Musikeinsatz im Französischunterricht

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II. Der Musikeinsatz im Französischunterricht im Rahmen der neusprachlichen Reformbewegung
II. 1 Die Hochzeit der Grammatik-Übersetzungs-Methode und die Folgen für den Musikeinsatz

Der Einsatz von musischen Elementen im Französischunterricht wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts zugunsten der Grammatik-Übersetzungs-Methode weitgehend zurückgedrängt, wobei die zentrale Bedeutung der Grammatik durch die formale Bildungstheorie gerechtfertigt wurde.1 Parallel dazu etablierte sich im Gegensatz zum holistischen Einsprachigkeitsprinzip bei den Philanthropen2 und den Grammaires des Dames3 eine konsequente Zweisprachigkeit. Das zeigte sich im zeitgenössischen Französischunterricht darin, dass hauptsächlich übersetzt wurde. Marcus Reinfried fasst dieses Spannungsfeld folgendermaßen zusammen:

Das methodische Spektrum zwischen der kognitiven Durchdringung der Zielsprache und der ganzheitlichen Sprachpräsentation konstituierte sich nun in einer neuen Weise: Die synthetische Grammatik-Übersetzungsmethode, die es bereits in vorangegangenen Jahrhunderten gegeben hatte, bildete nach wie vor (in verbesserter Form) den einen Eckpfeiler des Spektrums. Die sogenannte „analytische Methode“, eine streng wörtliche Übersetzungsmethode, bildete nun den neuen Eckpfeiler; sie steht in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland für den ganzheitlichen Pol beim schulischen Fremdsprachenlernen.4

Die beiden bekanntesten Vertreter der synthetischen Grammatik-Übersetzungs-Methode waren die beiden Lehrwerkautoren Johann Valentin Meidinger5 und Carl Ploetz.6 Diese Methode kann als klassisch-deduktiv7 bezeichnet werden und arbeitet vor allem mit Einzelsätzen. Im Gegensatz zu Meidinger führte Ploetz bereits im frühen Anfangsunterricht Sätze in der Zielsprache sowie Übersetzungen vom Französischen ins Deutsche ein. Ploetz folgte dem didaktischen Grundsatz vom Einfachen zum Komplexen, der das Prinzip Vom Eigenen zum Fremden ergänzt.8 Dadurch ergibt sich eine didaktische Progression der Lernziele, wobei Ploetz auch die Aussprache9 unter seinen Grammatikregeln berücksichtigte. Demgegenüber war die „analytische“10 Übersetzungsmethode von James Hamilton11 und Joseph Jacotot12 holistisch, nutzte authentische Texte und folgte einer intuitiven Lernkonzeption:13

Cette méthode est – avant tout dans l’enseignement de départ – déductive, atomiste, et utilise majoritairement des phrases indépendantes. À l’opposé, la méthode de traduction dite analytique d’Hamilton qui a trouvé un grand écho en Allemagne est de type holistique; elle repose sur une conception d’acquisition intuitive et fait usage de textes authentiques.14

Abb. 12:

Charles TOUSSAINT / Johann Gustav Ludwig LANGENSCHEIDT, Methode Toussaint-Langenscheidt. Brieflicher Sprach- (und Sprech-) Unterricht für das Selbststudium der französischen Sprache. Berlin: Langenscheidt 1903, S. 34.

Ihre methodischen Konzeptionen, die beide Autoren unabhängig voneinander entwickelten, wurden als Variationen ein und derselben Methode angesehen. Das trifft vor allem für den Elementarunterricht zu. Hier wurden von Anfang an längere authentische Texte übersetzt. Die Übersetzungen erfolgten satz- oder abschnittsweise sowohl von der Fremdsprache in die Muttersprache (version) als auch von der Muttersprache in die Fremdsprache (thème). Diese Rückübersetzung (Retroversion) diente der häuslichen Nachbereitung der Schüler. Als Vorbild diente die Interlinearversion, wobei der französische Teil des Textes mithilfe eines Kartons abgedeckt und dann zeilenweise wieder aufgedeckt wurde. Diese Technik wurde auch in der Methode Toussaint-Langenscheidt15 angewendet. Im fortgeschrittenen Fremdsprachenunterricht vergrößern sich dann allerdings die Unterschiede zwischen Hamiltons und Jacotots Methode: Bei Jacotot läuft das Unterrichtsgespräch meist einsprachig und stärker inhaltsbezogen ab als bei Hamilton, wobei der Transfer zur Eigentätigkeit der Schüler eine wichtige Rolle spielt. Hamilton und Jacotot

beobachteten bei ihrer Methode den naturgemäßen Gang, wie der Fremde in einem fremden Lande oder die Kinder eine Sprache erlernen […], daß sie nämlich beide

