Ein kunterbunter Streifzug durch den Jahreskreis

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VIEL LÄRM AM DREIKÖNIGSTAG

Dreikönigstag! Fest der Erscheinung des Herrn. Es ist das dritte Hochfest der Weihnachtszeit. Es ist auch das Dreikönigsfest, das Fest der drei Weisen aus dem Morgenland, von deren Reise hinter dem Stern her das Evangelium dieses Tages erzählt. Die drei Magier, Kaspar, Melchior und Balthasar, haben die weite Reise vom Morgenland nach Bethlehem unternommen. So wurden sie die Schutzpatrone der Reisenden. Die Wirtshäuser „Zur Krone“, „Zum Stern“, „Zum Mohren“ oder „Zu den drei Königen“ kündigen von ihrer Reise.

Im Mittelalter entwickelten sich in Kirchen und Klöstern die Dreikönigsspiele. Aus ihnen entstand später das Sternsingen, das in allen katholischen Gegenden Deutschlands und Österreichs verrbreitet ist. Am Vorabend des 6. Januars ziehen die Kinder durchs Dorf, verkleidet als Kaspar, Melchior und Balthasar. Sie tragen den großen goldenen Stern am langen Stecken. Sie singen vor den Häusern ihr Sternsingerlied. Zum Lohn erhalten sie Weihnachtsgebäck, Obst und Geld. Manchmal ist mit dem Sternsingerlied auch ein kleines Spiel verbunden, das sich auf die Geschichte der heiligen Drei Könige bezieht. Heute sammeln die Kinder oft für wohltätige Zwecke.

Die Überlieferung schreibt den Heiligen Drei Königen starke Schutzkräfte zu. Sie sollen Schicksalsschläge und alles Böse von Mensch, Haus und Vieh abhalten. Deshalb schrieb früher der Hausvater die Anfangsbuchstaben der Namen der drei Weisen über die Tür und setzte drei Kreuze und die Jahreszahl dazu. Heute tun das die Sternsinger. Die drei Buchstaben CMB können auch anders gedeutet werden. Sie bedeuten für den frommen Christen: Christus mansionem benedicet, Christus möge mein Haus beschützen.

Der Dreikönigstag, an dem bis ins Mittelalter hinein das neue Jahr begonnen hat, kennt auch Orakelsprüche. An Dreikönig kann man das Wetter des beginnenden Jahres ablesen. Man legt zwölf Weizenkörner auf den Ofen; jedes symbolisiert einen Monat. Die Körner, die am weitesten fortspringen, deuten auf Monate voll Glück, Gesundheit und gute Ernte.

Der Dreikönigstag beendet die zwölf Rauhnächte, in den nach dem Volksglauben Geister und Gespenster ihr Unwesen treiben. Aber so ganz war man nicht davon überzeugt, dass nun der Spuk vorbei sei, den nicht nur imaginäre Bösewichte in diesen zwölf Nächten trieben, sondern auch maskierte Burschen. Vielfach wurden den Geistern auch Speisen hingestellt, damit sie gesättigt davonziehen konnten. In Oberbayern und in Tirol stellte man für die Frau Perchta, eine der norddeutschen Frau Holle ähnliche Gestalt, Essen vors Fenster oder legte Nudeln für sie aufs Dach. Und vor dem Schlafengehen durften auf dem Tisch ein Krug Wasser und Brot nicht fehlen. Wer so handelte, dem half Frau Perchta das ganze Jahr über. Wer aber am Dreikönigstag nicht an die Perchta dachte, dem würde sie – so glaubte man – übel mitspielen.

