Weiterbildung an Hochschulen

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Eigensinniger Umgang mit wissenschaftlichem Wissen

In der wissenschaftlichen Weiterbildung könnte es aus didaktischer Sicht demnach um die Aufgabe gehen, wissenschaftliches Wissen als Inhalte in die Lehre einzubringen und mit dem berufspraktischen Erfahrungswissen der Teilnehmenden zu vermitteln, also beide Wissensformen in ihr Recht zu setzen und sie produktiv in Verbindung zu bringen. Diese Aufgabe ist letztlich von den Lehrkräften selbst zu erbringen. Gerade in der curricular wenig strukturierten Weiterbildung besteht eine große, von den Lehrkräften auszufüllende Offenheit, bezogen auf die Inhalte und deren Thematisierung.

Um diese Aufgabe beziehungsweise insbesondere die Nutzung wissenschaftlichen Wissens durch Lehrkräfte angemessen zu konzeptualisieren, kann auf Einsichten der sozialwissenschaftlichen Verwendungsforschung zurückgegriffen werden (Beck/Bonß 1989). Diese verweist auf eigensinnige Interpretations-, Selektions- und Transformationsprozesse wissenschaftlichen Wissens durch gesellschaftliche Akteure und damit auch durch Lehrkräfte (vgl. zusammenfassend Haberzeth 2010, S. 39 ff.). Bezogen auf die Lehre heißt das: Lehrinhalte liegen in den meisten Fällen nicht bloß vor als gewissermaßen abgrenzbare Wissenspakete, die dann vor der Vermittlung gegebenenfalls nur noch didaktisch reduziert, also verkleinert oder vereinfacht werden müssen. Vielmehr müssen Themen der Lehre unter Rückgriff auf Wissen von den Lehrenden erst ausgelegt und in Lehrinhalte beziehungsweise -gegenstände umgesetzt werden. Die Inhalte sind also nicht einfach da, sondern müssen gemacht werden.

Dieser Vorgang ist komplex, weil Themen unter Rückgriff auf ein meist sehr breites (wissenschaftliches) Wissensangebot unterschiedlich ausgelegt werden können (vgl. Haberzeth 2010). Es gibt viele Möglichkeiten, auf ein Thema einzugehen, und entsprechend entwickeln Lehrkräfte unterschiedliche Problemsichten und Bearbeitungsstrategien sowie Formen des Wissensbezugs und der Wissensnutzung.

Empirie zum Umgang mit Wissen von Lehrkräften

Problemsichten, Umgangsstrategien, Schwierigkeiten und durchaus auch Fehlformen in der Vermittlung von Wissenschafts- und Erfahrungswissen lassen sich anhand einer empirischen Studie aufzeigen, in der Lehrkräfte zu ihrer Kurs- und Seminarplanung und speziell zu dem Umgang mit Wissen qualitativ befragt wurden (ausführlicher: Haberzeth 2010). Konkret ging es um Angebote zum Thema Lernen im Feld der Weiterbildung von Weiterbildnern. Entsprechende Kurstitel waren zum Beispiel »Wie lernen Erwachsene?« oder »Lernstrategien und -techniken«. Es ging um die Frage, wie und auf welche Weise wissenschaftliches Wissen genutzt und vor dem Hintergrund des Anspruchs nach Praxisrelevanz in Kursangebote eingebracht wird. Dabei haben sich vier Spannungsverhältnisse gezeigt, in denen sich die Lehrkräfte bewegen.4 Sie werden im Folgenden näher erläutert.