1 dem Schüler gleich von Anfang an die Sprache als eine lebendige, Gedanken enthaltende vorführen, also lauter sprachganze Sätze geben, weil die Sprache eher als die Grammatik, das Concrete eher als die Abstraction, die Praxis eher als die Theorie ist; und daß sie

2 den Schüler die Gesetze der fremden Sprache möglichst selbständig erkennen und auffinden lassen, weil dieß für ihn […] förderlicher sei, als wenn er sich gleich von Anfang an mit dem abstracten Inhalte einer Grammatik herumzuschlagen habe und weil dadurch das ganze Verhältniß des Lehrers zu den Schülern heiterer, frischer und unmittelbarer werde.16

Unter den Schlagwörtern „Tout est dans tout: Toutes les intelligences sont égales“, „Tous les hommes ont une égale intelligence; tout homme a reçu de Dieu la faculté de pouvoir s’instruire“ erweiterte Jacotot seine zunächst nur auf den Leseunterricht in der Muttersprache („Langue maternelle“, 1823) konzipierten Unterricht auf andere Fächer wie Mathematik, Fremdsprachen („Langue étrangère“, 1829), Philosophie, Metaphysik und Musik:

De son chant. Un musicien parlerait de la mélodie des sons; un poète de la prosodie et des vers que chantait Calypso; un physiologiste examinerait si on chante avec un instrument à cordes, etc.

Un philologue dirait: il y a une édition de telle année où se trouve cette variante: Du doux dans sa voix, il y ajouterait mille conferatur, et il aurait le prix de quelque part.17

Muster, Ausgangspunkt und Ziel ist für Jacotot Fénélons Télémaque. Dabei

soll die erste Seite des Buches solange betrachtet, geübt und wiederholt werden, bis sie „unbewußtes Eigentum des Schülers geworden ist, ebenso soll das ganze Werk Kristallisationspunkt für das gesamte Wissen bilden nach dem Grundsatze „Apprends bien un livre et rapportes-y tous les autres.“18

Die methodischen Ansätze in den Lehrbüchern von Johann Heinrich Philipp Seidenstücker19 und Franz Ahn20 zeigen wie Ploetz eine schülergerechte grammatische Progression und favorisieren einen induktiven Grammatikunterricht. Beide Autoren befinden sich damit „zwischen dem ganzheitlichen und dem synthetischen Pol des Sprachenlernens“.21 Ahn plädiert wie die Philanthropen in den 1780er Jahren für eine Spracherlernung durch den Sprachgebrauch. Das Lernen von Regeln wird ausgeschlossen. Neben Übersetzungen sollen alle Grundfertigkeiten berücksichtigt werden. In seinem Praktischen Lehrgang, der in den Jahren 1834 und 1839 erschien, bietet Ahn

kleine Lektionen mit je einer neuen Regel und wenigen Vokabeln; hieraus werden französische bzw. englische und deutsche Sätze geformt, die dem Leben entnommen sind; die sehr kurze Grammatik ist gesondert. Die Aussprache soll praktisch gelehrt werden; Regeln werden nicht gegeben, sondern am Schlusse eine Aussprachebezeichnung, die sich an die Schreibung anschließt. Im zweiten Teile haben wir eine zusammenhängende Geschichte, ferner kleine Beschreibungen, Briefe, Anekdoten in der fremden und in deutscher Sprache, auch Idiotismen und Redensarten.22

