Heliosphere 2265 - Der komplette Fraktal-Zyklus

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Forschungsstation CAVE, Kuiper-Gürtel, Sol-System, 02. Februar 2266, 19:45 Uhr

Admiral Juri Michalew starrte auf seine Konsole. Die Nachricht war bereit, versendet zu werden. Sie enthielt nur einen Satz, der niemandem, der sie abfangen würde, von Nutzen sein konnte. Doch jene Männer und Frauen, die seit Jahren auf diesen Moment warteten, wussten, was zu tun war. »Ich hätte darauf verzichtet, weißt du. Alles, was ich immer wollte, war eine sichere Solare Union, die nach außen hin geschlossen auftritt und im Inneren Stärke beweist.«

»Ich weiß«, sagte sein Besucher. »Aber jetzt ist der Punkt gekommen, auf den du gewartet hast, Juri. Meine Leute sind auf deiner Seite, es ist deine Entscheidung.«

Juri Michalew wandte sich um. Michael Furlan saß in einem der Konturensessel und blickte ihm gelassen entgegen.

»Das musst du mir nicht sagen«, entgegnete Juri. »Ich habe dich rekrutiert.«

»Und du hast gut daran getan«, sagte der Innenminister. »Wenn ich damals nicht gehandelt hätte, als diese Ishida deine Klüngelei hat auffliegen lassen, wärst du längst Geschichte.«

Juri winkte ab. »Ich weiß, ich weiß. Und meine Dankbarkeit hat dir so manche Tür geöffnet. Immerhin bist du heute Innenminister. Wer kann das in diesem Alter schon von sich sagen?«

»Wenn du diese Taste betätigst, ist mein jetziger Job nichts mehr wert.« Bei diesen Worten deutete Michael auf die Konsole. »Es ist deine Entscheidung, war es immer. Ich hoffe, du hast wirklich alles genau durchdacht.«

Juri schlug mit der flachen Hand auf die Lehne seines Konturensessels. »Das habe ich seit Jahren.« Er wurde wieder ruhig. »Und doch hätte ich darauf verzichtet. In einer Situation wie dieser benötigen wir Stabilität. Aber die Regierung erweist sich erneut als unfähig und verlogen. Ich weiß von den geheimen Flottenbasen und Militärstützpunkten. Wir könnten die Parliden in einem Handstreich vernichten. Stattdessen zieht Kartess es in die Länge, schlägt sich mit dem Finanzminister herum und will 'auf Nummer sicher' gehen. Wenn ich das weiter zulasse, stecken wir in wenigen Monaten selbst in diesen Rüstungen und dienen den Parliden als Sklaven!«

Michael zuckte mit den Schultern. »Die Bomben sind platziert und die Attentäter stehen bereit.«

»Ich hoffe, sie sind fähiger als der, der Walker ausschalten sollte. Ich konnte diese blauäugigen Killer noch nie leiden.« Alle Auftragsmörder, die Teil des Ketaria-Bundes waren, besaßen das gleiche Merkmal: stahlblaue Augen. Bisher war es noch niemandem gelungen, die Basis dieser Assassinen zu finden; viele vermuteten, dass sie sich im Eriin-Bund versteckten. Andere sprachen von einer Mini-Gesellschaft aus genmodifizierten Killern, die auf einer Raumstation hausten. Das Meiste waren Gerüchte.

»Ich gebe zu, sie sind mir auch unheimlich. Aber in der Regel arbeiten sie effektiv. Es konnte ja kein Mensch ahnen, dass dieser Alpha 365 dazwischenkommt.«

»Aber der Lieutenant stellt ja glücklicherweise keine Gefahr mehr dar. Er liegt im künstlichen Koma, während die HYPERION ihn in meine Arme trägt.«

»Also, wie entscheidest du dich?« Michael nippte an einem altmodischen Kaffee.