Zwischen reflexivem und instrumentellem Umgang

Ein erstes Spannungsverhältnis, das durch die beiden Pole eines reflexiven und eines instrumentellen Umgangs mit Wissen gebildet wird, ist, bezogen auf die didaktische Herausforderung einer »Wissenschafts- versus Praxisorientierung«, besonders relevant (Haberzeth 2010; vgl. auch Heufers & El-Mafaalani 2011). Gehen Lehrende reflexiv mit Wissen um, zeichnet sich dies tendenziell durch einen kritischen Zugriff aus, das heißt durch eine skeptische Einstellung gegenüber der Erklärungskraft des genutzten Wissens. Es besteht eine Offenheit gegenüber alternativen Interpretationen, wodurch ein Spektrum möglicher Erklärungsansätze bezogen auf berufliche Fragen, Herausforderungen etc. geöffnet wird. Der Zugriff auf Wissensbestände erfolgt in der Absicht, sich gemeinsam mit den Kursteilnehmenden über die möglicherweise vielfältigen Aspekte des zur Diskussion stehenden Themas zu vergewissern.

Demgegenüber ist ein instrumenteller Umgang tendenziell durch einen affirmativen Zugriff geprägt, das heißt, es besteht ein hohes Vertrauen in den Wahrheitsgehalt des genutzten Wissens. Es wird kaum auf vielfältige Aspekte des Themas verwiesen, sondern das Thema beziehungsweise das Handlungsproblem wird eher eng geführt. Aus dem Wissen werden linear Schlussfolgerungen abgeleitet in Form von Instrumenten und Techniken. Damit werden bruchlose Kausalitäten zwischen Wissen und praktischem Handeln unterstellt (vgl. Haberzeth 2010, S. 210 ff.).

In einer zum Teil vergleichbaren empirischen Studie im Bereich der wissenschaftlichen Weiterbildung von Heufers und El-Mafaalani (2011) zeigte sich eine eher reflexive Wissensvermittlung in der folgenden Aussage einer Lehrkraft:

»Wir sagen unser’n Studis auch, wir bringen euch nicht, wie in ander’n Weiterbildungsunterrichten, bei, wie man Zielvereinbarungen macht. Sondern uns geht es darum, euch die Hintergründe von den Verfahren zu zeigen, oder von den Managementtools, wie das die Leute manchmal nennen, mit denen ihr in der beruflichen Praxis zu tun habt. Ja, oder wenn’s um Mitarbeitergespräche geht, was passiert da eigentlich? Ja, und da geht’s, heben wir beispielsweise ganz stark darauf ab, dass in Mitarbeitergesprächen oder Personalbeurteilungen ganz häufig so Stereotypen eine Rolle spielen. Wahrnehmungsverzerrungen und dergleichen.« (Heufers/El-Mafaalani 2011, S. 65)

Die beiden Pole Reflexivität versus Instrumentalität – wie auch die Pole der weiteren Spannungsverhältnisse – schließen sich nicht aus, sie bilden also nicht unbedingt einen Gegensatz. Sie können aber in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen: So kann etwa ein reflexives Begreifen vielfältiger Aspekte des Themas wirkungslos bleiben, wenn die konkreten beruflichen Handlungsprobleme der Teilnehmenden nicht erreicht werden. Ein instrumenteller Ansatz auf der anderen Seite kann konkrete Möglichkeiten eines geordneteren Umgangs mit den beruflichen Handlungsproblemen aufzeigen, läuft aber Gefahr, eng geführte Ansätze in Form von Techniken und Instrumenten zu tradieren, die vielfältige relevante Aspekte aussparen. Dadurch können Möglichkeiten vertan werden, den Umgang mit den Handlungsproblemen auch als anders möglich zu denken und andere Umgangsweisen zu eröffnen.