Ahn stellt im Vorwort des von ihm herausgegebenen Französischen Lesebuchs für Gymnasien und höhere Bürgerschulen23 die Grundsätze der didaktischen Progression vom Einfachen zum Komplexen sowie vom Leichteren zum Schwereren dar, wobei vor allem das letztere Prinzip dem Grundsatz Vom Eigenen zum Fremden entspricht.24 Es wird darauf hingewiesen, dass die

meisten bisher in Deutschland erschienenen französischen Chrestomathieen und Lesebücher[n] […] den Ansprüchen, welche man in unseren Tagen an solche Schriften zu machen berechtigt ist, keineswegs genügen können. Nicht nur ermangeln sie der unumgänglich nothwendigen Fortschreitung vom Leichteren zum Schwereren, sondern sie sind auch, mit wenigen Ausnahmen, aus unlauteren oder sehr dürftigen Quellen geschöpft und scheinen überhaupt, in Auswahl und Anordung, das Werk der Uebereilung und des bloßen Zufalls zu sein.25

Bei der Auswahl des Stoffes bietet Ahn in „drei verschiedenen Kursus“ zunächst Einzelsätze, die klassischen Schriftstellern gewidmet und nach den Hauptabschnitten der Sprachlehre geordnet sind. Darauf folgen Anekdoten und naturhistorische Stücke. Der zweite Kursus beginnt mit leichten Fabeln von Fénélon, Lesage, d’Antelmy sowie Voltaire und schließt mit kurzen, authentischen (literarischen) Briefen ab, z. B. von Rollin an Friedrich den Großen bei seiner Thronbesteigung. Der (komplexe) dritte Kursus umfasst erzählende, beschreibende, belehrende und rednerische Prosa. Das Lesebuch schließt mit einer 26-seitigen Poetischen Darstellung mit der Funktion eines Appendice, der einen Vorläufer des Anhangs mit Gedichten und Liedern darstellt, wie sie in den Französisch- und Englischlehrwerken ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts üblich waren. Die Gedichte und Fabeln werden nummeriert und mit dem deutschen Titel versehen. Darauf folgt der Text in der Fremdsprache. Neben Fabeln von Lafontaine wie Die Grille und die Ameise findet man Gedichte von Dubos, Legouvé, Chénedollé und anderen zeitgenössischen Autoren wie Delille26. Unter der Nummer 17. Die Macht des Gesanges wird auch der Bereich der Musik im Rahmen der Künste thematisiert:

 

Dans ses noirs ateliers, sous son toit solitaire,

Tu charmes le travail, tu distrais la misère.

Que fait le laboureur conduisant ses taureaux?

Que fait le vigneron sur ses brûlants coteaux?

Le mineur enfoncé sous ses voûtes profondes?

Le berger dans les champs, le nocher sur les ondes?

Le forgeron domptant les métaux enflammés?

Ils chantent, l’heure vole, et leurs maux sont charmés.27

Die acht abgedruckten Verse stellen einen Auszug und damit eine Didaktisierung des 27 Seiten umfassenden Gedichts L’imagination von Jacques Delille dar. Die oben genannten Beispiele zeigen, dass es zu Beginn des 19. Jahrhunderts einen methodischen Pluralismus gab, obwohl dieser Pluralismus eingeschränkt wurde durch die Tendenz zur Übersetzung. Nach dem Vorbild des Lateinunterrichts war der Trend zur synthetischen Grammatik-Übersetzungs-Methode besonders stark an den klassischen Gymnasien, an den Realgymnasien und teilweise an den neusprachlichen Oberrealschulen. An den Realschulen und teilweise auch an den höheren Mädchenschulen bildeten sich Ansätze zur direkten Methode heraus.28

II. 2 Wegbereiter der neusprachlichen Reformmethode an Real- und höheren Mädchenschulen
II. 2. 1 Ansätze zu einer naturgemäßen Methode unter Einbeziehung von Musik und ihre institutionelle Verankerung

Der genaue Ursprung des Ausdrucks direkte Methode liegt noch etwas im Dunkeln, obwohl die Bedeutung zumindest klar ist, dass dadurch der Umweg über die Muttersprache im Fremdsprachenunterricht vermieden werden sollte. Die erste Erwähnung dieses Fachbegriffs erfolgte 1874 in einer kaum bekannt gewordenen Dissertation.1

