ethik der Schöpfung anknüpft.“ Das Herz ist hier gemeint; nicht das transplantierbare Spenderorgan, sondern das emotionale. Und um dieses herum legen wir zumeist eine Mauer, die verhindern soll, dass es mit anderen „Herzen“ mitbebt, weil wir uns sonst gründlich ändern müssten und die Verantwortung für das, „was aus unserem Mund herauskommt“, doch auf unsere Schultern legen müssten! Lassen wir uns das Herz auftauen, wie die Sonne den Schnee im „Taumond“ Februar!

So verstehen wir eins der schönsten aber rätselhaftesten Worte Friedrich Rückerts:

„Wie von der Sonne geh’n die Strahlen erdenwärts,

so geht von Gott ein Strahl in jedes Dinges Herz.

An diesem Strahle hängt das Ding mit Gott zusammen,

und jedes fühlt sich dadurch von Gott entstammen.

Von Ding zu Dinge geht seitwärts kein solcher Strahl,

nur viel verworr’nes Streiflicht allzumal.

An diesen Lichtern kannst du nie das Ding erkennen;

Die dunkle Scheidewand wird stets von ihm dich trennen.

An deinem Strahl vielmehr musst du zu Gott aufsteigen

und in das Ding hinab an seinem Strahl dich neigen.

Dann siehest du das Ding, nicht wie es scheint,

wenn du es siehest mit dir selbst in Gott vereint.“

So rätselhaft soll der Februar für uns nicht werden, sondern vom Licht verklärt, das die winterliche Dunkelheit durchbrochen hat, erhellt von den noch milden Strahlen einer jungen Sonne.

LICHTMESS, DAS SPINNEN VERGESS!

Das Wort „blaumachen“ kennt jeder. Wer aber weiß, dass der Begriff auf den „licht-blauen Montag“ unserer Vorfahren zurückgeht? Mit Maria Lichtmess (2. Februar) hörte für das Handwerk die Arbeit bei künstlichem Licht wieder auf, die am Montag nach Michaelis (29. September) begonnen hatte. Am Lichtmess – Nachmittag gaben die Meister ihren Gesellen oft frei.

Man war froh, dass die Tage wieder merklich länger wurden: „An Fabian und Sebastian fängt der Tag zu wachsen an.“ „Der Tag nimmt zu an Sebastian eine Stund, an Lichtmess merkt man es drum.“

Warum merkte man es an Lichtmess? „An Lichtmess, die Supp’ beim Tag ess!“ Das war aber nur möglich, wenn die Suppe um fünf Uhr nachmittags gegessen wurde. Tatsächlich ist heute noch bei Bauern im Alpenraum eine Vesper um diese Zeit üblich.

Am Lichtmesstag ist der Winter schon fast vergessen. Überall zeigen sich schon die ersten Vorboten des Frühlings. Die Spinnstube, in der sich die Mädchen und Burschen die Winterabende vertrieben hatten, wurde geschlossen: „Lichtmess, das Spinnen vergess! Das Rad hinter die Tür, das Rebmesser herfür!“ Die gemeinsame Arbeit in den „Lichtstuben“ war zu Ende, die erste Arbeit mit der Hacke oder an den Rebstöcken begann.

„Spinnen am Abend, erquickend und labend, spinnen am Morgen, Kummer und Sorgen.“ Was Missverständnis und Missdeutung aus einem alten Bauernspruch machen können, das zeigt die Rede von der „Spinne“. Die Spinne kann gar nichts dafür, dass man ihr solche Sachen nachsagt. Dieser alte Spruch bedeutet, dass die Armen ihr Geld mit Spinnen verdienen mussten, also schon morgens am Spinnrad saßen und oft Sorgen um das tägliche Brot hatten. Im Gegensatz zu den Armen konnten die Wohlhabenden das Spinnen auf den gemütlichen Abend legen. Nicht recht ersichtlich ist, warum dieser Spruch heute auf jene Tiere angewandt wird, die zu jeder Tageszeit Netze auslegen, um darin ihre Beute zu fangen.

Ein besonders schlauer Kalendermann fügte dieser verfälschten Regel noch einen Reim hinzu: „Spinnen am Mittag – Freude am dritten Tag.“ Und so ging die Mär von der zukunftsverheißenden Spinne um die Welt.

An Lichtmess trieb der Aberglaube Blüten. In Baden zog der Bauer oder sein Sohn eine Kette dreimal ums Haus; das galt als todsicheres Mittel zur Vertreibung von Schlangen und Mäusen. Und wenn man in Hessen Hirsebrei und eine überlange Bratwurst aß, so sollte der Flachs im Sommer recht lang ausfallen.

In der Lichtmesswoche hatten Bäuerin und Bauer alle Hände voll zu tun: „Um Lichtmess kalbt die Kuh, dann legt das Huhn, dann zickelt die Geiß, dann macht der Bauer am allermeist.“

Vom Wetter am 2. Februar schlossen unsere Vorfahren auf die Zukunft: „Wenn’s an Lichtmess stürmt und schneit, ist der Frühling nicht mehr weit. Ist es aber klar und hell, kommt der Lenz wohl nicht so schnell. Gibt es an Lichtmess Sonnenschein, wird es ein spätes Frühjahr sein. Sonnt sich der Dachs in der Lichtmesswoche, geht er auf vier Wochen wieder zu Loche. Wenn der Nebel zu Lichtmess fallt, wird es gewöhnlich noch sehr lange kalt.“

Obwohl St. Dorothee (6. Februar) Schutzpatronin der Gärtner ist, haben wetterkundige Bauern keine gute Meinung von ihr: „St. Dorothee bringt meistens Schnee.“ Und wenn man den seit rund 100 Jahren aufgestellten Wetterstatistiken glauben darf, dann liegt die Hoch-Zeit der Schneefälle in Mitteleuropa zwischen dem 6. bis 8. Januar und dem 5. bis 12. Februar.