Zwischen wissenschaftsbezogenem und erfahrungsbezogenem Umgang

Eine ähnlich hohe Relevanz hat ein zweites, mit dem ersten teilweise korrespondierendes Spannungsverhältnis, das durch die beiden Pole eines wissenschaftsbezogenen versus eines erfahrungsbezogenen Umgangs konstituiert wird (vgl. Haberzeth 2010, S. 222 ff.). Ein wissenschaftsbezogener Umgang zeichnet sich durch einen Zugriff auf kodifiziertes Wissen aus. Thematisiert wird systematisiertes, wissenschaftliches und möglicherweise auch curricularisiertes Wissen hinsichtlich des Lehrinhalts. Zwischen diesem »objektiven« Wissen und den Teilnehmenden besteht eine Kluft, die primär durch eine sachgerechte Vermittlung überbrückt werden soll. Ein eher erfahrungsbezogener Umgang ist durch einen Zugriff auf die alltäglichen, berufs- und lebenspraktischen Erfahrungen der Teilnehmenden gekennzeichnet. Thematisiert wird das bei ihnen bereits vorhandene »subjektive« Wissen. Die Inhaltlichkeit von Lehre speist sich also stärker aus den Erfahrungen, Interessen und Problemen der Lernenden. Argumentationshintergrund des Erfahrungsbezugs ist oft die Vorstellung eines Anschlusslernens: Ohne ein Anknüpfen am Vorwissen der Teilnehmenden gelingt Lernen nicht.

Aus der oben genannten Studie zum Umgang mit dem Thema Lernen (Haberzeth 2010) kann eine Aussage einer Lehrkraft herangezogen werden, die in ihrem Kurs die Frage thematisiert, wie Erwachsene (erfolgreich) lernen. Deutlich wird eine eher erfahrungsbezogene Vermittlungsstrategie:

»Das heißt, wir gehen auch sehr stark an der Stelle in Gruppenarbeit, so nach dem Motto: Überlegt euch mal, was ihr braucht, damit Lernen funktioniert. Weil man daraus ja auch ableiten, oder letztendlich wird man feststellen, das ist immer deckungsgleich mit dem, was viele in der Theorie behaupten, was die Teilnehmer selbst herausfinden. Und das sind ja ganz normale Dinge. (…) wenn jeder für sich selbst überlegt: Was muss ich, oder wie lerne ich selbst? So, und wenn Sie dann eine kleine Gruppe haben, und die alle, wie lernen wir selbst, zusammenfügen, dann haben Sie eigentlich das, was viele Theorien erklären. Woran muss man denken? Der eine sagt, ich brauche Pausen, der andere sagt, ich brauche Wiederholung, ja? Das ist ja nichts anderes als das, was ein Vester oder wie viele Autoren auch immer, unter Lernbiologie dann zusammenfassen.«5

Zugegriffen wird auf die alltäglichen, berufs- und lebenspraktischen Erfahrungen der Teilnehmenden. Es geht um die Frage, welche Bedingungen für das eigene Lernen als förderlich erlebt werden (»Überlegt euch mal…«). Begründet wird dieses Vorgehen damit, dass die Teilnehmenden zum größten Teil selbst dazu in der Lage sind, das Wissen über erfolgreiche Bedingungen des Lernens zu erzeugen. Wissenschaftliches beziehungsweise wissenschaftlich geprägtes Wissen wird von der Lehrkraft allenfalls dazu herangezogen, die geäußerten Erfahrungen der Teilnehmenden zu systematisieren und etwas zu ergänzen. Das Thema wird größtenteils auf der Grundlage der vorhergehenden Erfahrungen und auch (Vor-)Urteile bearbeitet. Eine Irritation durch Wissenschaft ist nicht gewollt und findet nicht statt.

Erfahrungsorientierung ist zweifellos ein zentrales didaktisches Prinzip der Weiterbildung. Es geht darum, an den Erfahrungen, Deutungen und Einstellungen der Teilnehmenden anzuknüpfen. Eine solche Orientierung kann aber dazu tendieren, dass der Lehrinhalt allein auf der Grundlage der Erfahrungen der Teilnehmenden bearbeitet wird und es dabei in erster Linie auf die situative Stimmigkeit, zum Beispiel im Kurs, ankommt. Dann wird eine Auseinandersetzung mit »objektivem«, wissenschaftsbezogenem Wissen verhindert, die dazu führen kann, dass bereits Gewusstes problematisiert wird und alternative Interpretationen entwickelt werden. Dies wiederum ermöglicht aber erst, dass das lebensweltliche Erfahren der Lernenden überschritten und in ein systematischeres Verstehen überführt werden kann.