Juri drehte sich wieder zu seiner Konsole. Mit einem grimmigen Lächeln berührte er den Touch-Screen. Innerhalb von Sekunden jagte die Nachricht über den Phasenfunk davon und leitete unaufhaltbar das Chaos ein.

*

Epilog

02. Februar 2266

Tag 1

Lächelnd lehnte er sich zurück und genoss den Moment des Triumphes. Was gab es Schöneres, als die Früchte jahrelanger Arbeit zu ernten?

Michalew handelte endlich! Damit hatten sich all die Mühen gelohnt. Der kleine Hardliner, der an seinen Fäden hing und wie eine Marionette alles tat, was er tun sollte, verhalf ihm also tatsächlich zum Sieg.

Ein Signalton erklang.

Er warf einen Blick auf den Monitor und erkannte Doktor Florian von Ardenne.

»Treten Sie ein, Doktor«, begrüßte er den Verbündeten. »Etwas zu trinken?«

Der Wissenschaftler verneinte. »Ich muss gleich wieder zurück, bevor Michalew mich vermisst.«

»Ach was.« Er winkte ab. »Setzen Sie sich. Der gute Admiral wird in den nächsten Tagen nicht einen Gedanken an Sie verschwenden.«

Von Ardenne ließ sich, wenn auch etwas widerwillig, in den Konturensessel sinken. Mit zittrigen Fingern legte er eine kleine Ampulle auf den Schreibtisch.

»Das ist es also?«

Der Wissenschaftler bejahte. »Wie abgesprochen habe ich es zurückgehalten.«

Er nahm die Ampulle auf, in der eine schwarze Flüssigkeit schwappte. »Damit kann man also die Parlidenrüstung auflösen und den darin gefangenen Menschen befreien? Sie sind ein Genie, daran besteht kein Zweifel.«

In untypisch zurückhaltender Weise wehrte von Ardenne das Kompliment ab. »Genau genommen befand sich das Mittel die gesamte Zeit vor unserer Nase.

Es hat sich herausgestellt, dass diese Naniten auf der Parlidenrüstung klebten, die Captain Cross aus dem Elnath-System mitbrachte. Scheinbar hat dieses ominöse Artefakt versucht, die gefangenen Menschen von der Sklavenrüstung zu befreien. Wir glauben, dass die Rüstungen an Bord jenes Schiffes, auf das die HYPERION im Orbit traf, ihre Träger töteten, als dieses Lösungsmittel aktiv wurde.«

»Würde man den Stasetank, der sich auf der CAVE-Forschungsstation befindet, also abschalten, würde sich die Rüstung auflösen?«

Von Ardenne bejahte. »Wenn wir den neuralen Interface-Chip mit einem gerichteten EMP deaktivieren, kann die Rüstung ihren Träger nicht mehr töten.

Normalerweise würde er dann ersticken. Doch wenn gleichzeitig die Naniten aktiv werden, wird die Sklavenrüstung zersetzt.«

»Und der gefangene Mensch ist befreit. Das sind ausgezeichnete Neuigkeiten, die zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht bekannt werden dürfen.«

»Das ist mir klar. Es würde Ihre Pläne zerstören.«

»Mitnichten«, entgegnete er dem Wissenschaftler. »Michalew kann nicht mehr zurück. Er hat sein Schicksal besiegelt.«

Von Ardenne wurde bleich. »Es beginnt? Wann?«

»Oh, mein lieber Doktor, der Admiral hat vor wenigen Minuten den großen roten Knopf gedrückt.«

Der Wissenschaftler schwieg. Als er die Tragweite dieses Satzes begriff, sprang er auf. »Dann sollte ich schnellstmöglich zurückkehren. Das Reisen ist bald nicht mehr sicher.«

»Tun Sie das.«

Von Ardenne schaute ihn noch kurz an, nickte abgehackt und verließ den Raum.

Bereits zwanzig Minuten später unterbrachen die Nachrichtenkanäle ihr Programm für eine Sondersendung. Eine Bombe hatte den Flugwagen von Trevor Holden, dem Finanzminister, zerfetzt. Die Überreste des Ministers, seines Sekretärs und der Leibwache verteilten sich innerhalb von Sekunden in einer dunklen Wolke über Paris.