In protestantischen Gegenden, wo Maria Lichtmess nicht so überschwänglich gefeiert wurde, stoppte Sankt Blasius (3. Februar) den Winter, zumindest schien mit ihm das Schlimmste überstanden zu sein: „St. Blasius stößt dem Winter die Hörner ab.“

HOCHZEIT AN SANKT DOROTHEE

Herz, Blumen und Früchte sind Symbole der heiligen Dorothee, der Patronin der Gärtner, Blumenhändler, der Bräute, Neuvermählten und der Wöchnerinnen. Im Gegensatz zum „Vielliebchentag“ des heiligen Valentin (14. Februar), der ursprünglich nur in Frankreich, Belgien und England als Tag, an dem man Blumen verschenkte, gefeiert wurde, hat man in Italien, der Schweiz, in Österreich und in Deutschland seit dem frühen Mittelalter den Tag der heiligen Dorothee (6. Februar) festlich begangen. Dorothea (griechisch: „Gottesgeschenk“) und die Verkleinerungs- und Koseformen wie Dora, Dore, Doris, Dorle und Dorte waren bis Anfang des letzten Jahrhunderts als Vornamen im deutschen Sprachraum weit verbreitet. Zur Beliebtheit des Namens trug auch Goethes Epos „Hermann und Dorothea“ bei.

Die Geschichte der heiligen Dorothea beruht zum größten Teil auf Legende. Auf ihrem Weg zur Richtstätte sprach die Märtyrerin immer wieder den Namen ihres Bräutigams Jesus Christus aus. Dies hörte ein des Weges kommender junger Rechtsanwalt heidnischen Glaubens mit Namen Theophilus. Er scherzte und meinte zu der Todgeweihten, wenn sie ihm Blumen und Früchte aus dem Garten ihres Bräutigams schicke, dann wolle auch er an Jesus glauben. Da kam ein Engel hernieder und brachte ihr aus dem Paradiesgarten einen Korb voller Rosen und Äpfel. Theophilus kniete nieder und bekannte sich zu Jesus Christus. Beide wurden daraufhin enthauptet. Der Legende entsprechend, wird die heilige Dorothea meist mit Blumen und Früchten abgebildet; oft trägt sie einen Blumenkranz um die Stirn.

In der Biedermeierzeit wurde Sankt Dorothee, wie sie in Bayern heißt, besonders verehrt. Verliebte schenkten am Tag der heiligen Dorothea ihrer Angebeteten einen Biedermeierstrauß, wohl wissend, was die Sprache der Blumen bedeutete:

Nelke: „Glühende Sehnsucht nach Dir durchbebt meine Brust.“

Weiße Narzisse: „Willst Du mich vergessen?“

Lupine: „Stille meine Seufzer!“

Lavendel: „Du sprichst in Rätseln.“

Rose: „An Deinem Busen, Du Blühende, lass mich ruhen!“

Schneeglöckchen: „Reinheit des Herzens strahlt aus Deinen Blicken.“

Weinrebe: „Rücke mir näher und sei mir treu!“

Flieder: „Eilen wir zum Altare, ehe die Jugendzeit verstreicht!“

Efeu: „Keine irdische Macht soll mich von Dir trennen!“

Vergissmeinnicht: „Höre wohl, was dies Blümchen flüstert!“

Da Dorothea auch die Patronin der Bräute und Neuvermählten ist, galt ihr Namenstag auf dem Land auch als „Hochzeitstag“: Am 6. Februar wurden früher besonders viele Ehen geschlossen, insbesondere in Bergbaugebieten, galt doch die heilige Dorothea neben der heiligen Barbara auch als Schutzpatronin der Bergleute. Das bedeutete für einen Bergmann doppeltes Eheglück: Eheliche Gemeinschaft bis ins hohe Alter und reicher Kindersegen. Der Brautkranz um die Stirn symbolisierte den Blumenkranz der heiligen Dorothea. Als Hochzeitspflanze war Rosmarin begehrt. Oft wurde das bei der Hochzeit getragene Rosmarinzweiglein in einen Blumentopf gepflanzt. Schlug es Wurzeln, so galt das als gutes Zeichen für die Zukunft der Ehe.

Viel Schnee an Sankt Dorothee bedeutete eine besonders fruchtbare Ehe. Dieser Aberglaube, von Bauern einst in eine Wetterregel gefasst, war weit verbreitet: „Sankt Dorothee bringt meist Schnee.“ Eine über hundertjährige Wetterstatistik beweist, dass die Hoch-Zeit der Schneefälle in Mitteleuropa zwischen dem 5. Und 12. Februar liegt.

Was früher einmal in Deutschland der Dorotheentag war, ist heute vielfach der Valentinstag. Ganz gleich, Blumen kann man immer schenken!