 

Zwischen individualisierendem und strukturellem Umgang

Ein weiteres Spannungsverhältnis wird durch die beiden Pole eines individualisierenden und eines strukturellen Umgangs mit Wissen aufgespannt. In einem individualisierenden Umgang wird der Kursgegenstand vor allem als ein individuelles Problem thematisiert. Ein solcher Umgang zeigt sich beispielsweise in Kursangeboten häufig, in denen es um das Thema Zeit geht (vgl. Bachmayer & Faulstich 2002, S. 42 f.). Veranstaltungen zum Zeitmanagement haben in der Weiterbildung immer noch eine hohe Relevanz. Dabei wird Zeit individualisierend in erster Linie als ein individuelles Problem diskutiert. Ein solcher Umgang mit dem Zeitproblem lastet es dem Einzelnen an, mit dem Zeitstress zurechtzukommen. In Zeitmanagement-Seminaren werden entsprechend Effizienzstrategien trainiert, um zum Beispiel Prioritäten zu setzen, Zeitdiebe zu identifizieren und den Einsatz der Zeitressourcen zu optimieren. Dies läuft darauf hinaus, dass Ratgeber-Wissen genutzt wird (Prioritätensetzung, ABC-Analyse, ALPEN-Methoden etc.) und daraus Effizienzmittel und -prinzipien abgeleitet werden (Verwendung von Timer, Organizer etc.).

In einer strukturellen Thematisierung – wiederum am Beispiel Zeit – werden stärker gesellschaftliche Dimensionen, also die Kontexte der Zeitproblematik fokussiert, welche den individuellen Umgang mit Zeit rahmen. Es werden beispielsweise Fragen nach den organisationalen und betrieblichen Bedingungen gestellt, oder es wird gar versucht, das Zeitproblem in seinen philosophischen, historischen und kulturellen Dimensionen zu begreifen. Zeit wird damit auch als gesellschaftliches Problem thematisiert. Diskutiert werden auch mögliche Veränderungen des strukturellen und organisatorischen Rahmens der Zeitproblematik.

Auch die beiden Pole individuell versus strukturell schließen sich nicht aus, können aber in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen: In einer stärker individualisierenden Thematisierung lassen sich die individuellen Herausforderungen und Problemstellungen detailliert aufschlüsseln. Auf dieser Grundlage können Ansätze für einen angemessenen Umgang mit diesen diskutiert werden. Dabei besteht aber die Gefahr, dass die kontextuellen Bedingungen verschiedenster Art, die die Problemstellungen beeinflussen oder hervorrufen, ausgeklammert und nicht reflektiert werden. Auf der anderen Seite bleibt eine Reflexion der Rahmungen wirkungslos, wenn die eigenen Fragen nicht aufgeklärt werden und so der eigene Alltag nicht erreicht wird.

Zwischen sach- und methodenbezogenem Umgang

Ein viertes Spannungsverhältnis wird durch die beiden Pole sach- versus methodenbezogen aufgespannt. In einer Sachorientierung wird das Problem didaktischer Planung primär als ein inhaltliches Problem bestimmt. Es geht um die Auswahl, Strukturierung und Vermittlung von Inhalten. Gefragt wird allgemein nach dem Bildungsgehalt der Lehrinhalte, spezieller zum Beispiel nach ihrer Struktur und ihren Regeln, der Wissenschaftlichkeit sowie nach ihrer möglichen Zukunftsbedeutung für die Teilnehmenden. In einer Methodenorientierung werden verstärkt Methodenaspekte fokussiert. Im Mittelpunkt stehen Fragen beispielsweise nach der medialen Unterstützung des Lernens, nach dem Einsatz von Methoden, nach der sozialen Interaktion im Lehr-Lern-Geschehen oder nach Möglichkeiten der Überprüfung des Lernerfolgs.