Natürlich muss am Dreikönigstag überall viel Lärm gemacht werden, damit auch die letzten bösen Geister Haus und Hof verlassen. Übrigens, wer am Dreikönigstag noch Äpfel von der letzten Ernte aufbewahrt, der hat sie zu lange gelagert: „Heilige Drei Könige hochgeboren – da haben die Äpfel den Geschmack verloren.“

Als Wetterregeln galten diese:

„Ist Dreikönig hell und klar, gibt’s viel Wein in diesem Jahr.“ „Ist bis Dreikönig kein Winter – folgt keiner mehr dahinter.“ „Wie’s Wetter sich bis Dreikönig hält, so ist das nächste Jahr bestellt.“ „Heilig Dreikönig sonnig und still – Winter vor Ostern nicht weichen will.“ „Regen an Dreikönig – doppelte Keime, aber nur halbe Frucht in die Scheune.“ „Dreikönigstag sind die Feste vorbei – Mariä Verkündigung bringt neue herbei.“ „Dreikönig mit der Hack steckt Weihnachten in den Sack.“

Eigentlich handelte es sich beim Perchtenlauf um einen Fruchtbarkeitszauber der wetterabhängigen Landbevölkerung. Nebenbei konnte er dann gleich mit seinem Getöse wohl auch noch unliebsame Geister austreiben. Sicherlich haben die Burschen immer ihre besondere Freude daran gehabt, andere – und besonders junge Mädchen – zu erschrecken.

ERGO BIBAMUS!

Sie sind wieder „in“ – die Stammtische in den kleinen Städten und Dörfern. Allabendlich trinkt man hier sein „Helles“, spielt Skat, philosophiert im kleinen über die große Politik, über lokale Besonderheiten und bevorstehende Ereignisse.

Der Stammtisch ist wie eine Zeitungsredaktion – hier laufen laufend Meldungen ein. Er ist das „Kaffeekränzchen“ der Männer – man sollte dies nur zugeben.

Der alte Stammtisch hat seine eigene Philosophie. Er ist eine der philanthropischsten Erfindungen der zivilisierten Menschheit. Böse Zungen lästern über ihn und wünschen seine „Biertischpolitik“ zum Teufel.

Es gibt kaum einen von uns, der nicht gelegentlich an einem Stammtisch wenigstens mal gastweise zu finden war. Er übte eine magische Kraft auf die Dichter und Denker unseres Volkes aus. So hat Goethe denn geselligen Umtrunk besungen: „Hier sind wir versammelt zu löblichem Tun, drum, Brüderchen, ergo bibamus (lat: also lasst uns trinken!)“ Oder Schiller bittet an der Tafelrunde: „Brüder, fliegt von eurem Sitze, wenn der volle Becher kreist, lasst den Schaum zum Himmel spritzen: Dieses Glas dem guten Geist!“

Sind wir froh, dass der Stammtisch als Souvenir der gutbürgerlichen alten Zeit in unserer hektischen Welt weiterlebt!

DER JANUAR, DER HÄRTESTE MONAT DES JAHRES

Januar, der erste Monat des Jahres mit 31 Tagen, hat seinen Namen von dem altrömischen Gott Janus. Die Römer sahen ihn als Schützer des Hauses an. Er war der Gott der Tür und des Torbogens. Mit einem Doppelgesicht schaute Janus zugleich nach drinnen und draußen, hütete den Eingang und den Ausgang. Später entwickelte Janus sich allgemein zum Gott des Anfangs. Er wurde am Gebetsbeginn angerufen, und seine heiligen Zeiten waren die ersten Stunden des Tages, die ersten Monatstage und der erste Monat des Jahres.

Janus wird mit einem Schlüssel und einem Pförtnerstab als Beigaben sowie mit einem jungen und einem alten Gesicht dargestellt. Das alte Gesicht blickt in die Vergangenheit, das junge in die Zukunft. Gerade zum Jahreswechsel kann das als Symbol gelten, nachdenklich zurückzuschauen und zugleich voll Hoffnung vorwärts auf alle kommenden Tage zu blicken.

Eine andere Bezeichnung für den Monat ist Jänner oder Jenner. Sie wurde bis ins 18. Jahrhundert verwendet. Heute ist sie nur noch in oberdeutschen Mundarten gebräuchlich, besonders in Österreich und in der Schweiz. Alle älteren deutschen Namen wie Eis-, Schnee- oder Wintermonat zeigen ebenso wie das altdeutsche Wort Hartung, dass der Januar in unseren Gegenden eine harte, eiskalte und bittere Winterzeit bringt. Der Hartung ist der härteste Monat des Jahres. Auch die meisten Bauernregeln, alte Erfahrungen des Volkes mit dem Wetter, verlangen vom Januar viel Schnee und klirrende Kälte. Nur so, meinen sie, kann das Jahr gelingen und ein rechter Sommer Einzug halten.