In den Veröffentlichungen der neusprachlichen Reformbewegung wird der Begriff selten verwendet.2 Entscheidend für die Ausbildung der neusprachlichen Reformbewegung als soziales Phänomen3 war ein Sprachlernkonzept, das seinen Schwerpunkt auf „äußere[n] Gründe[n] des praktischen Nutzens“4 legte. So wurde das Französische (erst) durch eine Ministerialverfügung vom 24. 10. 1837 zum verbindlichen Lehrgegenstand am Gymnasium in Preußen, an dem die klassischen Sprachen Latein und Griechisch dominierten.5 Anfangs beschränkte sich der Unterricht jedoch auf nur sechs Schuljahre mit jeweils zwei Wochenstunden.6

1859 erscheint das Französische erstmals (zugleich mit dem Englischen) offiziell als verbindliches Fach in der Unterrichts- und Prüfungsordnung der Real- und höheren Bürgerschulen, „nicht nur weil beide Sprachen als moderne Verkehrssprachen wichtig sind, sondern auch deshalb, weil beide Sprachen im Gebiete der Realwissenschaften eine reiche Literatur besitzen.“7 Im weiteren Verlauf der 1850er und 1860er Jahre stieg die Zahl der deutschen Realschulen, Oberrealschulen und Gymnasien, an denen der meiste Französisch- und Englischunterricht erteilt wurde.8 Nach und nach wurden die französischen Sprachmeister, die zwar für die Aussprache des Französischen gute Dienste leisteten, aber kein deutsches Staatsexamen vorweisen konnten, durch wissenschaftlich gebildete deutsche Theologen, Altphilologen9 oder Mathematiker ersetzt, „die zwar Disziplin und Methode hatten, […], denen es aber […] oft an den elementarsten Kenntnissen in ihrem Fache Französisch fehlte“.10 Um die Bildung des „Nachwuchses“ abzusichern, wurden an vielen Universitäten schließlich Lehrstühle für romanistische Philologie geschaffen.11 Das preußische Kultusministerium erweiterte die Zugangsberechtigung zum universitären Lehramtsstudium von den Absolventen der klassischen Gymnasien auf alle Abiturienten.12 So entstand eine neue Generation von Fremdsprachenlehrern, die sich über ihr neuphilologisches Studium definierten und neue Methoden für den neusprachlichen Unterricht der lebenden Fremdsprachen entwickelten.

Anstelle des Fachbegriffs direkte Methode wurde im 19. Jahrhundert häufiger von der imitativen, natürlichen oder analytischen Methode gesprochen.13 Bereits 1830 verwendeten Hamilton und Jacotot ein „analytisches“14 Unterrichtsverfahren. 1849 erhielt der Schweizer Professor für französische Literatur Charles Monnard, der seit 1846 den vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. angebotenen Lehrstuhl für romanische Sprachen und Literatur an der Universität Bonn innehatte, vom Minister von Ladenberg den Auftrag, den französischen Unterricht an den Gymnasien und Realschulen der preußischen Rheinprovinz zu evaluieren.15 Monnard setzte in seiner Untersuchung drei Schwerpunkte: Er wollte zuerst Probleme und Mängel bei der Durchführung des französischen Unterrichts erforschen, danach die Ursachen ermitteln, um schließlich Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Hauptkritikpunkt war dabei die Aussprache:

[…] pour ne citer que deux exemples, on entend trop habituellement le v prononcé comme f […] et l’s initial comme z. Si quelques-uns des maîtres prononcent bien et donnent, à cet égard, de bonnes directions, d’autres, en plus grand nombre, passent aux élèves bien des fautes ou même leur en font commettre. Beaucoup d’entre eux n’ont jamais été dans un pays français. Il y en a qui paraissent avoir entendu d’occasion des Français d’une classe peu cultivée et qui leur ont emprunté des habitudes étrangères au bon usage.16

Monnard führt sechs Ursachen für die kritisierten Mängel auf:

1 Der Unterricht wird zu spät begonnen und es werden ihm zu wenige Stunden eingeräumt, besonders in den unteren Klassen: „Tout sollicite de le commencer [le français, A. R.] en Ve après une année employée aux élémens du latin, avant de passer à ceux du grec.“17 Monnard forderte deshalb ein höheres Stundenvolumen: „On ne peut que se réjouir de la proposition faite dans la conférence à Berlin d’accorder au français quatre heures par semaine en Ve et en IVe.“18

2 Die unteren Klassen sind „trop nombreuses pour les exercices élémentaires“.19 Im katholischen Gymnasium zu Köln wurden deshalb die unteren Klassen in zwei Parallelgruppen aufgeteilt.