Admiral Björn Sjöberg erhob sich und lachte schallend, während er den Ton des Nachrichten-Feeds deaktivierte. Ein klassisches Musikstück war der Würde des Moments eher angemessen. Zu den Klängen von Beethovens 9. Symphonie griff er nach einer Flasche achtzig Jahre alten Whiskeys, brach das Etikett und goss sich zwei Fingerbreit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit in ein Glas.

All die Jahre hatten also tatsächlich etwas gebracht. Es hatte Zeiten gegeben, in denen er an sich selbst gezweifelt hatte – nicht viele natürlich. Es hatte ihn Mühe gekostet, die Maske des aufrechten Admirals zu tragen. Gerade gegenüber Santana Pendergast hätte er sich ein ums andere Mal beinahe verraten. Doch sein kontinuierliches Vorgehen gegen Vetternwirtschaft und Klüngelei, gegen die Hardliner von Michalew, hatte sich ausgezahlt.

Während er auf der einen Seite geheimes Material an einen Erzfeind, den er selbst erschaffen hatte, weiterleitete, hatte er auf der anderen gegen ihn gekämpft. Die Öffentlichkeit sah in ihm den pflichtbewussten Admiral, den loyalen Offizier, den Verfechter der Demokratie. Wenn die Sache mit den Parliden, und im speziellen seiner Frau, bekannt wurde, würde er noch einmal Sympathie hinzugewinnen.

Juri Michalew hatte nie begriffen, dass man nur gewinnen konnte, wenn man aus dem Hintergrund agierte. Die Galionsfiguren trugen das Fadenkreuz auf der Stirn, die Puppenspieler strichen den Gewinn ein. Alles was man tun musste, war dem Feind etwas zu geben, worauf er sein Augenmerk richten konnte. Und schon blicken sie alle in die falsche Richtung.

In Gedanken überflog er die vielen Stationen, an denen er den Weg Michalews beeinflusst hatte, um ihn zu dem zu machen, was er heute war. Und natürlich das HYPERION-Projekt, sein Meisterstück. Er würde seinen Leuten noch einmal einbläuen müssen, den guten Juri nicht zu liquidieren. Dieses Vergnügen wollte er selbst genießen. Er wollte in die Augen von Juri Michalew blicken, wenn dieser begriff, dass er nicht mehr war als ein minderwertiger Bauer im Schachspiel eines wahren Meisters. Am Ende würde er ihm natürlich einen Pulserschuss in die Stirn jagen, genau wie der lieben Präsidentin, Ione Kartess. Doch sie benötigte er vorher noch.

Einstweilen konnte er sich zurücklehnen und Michalew das Morden überlassen. Sollte der Admiral so viel Chaos verbreiten, wie es nur möglich war. Umso aufgeschlossener würde Kartess für Björns Vorschlag sein.

Er nahm einen Schluck Whiskey, ließ die Flüssigkeit einige Sekunden auf der Zunge wirken, damit das torfige Aroma sich ausbreiten konnte, bevor sie feurig seine Kehle hinabrann.

In Gedanken kehrte er zu seinen größten Momenten zurück. Wie Perlen an einer Schnur materialisierten sie in seinem Geist.

Das Erios-Virus 2238. Die konstruierten Angriffe des Eriin-Bundes auf die Tenkos-Kolonie 2244. Ishidas Aufdeckung von Michalews Flottennetzwerk 2259. Der Angriff des Eriin-Bundes auf die Kolonie Tikara II – der ihn eine ganze Stange Geld gekostet hatte –, wodurch der Kriegsheld Jayden Cross geboren wurde. Und schließlich die Auswahl der Besatzung des HYPERION-Projektes 2265, deren gemeinsamer Nenner noch von niemandem entdeckt worden war.