Empirisch zeigt sich oft, dass Erwägungen der Lehrkräfte, die sich auf den Einsatz von Methoden und Medien im Kurs beziehen, die Bestimmung von Inhalten und den Umgang mit Wissen wesentlich beeinflussen (vgl. Haberzeth 2010, S. 218 ff.). Geht es daher um die Nutzung von Wissen, ist »die Sache«, also die Bedeutung, der Wahrheitsgehalt, die Struktur etc. des Wissens nicht das alleinige Kriterium für dessen Nutzung. Vielmehr werden Methodenfragen zu einem zentralen Relevanzkriterium des zu vermittelnden Wissens, genauer: Für dessen Auswahl und Nutzung wird die Frage relevant, welche methodischen und medialen Optionen mit dem Wissen verbunden werden können. Die Bestimmung von Inhalten wird von den Lehrenden wesentlich in Abhängigkeit von Methoden gedacht (etwa: »Bietet mir das Wissen visualisierbare und herzeigbare Modelle?«, »Kann ich das Wissen selbst in Gruppenarbeit erarbeiten lassen?«, »Lässt sich aus ihm unproblematisch eine Powerpoint-Präsentation erstellen?«). Methodenfragen werden also nicht nachgelagert gestellt, sondern laufen parallel beziehungsweise können beim Zugriff auf Wissen auch in den Vordergrund treten. So kann es dazu kommen, dass die verstehende Auseinandersetzung mit (wissenschaftlichem) Wissen stark verdrängt oder überformt wird von Methodenerwägungen, zum Beispiel die Teilnehmenden spielerisch zu beschäftigen oder mit ihnen zu üben, obwohl es von der Sache her und deren Aneignung eigentlich gar nicht geboten ist.

Ein starker Sachbezug kann dazu führen, dass die vielfältigen Lehrmethoden der Erwachsenenbildung ungenutzt bleiben, die den Teilnehmenden unterschiedliche Aneignungsformen der Inhalte ermöglichen, wie zum Beispiel eigenes Gestalten (Ausstellung, Wandzeitung etc.) oder simulatives Handeln (Planspiele, Rollenspiele etc.). Eine Vielfalt der Methoden kann aber die Lernmöglichkeiten verbessern. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass sich die Methodenfrage verselbstständigt und Didaktik wie Methodik zum Selbstzweck werden, ohne die Aneignung der Sache tatsächlich zu unterstützen. Eine zu starke Gewichtung des Methodischen kann dazu führen, dass die Auseinandersetzung mit der Sache verkürzt wird.

Reflexive Wissensvermittlung als Perspektive

Ausgangspunkt dieses Beitrags war die Frage, wie Lehrkräfte mit dem didaktischen Anspruch, wissenschaftliches Wissen und (berufs-)praktische Erfahrungen zu vermitteln, umgehen (können). Bezug genommen wurde auf eine empirische Studie, in der Lehrkräfte zu ihrem didaktischen Handeln befragt wurden. Empirisch zeigen sich unterschiedliche Vermittlungsstrategien von Wissen: zwischen reflexiven und instrumentellen, wissenschafts- und erfahrungsbezogenen, individualisierenden und strukturellen sowie sach- und methodenbezogenen Umgangsweisen. Es handelt sich um Spannungsverhältnisse, in denen sich die Lehrkräfte (unbewusst) bewegen und die die Vermittlungsaufgabe beeinflussen.


Abbildung 1: Dimensionen des didaktischen Umgangs mit Wissen

Überdenkt man vor dem Hintergrund der Empirie die Frage nach einem angemessenen Umgang mit der Vermittlungsaufgabe, wird deutlich, dass die Antwort darauf nicht bei den Extremen der Spannungsverhältnisse zu suchen ist. Starke Ausprägungen stehen in der Gefahr, durch die Betonung eines Zugriffs andere wesentliche Aspekte zu vernachlässigen, die den Teilnehmenden möglicherweise weiterführende Perspektiven, bezogen auf die Erschließung eines Themas, eröffnen würden:

Wird ein Thema zum Beispiel stark wissenschaftsbezogen thematisiert, geht es also um die Vermittlung systematisierten wissenschaftlichen Wissens, besteht die Gefahr, dass das Wissen ohne eine Anbindung an die individuellen Erfahrungen der Teilnehmenden in abstrakter Interpretation verharrt und damit ohne Bildungswirkungen bleibt. Dominiert hingegen ein Erfahrungsbezug, werden also die alltäglichen berufspraktischen Erfahrungen der Teilnehmenden thematisiert, kann es dazu kommen, dass das Kursthema allein auf der Grundlage dieser Erfahrungen bearbeitet wird und dass es dabei vor allem auf subjektive Plausibilität ankommt und das subjektiv Gewusste im Grunde lediglich bestätigt wird. Selbstverständlich kann ein kollegialer Austausch auch dazu führen, dass individuelle Erfahrungen hinterfragt und überschritten werden.

Anhand dieses Verhältnisses lässt sich einerseits auf das Potenzial wissenschaftlichen Wissens verweisen, das darin besteht, berufliche Handlungsroutinen zu problematisieren und alternative Wege aufzuzeigen. Durch die Auseinandersetzung mit Wissenschaftswissen kann das eigene berufs- und lebenspraktische Erfahren überschritten und in ein systematischeres Begreifen überführt werden. Andererseits macht das Spannungsverhältnis auch darauf aufmerksam, den Rückbezug der Adressaten auf die eigene Erfahrung zu ermöglichen und ein Begreifen der Lehrinhalte nicht allein auf abstrakte wissenschaftliche Interpretationen zu reduzieren.

Lernangebote, in denen das Kursthema eher instrumentell thematisiert wird, können Möglichkeiten eines geordneten Umgangs mit den eigenen beruflichen Handlungsproblemen aufzeigen. Den Lehrenden muss aber auch bewusst sein, dass das Handlungsproblem in solchen Angeboten oft eng geführt wird. Vielfältige weitere Aspekte und Bedingungen bleiben ausgespart. Der Versuch hingegen eines reflexiven Begreifens, in dem zum Beispiel die Sicht auf das Problem selbst problematisiert wird, kann Verengungen eines instrumentellen Zugriffs vermeiden und möglicherweise kreative Ideen generieren.

In Hinblick auf die Aufgabe, wissenschaftliches Wissen und (berufs-)praktisches Erfahrungswissen zu vermitteln, kann das oben vorgestellte Spannungsfeld als ein Reflexionsrahmen für Lehrende genutzt werden: Es spannt einen Horizont bezogen darauf auf, wie mit der Vermittlungsaufgabe umgegangen werden kann, welche Faktoren den Umgang mit dieser Aufgabe beeinflussen und welche Strategien dabei zum Tragen kommen können. Der eigene Umgang mit dieser Aufgabe lässt sich anhand dieses Felds diskutieren, einordnen und kritisch überprüfen. Dadurch eröffnet sich möglicherweise eine differenziertere Sicht auf das Problem, und alternative Umgangsweisen im Sinne einer reflexiven Wissensvermittlung werden denkbar. Ein reflektierter Umgang mit Wissen ist wesentlicher Bestandteil der Lehrkompetenz. Entsprechend könnte der Reflexionsrahmen auch in die Aus- und Weiterbildung professionellen Weiterbildungspersonals einbezogen werden.

Um die wissenschaftliche Weiterbildung zu profilieren, ist der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit und der Eigensinn von Wissenschaft in der herausfordernden Vermittlungsarbeit aufrechtzuerhalten und zu stärken. Gleichzeitig muss das besondere Potenzial berufspraktischen Wissens und der entsprechenden Kompetenzen anerkannt und genutzt werden. Es gilt, gegenüber Teilnehmenden die Rationalitäten und Leistungsfähigkeiten beider Wissensformen transparent zu machen und zur Diskussion zu stellen und somit eine produktive Verbindung zu ermöglichen.