3 Die Schüler sollen nur den Wortschatz lernen, die zur Lektüre notwendig sind [sic], und nicht nur „de s’approprier un petit manuel lexique“, sondern den Wortschatz in einer Kommunikationssituation durch Redemittel adäquat anwenden „pour se tirer d’affaire dans le monde“.20

4 Die Unterrichtsmethode, „c’est la méthode trop peu pratique de l’enseignement.“ Die Lehrer verlieren sich oft in grammatischen Spitzfindigkeiten: „La langue française, dans les gymnases particulièrement, n’est pas destinée à servir d’instrument pour cette éducation intellectuelle à laquelle sert si admirablement l’étude approfondie de l’organisme du grec et du latin.“21

5 Das Französische findet beim Aufrücken in die höheren Klassen und beim Abitur nicht die gebührende Berücksichtigung, was gewissermaßen von der Unterrichtsbehörde vorgezeichnet ist:

Dans les gymnases la langue française exerce bien peu d’influence sur la promotion.22 Aussi arrive-t-il souvent que les deux premières classes, la première surtout, traitent avec négligence une étude de peu d’utilité dans les grands examens (Abiturienten-Examen).23

1 Der Lehrer, und das ist der Hauptpunkt, ist für das Fach methodisch nicht hinlänglich ausgebildet und sein Unterricht zu grammatiklastig:

[…] le point capital serait de perfectionner les études des maîtres […]. On est frappé des recherches dont la langue française est l’objet en Allemagne; les grammairiens allemands ont éclairé cette partie de la science de traits de lumière que souvent on chercherait en vain chez les grammairiens français. Sous ce rapport bien des instituteurs laissent peu de chose à désirer pour la précision et la solidité du savoir. Quelques-uns ont vécu en France ou en Belgique, mais, à part la grammaire, la plupart des autres ne se sont pas familiarisés avec la langue, ils ne s’en servent pas avec quelque aisance; des erreurs, des locutions et des constructions incorrectes se glissent dans leur enseignement.24

Deshalb schlägt Monnard eine Reform der Lehrerbildung in drei Punkten vor:

1 La création d’un séminaire français.25

2 Des bourses pour faciliter aux élèves du séminaire un séjour en France serviraient à compléter leur instruction.26

3 Les maîtres, pour la plupart sans contact avec des Français et surtout des Français lettrés, réduits à lire la langue des livres sans entendre la langue vivante et sans consulter personne, auraient besoin d’un moyen pour conserver les bonnes habitudes. […]. Un cours de répétition de quelques semaines, organisé au séminaire pour les instituteurs, remplirait le but.27

Der Gymnasiallehrer Karl August Mayer reagiert ein Jahr später auf Monnards Kritik und fordert in der Programmschrift zum Osterexamen für die unteren Klassen eine „naturgemäße“ Anordnung des Unterrichtsstoffs, für die oberen allerdings eine vorzugsweise wissenschaftliche Behandlung.28

Mayer kritisiert, dass die Fabrikanten seiner Stadt ihre Söhne auf ein Gymnasium schickten, „obgleich es dort an einer wohlorganisirten, auf den Principien allgemeiner Bildung ruhenden Realschule nicht fehlte“. Und das, obwohl die Schüler

nichts Anderes beabsichtigten, als in das Geschäft der Väter einzutreten, die gelehrte Schule zu absolviren, und erst mit dem Abiturientenzeugniß in der Tasche arbeiteten sie in neueren Sprachen und mathematischen Fächern dasjenige nach, was die Realschule vor dem Gymnasium voraus hat, eine Aufgabe, welche bei der tiefer gehenden Bildung, die sie bereits gewonnen hatten, weniger Zeit als man denken konnte, in Anspruch nahm.29

Für Mayer sind die modernen Fremdsprachen „eigentlich die Hebel der Bildung“ und „besonders geeignet, die geistige Kraft der Jugend zu wecken.“30 Er bedauert, dass das Französische am Gymnasium eine untergeordnete Rolle im Vergleich zur höheren Bürger- und der höheren Töchterschule spielt. Deshalb setzt er sich wie Monnard für den Erhalt und den Ausbau des Französischen auch an Gymnasien ein und widerspricht seinem Kollegen, dem „Director des französischen und englischen Instituts zu Leipzig“ und „ordentlichem Lehrer an der ersten Bürgerschule“ Ernst Hauschild31, der „als ein gewandter Vertheidiger der neuern Sprachen contra Griechisch und Latein auftritt […] [und trotzdem] entschieden das Französische dem Privatfleiß des Gymnasiasten überlassen [will]“ mit der rhetorischen Frage:

Wäre es deshalb nicht besser, die französische Sprache resolut auf dem Lektionsplane des Gymnasiums zu streichen und einen frischen Hieb in den Baum zu thun, auf den halbverdorrten Zweig, der dem sonst gesunden Stamme doch zur Unzier und zum Schaden gereicht?32

Im Gegensatz zu Hauschild kämpft Mayer für den Verbleib und die Aufwertung des Französischen am Gymnasium:

Verbannt man das Französische von der Gelehrtenschule, so wird vielleicht das Gymnasium gewinnen, schwerlich aber der zu bildende Schüler. Denn die Kenntniß der französischen Sprache ist noch immer für die modernen Kulturvölker zu wichtig, als daß es dem Zufall überlassen werden dürfte, ob von unsern Schülern gerade diejenigen, welche vorzugsweise eine wissenschaftliche Bildung anstreben, sich damit befassen wollen oder nicht.33

Außerdem fordert Mayer das Singen von Liedern und Sprechübungen, da erst dadurch die Sprache lebendig werde und deren Hauptvorzüge zu Tage treten. Er schlägt deshalb eine Zusammenarbeit mit dem Gesangslehrer vor. Dadurch wird der Fokus auf die mündliche Interpretation der Sprache und die Aussprache gelegt:

Ich würde es im Interesse des französischen Unterrichts auch gerne sehn, wenn der Gesangslehrer hin und wieder den Schülern ein französisches Liedchen, etwa eine Chanson von Béranger – wär’ es auch nur eine im Jahr – einübte, vorausgesetzt, daß er sich dazu qualificierte. Eine Chanson will, wie das Lied im engeren Sinne des Wortes überhaupt, gesungen sein, um verstanden zu werden, und nirgens wird eine reine Aussprache strenger gefordert als beim Gesange.34

In den „beiden oberen Klassen soll der Unterricht grösstenteils in der Fremdsprache durchgeführt werden.“35 Bei der Lektürebehandlung empfiehlt Karl August Mayer auch diejenigen

 

Dichtungsarten, wo die Poesie an das Gebiet der Prosa streift, z. B. im Lustspiele, im Epigramm, der Satire und Chanson, wo sich alle Seiten des französischen Nationalcharakters in ihrem vollen Glanze entfalten. Hier zeigt sich ihre scharfe Beobachtungsgabe, ihre Durchdringung und Darstellung menschlicher Verhältnisse, ihre fröhliche Laune, ihr schneidender Witz und brennender Spott, ihre Feinheit, das Lächerliche an Menschen, Sitten, Gewohnheiten, Lagen und Zuständen herauszufinden und meisterhaft darzustellen. Am fleißigsten und glücklichsten ist die Chanson von den Franzosen bearbeitet worden, sie ist wahrhaft populär und reflektiert den Nationalcharakter. Vom dreizehnten bis zum sechzehnten Jahrhundert ist sie fröhlich und heiter; seitdem hat sie, wie das Vaudeville, eine satirisch-historische Farbe angenommen. Die Chanson enthält eine Geschichte und ein Sittengemälde Frankreichs.36

In Mayers panorama diachronique zeigen sich schon in nucleo Ansätze und Elemente der Kulturkunde avant la lettre! An Mayers ausführliche, klassisch-literarische Analyse der Textsorte Chanson knüpft Gustav Thurau37 in seiner Dissertation Beiträge zur Geschichte und Charakteristik des Refrains in der französischen Chanson an. Thurau wird im späteren Methodenstreit im Rahmen der neusprachlichen Reformbewegung eine tragende Rolle auf Seiten der Gegner der Reform einnehmen. Als Mitherausgeber der (reformkritischen) Zeitschrift für französischen und englischen Unterricht formulierte er seine Kritik an den Reformern unter anderem auch am Beispiel des Liedeinsatzes im Französischunterricht.38