 

Ein Signal machte ihn auf eine Prioritätsnachricht von Admiral Yoshio Zhang aufmerksam. Zweifellos wollte die Admiralität eine Sondersitzung abhalten – wo Michalews Attentäter zuschlagen würden. Björn fletschte die Zähne und lehnte sich zurück. Er war für niemanden zu sprechen.

Lassen wir die Pulserschüsse fliegen. Er genoss den Moment der stillen Macht. Wenn das Chaos am größten ist, kommt der Retter, komme ich – und bringe das Ende.

Ende des 3. Teils

IV

Das Gesicht des Verrats

Sol-System, Sol-22 im Orbit um Neptun, 2. Februar 2266, 21:30 Uhr

Tag 1

»Wie zur Hölle konnte das passieren?!« Admiral Yoshio Zhang stürmte wütend in den Konferenzraum. Ein Blick in die Runde machte deutlich, dass einige seiner Kollegen noch nicht eingetroffen waren. Die unbesetzten Plätze gehörten Michalew und Sjöberg, während Pendergast und Jansen sich lediglich per Holo-Chair zugeschaltet hatten. »Sagen Sie mir bitte, dass die Presse hier einem Irrtum erlegen ist!«

Mit wenigen Schritten erreichte er seinen Platz am Kopfende des Tisches.

»Die uns vorliegenden Informationen sind widersprüchlich«, sagte Admiral Isa Jansen. Sie befand sich zurzeit auf der Erde, um als Schnittstelle zur Präsidentin zu fungieren. Sie wirkte müde und angeschlagen, der Stress machte vor niemandem halt. »Aber es steht zweifelsfrei fest, dass eine ferngezündete Bombe den Flugwagen des Finanzministers zerfetzt hat. Der Minister, sein Assistent und die Leibwächter sind tot. Das Signal konnte zu einer Sensoreinheit aus den Beständen der Space Navy zurückverfolgt werden.«

»So eine verdammte Scheiße!« Yoshio schmetterte seine geballte Rechte auf die Tischplatte. Er versuchte, sich zu beruhigen. »Wie geht die Präsidentin damit um?«

»Sie hat ihr eisernes Lächeln aufgesetzt und verteilt Befehle. Ihre Leibwache wurde aufgestockt, der Palast gleicht einer Festung.« Isa Jansen wandte sich um, richtete ihr Augenmerk auf jemanden außerhalb des Erfassungsbereichs und nickte. »Ich muss zurück, die Sitzung geht weiter. Ich halte Sie auf dem Laufenden, Sir.«

»Gehen Sie nur.« Die Verbindung erlosch. »Wir müssen umgehend eine interne Ermittlungskommission einsetzen. Der Militärische Abschirmdienst soll sich darum kümmern.« Admiral Prince nickte abgehackt und gab parallel entsprechende Anweisungen in seine Konsole ein. »Ich fürchte, uns stehen spannende Zeiten bevor.« Yoshio wandte sich Santana Pendergast zu. »Wie reagiert die Heimatflotte?«

Die dunkelhaarige Admiralin erwiderte seinen Blick gelassen. »Gerüchte machen die Runde, bisher ist die Moral jedoch ungebrochen. Trevor Holden war ein Minister unter vielen und als Finanzminister obendrein nicht unbedingt beliebt. Die meisten gehen von einem Attentat rechtsgerichteter Kräfte aus, die versuchen, es der Space Navy in die Schuhe zu schieben.«

»Hoffen wir, dass sie damit Recht haben.« Yoshio rief ein paar Daten ab. »Bereiten Sie die Heimatflotte auf eine Verlegung vor.«

»Sir?«

»Es würde mich nicht wundern, wenn Ione Kartess die Flotte ein wenig … abseits positioniert. Vergessen Sie nicht: Innerhalb des Sol-Systems sind wir für die Außenverteidigung zuständig. Wenn jemand die momentane Schwäche der Regierung ausnutzt, müssen wir gewappnet und gut aufgestellt sein.«

»Verstanden, Sir.« Pendergast unterbrach die Verbindung, ihr Abbild erlosch.