So wie der doppelsichtige Janus mit seinem Gesicht in die Vergangenheit und mit dem anderen in die Zukunft schaut, so steht der Januar als Bindeglied zwischen dem alten und dem neuen Jahr. Daher wurde er einst auch als „Tür des Jahres“ bezeichnet. Schneemond oder Eismond, aber auch Hartung, weil der Januar der „härteste“ Monat des Jahres ist, sind alte Bezeichnungen für den ersten Monat des Jahres. Folglich erscheinen auch Schneemänner, Schneeflocken und Eiskristalle als Symbole für den oftmals kältesten Monat des Jahres.

Zieht man den Hundertjährigen Kalender zu Rate, dann soll es im Januar zunächst „so kalt wie Ende Dezember“ bleiben. Nachdem sich dann für den 7. Januar Schneefall ankündigt, ist vom 8. Bis 15. Des Monats mit Kälte zu rechnen, die anschließend von einer „linden“ Phase mit Schnee und Regen abgelöst wird. Erst nach dem 23. Januar – so heißt es weiter – wird es wieder kälter. Allerdings ist für den 30. Januar erneut mit eher milder Witterung zu rechnen.

Altem Volksglauben zufolge gilt jedenfalls: „Je frostiger der Jänner, je freundlicher das ganze Jahr.“ Klirrende Kälte sah auch der Bauer vergangener Tage besonders gern. Für ihn galt die Faustregel: „Werden die Tage länger, wird der Winter strenger.“ Die Erklärung dafür lag auf der Hand: „Der Januar muss vor Kälte knacken, wenn die Ernte gut soll sacken“ oder „Der Januar muss krachen, soll der Frühling lachen.“ Darüber hinaus hieß es: „Januar hart und rau, nützet dem Getreidebau“ und „knarrt der Jänner Eis und Schnee, gibt’s zur Ernt’ viel Korn und Klee.“ Auch die Menge der weißen Pracht war einst von großer Bedeutung. „Schnee zu Hauf“, sagte dem Bauern, „hält den Sack weit auf“ und gewährleistete schon im Januar „Dung für das ganze weitere Jahr.“

Ein milder Januar rief immer Entsetzen hervor: „Januar warm – dass Gott erbarm!“ „Gibt es im Jänner gar viel Mückentanz, verdirbt die Futterernte ganz“, denn „wächst auch das Korn im Januar, wird es auf dem Markte rar“ und auch das Gras, das schon zu Jahresbeginn wächst, „ist im Sommer in Gefahr.“

Auch Regenwetter war genauso unbeliebt: „Viel Regen ohne Schnee, tut Bäumen, Bergen und Tälern weh.“ Mit einem lachenden und weinenden Auge hörte man in früheren Zeiten das Donnergrollen. Einerseits hieß es: „Wenn’s im Januar donnert über dem Feld, kommt später doch noch sehr große Kält“ und andererseits hoffte man darauf, dass des „Jänners Groll machet Kist und Fässer voll.“

Für die Weinbauern war einst das Wetter am Dreikönigstag (6. Januar) von Bedeutung: „Ist es an diesem Tag hell und klar, gibt’s viel Wein in diesem Jahr.“ Allerdings bedeutete ein Dreikönigstag „sonnig und still“, dass der „Winter vor Ostern nicht weichen will.“

Die Obstbauern warteten auf das letzte Drittel des Januars: „Wenn Agnes (21. Januar) und Vinzenz (22. Januar) kommen, wird neuer Saft im Baum vernommen.“

 

WENN DIE NASE TRIEFT UND DIE AUGEN TRÄNEN

„Drei Tage kommt er, drei Tage steht er, drei Tage geht er.“ Wer? Der Schnupfen, der zwar sehr lästig ist und das Wohlbefinden beeinträchtigt, in der Regel aber von kurzer Dauer ist. Durch ein Kitzeln in der Nase kündigt er sich gerne an. Mag das Kitzeln auch noch angenehm sein, das heftige Niesen ist es nicht mehr. Das ist zwar sprichwörtlich gesund, doch nur für den Absender, nicht für den Empfänger. Die in kleine Schleimtröpfchen vermummten Viren suchen sich neue Opfer. Von allein nicht lebensfähig – wie Köpfe ohne Körper – müssen sie sich fremdes Leben borgen. Rätselhaft: Die primitivsten Wesen der Erde sind fähig, das höchstentwickelte zu ihrem Sklaven zu machen.

300 verschiedene Viren sind als Erreger von Erkältungskrankheiten bekannt, die als „grippale Infekte“ gelten, doch mit der echten Grippe (Influenza) nur wenig gemeinsam haben. Und 100 Virusarten können einen Schnupfen erzeugen. Man kann also sicher sein, mit jeder neuen Laufnase einen anderen Erreger zu Gast zu haben.

Tröpfcheninfektion nennen es die Mediziner, wenn die Schnupfenviren beim Niesen, Husten, Räuspern oder Sprechen übertragen werden. Und zwei Meter sind keine unüberbrückbare Distanz.

Lachen ist gesund. Das gilt auch für das Küssen. So jedenfalls die Psychologen. Aber wer lässt sich schon gerne mit schleimtropfender Nase und rot entzündenden Augen küssen? Nur der, den „Liebe blind macht“.

„Böse Augen stecken durch den Blick, so wie böser Atem durch den Anhauch an, besonders, wenn der böse Wille damit verbunden ist.“ So steht es im „Magischen Handbuch der Sympathie von 1858“. Auch bei anderen Symptomen von Erkältungskrankheiten wussten unsere Vorfahren Rat. Bei Halsschmerzen empfahlen sie: „Über Nacht einen wollenen Strumpf, den ein gesunder starker Mann getragen hat, um den Hals binden!“ „Bei Fieber koche man ein Ei in des Kranken Urin und vergrabe es in einen Ameisenhaufen. Sobald die Ameisen das Ei verzehrt haben, ist das Fieber weg.“ Auch „ein Schwalbenherz, mit Honig gegessen“, sollte bei Fieber Heilung verschaffen.

Das „fleißige Handauflegen“ war ein viel gepriesenes Mittel bei Entzündungen im Kopfbereich. Der Glaube an Zauberei und Hexerei war noch gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Ostertal weit verbreitet. Das Handauflegen wird noch 1885 berichtet. So haben Marther Eltern ihre kranken Kinder nach Hoof gebracht, wo in der „Aacht“ eine 80jährige Frau das „Brauchen pflegte“.

„Beim Niesen soll man die Hände in warmem Wasser waschen, die Augen und Ohren und Fußsohlen mit den Fingern reiben.“ Das kitzelte wohl auch. Mag sein, dass der Reflex auf der Fußsohle, das Kitzeln in der Nase unterdrückte.

Bei Husten („Bettelmannshusten“) – worunter wir heute wohl die Lungenschwindsucht vornehmlich der armen Leute zu verstehen haben – wurde „viel Küssen“ empfohlen. Haben sich unsere Vorfahren daran gehalten, wird auch die epidemieartige Ausbreitung der Tuberkulose verständlich.

Gegen Schnupfen und Erkältungskrankheiten gibt es keinen Impfschutz, gegen die echte Grippe nur, wenn es sich um ein schon bekanntes Virus handelt. Doch Viren bedienen sich teuflischer Tricks, um den Abwehrmechanismus des menschlichen Körpers zu täuschen und zu hintergehen.

Es gibt wirklich typisches Grippe-Wetter: Nasskaltes, trübes, rasch wechselndes Wetter begünstigt das Entstehen von grippalen Infekten. Trockene Kälte behagt den Viren überhaupt nicht. Sonniges Winterwetter nimmt ihnen jegliche Chance der Verbreitung, und Sonne stärkt die Abwehrkräfte des Körpers.