»Als Nächstes …« Das Schott glitt zur Seite. »Ich habe doch Anweisung gegeben, dass wir nicht gestört werden wollen!«

Eine Gruppe, bestehend aus zwei Frauen und einem Mann trat ein. Sie alle trugen Uniformen der Space Navy, obwohl Yoshio ihre Gesichter nicht zuordnen konnte.

»Was gibt es denn?« Er warf den Dreien nacheinander durchdringende Blicke zu, die er sich normalerweise für Untergebene aufsparte, die seine Zeit sinnlos vergeudeten.

Keiner der Offiziere antwortete. Stattdessen sagte der Mann zu seinen beiden Begleiterinnen: »Sjöberg, Pendergast und Jansen fehlen.«

»Ich leite die Information weiter.« Eine der Frauen begann damit, bedächtig in ihren Hand-Com zu sprechen.

»Was, verdammt noch mal, soll das?!« Yoshio sprang auf.

Die Drei betätigten synchron ein Symbol auf ihrem Hand-Com, worauf sich die Farbe ihrer Augen änderte. Noch während er sich fragte, warum sie altmodische Kontaktlinsen trugen und diese nun deaktivierten, begann er zu begreifen.

Alle drei besaßen eine tiefblaue Iris.

»Oh Gott«, sagte irgendjemand.

Die Eindringlinge in Uniform zogen ihre Pulser, die sie laut Vorschrift auf der Station gar nicht tragen durften, legten an und betätigten die Auslöser.

Energetisch geladene Partikelpulse schossen durch den Raum und löschten zielsicher jedes Leben aus. Als die übrigen Admiräle tot in ihren Sitzen hingen und Yoshio als Einziger noch stand, begriff er, dass es sich bei dem Tod des Finanzministers keinesfalls um ein Einzelattentat gehandelt hatte. Seine Gedanken fokussierten sich zielsicher auf einen Mann: Admiral Juri Michalew.

Verdammter Dreckskerl.

Alle drei Assassinen, die er aufgrund ihrer blauen Augen dem Ketaria-Bund zuordnete, legten auf ihn an. Sie schenkten ihm ein Nicken zum Abschied, dann betätigten sie den Auslöser. Drei Energiesalven schlugen in seinen Oberkörper ein und löschten sein Denken für immer aus.

*

Admiral Juri Michalew nahm die Meldung seiner Assassinen wütend entgegen. Sie hatten wie erwartet gute Arbeit geleistet, doch eigentlich sollten Pendergast und Jansen auch an Bord von SOL-22 sein. Sjöberg war die Schnittstelle zur Regierung, doch der war unauffindbar, weshalb Jansen seinen Platz eingenommen hatte.

Juri lehnte sich in seinem Konturensessel zurück und atmete langsam ein und aus. Er konnte es selbst kaum fassen, dass er den großen roten Knopf tatsächlich betätigt hatte. Seine Leute, die er über die vergangenen Jahrzehnte positioniert hatte, wurden allesamt aktiv. Sie schalteten die Regierung und die Spitze der Space Navy aus. Die wichtigsten Posten fielen automatisch an seine Getreuen und damit einhergehend auch die Macht. Zuerst kam das Chaos, aus dem er dann eine neue Ordnung schaffen würde.

Michael Furlan, der Innenminister, versorgte ihn mit jenen Informationen aus dem inneren Kreis der Präsidentin, die Juri dringend benötigte. Bisher lief alles nach Plan – sah man von Pendergast und Jansen ab. Er beugte sich nach vorne, betätigte einige Icons auf seiner Konsole und sagte: »Gehen Sie über zu Phase 2.«

*

Präsidentin Ione Kartess starrte entgeistert auf ihren Adjutanten, der ihr die Neuigkeiten ins Ohr geflüstert hatte. »Ist das bestätigt?«

Er nickte.