Die Ärzte der Antike glaubten an einen „inneren Arzt“ im Menschen, an jene Selbstheilungskräfte, die uns davor schützen, dass die ständig aus der Umwelt in unseren Organismus eindringenden Krankheitserreger eine Krankheit auslösen. Sie wussten auch, dass Vorbeugen besser als Heilen ist. Ein sicheres Mittel gegen Erkältungskrankheiten ist die konsequent betriebene Abhärtung des Körpers das ganze Jahr über. Ausgedehnte Spaziergänge, Bewegungs- und Atemübungen an frischer Luft, regelmäßige Saunabesuche und eine vernünftige Vitamin-C-reiche Ernährung tragen dazu bei, den Körper zu immunisieren. Wer sich täglich morgens zu Wechselduschen durchdringen kann, hat auch einen wichtigen Schritt zur Vorbeugung getan: Drei Minuten so heiß wie erträglich, zwanzig Sekunden so kalt wie möglich – dreimal hintereinander. Ist die Erkältung trotz Abhärtung und Vitaminen nicht zu stoppen, sollte man nicht gleich mit „Kanonen auf Spatzen schießen“. Altbewährte Hausmittel und Heilkräutertees sind zumindest einen Versuch wert. Kamillen-Dampfbäder, heißer Holunderblütentee und Lindenblütentee in Verbindung mit einer Schwitzkur sind zu empfehlen.

Dazu nehme man Heilpflanzenpräparate zur Steigerung der Abwehrkräfte mit den Wirkstoffen des Sonnenhutes (Echinazin) und des Wasserdosts (Eupatorium). Zum frischen Verzehr empfehlen sich keimtötende Heilpflanzen mit natürlichen „Antibiotika“ wie Knoblauchzehen und Zwiebeln, Brennnesselblätter und Senfsamen, Meerrettich, Kapuzinerkresse und Gartenkresse. Menschen, die regelmäßig frischen Knoblauch essen – mindestens ein bis zwei Zehen pro Tag – erkranken selten an grippalen Infekten. Doch leben wir nicht auf dem Balkan, wo der äußerst penetrante Geruch, der noch stundenlang nach dem Verzehr vom Körper ausgedünstet wird, von den Umstehenden nicht wahrgenommen wird, weil er dort zu den „alltäglichen Gerüchen“ gehört.

SPINN- UND STRICKABENDE UNSERER VORFAHREN

Dornröschen fiel in einen hundertjährigen Schlaf, nachdem es sich mit der vergifteten Spindel gestochen hatte. „Was ist eine Spindel?“, würde heutzutage ein Kind fragen, dem man das Märchen vom Dornröschen erzählt.

In den Märchen spinnen die Königstöchter, in den Sagen die Göttinnen. Bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts gehörte das selbstgesponnene und selbstgewebte Leinen zum hochgeachteten Aussteuerschatz.

Spinn- und Strickabende gehören der Vergangenheit an. Erinnerungen an Spinnstuben und Bratäpfel werden wach. Die Bratäpfel brutzelten auf der heißen Ofenplatte. Aus der schwarzgebrannten Schale tropfte dicker, brauner Saft. Süßer Duft erfüllte den Raum.

Spinnen und Stricken waren die wichtigsten Winterarbeiten der Frauen. Zum ersten Spinnabend traf man sich in der Regel am letzten Donnerstag im November. Das konnte der Katharinentag sein. Die heilige Katharina ist die Patronin der Spinnerinnen. Und an Lichtmess (2. Februar) gingen auf dem Dorf die Spinnabende in der Regel wieder zu Ende. Zu den Winterarbeiten der Männer gehörten vor allem das Besenbinden und das Korbflechten.

In manchen Orten war es eine bestimmte Bäuerin, die die Spinnstube abhielt. In anderen Gemeinden wanderten die Spinnerinnen von einem Haus zum anderen. Man sparte in den Dörfern. Kerzen waren teuer, und auch das Petroleum war ein Luxus. Aber wenn man sich abwechselnd in einer Stube zum Spinnen, Singen und Spielen traf, dann konnte man in allen anderen das Licht sparen. Oft bildeten die Mädchen und Frauen der verschiedenen Jahrgänge Spinngruppen, die über die Winterarbeit hinaus zusammenhielten.

Die Spinnstube war auch eine „Erzählstube“. Beim Spinnen des Garns und beim Stricken der dicken Winterstrümpfe erzählten die Frauen Geschichten, Märchen und Sagen. Spinnstubenlidder wurden gesungen.

Meist trafen sich die Frauen am Nachmittag. Sie brachten Spinnrad, Flachs und Netzetopf mit, ein Wassergefäß zum Benetzen der Finger. Sie tranken zuerst Kaffee und aßen Kuchen, spannen dann bis zur Dämmerung. Zu Hause wurden dann Kinder und Vieh versorgt. Mit den Männern kehrten sie in die Spinnstube zurück. Wurst und Brot, Branntwein oder Bier standen als Spätimbiss bereit.

Junge Mädchen schwärmten in den Arbeitspausen auch gern aus, hielten heimlich Umschau nach ihrem Liebsten. Die jungen Burschen durften erst später kommen, brachten Dörrobst und gebackene Süßigkeiten mit.

In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Spinnabende nach und nach zu reinen Strickabenden. Warme Pullover, Socken und Strümpfe für den Winter wurden gestrickt.

Was aber hat der alte Bauernspruch „Spinne am Morgen, Kummer und Sorgen. Spinne am Abend, erquickend und labend“ mit der Spinne zu tun? Die Spinne kann gar nichts dafür, dass man ihr solche Sachen nachsagt. Die Bauern meinten einst, wer schon am frühen Morgen mit Flachs- oder Leinspinnen anfangen müsse, der habe Kummer und Sorgen, die es mit den Einnahmen aus dieser Arbeit zu bannen gelte. Am Abend zu spinnen bedeutete aber, dass man es sich gemütlich machen konnte, dass die Spinnerei eigentlich keine Arbeit, keine auf dringenden Gelderwerb gerichtete Beschäftigung war, sondern eine liebevolle Unterhaltung und Entspannung. Man konnte Sorgen und Kummer vergessen, Lieder singen, sich necken und vielleicht spann sich sogar manche Liebe an.

Nostalgische Erinnerungen an die „gute, alte Zeit“! Kommt sie wieder? Auf jeden Fall ist Stricken wieder zur Mode geworden.

NEUE BESEN KEHREN GUT

Unsere Vorfahren kehrten mit Besen („Hexenreisern“) die Winterunholde, bösen Geister und Dämonen aus dem Haus, und der gesellig wachsende Besenginster war im Mittelalter ein wirksamer Schutz gegen Hexerei. Seine harten, zweigähnlichen Stängel wurden auch als Kaminbesen genutzt, wodurch verständlich wird, dass die Hexen nach dem endgültigen Sieg des Frühlingsgottes über die Mächte der Finsternis auf einem Besen reitend das Haus durch den Schornstein verlassen: Hexennacht – Walpurgisnacht.

Einzelne Besenruten lagen früher auf dem Küchenschrank und die Buben hatten einen Heidenrespekt davor. Das war der Schlagbesen des Vaters, der damit den Ungehorsam der Kinder bestrafte. Doch die strafende Rute des Nikolaus war ursprünglich das Reis, das Symbol der Fruchtbarkeit, durch dessen Berührung mitten im Winter die Hoffnung auf das Licht der Sonne wachgerufen wurde. Das Reis war die Lebensrute.

Das früheste geflügelte Wort aus dem deutschen Sprachschatz stammt aus Freidanks „Spruchdichtesammlung“ (um 1230), betitelt „Bescheidenheit“: „Der niuwe beseme kert vil wol, e daz er stoubes werde vol“: „Der neue Besen kehrt sehr wohl, eh’ dass er Stasubes werde voll.“ Daraus wurde das sprichwörtlich gebrauchte „Neue Besen kehr en gut“. Der Besen, das „Zusammengebundene“, war der „Staubsauger“ unserer Vorfahren.

Zu den bäuerlichen Winterarbeiten gehörten früher neben dem Flechten von Körben, Stühlen und Kuchendeckeln und dem Binden von Besen auch das Herrichten des Geschirrs und der Zugseile, das Ausbessern der Wagen und Wagenräder, das Schärfen der Äxte und Beile und das Anspitzen der Bohnenstangen.