»Meine Damen, meine Herren«, sagte die Präsidentin. »Es scheint, als habe es soeben ein weiteres Attentat gegeben. Der Rat der Admiralität wurde angegriffen.« Bei ihren Worten riss Isa Jansen, die zierliche blonde Offizierin, entsetzt die Augen auf. »Laut den mir vorliegenden Informationen kamen dabei alle Admiräle, die sich auf SOL-22 befanden, ums Leben – die Stationssicherheit fand sie tot im Konferenzraum. Gleichzeitig kam es zu Attentaten auf anderen Welten der Solaren Union. Wir haben es hier mit etwas weitaus Größerem zu tun, als bisher angenommen.«

Jansen starrte sie mit offenem Mund an, nicht in der Lage zu begreifen, was gerade geschehen war.

Und wer kann es ihr verdenken? Ich hätte das ja selbst nicht für möglich gehalten. Sie schüttelte fassungslos den Kopf. Dafür ist Michalew verantwortlich, eine andere Erklärung gibt es nicht. Das muss von langer Hand vorbereitet worden sein.

»Wer hat überlebt?«, fragte Verteidigungsminister Collin O'Sullivan kreidebleich. »Yoshio?«

Ione schüttelte den Kopf. »Admiral Jansen befand sich ja glücklicherweise in unserer Runde.« Dabei deutete sie auf die Blonde. »Santana Pendergast befehligt die Heimatflotte und war nur als Hologramm zugeschaltet, bevor das Attentat stattfand. Die Admiräle Sjöberg und Michalew sind unauffindbar.«

»Michalew«, echote O'Sullivan. »Das trägt seine Handschrift.«

»Halten wir uns mit vorschnellen Verdächtigungen zurück«, warf Innenminister Michael Furlan ein. »Bisher gibt es keine Beweise für eine Beteiligung des Admirals. Wir benötigen Fakten, um dieses Problem in den Griff zu bekommen.«

»Und dafür müssen wir das Chaos erst einmal beseitigen«, sagte Ione entschieden. Alle Augen richteten sich auf sie. Sie lehnte sich kurz zurück und überdachte die Optionen. »Collin, verlegen Sie die Flotte an den Rand des Systems.«

»Aber Madame Präsident …«

Sie ließ ihn nicht aussprechen. »Der Verantwortliche für diese Geschichte benötigt nur einen Vertrauten auf einem Schiff hinter der Waffenkonsole, um uns alle ins Nirwana zu blasen. Das ist kein Risiko, dass ich eingehen werde. Die Space Navy verteidigt uns nach außen, die Polizeikräfte im Inneren. Und einstweilen will ich jedes Raumschiff außerhalb der Waffenreichweite eines Planeten wissen.«

»Verstanden.«

»Michael«, sie wandte sich an den Innenminister: »Ab sofort steht die Solare Union unter Kriegsrecht. Kommunizieren Sie das an die Kolonien.«

Die Ministerin für Öffentliche Information war die Letzte im Bunde. »Svea, erklären Sie der Presse, dass radikale Kräfte versuchen, die Regierung zu destabilisieren. Wir benötigen die Unterstützung der Medien in dieser Sache, die dürfen die Panik nicht noch weiter schüren.«

Ein Blick auf ihren Sicherheitsberater ließ sie hinzufügen: »Das war bis zur Lösung dieses Problems unsere letzte persönliche Zusammenkunft. Sie werden alle mit ihren Familien an sichere Orte gebracht, damit wir kein gemeinsames Ziel mehr abgeben. Wir bleiben per Holo-Verbindung in Kontakt.«

Sie beendete die Sitzung. Nach und nach verließen alle den Raum, bis Ione allein zurückblieb. Während sie schwer einatmete, blickte sie durch das Panoramafenster auf die Stadt. Sie hatte Michalew unterschätzt und zahlte nun den Preis dafür. Es blieb zu hoffen, dass nicht die gesamte Solare Union wegen ihres Fehlers zur Hölle fuhr.

*