Auf den Bauernhöfen standen neben den Obstgärten gewöhnlich an den Grenzen zu den Nachbargrundstücken sogenannte „wilde“ Bäume: Birken zur Erlangung der nötigen Besenreiser, ein paar Weiden für Körbe, Stühle, Mulden, Schippen und Tröge, dazu Eschen, die jährlich geköpft wurden, so dass man die schlanken Zweige binden und zum Trocknen an Zäunen aufrichten konnte. Im Winter wurden sie d en Schafen auf die Hilte gegeben. Die Tiere fraßen Blätter, kleine Zweige und die Rinde. Von den dicken Astteilen nagten sie den Bast ab. Mit diesen abgenagten Ästen wurden Zäune repariert und gebaut. Zwei bis drei Eichen standen auf dem Hof. Sie gaben Futter für die umherlaufenden Schweine. Schließlich gab es da noch den Walnussbaum und den Holunderstrauch, letzterer dicht an der Hauswand zur Abwehr des Blitzes, von winterlichen Dämonen und zur Bereitung von heilenden Wintertees.

Ferne Erinnerungen an Groß- und Urgroßvaters Zeiten werden wach, Erinnerungen an die heimelige Atmosphäre in der gemütlich warmen Besenbinderstube: In mehreren Reihen lagen dicke Birkenreiser-Bündel („Birkenhecken“) mit Ruten verschiedener Länge auf den Dielen. Im November wurden die Besenreiser draußen geschnitten, an Ort und Stelle die abstehenden Seitentriebe um die innere Rute aufgedreht und die Nebenästchen am Reiseranfang ausgeputzt. Über Winter wurden die Besenreiser auf dem Speicher getrocknet.

Am besten waren Reiser von sieben- bis achtjährigen Birken, weil sie noch schlanker und biegsamer sind als Ruten von älteren Bäumen. Diese sind meist zu storzig und brechen leichter. In der Besenbinderstube wurden die Reiser der Länge nach sortiert. In jede Hand kamen sieben lange Ruten, wurden nach unten fest zusammengedreht, über dem Knie mit einem Ring gespannt, die beiden Bündel überkreuzt und zum „Geißfuß“ zusammengesteckt. Weitere Ringe aus Draht oder Seil – sechs bis sieben an der Zahl – wurden nach und nach um die gedrehten und gespannten Reiserbündel gesetzt. In einem der mittleren Ringe steckte man dann kürzere, etwas angespitzte Ruten rundum ein, bis der Besen eine bestimmte Handlichkeit hatte und die Kehrseite „bauschig“ wurde. Der Griff wurde „bündig“ geschnitten, noch vorhandene Stielreste glatt abgeschnitten, damit die Finger beim Kehren nicht aufrissen. Zum Schluss wurden die überstehenden Rutenspitzen an der bauschigen Kehrseite des Besens abgeschnitten.

 

Für die Herstellung der Besenringe haben früher die Besenbinder keinen Draht verwandt – der war zu teuer – sondern „Hassele-Stecke“ (Haselstrauch), die „Scheenstecke“. Die „Hassele“ waren etwa 1,50 m lang und so dick wie Flaschenköpfe. Die „Stecke“ wurden am Ende eingekerbt, von den Kerben aus die Rinde in ½ cm breiten Riemen (Schalen oder Schienen) abgeschält. Die abgeschälte Rinde war das Flechtmaterial für das Zusammenbinden der Besenreiser.

Jeder Hof hatte früher ein ganzes Sortiment von Besen, zumeist aus Birkenreisern gebunden. Seltener waren Strohbesen, ganz selten Ginsterbesen. Letztere waren kurz und mit einem Stock versehen.

Die Besen fanden eine vielfältige Anwendung. Die Häuser wurden gekehrt, der Stall, der noch ungepflasterte Hof, die Scheune, die Wege, der Misthaufen, Laub im Herbst und Schnee im Winter.

„Nichts wurde unter den Tisch gekehrt“ bei unseren Vorfahren. Doch den „Dorfbesen“ gab es überall. Doch auch diese Zeiten sind längst vergangen: „Damals auf dem Dorf war vieles anders.“